SchwWwälöer Tageszeitung
Uus den Tannen
Jernfprechev
Amtsblatt für dm Dberamtsbezirk Nagold und Altensteig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, rlalw u. Freudenstadt
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Altrustrig, Donnerstag Le« 18. November
1926
KontroLkomödie i
Paris und Berlin erklären, daß sie ernsten Willens seien, s die noch schwebenden Differenzen über die deutsche Entwaff- s «ung, die zwischen der Votschafterkonferenz und der Reichs- ! regierung schweben, sobald wie möglich beizulegen. Der so- j »ialistische Brüsseler „Peuple" aber, das Blatt des belgischen j Außenministers Vandervelde erklärt, es sei nicht wahr- i sscheinlich, daß die Dinge bis zum Beginn der Ratstagung - erledigt seien. Wie reimt sich das zusammen? Wir können > picht umhin, anzunehmen, daß hier zwischen den Alliierten ! em abgekartetes Spiel getrieben wird, durch das Deutschland s jm der Frage der Militärkontrolle in eine ungünstige Po- ? Don gebracht werden soll.
Faktisch bedeutet die interalliierte Militärkontrollkommis- n in Deutschland schon seit geraumer Zeit nichts mehr, i it die Reichswehr auf hunderttausend Mann reduziert ! wurde, seit das Reich 99,9 Prozent aller aus dem Kriege i -loch vorhandenen Waffenbestände erfaßt und vernichtet hat, j seit die Polizei in ihrer Bewaffnung und Ausbildung, in j ihrem Dienstreglement und ihrer Bekleidung den Forde- j langen des Versailler Diktats und des Londoner Ultima- : tums entspricht, seit endlich feststeht, daß zwischen der Reichs- l wehr und den angeblichen Wehrverbänden keine illegalen ! Bande geknüpft sind, seitdem haben die Kontrollorgane der . Entente keinen Platz mehr im Reich, und die Botschafter- : konserenz hat dem auch, wenn auch zögernd, dadurch Rech- ' nung getragen, daß sie die vielen Nebenstellen in Königs- s berg, München usw. aufgelöst hat. Es wird aber immer ; offensichtlicher, daß die Alliierten und vor allem Frankreich s politische Ziele mit dieser überflüssigen Kommission verfol- i gen. Man kalkuliert wohl etwa so: Für Deutschland ist die s Beseitigung der entwürdigenden Militärkontrolle gewisser- i maßen ein Ehrenpunkt, und das Reich wird bereit sein, hierfür einen verhältnismäßig hohen Preis zu zahlen, ohne I doch eine andere Gegenleistung als eben die Aufhebung des ? Kontrollsystems erwarten zu können. Bis vor Verhältnis- s mäßig kurzer Zeit war nun noch nicht klar ersichtlich, welchen s Preis wir eigentlich zahlen sollten. Die Verhandlungen nur- z den nur immer und immer wieder hinausgezögert, und die i votschafterkonferenz klammerte sich an die lächerlichsten ! Punkte, um überhaupt noch Einwendungen erheben zu kön- i neu. Auch jetzt wieder sind als lächerlicher Rest übrig geblieben die Fragen der Königsberger Befestigung und der sogenannten Verbände.
Da abe-- in.drei Wochen der Völkerbundsrat zusammen- tieten soll, haben nunmehr die Alliierten doch aus ihrer Verborgenheit heraustreten und erkennen lassen müssen, ms sie von Deutschland fordern. Nach allen Mitteilungen, die darüber vorliegen, scheint das nicht mehr und nicht weniger zu sein, als daß Deutschland eine Auslegung des bekannten Jnvestigationsprotokolls anerkennen soll, wonach der Mkerbund Las Recht hat, in Deutschland ständige Kontrollorgane zu unterhalten, was praktisch nichts anderes bedeuten würde, als daß die französische Generalität sich in den deutsche.. Garnisonstädten weiter wie bisher breikmachen kann. Denn Frankreich als die führende Militärmacht des Völkerbundes würde selbstverständlich auch das Eros der Offiziere stellen, die der Völkerbund für eine solche Aufgabe benötigte. Man würde damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einmal hätte man die Möglichkeit, Deutschland bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit in der kümmerlichsten Weise zu schikanieren, und zum zweiten würde dadurch ganz ohne Frage am wirksamsten verhindert, daß das deutsche Prestige weiter in dem jetzigen Tempo zunimmt. Tatsächlich erfreut sich ja Deutschland, wie objektiv festgestellt werden kann, als einzige Großmacht, die keinerlei machtpolitische Ambitionen hat, seit seinem Eintritt in den Völkerbund wachsenden Ansehens. Wenn wir nun als Mitglied des Bundes und des Rats eine ständige Kontrolle unserer inneren Bewegungsfreiheit Hinnahmen, dann ist unschwer vor- auszusehen, daß dieses Prestige einen für unsere Gesamtpolitik nicht unerheblichen Schaden leiden muß. Die Auslassungen des offiziösen Brüsseler Organs lassen leider darüber keinen Zweifel, daß die belgische Politik bereits in r großem Umfange in das Fahrwasser Poincares geraten ist, ! bsr sich selbst bei derartigen Anlässen nicht gern exponiert, vielmehr seine Ideen von anderen vertreten läßt, solange vifht absolut feststeht, daß ihnen der Erfolg sicher ist Hier heißt es für die verantwortlichen Leiter der deutschen Politik aufmerksam sein. Wenn es in der kurzen Spanne Zeit, die uns noch von dem Beginn der Ratstagung trennt, nicht gelingt, eine Auslegung des Jnvestigationsprotokolls zu erlichen, die den berechtigten deutschen Interessen entspricht, bann tut unseres Erachtens der Reichsaußenminister besser, lbenn er seine bisherige Absicht, das Reich gut her Rats
tagung in Genf persönlich zu vertieren, mcyr Durchführt, sondern einen Nachgeordneten Beamten damit beauftragt. Das Ansehen des Deutschen Reiches wird durch die Person seines Außenministers zu sehr engagiert, als daß man es einem möglichen Mißerfolg aussetzen dürfte.
Das Problem der Mehrheilsbildung
/ Man schreibt uns:
' Seitdem der Reichstag am vergangenen Samstag für Wenige Tage seine Arbeit unterbrochen hat, kursieren in der Reichshauptstadt allerlei Gerüchte, die ihren Niederschlag in gewissen Presseorganen gefunden haben. Dabei läßt sich das Bestreben der Urheber derartiger Gerüchte deutlich erkennen, eine gewisse Unklarheit der Verhältnisse zu schaffen, damit die Leute im Lande nicht merken sollen, was hinter den Kulissen vorgeht. So verhält es sich insbesondere mit den Meldungen, daß der Fraktionsvorsitzende der Deutschen Volkspartei im Reichstag, Abg. Di. Scholz, behauptet haben soll, die Abmachungen der vergangenen Woche mit den Sozialdemokraten würden in keiner Weise ausschließen, daß di« Regierung auch nach den Deutschnationalen hin Fühlung nimmt. Wir verstehen nicht, warum man sich im Lager der Linken über diese angebliche Aeußerung des Abg. Dr. Scholz so sehr aufregt. Glücklich ist die Formulierung des Frak-- tionsvorsitzenden der Deutschen Volkspartei sicher «icht gd- wesen. Was er aber zum Ausdruck bringen wollte, war doch nur dies eine: Die Regierung der Mitte hat kein fertiges Koalitionsbündnis mit den Sozialdemokraten abgeschlossen. Dr. Scholz wollte seinerseits vom Standpunkt der Deutschen Volkspartei die Tatsache der „Verständigung von Fall zu Fall" mit Sen Sozialdemokraten unterstreichen. Daß er dazu auf seine alte Terminologie zurückgriff, darf niemand wundernehmen, der Herrn Dr. Scholz um seine Einstellung kennt. So sehr verständlich uns auch das Verhalten des Fraktionsvorsitzenden der Deutschen Volkspartei zu sein scheint, so wenig unerwartet kommt der neueste Vorstoß der Sozialdemokratie, die natürlich aus der Stellungnahme des Herrn Scholz der Mitte im allgemeinen und der Deutschen Volkspartei im besonderen einen Strick zu drehen versucht. Ma» operiert auf sozialdemokratischer Seite wieder mit dem Vorwurf der Unehrlichkeit gegen die Mitte. Man verlangt eine ganz eindeutige Erklärung, ob es bei dem bleiben soll, was in der vergangenen Woche zwischen den Parteien der Mitte und den Sozialdemokraten verabredet worden ist oder aber ob man nebenher auch noch mit den Deutschnationalen die Tuchfühlung aufrechterhalten will. Mit einer derartigen Alternative nehmen die Sozialdemokraten trotz der auch von ihnen anerkannten Abmachungen den Vorstoß der Deutschnationalen auf, indem sie verlangen, daß die Mitte sich nunmehr für die Rechte oder für die Linke entscheide. Der Wiederzusammentritt des Reichstages kann unter diesen Umständen recht unerfreulich werden, zumal ja „unverbindliche Besprechungen" in der laufenden Woche bald zeigen werden, wohin die Reise geht, zur Mehrheitsregierung oder ziv Reichstagsauflösung und zu Neuwahlen.
Das Programm Dorpmüllers
Bei einem Empfang von Vertretern der Berliner Presse hielt Generaldirektor Dr. Dorpmüller eine Rede, in der er zu den Hauptfragen, die die Reichsbahn betreffen, Stellung nahm. Zur Frage der Tarifgestaltung wies Dorpmüller darauf hin, daß eine schematische Neuordnung der Normalgütertarife eingeleitet sei. Er werde stets den Wünschen der Wirtschaft entgegenkommen, wie dies in der letzten Zeit durch Frachterleichterungen geschehen sei. Oberstes Gesetz müsse für uns immer die geregelte Finanzverwaltung bleiben. An der Güte der deutschen Reichsbahnobligationen sei bisher kein Zweifel geäußert worden. Das Geschäftsjahr 1925 sei ein Schonjahr gewesen. Die Reparationszahlungen betrugen nur 400 Millionen Mark. Von den zur Entlastung des Jahres 1926 vorgetragenen 153 Millionen wurden in der ersten Hälfte des Jahres 100 Millionen und mehr in Anspruch genommen, bis uns der englische Kohlenarüeiterstreik wieder eine Entlastung brachte. Die finanzielle Auswirkung, dieses Streiks für die Reichsbahn schätze ich für 1926 auf etwa 100 Millionen, aber mit solchen erhöhten Einnahmen, wie 1926, wage ich für die folgenden Jahre nicht zu rechnen. Dazu kommt daß die Zinszahlungen für die Obligationen und die zurückzustellende Ausgleichsrücklage steigen. Nimmt man hierzu die Dividende der für die Reparationslast der Eisenbahn übergebenen Vorzugsaktien und die von der Reichsbahn zu erhebende Verkehrssteuer, so erwarten uns folgende Lasten, und zwar für 1926 975 Millionen, für 1927 1 Milliarde Mark. Die Ruhegehälter sind von 114 Millionen vor dem Kriege auf 409 Millionen im Jahre 1926 gestiegen. Unsere sachlichen Ausgaben für Kohle find um 50 bis 60 Prozent gestiegen, die Kosten kür k
Kilometer Eleisneubau um 65 Prozent. Jm Jahre 1913 entfielen auf 100 Reichsmark Betriebseinnahmen nur 72,12 Reichsmark Betriebsausgaben: heute sind sie auf 83,68 Reichsmark gestiegen. Erhaltung und Erhöhung der Betriebssicherheit verbieten auf diesem Gebiet ein Sparen. Die Folge der beklagenswerten Periode von Unglücksfällen habe ich zur Veranlassung genommen, durch besondere Kommissionen den Oberbau, den Sicherheitsdienst, den Fahrdienst und die Beanspruchung des Personals nachprüfen zu lassen. Als vorläufiges Ergebnis kann ich feststellen, daß von einer Gefährdung der Betriebssicherheit keine Rede sein kann. Unsere Pflicht ist es, dafür zu sorgen, daß keine Ueberbürdung des Personals eintritt. Was den Oberbau betrifft, so betreibe ich die Durchführung des Umbaues so, daß wir wieder auf den Friedensstand kommen. Die Sicherungsein- j richtungen der Reichsbahn werden dauernd entsprechend der ? fortschreitenden Technik vervollpommnet. Der Hilfsdienst bei s Unglücksfällen wird durchgreifend und beschleunigt verbessert s werden. Das Personal soll in der Höhe seines Lohnes nicht ; schlechter stehen als vergleichbare Arbeitnehmer in der privaten I Wirtschaft. Den Beamten der Reichsbahn soll das Berufsbeam- ! etntum gewährleistet sein. Was den Konkurrenzverkehr betrifft, j so beabsichtigen wir, mit Kraftwagen und Flugzeug zusammen- : zugehen und die Zusammenarbeit der verschiedenen Verkehrsmittel mit uns zu organisieren. Wir wenden uns gegen den Bau von Kanälen, wenn wir diesen Verkehr mit unseren Eisenbahnanlagen ebenso billig und wirtschaftlich bewältigen können, wie z. B. gegen den Hansa-Kanal, den Aachen-Rhein-Kanal. Mit meiner Stellung gegen den Bau dieser Kanäle will ich mich nicht gegen das Arbeitsbeschaffungsprogramm wenden. Wenn die Ausgaben und Einnahmen der Reichsbahn nicht durch die Einwirkungen von außen gestört werden, werden wir im Jahre 1926 mit geordneten Finrmrverhältnissen abschlieben. Da der englische Bergarbeiterstreik sich noch mindestens bis in die Hälfte des nächsten Jahres günstig auswirken wird, hoffe ich auch für 1927 auf einen annehmbaren Abschluß. Hebt sich künftig die Wirtschaft, so verbessert,sich, auch unsere Lage.
! Discount d'Abernon über die Stabilisierung ! der deutschen Währung
« London, 16. Nov. Lord d'Abernon widmete in z seiner heutigen Eröffnungsansprache als Präsident der i Königlichen statistischen Gesellschaft dem Thema der deut- s scheu Währung und der Erholung Deutschlands besondere ! Worte. Er erklärte u. a., Deutschland mache heute einen ! bemerkenswerten Fortschritt in Richtung seiner finanziel- ! len Erholung. Die deutsche Währung sei fest begründet, .! das Budget ausgeglichen, und während die Finanzwelt in j Deutschland noch nicht prosperiere, arbeite sie in Richtung
- auf die Wohlfahrt hin. Während im Jahre 1923 Strese- s mann durch besondere Gesetzgebung die Macht erhalten
- habe, Dr. Luther mit einer diktatorischen Gewalt auszu- j statten, seien die Maßnahmen für finanzielle Reform in
großem Maße auf die Vorschläge des Prof. Keynes, der mit Prof. Cassel zusammenwirkte und für die „Rentenmark" eingetreten sei, zurückzufllhren. Neben diesen sei Deutschland Dr. Luther und dem Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht große Anerkennung schuldig für die ausdauernde Art, in der diese ihre Absichten ausführten und die Stabilität herstellten. Eine der interessantesten Tatsachen bezüglich der Inflation sei, daß, während der Staat sozusagen in seiner Staatsschuld in Verzug geriet und während der Eesamtverlust für die öffentlichen und privaten Gläubiger nicht weniger als 10 Milliarden Pfund Sterling betrage, dies nicht die Wirkung gehabt habe, den Sparsinn i zu vermindern. Es werde jetzt aus allen Teilen Deutsch- t lands berichtet, daß der Wunsch, Geld beiseite zu legen und > es auf die Sparkassen zu bringen, größer sei als vor dem Kriege. Die Furcht, daß der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht Nachkommen könnte, werde beseitigt durch die Erwägung, daß er nicht viel zurückzuzahlen brauche, da er alle seine früheren Schulden getilgt hat. Eine der gefährlichsten Irrlehren bezüglich der Auslandswährung fei die Annahme, daß sie fundamental von der Handelsbilanz Abhänge. Diese Ansicht, die zu vielen Jrrtümern habe, sei tatsächlich für die Finanzpolitik von Länder!., >?ie sich in Währungsschwierigkeiten befinden, katastrophal gewesen. Zn Deutschland habe der Glaubet an diese Theorie wahrscheinlich die Stabilisierung fast zwei Jahre verzögert. d'Abernon erklärte, das deutsche Beispiel zeige, daß es notwendig sei, einen endgültig festgesetzten und unveränderlichen Währungsstand anzunehmen, der durch eine nationale Bank oder eine andere Organisation aufrechterhalten wird, die mit genügenden Fonds versehen ist: es zeige ferner die Notwendigkeit einer neuen Form ^r Währung, die die alte in Mißkredit gebrachte ersetze, da das öffentliche Vertrauen leichter einer neuen Ausgabe gewährt wird, als einer bereits in Mißkredit gebrachten.