Schwarzwälöer Tageszeitung
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Amtsblatt für dsn Dberamtsbezirk Nagold und Altensteig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Calw u Freudenstadt
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ALteMeig, Montag drn 2Z. Oktober
IS26
Sie Wahle« w Sachsen i
Man schreibt uns: !
Der letzte Oktobersonntag wird dem Freistaat Sachsen ^ einen neuen Landtag bescheren. An und für sich wäre das s nun kein Ereignis, das die besondere Aufmerksamkeit innen- ^ politisch stark interessierter Kreise wachrufen müßte. Sach- ^ sens Landtagswahlen sind in diesem Falle aber von symp- s tomatischer Bedeutung. Da in den letzten Wochen soviel ^ von der Regierungsfrage im Reich und in Preußen gesprochen und geschrieben wurde, erscheint es zweckmäßig, die Ver- ' Wtnisse in Sachsen einer kurzen Betrachtung zu unterzie- > hen. Der sächsische Freistaat ist das einzige deutsche Land, f wo es möglich war, innerhalb der sozialdemokratischen Par- f tei die Spreu vom Weizen zu scheiden und dann eine s aktionsfähige Regierung zu bilden, die unter Einschluß der ^ gemäßigten Sozialdemokraten Billigung auch in sehr weit.l o rechtsstehenden Kreisen der Bevölkerung fand. Freilich ist i diese Entwicklung nicht ohne schwere Erschütterungen vor ^ fich gegangen. Aber der Erfolg hat auf der anderen Seite H in mehr als einer Beziehung gelohnt. Es gelang in Sachsen Z die verhängnisvollen Auswirkungen des Systems Zeigner j völlig aus der Welt zu schaffen. Das Kabinett Heldt leistete i beachtenswerte Arbeit. Die Wahlen werden nunmehr den i Beweis dafür liefern müssen, ob das sächsische Volk den ? Wert diesr Arbeit richtig einzuschätzen imstande ist. Auch z insofern haben die Landtagswahlen in Sachsen ihre Vedeu- ^ tung weit über die Grenzen Sachsens hinaus. Es wird sich j zeigen müssen, ob die Radikalkur innerhalb der sozialdemo- s kretischen Partei ein positives Ergebnis haben soll. Vor- z , läufig ist man zum Teil noch recht pessimistisch eingestellt. ^ Die gemäßigten Sozialdemokraten verfügen nur über ein j einziges Parteiorgan und die Mehrzahl der Eewerkschafts- r funktionäre. Der Kampf ist unter diesen Umständen für sie j außerordentlich hart. Zm Interesse des Bürgertums liegt s es allerdings, daß die sogenannte alte sozialdemokratische - Partei so aus dem Wahlakt hervorgeht, daß sie für eine s Regierungsbildung auch praktisch in Frage kommt. Eine ! rein bürgerliche Regierung wäre gerade wegen des starken ! radikalen Flügels auf der Linken nicht erstrebenswert, weil t sie den Einfluß und das Wachstum der Radikalen nur ver- k mehren würde. ^
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Eine Me M Tirpitz
Stuttgart, 22. Okt. Als Auftakt zu dem Parteitag der Deutschnationalen Volksvartei Württembergs fand in der Liederballe eine öffentliche Versammlung statt, in der Tirpitz sprach. Von swbem Beifall begrüßt, betrat dann Großadmiral von Tirpitz E seinem charakteristischen weißen Bart, das Rednerpult und Mrte u. a. aus: Die wichtigste politische Tatsache von beute ist der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund. Wir Deutschnationale sind keineswegs grundsätzlich Gegner eines wirklichen Völkerbunds. Wir waren nur Gegner der falschen Einschätzung, der me Genfer Einrichtung in Deutschland vielfach begegnet ist und ver politischen Metbode, mit der wir uns um den Anschluß bemühten. Es wäre Aufgabe der Diplomatie gewesen, sich nicht «i schönen Worten zu berubigen, sondern sich vor dem Eintritt Miftliche Zusicherungen einer wirklichen Umgestaltung des Bundes geben zu lasten. Heute, da wir vor vollzogenen Tatsachen sieben, ist es für jeden vaterländisch gesinnten Deutschen -Pflicht, das beste aus der heutigen Lage berauszubolen. Die Besprechungen von Tboiry sind im Prinzip ein erfreulicher Vorsang. Schlimme Erfahrungen der letzten Jahre mahnen aller- mngs zur Vorsicht, damit wir nicht zu hohe Preise zahlen für Dinge, auf die wir nach Locarno ein moralisches Recht haben und die uns in einigen Jahren nach dem Versailler Vertrag ohnedies zufallen müssen. Die politischen Aufgaben der Zukunft können nur dann befriedigt gelöst werden, wenn ein größerer Zusammenschluß der vaterländisch Gesinnten über alle Parteiunterschiede weg erfolgt. Ein Volk -n unserer Lage darf uw zufrieden sein mit kleinen außenpolitischen Erfolgen und daher ours auch eine große Rechtspartei über eine sehr relative Anerkennung solcher Erfolge nicht binausgeben. Dieses grundsätzliche Pichtdefriedigtsein der Rechten bat nichts zu tun mit der Frage «er persönlichen Anerkenung des leitenden Außenpolitikers. Es Am kn Wahrheit gegenüber der amtlichen Politik eine durchaus ^Wche, realpolitische und zugleich machtvolitische Kritik, die Akch da, wo sie einmal einen scharfen Ausdruck findet, für die er- iA^keiche Führung der Außenpolitik wertvoll, ja unentbehrlich n- Unsere Aufgabe wird es sein, im heutigen Staat einer Le- > »neuen, die Wirklichkeit nicht überfliegenden Haltung nach
neu und einer konservativ-sozialen, nicht reaktionären Staats- -^"klung im Innern zum Durchbruch verhelfen. Nach dem leb- R»-n ^lfall sprach Abg. Wallraf-Köln und Staatspräsident h; mdl? Deutschnationale Volkspartei keinen Wert auf A» .^nchterstattung zu legen scheint, verzichten wir auf die Ausführungen dieser Redner.
Admiral v. Müller über Tirpitz.
Der ehemalige Cbef des kaiserlichen Marinekabinetts Admiral a. D. v. Müller antwortet in der „Germania" mit einem Artikel auf die Angriffe Tirpitz in seinem neuen Buch. Unter anderem erfährt man daraus, daß Herr v. Tirpitz dem Kaiser eingeredet batte, „er brauche kein Oberkommando, sondern könne selbst die Marine kommandieren". Dann sagte der ehemalige Chef des Marinekabinetts:
„Wenn in der Marine, die sich ja den Krieg ganz anders gedacht hatte, als wie er sich tatsächlich anließ, schon bald nach seinem Ausbruche ein Ruf nach dem starken Manne Tirpitz ein- jetzte, so ist das schwerlich ohne Zutun des Großadmirals selbst geschehen, der es immer ausgezeichnet verstanden bat, auf die öffentliche Meinung einzuwirken. Es wurde bei den zum Teil leidenschaftlichen Meinungsäußerungen sehr dezent darüber hinweggegangen, daß Tirpitz seit langen Jahren der Praxis der Flottenführung gänzlich entfremdet, und daß er ein seinem Lebensalter gemäß körperlich recht verbrauchter Mann war. Bekanntlich habe ich vor dem Kriege Tirpitz dienstlich, aber auch menschlich nahegestanden. Dienstlich bin ich ihm stets bis zur äußersten Grenze meines politischen Gewissens entgegengekommen, menschlich, soweit es das sich immer steigernde Selbstbewußtsein des Großadmirals gestattete. In der Marine wurde mir geradezu der Vorwurf gemacht, ich ginge mit Tirpitz durch dick und dünn. Daß ich als Kabinettschef für ihn und seine Sache gearbeitet habe, hat Tirpitz noch in einem Briefe an mich vom 4. März 1914 betreffend die weitere Ausführung des Flottengesetzes anerkannt, wo es zum Schlüsse heißt: „Helfen Sie, meine verehrte Exzellenz, in dem vorstehend von mir skizzierten Sinne, und Sie leisten der Entwicklung unserer Marine von neuem einen groben Dienst."
Ausgerechnet diesen Schlußsatz hat Tirpitz freilich in seinem ersten Dokumentenbande „Der Aufbau der Deutschen Weltmacht", wo er den ganzen Brief zum Abdruck bringt, ausgelassen und statt dessen in den Zwischentcxt eine Betrachtung über meine persönliche Unzulänglichkeit als Kabinettschef ausgenommen oder aufnebmen lassen. Im Interesse des Vaterlandes lag aber in erster Linie die Aufrechterhaltung der Autorität der Reichsregierung. Die Untergrabung dieser Autorität, die sich, ganz im Tir- vitzschen Geiste, durch die Entfernung des Reichskanzlers von Betbmann-Hollweg von seinem Amte, im Sommer 1917, fast bis zur Vernichtung steigerte, war der entscheidende Schritt in der wirklichen Obnmachtspolitik im Weltkriege. Will man überhaupt gelten lassen, daß das irregeleitete Volk schließlich der Wehrmacht zu Lande und zu Wasser den Dolch in den Rücken gestoben habe, so muß man sagen, daß der Dolch durch die Untergrabung der Autorität der Reichsregierung, an der Tirpitz mitschuldig war, Geschärft worden ist. Insofern ist der Titel des Tirpitzschen Buches „DieOhnmachtspolitikimWeltkriege" vollkommen verfehlt."
Neues vom Tage
Amtsantritt des neuen Chefs der Heeresleitung
Berlin, 23. Okt. Der neue Chef der Heeresleitung, Generalleutnant Heye, wird am Montag, 23. Oktober, die Amtsgeschiifte als Nachfolger des Generalobersten von Seeckt übernehmen.
Königsberg, 23. Okt. Zu Ehren des Chefs der Heeresleitung, Generalleutnants Heye, fand in der Königshalle ein Abschiedsabend statt, an dem Vertreter der Reichs- und Staatsbehörden Ostpreußens, der Stadt Königsberg, der Universität, der ostpreußischen Wirtschaft und der Presse teilnahmen. Generalleutnant Heye"dankte für die anerkennenden Worte. Zn ehrenden Worten gedachte er dann der Tätigkeit des Generalobersten von Seeckt, dessen Abschied ihn mit aufrichtiger Trauer erfülle. Die Reichswehr werde seinem Schöpfer die Treue halten. Er werde auch in seinem neuen Amte sich dafür einsetzen, daß der besonderen Lage Ostpreußens Rechnung getragen werde.
Deutsche Stellungnahme zu einer Rückkehr des ehemaligen
Kaisers
London, 24. Okt. In Zusammenhang mit den kürzlichen Meldungen über eine mögliche Rückkehr des ehemaligen Kaisers nach Deutschland wurde der Reuterberichterstatter in Berlin gestern abend zuverlässig dahin unterrichtet, daß der frühere Kaiser bisher noch kein Gesuch an die deutsche Regierung gerichtet habe, nach Deutschland zurückkehren zu dürfen. Ein solches Gesuch würd von der deutschen Regierung ablehnend beantwortet werden. Die deutsche Regierung sei fest entschlossen, dem früheren Kaiser keines- die Erlaubnis zur Rückkehr zu geben, weil seine Rückkehr Unruhe unter einem großen Teil der Bevölkerung Hervorrufen und auch verhängnisvollen Einfluß auf die öffentliche Meinung im Auslande haben würde. Vor Ablauf des Gesetzes zum Schutze der Republik im nächsten Juli werde die Regierung weitere Schritte tun, um die Stellung des ehemaligen Kaisers endgültig festzulegen.
k Die neu« Regierung in Danzig gebildet
! Berlin, 23. Okt. Nach einer Meldung aus Danzig hat die ! fast genau drei Wochen andauernde Regierungskrise am ^ Freitag abend ihr Ende gefunden. Die neuen Koalitions- -- Parteien, deutschnationale, Zentrums-, liberale und Beamtenpartei, haben sich auf eine Liste von 14 Senatoren ver- einigt, die am Mittwoch durch Wahl vom Volkstag bestä- j tiat werden soll.
! „Exzelsior" über den kerndeutschen Charakter von s Saarbrücken
! Paris, 24. Okt. Der Sonderberichterstatter des „Ex- i zelsior" hat in Saarbrücken eine Enquete veranstaltet, de- ren Ergebnis er in folgenden Worten zusammenfaßt: Ist S es nicht bezeichnend, daß alle Versuche der französischen : Durchdringungsarbeit in einer Stadt, in der die Franzosen sich seit acht Jahren niedergelassen haben, so von Grund i auf gescheitert sind? Nur in der französischen Zeitungsver- ! triebsstelle von Hachette sind französische Bücher und fran- f zösische Zeitungen zu haben. Wenn man in dieser Stadt
- von 126 000 Einwohnern, unter denen sich, wie erklärt : wird, einige Tausend Franzosen befinden, spazieren geht, ^ wird man nirgends Spuren ihrer Anwesenheit finden. , Vielleicht bin ich, so erklärt der Korrespondent, allzu kate- ! gorisch, denn ich habe immerhin ein Kaffeeehaus gefunden, ^ das den Titel „Cafe de France" führt, wo man aber r reichlich hochdeutsch spricht» und ferner einige Zweigstellen s elsässischer Banken. In Wirklichkeit müßte man bösen ! Willen an den Tag legen, wenn man nicht anerkennen s wollte, daß Saarbrücken eine kerndeutsche s Stadt i st.
- Beschlüsse des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei
der ll. S. S. R.
r Moskau, 23. Okt. Das Zentralkomitee und die Zen- : tralkommission der Kommunistischen Partei der U. S. S. R. i nahmen heute eine Entschließung an, in der den Mitglie- s dein des Zentralkomitees Trotzki, Smowjew, Kamenew, ? Jewdokimow, Nokolnikoff und Smilga, sowie der Kandi- ! datin für einen Sitz im Zentralkomitee, Frau Nikolajewa, i ebenfalls ein Verweis erteilt wurde. Ferner wurde fest- : gestellt, daß eine weitere Tätigkeit Sinowjews im Komi- z tee der 3. Internationale unmöglich sei, da er nicht die r Richtlinien der Kommunistischen Partei der U. S. S. R. im ! Komitee der 3. Internationale vertrete und die deutsche, ? englische, französische, amerikanische und andere Sektionen z erklärt hätten, daß Sinowjew infolge seiner führenden s fraktionellen Tätigkeit im Komitee der 3. Internationale ? das Vertrauen der kommunistischen Parteien eingebllßt : habe. Außerdem wurde beschlossen, Trotzki von seinen ^ Pflichten als Mitglied des politischen Büros, Kamenew j von seinen Pflichten als Kandidat des politischen Büros ! in Anbetracht ihrer führenden fraktionellen Tätigkeit zu ! entheben.
^ Eine neue Flagge der Sowjetunion
! Paris, 24. Okt. Wie der „Chigako-Tribune" aus War- i schau gemeldet wird, hat die sowjetrussische Eesandschaft ge- s stern angekündigt, daß die Flagge der Sowjetunion nicht s mehr die rote Flagge mit Sichel und Hammer, sondern , eine rot-grüne Flagge mit goldner Umrandung und mit ^ Hammer und Sichel im Mittelfeld sein werde.
f Rykow über die russische Wirtschaftslage
Moskau, 24. Okt. Rykows Thesen zur Wirtschaftslage für die 13. Konferenz der Kommunistischen Partei, dis j vom politischen Büro des Zentralkomitees der Kommuni- r stischen Partei der U. S. S. R. gebilligt wurden, betonen, r daß die Industrie ihr Vorkriegsniveau erreicht habe und f daß die sowjet-russische Währung fest stabilisiert sei und ! unterstreichen den Ausbau eines inländischen Kredit- s systems.
! Die russische Unterstützung des englischen Berg- i arbeiterstreiks
f London, 24. Okt. Der Präsident der Bergarbeiterver- ! einigung, Smith, erklärte in einer Versammlung, daß von s je 16 Cents, die von der Vereinigung an die Bergarbeiter ! bis Ende September gezahlt wurden, 11,3 Cents von Ruß- ? land seien. Er habe keine Bedenken wegen der Annahme der russischen Gelder. Wenn die Sowjetregierung morgen j eine Million Pfund senden sollte, so würde er sie mit j Dank annehmen.