SchwaMälöer Tageszeitung

<S.

»S77

.Aas den Tannen

Sernfprechev

N? 1)

Amtsblattfür-en Gb-ramtsbezirk Nagold und Altenstriz-Sta-t. Allgsmrmsr Aazslgsr sae dts B^irks Nagold, Lala) u Freud rnstad

Erscheint wöchentlich 6 mal. Bezugspreis: monatlich 1.SO Mark. Die Einzelnummer kostet lOPfg. I Anzeigenpreis: Die einspaltige Zeile oder deren Raum 15 Goldpfennige, die Reklamezeile 45 Goldpfg

GeiNtchterschemen der Zeitung infolge höherer Gewalt od. Betriebsstörung besteht kein Anspruch auf Lieferung. > Postscheckkonto Stuttgart Nr. 5780. Für telephonisch erteilte Aufträge übernehmen wir keine Gewähr

Nr. 18V

AUeusteig» Donnerstag de« 18. August

1926

Bonder deutschen Verfassung.!

Nus der tveWichen Rede des Reichsinnenmtniisters Dr. Aülz bei der Verfaflungsfsier «u Deutschen Reichstag geben wir folgende Gedanken wieder:

Wenn ein Volk wie das deutsche sich in der Zeit des Nie» derbruchs mit einer Verfassung ein Staatsgru-ndgesetz und ein Programm Mr seine eigene LebensbetätiMNg setzt, so muß als großer Grundgedanke dieser Verfassung in ihr ver­körpert sein der Mike zur nationalen, kulturellen und wirt­schaftlichen Wiedergeburt und Selbstbehauptung.

Es hat keinen Sinn leugnen zu wollen, Latz der hohe «Wiche Gehalt der Verfassung von Weimar auch heute noch t in weiten Kreisen des deutschen Volkes verkannt wird. Diese Erscheinung hat eine naheliegende historisch-psychologische ! Begründung. Die Verfassung des Kaiserreichs war der Ab- I schlich einer über viele Jahrzehnte sich erstreckenden geschicht­lichen Entwicklung, geboren in dem Augenblick, als der alte deutsche Traum von der Einheit eines Deutschen Reiches sich erfüllte. Sie kam in der Zeit der tiefsten nationalen Not, sie kam als Abschluß einer Revolution, sie kam einem im Tranergewande und Sklavenketten eiithergehenden Volke.

Es ist Aar, daß eine Verfassung, die entstanden ist in der > düsteren Atmosphäre äußerer Niederlage und inneren Zu­sammenbruches nicht von vornherein im Volke so fest wur­zeln kann, wie eine Verfassung, die ans der Höhe außen­politischen Erfolges sich gewissermaßen von selbst einstelbte. Es gibt kein zweites Beispiel in der Geschichte der Welt, wo ein Volk in einer Zeit so furchtbarer Heimsuchung so schnell Willen und Kraft zu einer von so tiefem, sitÄ-ichen Ernst getragenen Neuordnung seines staatlichen Lebens fand. Wer richtig erkennen will, was eine solche Neuordnung in der Zeit, in der sie geschaffen wurde, bedeutet, der muß sich ein­mal in die Ä-immung unserer damaligen Feinde versetzen, die auf den Zerfall des Deutschen Reiches gehofft hatten und «nn unmittelbar nach dem Diktat von Versailles nicht den Zerfall dieses Reiches erlebten, sondern in der auf dem Rechtsboden der Verfassung von Weimar erstehenden deut­schen Republik ein neues Deutsches Reich von starkem Selbst- ethaltungswillen vor sich sahen. Und er mutz sich einmal in die Stimmung derjenigen Radikal-Revolutionäre hinein­denken, die die Revolution in Permanenz erklären wollten und nunmehr wenige Monate nach dem Zusammenbruch des alte« Staates sine durch das Volk selbst geschaffene neue staatliche Ordnung vor sich sahen. Wenn man die Di nge so betrachtet, dann erscheint die Verfassung von Weimar als der Sieg des staatlichen Selbsterhaltungswillens des deut­schen Volkes gegenüber dem von außen urtt> innen andran- senden Vernichtungswillen.

Gewiß sind diese Ziele der Verfassung nicht von heute auf morgen zu erreichen. Aber Pflicht derer, die am Staate ver­antwortlich sind, ist es, die hohen und große« Ideen der Weimarer Verfassung dem deutschen Volke immer näher zu bringen, um die Teilnahme der Ration an ihrer eigenen Ankunft zu beleben im Sinne des Freiherr« von Stein:Die Teilnahme der Nation bildet Liebe zur Verfassung, bildet eine richtige öffentliche Meinung über nationale Angelegen­heiten und die Fähigkeit der Bürger, die Geschäfte zu ver­walten." Wir wollen es dabei mit Kant halten, wenn er Man kann zur Freiheit nicht reifen, wenn mau nicht Mvor in die Freiheit gesetzt worden ist. Die ersten Versuche werden freilich roh, gemeiniglich auch mit einem beschwer­lichen und gefährlichen Zustande verbunden sein, alles« man ««st für die Vernunft nicht anders, Äs durch eigene Vers suche." Uitt> wollen die Richtigkeit des große« Gebotes nicht »Domren, das Schiller in die Worte Leidet:Politische ustd bürgerliche Freiheit bleibt immer und ewig das heiligste S aller Güter, das würdigste Ziel aller Anstrengungen und das l Sroße Zentrum aller Kultur." t

Das Deutsche Reich ist sine Republik; die Staatsgewalt x Seht vom Volke aus. In diesen kurzen Worten ist der neue z deutsche Staatsgedanke gegeben. Seinen Inhalt zu erfüllen > H nicht Sache der Verfassung, sondern des Volkes. Es soll ü »ins fern liegen, ein Pharisäertum der Republik aufzurich- ! ^n und kritiklos all das schmälern zu wollen, was der Kai- x strstaat auch an Großem und Bleibendem geleistet hat, aber s Achtung und Ehrfurcht vor der Vergangenheit und ihren ' Leistungen entbinden uns nicht von der Pflicht, dem Staate - ver Gegenwart und Zukunft unter Einordnung des ganzen ° dch zu dienen. Ter Staat bin ich, dieser Satz gilt auch für . hie Republik, aber hier nicht nur für einen, sondern für hier nicht im herrschenden, sondern im dienenden : denn jeder ist selbstvera-ntwortlicher Mitträger am s kWchai seines Volkes. s

^ d"halt und Ziel der staatlich zusam-mengefaßten Lebens- - De«tisuua des deutkben Volkes oibt die Verla Huna im den

bekannten Worten der Einleitung, die in solcher klassischen ,, Wucht und Schönheit keine zweite Verfassung der Welt auf- ^ weift. Ls scheint deutsches Schicksal zu sein, daß wir um die z innere Volkseinheit noch lange werden kämpfen müssen. > Jnteressenpolitik verdrängt bei uns noch allzu oft die großen s gemeinsamen politischen Ideen und das Gefühl der Volks- s einheit. Dieses ZugehörigkeitsgefiW zu einem Volke, einer ' Ration, einer Schickfalsgemeiwschcrst ist die Grundvoraus- ' fetzung zu dem von der Verfassung gewollte« inneren Frie- s den. Wohl könne« wir nicht alle die gleiche politische Mei- s n-ung haben, das wäre fortfchvittshemmend, aber wohl kön« s «em und müssen wir bei aller Verschiedenheit des Urteils im ^ einzelnen doch durchdrungen und getragen bleiben von dem ! Bewußtsein, daß wir alle Glieder einer großen Volksgemein- ' schüft sind, zu der wir schicksalsmäßig auf Gedeih und Ben- > derb verbunden find. ^

Der Staat soll wach der Verfassung reicht der Boden sein, ! «ff dem selbstsüchtige Interessen sich hemmungslos amstoben ! Wune«, sondern er ist eine Erziehungsanstalt zur Mensch- ! heitspfticht.Jeder Deutsche hat unbeschadet seiner persön- s Schen Freiheit dl« Pflicht, seine geistigen mid körperlichen s Kräfte so zu betätigen, wie es das Wohl der Gesamtheit er- s fordert." Diese Forderung der Verfassung stellt dom Recht z auf persönliche Freiheit die Pflicht des menschliche« Verbun­denseins zur Gesamtheit genau so gegenüber, wie dem von der Verfassung gewährleisteten Eigentum da« Gebots Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst j sein für das gemeine Beste." Wohin wir in der Verfassung s auch blicken, ob sie die Grundrechte und Ernndpslichten der s Einzelperson umschreibt, ob sie vom Gemeinschaftsleben spricht, ob sie von Religion, Kirche und Kultusausübung - handelt, ob sie Bildung und Schule, Kunst und Wissenschaft - der Fürsorge des Staates unterstellt, ob sie die Grundlagen des Wirtschaftslebens ordnet, überall zeigt sich das gleich Naue und reine Wollen höchster Zielsetzung, das Streben von Mensch zu Mensch zu wirken,dem inneren Frieden K» dienen" und den einzelnen Menschen, bei aller Achtung vor seiner individuellen Freiheit, doch unter die Idee der Pflicht gegenüber dem Volke und gegenüber der Menschheit zu stel­len. Auch das deutsche Volk als Ganges stellt die Verfassung < hinein in den Kreis der Pflichten gegen die Menschheit,von j dem Wille« beseelt, dem äußeren Frieden zu dienen". :

Am der Spitze alles Denkens und Handelns steht der natio­nale Gedanke, aber das Zusammenleben der Völker bringt l Mit Naturnotwendigkeit internationale Berührungspunkte ! und Geme-iüschaftsbedürfwifse. Das Ziel der Menfchheits- estwicklnng muß sein, das Völkervereinsnde stärker wirken zu lassen als das Völkertrennende. Dieses Ziel hat die Ver- sassung erkannt, wenn sie den Geist der Bökkerversöhnung als s E^iehungsziel aufstellt. Man hat diesen Geist als einen l solchen dos Pazifismus gescholten. Wenn Pazifismus eine s Weltanschauung ist, die kein Verständnis dafür hat, daß der r natürliche Selbsterhaltungswille eines Volkes auch seine « Wehrhaftigkeit bedingt, dich es eines Menschen und eines k Volkes unwürdig ist, sich ohne Widerstand knechten zu lassen, s daun verkörpert ein solcher Pazifismus kerne berechtigte f Idee. Wenn aber Pazifismus eine Menschheitsbewegung ist, s die darauf abzielt, daß aus der Entwicklungsgeschichte der ' Menschheit der Krieg mit all seinem unvermeidlichen Elend r und Jammer immer mehr verschwindet, daß im Zusammen- k leben der Völker immer mehr die Macht des Rechts und nicht j das Recht der Macht das bestimmende Gesetz werde, daß die l aus dem Robeneinander der Völker sich ergebenden Streit- I fragen soweit möglich durch friedlichen Ausgleich und nicht f durch mechanisch-physische Gewalt entschieden werden dann s ist dieser Pazifismus die größte Menschheitstdee, die es gibt, t Der amerikanische Bischof Brand hatte Recht, wenn er auf ! dem Kirchenkongreß in Stockholm im Jahre 1926 das mutige z Wort sprach:Wenn der Pazifismus eine Narrheit ist, so ! bin ich Gottes Narr." Wir können nur hoffen und wün- s schen, daß der letzte und größte Menschheitsgedanke des fried- s Achen Zusammenlebens der Völker nicht nur im deutschen z Volke, sondern auch bei denjenigen Völkern der Welt sich i durchsetzen möge, die bisher in ih'-en Beziehungen zu den anderen Völkern nr > erster Li ie in Bataillonen und Regimentern denken. -

Roch auf Jahre hinaus wird das deutsche Volk einen dor- s nenvollen Weg gehen müssen. Diejenigen aber, die es auf- ; richtig meinen mit der Verwirklichung des Geistes der Wer- ; marer Verfassung, sollen sich umso fester die Hände reichen : zu gemeinsamer Arbeit an den großen und hehren Zielen . der Weimarer Verfassung, damit es nicht nur Programm bleibt, sondern Tat werde, was an der Spitze dieser Ver­fassung geschrieben steht:Das deutsche Volk, einig in seinen Stämmen und von dem Willen beeselt, sein Reich in Frei­heit und Gerechtigkeit zu erneuern und zu festigen, dem inne­ren und dem äußeren Lrieden zu dienen und den gesellschaft­

lichen Fortschritt zu fördern, 'hat sich diese Verfassung ge­geben."

Der alte Staat ist gestürzt, ein neuer Staat ist gekommen» das deutsche Volk ist geblieben.Staaten stürzen im Sturme der Zeiten, schaffende Völker trotzen der Welt."

Bersafsungsfeiern im Reich.

Verfassungsfeier in Stuttgart Stuttgart» 11. August. Aus Anlaß der Wiederkehr des Verfassungstages hatten heute die staatlichen und kommu­nalen Gebäude in den Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold ge­flaggt mit Ausnahme des Deutschen Ausland-Institutes. Fürsden Abend hatte die Stadtverwaltung zu einer Feier in den großen Saal des Stadtgartens eingeladen, dessen Tribüne und das Podium mit den Reichsfarben ausge- fchmückt war. Schon lange vor Beginn der Kundgebung war der Saal überfüllt. Unter den Anwesenden bemerkte man die Vertreter der württembergischen Regierung, des württembergischen Landtages, des Stadt- und Eemeinde- rates, der Reichsbank, der Reichsbahn und der Oberpostdi­rektion. In seiner Festrede gedachte Stadtpfarrer Dr. Schenkel-Zuffenhausen besonders der Schaffung der neuen republikanischen Verfassung, die ein Zeugnis für deutschen Idealismus und Realismus sei. Die in allen Teilen ein­drucksvoll verlaufene Feier wurde von musikalischen Vorträ­gen des Trompeterkorps der 5. Nachrichtenabteilung, des Vaterländischen Gesangvereins Ehrenfeld und der Konzert­fängerin Frl. Elisabeth Weißhaar umrahmt.

Die Feier des Berfassungstages im Reiche Berlin» 11. August. Wie in Berlin» wurde der Verfas­sungstag auch in zahlreichen anderen deutschen Städten fei­erlich begangen» so in Hamburg im großen Saal des Rat­hauses, wo der frühere badische Staatspräsident Dr. Hell- pach, Heidelberg» die Festrede hielt. In Köln veranstaltete bereits gestern abend das Reichsbanner eine Verfassungs­feier, in deren Verlauf Vertreter der Sozialdemokraten, des Zentrums und der Demokraten sprachen.

In Weimar nahmen Behörden und Garnison an einer Veranstaltung im Stadthause teil, bei der Generalinten­dant a. D. von Falkenberg das Verfassungswerk würdigte.

In München wurde der Jahrestag der Weimarer Ver­fassung durch einen Eedenkakt der Münchener Reichsdienst­stellen im Konferenzsaal des Reichsverkehrsministeriums» Zweigstelle Bayern, begangen. Die Feiern verliefen über­all, auch in anderen Städten, ohne Zwischenfall. Die Ge­bäude der Reichs-, Staats- und Gemeindebehörden und viele Privathäufer hatten geflaggt.

Die preußische Verfassungsfeier Berlin» 11. August. In der staatlichen Hochschule für Musik fand heute abend die Verfassungsfeier der preußi­schen Staatsregierung statt. Minister für Volkswohlfahrt» Hirtfiefer, hielt die Festrede. Nachher fand ein Fackelzug des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold statt.

Verfassungsfeier und Enthüllung eines Denkmals für Friedrich Ebert in Frankfurt-Main Frankfurt a. M.» 11. August. In der überfüllten Pauls­kirche fand heute in Anwesenheit des Magistrates der Stadt» des größten Teiles der Stadtverordnetenversamm­lung und der Spitzen der staatlichen Behörden eine Ver­fassungsfeier statt, bei der Oberbürgermeister Dr. Land­mann die Festrede hielt. Unter großer Beteiligung der Bevölkerung, die den weiten Platz vor der Paulskirche vollständig füllte, folgte die feierliche Enthüllung eines Denkmals für den verstorbenen Reichspräsidenten Fried­rich Ebert, dessen Andenken als Staatsmann, Politiker und Mensch Oberbürgermeister Dr. Landmann feierte.

IisMilllmerWe» me« KSllmg

Das Disziplinarverfahren gegen den Magdeburger Unter­suchungsrichter Köllingist nunmehr am 7. d. Mts. beim Oberlandesgericht Naumburg eröffnet worden. Ueber die Gründe, warum der zuständige Disziplinarfenat seinen Be­schluß erst jetzt mitgeteilt hat, hört man merkwürdigerweise nichts. Das muß umso seltsamer berühren, als die Metho­den, die Kölling bei der Untersuchung des Mordfalles Hel­ling angewandt hat, bereits seit Wochen in aller Oeffent- lichkeit Gegenstand schärfster Angriffe gewesen sind. Wir hoffen» daß das Diszpilinarverfahren nun endlich Licht in die ganze Angelegenheit bringen wird. Insbesondere wird