Beilage zur „Schrvarzrvälder Tageszeitung".
Altensteig, Donnerstag den 12. August 1926.
ISchtung «nd UmWrlt.
(Nachdruck verboten!)
Wll man sich über das Wesen der Züchtung die rechte Klarheit verschaffen, so mutz man scharf unterscheiden zwischen der Paarung bevorzugter Eltern und der Aufzucht und Pflege der Nachkommen. Beide Punkte sind untrennbar in dem Wort „Züchtung" zusammengefatzt.
Was wir mit der „Paarung bevorzugter Eltern" be- mchnen, ist nichts weiter als die Auslese vererbbarer Eigenschaften an Eltern, die wir durch Paarung auf den Nachkommen übertragen wollen, der die an den Eltern geschätzten Eigenschaften in verstärktem Matze besitzen soll. Durch eine wohlbedachte Paarung wollen wir also Einflutz auf den Vererbungsgang gewinnen. Voraussetzung ist hierzu natürlich die Kenntnis der den Eltern anhaftenden Eigenschaften. Die Züchtung beginnt also mit der Feststellung der Eigenschaften, die die Eltern besitzen. Wie dies geschieht, soll uns heute nicht interessieren. Kennen wir nunmehr die Eigenschaften, so wählen wir die Eltern zur Paarung, die uns die beste Gewähr dafür geben, datz deren Nachkommen die von uns gewünschten Eigenschaften in hervorragendem Maße besitzen. Die Paarung besteht nun in einer Vereinigung von zwei Zellen, nämlich Samen und Ei. Aus den Ausführungen „Die Grundlage der Züchtung", die an derselben Stelle erschienen sind, wissen wir, daß in beiden Zellen sämtliche Eigenschaften enthalten sind, die der Nachkomme mitbekommt. Mit der Paarung, also der Vereinigung von Ei- und Samenzelle, ist somit der Vererbungsgang vollkommen abgeschlossen und nicht mehr zu beeinflussen.
Was nun aus dem Wesen wird, das aus der Vereinigung der beiden Geschlechtszellen entsteht, hängt nur noch von den Einflüssen ab, die aus der Umwelt auf es einwirken. Diese Einflüsse können mannigfacher Art sein. Sie erstrecken sich auf Klima, Bodenverhältnisse, Ernährung, Haltung und Pflege. Durch einen Klimawechsel wird die Farbe von Tier und Pflanze (Blütensarbe) gern beeinflußt, sie wird dunkler oder Heller. Die Verpflanzung eines Nachkommen in andere Bodenverhältnisse kann die Körperform wesentlich beeinflussen und abändern. Am bekanntesten sind die Unterschiede in der Ernährung. Zwei Geschwister einer Schweinerasse, von denen das eine reichlich, das andere sehr knapp ernährt wird, weichen später derart voneinander ab, daß sie von einem unbefangenen Betrachter nicht mehr als solche anerkannt werden. Eigenschaften, die auf diesem Wege von einem Zndividium erworben werden, sind nicht vererbbar. Dies ist wohl zu merken! Das zeigt sich auch an Nachkommen solcher Tiere, die durch derartige Einflüsse der Umwelt von den Eltern abweichen. Ihre Nachkommen zeigen, wenn sie unter den alten Verhältnissen aufgezogen werden die ursprünglichen Eigenschaften der Voreltern. Daß solche durch die Umwelt bedingte Eigenschaften nicht vererbbar sind, zeigt sich ferner an gewissen Hochzuchtrassen, die nur in ihrer Heimat die enormen Leistungen vollbringen, während sie in Gebieten mit anderem Klima und anderen Bodenverhältnissen aber völlig versagen. Mehr oder weniger sind alle Raffen ein Kind der Scholle. Will man eine Rasse von dem Ort ihrer Entstehung an einen anderen verpflanzen, so muß man stets daran denken, datz man evtl, eine Enttäuschung erleben kann, an der der Züchter gänzlich unschuldig ist. Dies gilt für Tier und Pflanze. Es gibt natürlich auch Fälle, in denen eine Rasse außerhalb ihrer Heimat mehr leistet. Die Verpflanzung einer Rasse oder Art bedeutet auf alle Fälle stets ein Experiment.
Sind diese durch die Umwelt bedingten Eigenschaften auch nicht vererbbar, so beruhen sie doch auf Erbanlagen und zwar auf solchen, die sich eben nur unter den gegebenen günstigen oder ungünstigen Verhältnissen so auswirken.
Aus allem geht das eine hervor, datz es wohl einen Anfang einer Zucht gibt, aber kein Ende, denn das erreichte Ziel wird dauernd durch äußere Einflüsse bedroht und abgeändert, sodatz es der ganzen Aufmerksamkeit des Züchters bedarf, das erreichte Ziel nicht wieder dahinschwinden zu sehen.
Eine Frage sei hier noch behandelt, der von den meisten reges Interesse entgegengebracht wird. Sie dreht sich um die Vererbung des Geschlechts. Auch das Geschlecht ist eine z Eigenschaft, die vererbt wird. Den Sitz aller vererbbaren Eigenschaften erkannten wir aufgrund früher an gleicher Stelle erfolgten Darlegungen in den sich im Zellkern bildenden Chromosomen. Zn jeder Körperzelle treten die ^ Ehromosomen in zwei Sätzen auf, also paarweise. Sie sind ' also stets in gerader Zahl vorhanden. Nach genaueren Untersuchungen fand man jedoch, datz dem nicht so ist, son- j dern datz die Zellen männlicher Tiere, ebenso beim Men- t schon, eine ungerade Chromosomenzahl haben. Eine z Ausnahme machen dabei Schmetterlinge und Vögel, bei j denen alle weiblichen Tiere genanntes Merkmal zeigen, l
Am interessantesten dürfte das Beispiel des Menschen sein. Die Frau trägt 24 Chromosomen in jeder Körperzelle, in ihren Eiern also 12, da ja die Körperzelle zur Geschlechtszelle wird, indem die Chromosomen aus die Hälfte reduziert werden. Der Mann trägt 23 Chromosomen in der Körperzelle, aber nach der Reduzierung zu Geschlechtszellen einmal 11 und einmal 12 Chromosomen. Der Mann produziert also zwei Arten von Geschlechtszellen, während die Geschlechtszelle der Frau immer 12 Chromosomen zeigt. Es ist nun so, datz die männliche Geschlechtszelle mit 11 Chromosomen männchenbestimmend, die mit 12 Chromosomen weibchenbestimmend ist. Das unpaare Chromosom der männlichen Geschlechtszelle ist also ausschlaggebend für das Geschlecht des Nachkommen. Vereinigen sich nun Ei und Samenzellen, so gibt es 2 Fälle, da zwei Arten männlicher Geschlechtszellen erzeugt werden. Einmal vereinigen sich 12 und 11 Chromosomen im Nachkommen, er bekommt also 23 mit auf den Weg und wird männlich. Im zweiten Fall bekommt er 12 und 12 Chromosomen mit und wird weiblich.
Nur bei den Schmetterlingen und Vögeln (Hühern) ist es umgekehrt. Bei ihnen ist das Weibchen der Teil, der 2 Arten von Geschlechtszellen hervorbringt und daher ausschlaggebend für das Geschlecht der Nachkommenschaft ist. Diese Erkenntnis ist nicht ohne Bedeutung für die Züchtung. Zn der Hühnerzucht wird der Zuchtwert des Hahnes im wesentlichen nach der Mutter, in der Rindviehzucht hingegen der Zuchtwert eines Bullen im wesentlichen nach dem Vater beurteilt. Dies steht in engem Zusammenhang mit dem eben beschriebenen Erbgang. Darüber ein andermal.
Der Kandwirt u. seine Wirtschaft
(Nachdruck verboten.)
lleberall klingt es wieder von der Not der Landwirtschaft. Man mutz sich also nach den Ursachen fragen, aber auch nach den Mitteln, die eine derartige Notlage zu lindern vermögen. Ueber die Ursachen der deutschen überaus schlechten Wirtschaftslage, insbesondere die der Landwirtschaft ist bereits so viel gesagt worden, datz hier nicht näher darauf eingegangen zu werden braucht. Aber über die Mittel, mit deren Hilfe der Notlage wenigstens zum Teil gesteuert werden kann, hört man fast nichts. Alles geht unter in politischeen und wirtschaftlichen Redereien und Forderungen, mit denen jedoch dem einzelnen Landwirt nicht direkt geholfen wird. Der einzelne Landwirt hat im wesentlichen sein Hauptaugenmerk auf seinen Betrieb zu richten. Es soll hiermit nicht gesagt sein, datz er sich um politische und wirtschaftliche Dinge nicht kümmern soll, das wäre ein schlechter Rat. Nein, er soll sich nur durch diese Dinge den Blick nicht trüben lassen, der unentwegt danach suchen soll, Mängel an seinem Betrieb zu entdecken und sie nach bestem Können und im Rahmen der verfügbaren Mittel abzustellen. Leider ist es aber heute noch so, datz Vieles auf die mißliche Lage der Eesamtwirtschaft geschoben wird, was in Wirklichkeit ein Fehler der landwirtschaftlichen Ve- triebsführung ist. Der einzelne Bauer mutz seine ganze Kraft dareinsetzen, seinen Betrieb in- und auswendig kennenzulernen, besonders zahlenmäßig, um ihn mit anderen vergleichen zu können. Der Vergleich mit anderen Betrieben ist unumstößlich notwendig, da hieraus eine reiche Quelle der Belehrung fließen kann, wie man es besser macht, oder wie man es nicht macht. Ja, was heißt aber einen landwirtschaftlichen Betrieb zahlenmäßig kennen zu lernen? Damit kommen wir auf ein Gebiet, das dem Bauersmann am wenigsten liegt. Es ist der Rechenstift und die zahlenmäßige Aufzeichnung aller Vorgänge innerhalb des Betriebs und derjenigen, die den Betrieb mit der Umwelt wirtschaftlich verbinden. Nur durch ordnungsgemäße, fortlaufende zahlenmäßige Aufzeichnungen gelangt der Bauer zu einer wirklichen Kenntnis seines Betriebes. Viele mögen lächeln, die dies lesen, aber die Erfahrung des Fachmannes zeigt zu deutlich, datz sich gerade diese Lächler und Spötter ins eigene Fleisch schneiden. Das Gefühl für Wirtschaftlichkeit und vorteilhafte Maßnahmen innerhalb des Betriebes mag noch so gut ausgebildet sein, aber gar zu oft betrügt es uns doch. Um wirklich vorwärts zu kommen, können uns nur Zahlen helfen, die allein beweisen können. Eine geordnete Buchführung, die gar nicht kompliziert zu sein braucht, ist die Grundlage für jeden landwirtschaftlichen Betrieb einschließlich der Bauernwirtschaften, da sie ein Metzinstrument für alle Maßnahmen der Betriebsführung ist, gleichgültig, ob dieselben gut oder schlecht waren. Darin liegt eben der Hauptwert der Buchführung, datz sie uns rasch angibt, ob wir falsch oder richtig gehandelt haben und uns damit lehrt, was wir in Zu- , kunft zu tun und zu lassen haben. Zn vielen Fällen gibt i sie uns aber schon von vornherein an, was wir zu tun ha- ^ ben, um uns den wirtschaftlichen Erfolg zu sichern. Es kann ; nicht Aufgabe dieser Zeilen sein, zu zeigen, wie man sich ^
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eine ordnungsmäßige Buchführung anlegt, aber wer ernst daran denkt, seinen Betrieb auf die Höhe zu bringen, und ihn auf der Höhe zu halten, der wende sich zwecks Einrichtung einer landwirtschaftlichen Buchführung an die Würt- tembergische Landwirtschaftskammer, Stuttgart, Marien- stratze. Gewarnt sei nur vor solchen Buchführungssystemen, die weiter nichts sind, als eine Verlust- und Eewinnrech- nung, aber keinen Einblick in die Entwicklung der einzelnen Betriebszweige gestatten, was zur Erkennung von Mängeln in der Betriebsführung unerläßlich ist.
Mit Hilfe der Buchführung nun erkennt der Landwirt die Fehler seiner Betriebsführung und die Mängel seines Betriebes. Mit dem Erkennen allein ist es nicht getan, der eiserne Wille zur Verbesserung mutz einsetzen. Oft ist der Wille vorhanden, aber das Wissen fehlt. Das Wissen, insbesondere die Fortbildung ist ein schwacher Punkt im Leben des Bauern, ja ich möchte fast sagen, der schwächste. Hierfür gibt es 2 Gründe. Durch dauernde anstrengende körperliche Tätigkeit wird die geistige Regsamkeit herabgemindert und macht einem dumpfen Sichselbstüberlassen Platz. Bei voller Anerkennung dieser Tatsache steht es doch in der Macht des einzelnen, erfolgreich gegen diese Heraü- minderung der geistigen Regsamkeit anzukämpfen, indem der Bauer regelmäßig eine gute Fachzeitschrift liest, und über das Gelesene auch nachdenkt und es praktisch zu verwerten versucht. Der zweite Grund für die mangelnde Fortbildung ist die falsche Sparsamkeit. Sparen und sparen ist zweierlei, wie es ganz richtig im Volksmunde heißt. Es ist eine sehr unfruchtbare Eigenschaft der meisten Landwirte, einnehmen, aber nichts ausgeben zu wollen. Und gerade die Ausgabe für fortbildenden Lesestoff ist eine der fruchtbringendsten. Der Bauer sollte nie sagen „Wies der Vater gemacht hat, so mach ichs auch", sondern er sollte lieber fleißig Umschau halten, ob nicht inzwischen etwas besseres geschaffen wurde, was den Betrieb wirtschaftlicher gestalten könnte. Es gibt bei einer solchen Umschau manches zu finden, an dem Viele mit einem überlegenen Lächeln Vorbeigehen ohne zu wissen, datz der Belächelte erhebliche Vorteile davon hat. Prüfe also jeder das Geringste, ehe er es verwirft. Der Existenzkampf des Einzelnen verschärft sich immer mehr. Um ihn erfolgreich bestehen zu können, ist heute viel mehr Wissen und Können notwendig als früher. Das Bekenntnis eines alten Bäuerleins, das sich seine geistige Regsamkeit zu wahren gewußt hat, dürfte diese Zeilen noch etwas erhellen. Im Laufe einer Unterhaltung äußerte es: „Wenn heute der Landwirt erfolgreich bestehen will, so mutz er vieles seiner beruflichen Allgemeinbildung einverleiben, was man früher nur den Gelehrten überließ".
Die heutige Notlage der Landwirtschaft läßt es immer klarer werden, datz dem einzelnen Landwirt nicht von außer her geholfen werden kann. Die Vorbedingung hierzu ist die Gesundung der Einzelbetriebe von innen heraus. Der Landwirt darf nicht nur Arbeiter sein, sondern er mutz zum geistigen Führer seines Betriebes werden, um denselben rasch und geschmeidig der jeweiligen Wirtschaftslage weitmöglichst anpassen zu können. Erfolgreicher Führer kann aber nur der sein, der dauernd in Fühlung bleibt mit den betriebstechnischen und betriebswirtschaftlichen Fortschritten der Berufskollegen und der im Znteresse der Landwirtschaft arbeitenden Wissenschaft.
Ser Honig M die Gesundheit de; deutschen Volkes
Dr. Schacht, Arzt in Wiesbaden, schreibt in der „Bienen- vflege":
Immer war die Gesundheit das kostbarste Gut der Menschheit; heute aber ist sie eine ganz außerordentlich wichtige Handelsware geworden.
Hatte in früheren Zeiten der Familienvater in all den Jahren seiner Tätigkeit ein schönes Spargeld für seine Familie zurückgelegt, so sah er dem Tode mehr gleichgültig entgegen; es kam ihm auch nicht darauf an, auch wenn er ein paar Jahre früher hinweggerasft wurde, als es eigentlich nötig war; für die Sei- nisen hatte er ja gesorgt.
Ganz anders heute. Der Staatsbankrott bat uns alle zu Bettlern gemacht; mühsam unterhält der Vater die Familie; bleibt er lange am Leben, so kann sich alles vielleicht noch ganz gut machen, stirbt er aber früh dahin, so bricht seine ganze Familie erbarmungslos in ein Nichts zusammen.
So steht heute über allen Türen ein Wort geschrieben, das lautet: „Gesundheit".
Werfen wir, wie bei vielen anderen Gebieten, so auch bei Speise und Trank, einen Blick auf die Ueberkultur, so tritt uns das Gebot entgegen: „Zurück zu den Zeiten der Väter!"
Und in diesen stand auf dem Familientische im Mittelpunkte der Honig; blickt man auf 50—60 Jahre seines Lebens zurück, so mutz man geradezu staunen, wie dieses kostbare Gut Schritt für Schritt aus den Häusern verdrängt worden ist.
Aber kehren wir jetzt zu dem Kapitel „Gesundheit" zurück und greifen wir einige Krankheiten, die die Masse der Menschen in Erregung halten mutz, heraus: