belgischen Heeresreste im Zustande völliger Auflösung' seien. 25 000 Mann sind noch vorhanden, doch läßt sich mit diesen Mannschaften nichts mehr unterneh­men. Es scheint, daß die französische Heeresleitung! den demoralisierenden Einfluß der Belgier auf die! eigenen Truppen befürchtet und sine strenge Schei­dung zwischen Franzosen und Belgiern vorgenommen hat. Mehrmals kamen in den letzten Tagen Meute-! reien vor. Nachts verließen die erschöpften Soldaten die Schützengräben und boten sich dem Feinde als Gefangene an. Ein Hauptmann, der seine Truppen zu einem Sturmangriff antrieb, wurde durch einen Bajonettstich in den Nacken getötet. Dem Könige Al­bert ist es unmöglich, den Mannschaften Mut zuzu- fprechen. Seine Besuche in den Laufgräben werden von den Offizieren sehr peinlich empfunden, weil jedermann weiß, daß die Anstrengungen des Königs erfolglos sind. Nach den entscheidenden Niederlagen die den Belgiern bei Rouleurs, Vjxschote. Rams- kapelle und Dixmuiden beigebracht worden sind, sam­meln sich die noch vorhandenen Kämpfer bei Zoone-! decke. Den französischen und englischen Truppen füllt. die Verteidigung der Linie Lombartzyde-Ppern zu.

Englands Augst vor der Invasion.

Haag, 15. Nov. DieTimes" schreiben, wie die Vossische Zeitung" berichtet: Die Stunde kommt, im der die deutsche Flotte, wahrscheinlich in Verbindung mit der Armee, zu einem verzweifelten Schlage gegen uns ausholen wird. Wir müssen bereit sein, und un­sere Radfahrertruppen (!) dürfen England nicht ver­laßen. Keine andere Truppe kennt so genau jeden Zentimeter des Landes, keine kennt so jede Tele-! graphenstation. Die ganze Kriegslage bleibt unklar, bis die deutsche Marine den Schlag geführt hat, den sie schon lange vorhat. Die Leute, die sich einreden, Deutschland habe nicht Truppen genug, um in Eng­land zu landen, sind fürwahr Optimisten! Viele Millionen Deutscher stehen unter den Waffen, lieber die verschiedene Qualität der englischen und der deut­schen Marine zu sprechen, ist Unsinn. Die Gegenwart hat gezeigt, was beide können, die Zukunft wird es weiter zeigen. Nur das muß man sich merken: von der Sicherheit der englischen Inseln hängt der Erfolg des Krieges ab. und deshalb ist ein Angriff auf uns eine dauernde Verlockung für Deutschland. Noch ein­mal: Es ist ein Irrtum, zu sagen, daß es für ein solches Unternehmen an deutschen Soldaten mangeln könnte.

Mailand, 15. Nov. Der Militärkritiker derTi­mes" und der Marinekritiker desDaily Ehronicle" drücken übereinstimmend die Meinung aus, daß ein deutscher Flottenangriff bevorstehe.Daily Chro- nicle" insbesondere meint, daß die Deutschen mit einer Flottenaktion einen siegreichen Frieden er­zwingen wollen. Die Manöver der deutschen Unter­seeboote im Aermelkanal und das Erscheinen der Kreuzer vor der englischen Küste hätten gezeigt, daß dieses Meer den Deutschen noch unverschlossen sei. Die englische Flotte ermutige wie zu Nelsons Zeiten die feindliche, auf der hohen See zu erscheinen. Re- pington wiederholt seine Behauptung. Deutschland werde eine Truppenlandung an Englands Küste ver­suchen. Englands Inseln seien der Schwerpunkt, wo sich das Geschick des Krieges entscheiden werde. Der Angriff auf die Küste bilde eine unwiderstehliche Ver­suchung.

Vom österreichischen Kriegsschauplatz.

Die Oesterreicher in Serbien.

(W.T.B.) Wien. 16. Nov. Vom südl. Kriegs­schauplatz wird amtlich vom 16. Nov. gemeldet: Auf dem südlichen Kriegsschauplatz haben unsere sieg­reichen Truppen durch ihre hartnäckige Verfolgung dem Gegner keine Zeit gelassen, sich in seinen zahl­reichen, speziell bei Valjevo seit Jahren vorbereite­ten befestigten Stellungen zu erneutem Widerstand zu gruppieren. Deshalb kam es auch gestern vor Valjevo nur zu Kämpfen mit feindlichen Nachhuten, die nach kurzem Widerstand unter Zurücklassung von Gefangenen geworfen wurden. Unsere Truppen er­reichten die Kolubara, besetzten Valjevo und Obre- novac. Der Empfang in Valjevo war charakteristisch. Zuerst Blumen, doch nur zur Täuschung; dann folg­ten ihnen unmittelbar Bomben und Gewehrfeuer.

W.T.B.) Wien, 16. Nov. Der Kriegskorrespon­dent derNeuen Freien Presse" meldet: Feldzeug­meister Potiorek stellte bekanntlich die Beendigung der Operationen im Süden für den Anfang des Win­ters in Aussicht. Die Ereignisse der beiden letzten Tage erlauben die Annahme, daß sich die Hoffnung Potioreks erfüllen wird. Unsere Offensive in Ser­bien schreitet sehr günstig fort. Der Feind zieht sich fluchtartig zurück. Die Entscheidung dürfte nahe be­vorstehen.

(W.T.B.) Wien, 16. Nov. Amtlich wird oer­lautbart am 16. Nov.: Feldzeugmeister Potiorek,

Oberkommandant unserer Balkanstreitkräfte, hat heute an seine Truppen folgenden Aufruf erlassen: Nach neuntägigen heftigen Kämpfen gegen einen hartnäckigen, an Zahl überlegenen, in fast unbe- zwinglichen Befestigungen sich verteidigenden Geg­ner, nach neuntägigen Märschen durch unwegsame Felsengebirge und grundlose Sümpfe bei Regen, Schnee und Kälte haben die tapferen Truppen der 5. und 6. Armee die Kolubara erreicht und den Feind zur Flucht gezwungen, lieber 8000 Gefangene wur­den in diesen Kämpfen gemacht, 42 Geschütze, 31 Maschinengewehre und reiches Kriegsmaterial erobert.

Die Serben kriegsmüde.

(W.TB.) Serajewo, 15 Nov. Aus Tuzla wird berichtet: Heute verlassen mehrere Gefangenen­transporte die Quarantänestation, um in die Ge­fangenenlager abgeschoben zu werden. Es sind ins­gesamt 21 Offiziere, unter ihnen ein Oberst und drei Majore, sowie 1345 Mann. Das Aussehen der Mannschaften ill verwahrlost und ihr Anblick mitleiderregend. Cie sagen übereinstimmend aus, daß sie des Krieges längst überdrüssig seien.

Erfolge gegen die Montenegriner.

Stockholm, 16. Nov. Ueber London wird ge­meldet, daß die montenegrinische Streitmacht von den Oesterreichern bei Grabow in erbittertem drei­tägigem Gefecht zurückgeworfen worden sei. Auch der Vormarsch des österreichisch-ungarischen Heeres in verschiedenen Teilen Serbiens wird von englischer Seite zugestanden.

Die Türkei im Krieg.

Türkische Erfolge.

(W.T.B.) Konstantinopel, 15. Nov. Der amt­liche Bericht des Hauptquartiers besagt: Gestern griffen unsere Truppen in der Zone von Lasistan die Stellung von Liman-Sisi in der Nähe der russischen Grenze an. Der Feind erlitt große Verluste und un­sere Truppen umzingelten die russischen Truppen, die sich dort befanden. Die Russen wollten Verstärkungs­truppen landen, aber diese wurden von unseren Trup­pen zerstreut. Eine andere Abteilung von uns be- j setzte Duzheux und umzingelte die feindlichen Trup­pen, die sich in der Stellung von Han-Modresseli be-, fanden. Wir nahmen dem Feind eine Menge Mu­nition und Lebensmittel ab. Heute bombardierten die Russen erfolglos die Posten von Kokmuoh und Ab-Jslah, nahe der Grenze. !

(W.T.B.) Konstantinopel, 16. Nov. Ein amt-! licher Bericht des türkischen Hauptquartiers besagt^ Gestern haben wir die Engländer bei Fao angegris-! fen. Sie hatten zahlreiche Tote, die wir auf 1000 schätzen.

Kopenhagen, 15. Nov. Die Blätter melden aus Petersburg: Die türkische Flotte im Schwarzen Meer kaperte 34 russische Handelsdampfer. Odessa wird von neuem bombardiert.

Athen, 15. Nov. Aus Mythilene wird gemeldet, daß ein englisch-französisches Geschwader die wichtig­sten Hafenstädte Kleinasiens blockiert habe. Franzö­sische Schiffe gaben aus großer Entfernung Schüsse auf die Außenforts von Smyrna ab.

Gärung in Aegypten.

Rom, 13. Nov. Italienische Reisende aus Aegyp­ten erzählen, daß das ganze Land in Gärung sei. Die Engländer arbeiteten fieberhaft an der Verteidigung. Schwere Artillerie wurde herbeigeschafft. Durch mili­tärische Aufzüge suche man die Bevölkerung einzu- schüchtern. Die arabischen Notabeln hätten vor dem englischen General Treue schwören müssen, doch sei kein Zweifel, daß der erzwungene Eid von den Ein­geborenen als ungültig betrachtet werde. Die Aus­weisung der ägyptischen Prinzen habe auch den Eng­land freundlichen Teil der Bevölkerung entfremdet.

Kundgebungen in Konstantinopel.

Konstantinopel, 15. Nov. Eine nach Zehntausen- den zählende Menge brachte gestern dem Sultan eine große Huldigung dar.

Nach der Huldigung vor dem Sultan spielten sich vor der deutschen Botschaft unvergeßliche Szenen ab. Trotz strömenden Regens sammelte sich bei Ein­treten der Dunkelheit eine riesige Menge von Tau­senden vor dem Botschaftsgebäude. Als der Bot­schafter auf dem Balkon erschien, ertönten Minuten­lang Zurufe und Händeklatschen. Die Musik spielte Heil Dir im Siegerkranz. Deutsche und türkische Fah­nen wurden geschwenkt. Der Vorsitzende des Komitees der Jungtürken Nazim Bey hielt eine Ansprache, in der er ausführte, die Vertreter des Islam seien glück­lich, gemeinsam mit den tapferen, siegreichen Mächten in den Krieg ziehen zu können. Daß der Kaiser sin

wirklicher Freund des Islam sei, habe er heute be­wiesen, und das sei unvergeßlich für die Mohame- daner. Der deutsche Botschafter Freiherr v. Wangen- heim antwortete, er begrüße mit Genugtuung den Ausdruck der Freude so vieler Tausende darüber, daß das türkische Heer gemeinsam mit den deutschen Streitkräften in den Krieg ziehe. Er danke für die Kundgebung, sowie für die stets bewiesene Gesinnung der Freundschaft und werde nicht verfehlen, seiner Regierung und dem Kaiser zu berichten, der sich im­mer als ein treuer Freund der Türkei gezeigt habe. Als Zeichen seiner Freundschaft habe der Kaiser mohamedanische Gefangene geschickt und dem Sultan zur Verfügung gestellt. Die Türkei und der Islam befänden sich an einem Wendepunkt ihrer Geschichte. Er sei fest überzeugt, daß die Heere der drei Verbün­deten, die zur Wahrung ihrer heiligsten Güter aus­gezogen seien, siegreich bleiben würden. Der Sieg werde hoffentlich für die Türkei und den Islam eine neue Aera des Glückes herbeifllhren. Der Botschafter schloß mit einem Hoch auf den Islam, sowie auf Heer und Flotte der Osmanen. Nazim Bey stellte darauf die freigelassenen Algerier vor, von denen einer in einer arabischen Ansprache ausdrückte, es sei die Hoff­nung aller Mohamedaner, mit Hilfe der Verbündeten das Joch Frankreichs, Englands und Rußlands zu zersprengen. Endloser Jubel folgte diesen Worten. Nach Absingung der deutschen Nationalhymne zog die Menge schließlich zur österreichisch-ungarischen Bot­schaft, wo eine ähnliche Kundgebung stattfand.

Die Bedeutung des heiligen Krieges.

Afghanistan, Persien und der heilige Krieg.

Petersburg, 14. Nov. Kopenhagen«! Blättern wird über Petersburg gemeldet: Rußland forderte sämtliche mit der russischen Regierung Beziehungen unterhaltende mohammedanische Regierungen im rus­sischen Interessengebiet Asiens zu einer Erklärung auf über ihre Stellungnahme zu dem Aufruf des Kalifen. Außer dem Emir von Afghanistan hat auch Persien die Bindung des Kalifenaufruss für seine Untertanen anerkannt. Die persische Regierung hat die Erklä­rung jedoch mit dem Zusatz ihrer staatsrechtlichen Neutralität abgegeben.

* Nun befinden sich also auch dieInteressen­gebiete" Rußlands und Englands in Zentralasien im Kriege mit diesen Mächten. Von Afghanistan wußte man schon lange, daß es große kriegerische Vor­bereitungen treffe, um endlich das unerträgliche Joch seiner Aussauger abzuschütteln und Persien, dessen Regierung sich noch zu schwach fühlt, um selbst ein­zugreifen, leistet den Türken Vorschub, indem es die Ileberschreitung seiner Grenzen durch die türkischen Truppen duldet. Daß natürlich infolge derAusrufung des heiligen Krieges sich Tausende von Persern den Türken änschließen werden, ist klar.

Der Emir von Afghanistan aber wird beide feindliche Mächte aufs schwerste bedrohen. Auf der einen Seite gegen Rußland in Verbindung mit dem türkischen Vorgehen, auf der andern Seite wird er den Krieg nach Indien tragen, das unter der Decke schon lange darauf wartet, das Joch der verhaßten Engländer abzuschütteln. Mit diesem Angriff wird England ins Mark getroffen.

So wird nun wohl auch die schöne Abmachung der beiden sauberen Brüder, die eine Aufteilung Persiens und Afghanistans in russische und englische Interessengebiete vorsah, ebenso zu Grabe getragen werden müssen, wie noch so mancher räuberischer Ge­danke, den das russisch-englische Komplott unter Zu­hilfenahme ebenbürtiger Vasallenstaaten geschmie­det hatte.

Die Angst vor dem heiligen Krieg.

Konstantinopel, 14. Nov. Man glaubt hier, daß England. Frankreich und Rußland alle Maß­nahmen treffen werden, damit die Verkündigung des heiligen Krieges durch den Kalifen in Indien, Algerien. Tunis, sowie in den anderen Ländern nicht bekannt wird, doch ist man überzeugt, daß die Nachricht auf jeden Fall dorthin gelangen wird. In hiesigen persischen Kreisen heißt es, daß dre englische und die russische Regierung die Perser un­bedingt daran hindern, die Gebiete von Indien und Afghanistan zu betreten.

Aufklärung in de« Bereinigten Staaten.

Der Generalsekretär der American Association of Commerce and Trade (Amerikanische Handels­kammer) Professor Atwood, wird in diesen Tagen eine Tour in den Vereinigten Staaten von Amerika beginnen, mit der Hauptaufgabe, die ame­rikanische Geschäftswelt über die tatsächliche wirt­schaftliche und kaufmännische Lage in Deutschland aufzuklären. Professor Atwood wird Vorträge vor den Mitgliedern der bedeutendsten Handelsvereun- gungen u.s.w. in verschiedenen großen Industrie- und