SchwarznMer Tageszeitung
Aus den Tannen"
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Nr. 18V
I
Altenstrtg» Donnerstag -en 3. August
1926
Die schlimme Zeit!
Da habt Ihr die Folgen der Revolution, heißt es auf der einen Seite. Die Republik hat Luch diese Bescherung gebracht. ^
Nein, sagen die andern, das sind lediglich die unäbwend- j baren Folgen des Weltkrieges, den das kaiserliche Deutsch- j land nicht verhindert hat und den wir so gründlich dann ^ verloren haben. >
So steht Behauptung gegen Behauptung. Darum wollen ! wir die Frage ruhig und möglichst objektiv untersuchen. j
Obenan steht die nicht wegzuleugnende Tatsache, daß die ; Wittschafts- und Finanzkri'fis von heute eine naturnotwen- :
dige Folge des Weltkrieges ist, eine Folge, die die Sieger- r stauten ebenso heimsucht — mit einziger Ausnahme von ; Nordamerika — wie die besiegten Staaten. Ja auch die s Neutralen in Europa haben alle mehr oder weniger darunter zu leiden. Wir sehen das in England, in Belgien, Frankreich, Italien, in der Schweiz, den nordsichen Ländern — von den neuen Staatsgebilden des europäischen Ostens ganz zu schweigen.
Untersuchen wir aber nur unsere deutschen Verhältnisse, so werden wir auf ganz verschiedene Ursachen stoßen.
Einen erheblichen Anteil an der Verschärfung der Arbeits- «nd damit der Wirtschaftskrise hat die durch den Krieg unmittelbar oder mittelbar hervorgerufene Veränderung in der Zusammensetzung der Bevölkerung. Während des Krieges war die Meinung weit verbreitet, daß der Tod zahlreicher Männer in arbeitsfähigem Alter nach dem Kriege ^ einen Mangel an Arbeitskräften und, allgemein gesprochen, s einen geringeren Prozentsatz der wirtschaftlich Tätigen in der Gesamtbevölkerung zur Folge haben würde. Deutschland j hat im Weltkriege an Toten rund 1885 000 verloren. Dazu i kommen noch rund 4 248 000 Verwundungen, von denen ein ! nicht unbeträchtlicher Prozentsatz eine Vernichtung oder doch I eine Verringerung der Arbeitskraft der Betreffenden zur ! Folge gehabt hat. Ferner trat infolge der Lurch die Kriegs- ? blockade hervorgerufenen schlechten Ernährung, Bekleidung und Lebenshaltung überhaupt eine gesteigerte Sterblichkeit besonders in den hohen und niedrigen Jahresklassen ein.
Aber andererseits machen sich jetzt in zunehmendem Maße die großen Geburtsüberschüsse in den Jahren unmittelbar vor Kriegsausbruch in eiuem — verglichen mit der verminderten Gesamtdevölkerungszahl — relativ hohen Neueintritt jugendlicher Personen in das erwerbsfähige Alter bemerkbar. Dazu kommt, was meist viel zu wenig beachtet wird, daß der Krieg eiue große Verarmung weiter Schichten des Volkes mit sich brachte. !
Die durch den Krieg hervorgerufene Inflation ruinierte - weiter einen sehr großen Prozentsatz des früher wohlsituier- i kn gewerblichen und geistigen Mittelstandes. Die Entwer- ! tung der Spargelder und Renten hatte zur Folge, daß zahl- z reiche Personen, die sich normaler Weise wegen hohen Alters i »ur Ruhe gesetzt hätten oder gar sich bereits zur Ruhe gesetzt i hatten, tm Erwerbsleiben blieben oder ins Erwerbsleben zurückkehrten und dadurch das Angebot auf dem Arbeitsmarkt vermehrten. Nicht ganz unbeträchtlich ist auch der klm stand gewesen, daß die bewaffnete Macht Deutschlands gegenüber der Vorkriegszeit um über 800 000 Mann verringert wurde. So haben wir die auf den ersten Mick seltsam anmptende Tatsache vor Augen, daß das Deutschland des Jahres 1926 bei verringerter Bevölkerung gegenüber dem Deutschland von 1914 eine um mehr als 2 Millionen größere Zahl Erwerbstätiger aufweist.
Auf der anderen Seite aber steht die ungemein gesunkene Kaufkraft weiter Volksschichten, die sich die größten Einschränkungen und Entbehrungen auferlegen müssen.
Während der Inflationszeit hatte oft die unsinnigste Hamsterei von Sachwerten eingesetzt, sobaß ein allgemeiner Ausverkauf, unter Mithilfe der valutastärkeren Ausländer, einsetzte. Manche damals ausgshäuften Vorräte reichen noch in die Jetztzeit herein. Diese aber, wo Neuanschaffungen notwendig wären, muß sich wegen der inzwischen eingetre- s tenen Verarmung "beschränken. Also: Arbeitskräfte sind mehr s vorhanden; nach dem Arbeitsprodukt aber ist die Nachfrage S stark zurückgegangen. >
Dazu kommt noch die „Rationalisierung" in Industrie, ! Wergbau, Handel und Verkehr. Um überhaupt mit dem i Ausland konkurrieren, die angefallenen Steuer-, Schulden- *0jd Zinslasten aufbringen zu können, mußten die Betriebe > völlig umgestellt und möglichst vereinfacht werden. Dabei > smurde ein möglichst schnelles, rücksichtsloses Aufräumen emp- > kohlen. Hunderttausende, ja Millionen von Angestellten s vnd Arbeitern mußten infolgedessen entlassen oder auf Kurz- i vrbeit gestellt werden. Die Folge hiervon war wiederum - Vn« ungemeine Schwächung der Kaufkraft und Konjum-
tionsfähigkeit dieser Schichten. Aber man wird heute sagen müssen, daß inzwischen di« Rationalisierung unserer Wirtschaft weit fortgeschritten ist, und daß bereits eine Scheidung in solche Unternehmungen erfolgt ist, die lebensunfähig find, und in solche Unternehmungen, die sich durch Einschränkung des Betriebes und durch gründliche Revision der bisher befolgten Organisations- und Produktionsmethoden auch für schwere Zeiten gerüstet haben.
Die Frage ist nun allerdings die: was mit den Hunderttausenden anfangen, di« infolge dieser „Rationalisierung" auf die Straße geworfen und brot- und verdienstlos geworden sind? Die Frage stellen, heißt zugleich die Hoffnung zerstören, als ob so bald und gründlich eine Besserung eintreten könnte. Man muß die harte Tatsache klar ins Auge fassen: nur allmählich kann nach und nach eine Besserung kommen und zwar durch eine langsame, aber stetige Hebung der Kaufkraft derjenigen Bevölkerungsschichten, die noch Aribeit rmd Verdienst haben und die sich, bei gegebener Einschränkung, wieder ein Kapital mühsam ansammeln und zugleich ^ne bessere Lebenshaltung sich leisten können.
Eine halbwegs sichere Berechnung läßt die Geburteu- Uatrstil zu. Der Geburtenüberschuß in Deutschland, der von «rnd 282 000 im Jahre 1919 auf rund 700 000 im Jahre !tM1 gestiegen war, sank im Jahre 1923 wieder ans rund 44S000. Die Bevölkerunasäunabme Deutüülands beträgt zurzeit kaum die Hälfte der Bevölkernngszunähme in den letzten Vovkriegsjahren. Bevölkerungspolitisch läßt sich über das künftige Angebot auf dem Arbeitsmarkte also folgendes sagen: Während der nächsten etwa fünf Jahre wird das Neuangebot junger Arbeitskräfte recht groß bleiben; von etwa 1931 ab werden mindestens 1—1^ Jahrzehnte lang — vielleicht mit Ausnahme der Jahrgänge 1936/37 — erheblich weniger Deutsche jährlich neu ins Erwerbsleben hinaustreten.
Das ist allerdings eine wenig trostreiche Aussicht auf weite Frist. Aber es ist eine halbwegs sichere Rechnung. Alles andere ist nur vage Hoffnung und Erwartung. Selbst die Beschäftigung der Arbeitslosen durch Staat und Gemeinden wird keine durchgreifende, bleibende Besserung schaffen können, wenn sie auch naturgemäß die Notlage nach den verschiedensten Seiten mildert. Aber eine dauernde Einrichtung kann diese Arbeitsbeschäftigung nicht werden, weil am Ende die Mittel dazu fehlen würden. Aber als Antrieb muß sie dringend gefordert werden. Kämen dazu bessere Erntejahre für unsere Landwirtschaft und Winzer, würde damit auch für Gewerbe und Industrie ein besserer Absatz gewährleistet werden. Denn es ist doch vernünftiger und wirtschaftlich richtiger, das deutsche Geld kommt deutschen Volksgenossen zugute, als daß es ins Ausland geht auf Nimmerwiedersehen.
Was uns aber endlich werter not tut, das ist eine erheblichere Zunahme der Exportmöglichkeit unserer Industrie. In den letzten Jahren mutzte man vom Ausland öfter hören, bei der deutschen Industrie gelte Las Wort: teuer und schlecht, was bei gewissen Industriezweigen im Einzelnen nachzuweisen versucht wurde. Solche Vorhalte müssen aufhören und sie werden sicherlich auch aufhören, nachdem eine Sanierung der Industrie durch Ausstoßung leistungsunfähigerer Geschäfte eingetreten ist. Nun gilt es für di« rationalisierte Industrie und für den deutschen Handel, die verlorenen Absatzgebiete möglichst zurückzuerobern und neue zu erschließen. Gelingt das, so wird auch die „schlimme Zeit" von heute zu Ende gehen.
Ans dem Wetlemivkel mf dem Balkan
Kaum ist die Gefahr eines Krieges zwischen Bulgarien und Griechenland durch das Eingreifen des Völkerbundes beseitigt worden, da kommt schon wieder die Nachricht einer Bedrohung des Friedens vom Balkan, lln dwieder wird die Schuld bulgarischen Freischaren zugeschoben, die die jugoslawischen Grenzen nicht respektiert haben sollen. Wenn die Sache wohl auch nicht so tragisch ist, so muß man die fortgesetzten Reibereien doch im Auge behalten. Zum mindesten zeigen die gespannte Stimmung als Frucht der Friedensverträge mit ihren gewaltsamen Erenzfestsetzun- gen, die keinen dauernden Frieden unter den Balkanvölkern aufkommen lassen. Es wird berichtet:
Belgrad, 4. Aug. Die jugoslawische Regierung ist sich noch nicht darüber schlüssig geworden, welche Maßnahmen gegen die bulgarische Regierung unternommen werden sollen. Der jugoslawische Gesandte in Sofia hat bereits mündlich einen Protest eingereicht, in den nächsten Tagen wird noch eine schriftliche Note an die bulgarische Regierung abgehen, die im letzten Ministerrat durchgesprochen worden isft ,
- Berlin. 4. Aug. Die „D. A. Z." meldet aus Paris: Nach
> einer Meldung aus Belgrad soll die jugoslawische Regie» ! rung den militärischen Kommandanten bereits Mobil-
> machungsorder erteilt haben. Der Kriegsminister gab be- ; kannt, daß er im Falle der Notwendigkeit nicht davor zu« : rückschrecken werde, um seine Maßnahmen gegen die Ko«
- mitatschis, ebenfalls die Grenze zu überschreiten, durchzu«
- führen.
j Ser Magdeburger Justiz-Skandal
i Hat jetzt eine überraschende Wendung genommen, indem ! der Oberstaatsanwalt eingegriffen hat. Er hat auf Grund ! des Gutachtens des Sachverständigen Metzger-Stuttgart > und der an die Braut von Schröder gerichteten Briefe ein i zweites Verfahren gegen Schröder und zwar wegen Mor-
- des eingeleitet. Im „Berliner Lokalanzeiger", der bisher ; schon ganz auf der Seite des Untersuchungsrichters Köl- L ling stand, wird das seltsame Vorgehen gegen Schröder, ! gegen den nur ein Verfahren wegen Diebstahls und Rau« ' bes anhängig gemacht worden war, wie folgt begründet: § Wenn wir von vorneherein Schröder mitgeteilt hätten, daß s gegen ihn ein Verfahren wegen Mordes schwebe, dann ^ würde es nicht möglich gewesen sein. Näheres über die Er- ; mordung Hellings von ihm zu erfahren. Lediglich aus tak- s tischen Gründen wurde bis jetzt gegen Schröder noch kein ? Verfahren wegen Mordes oder Mordbeteiligung eingelei- ° tet. Dies ist aber nur eine Formsache. Schröder ist ver- : loreni Ganz unabhängig aber davon ist die Frage, ob ; Schröder einen Raubmord ausführte oder ob er den Mord
- vollbracht hat, um einen ihm gegebenen Auftrag auszu- s führen.
» Wenn dann aber Kölling zum Schlüsse sagte: Alles ver- l anlaßt mich, an meiner These festzuhalten und meine Un- j tersuchung weiterzuführen, so ist plötzlich die überraschende Wendung eingetreten: Landgerichtsrat Dr. Kölling hat «inen Eesundheitsurlaub angetreten und auch erhalten, den er wahrscheinlich heute schon antreten wird.
Das sieht nicht so aus, als ob Kölling sich so sicher fühlte, wie er den Anschein erwecken wollte. Denn sonst wäre er nicht so rasch „erholungsbedürftig" geworden.
Man steht es bei der Berliner Kriminalpolizei als sicher an, daß Schröder Helling in sein Haus lockte und dort ermordete, um ihm die 500 Mk. Kaution zu rauben, die Helling auf Grund eines Inserates Schröders mitgenommen hatte.
Damit aber der ganze Skandal auch noch zum parlamen« ! torischen Austrag kommt, hat der stellvertr. Vorsitzende des ! Bezirksverbandes Magdeburg vom preußischen Richterver- i ein an Reichstag und Reichsregierung ein Schreiben ge- ! richtet, in dem er den Reichstag bittet, auf Grund von ! Artikel 15 und 102 der Reichsverfassung zum Schutze der z Rechtspflege und zur Wahrung der Unabhängigkeit der s Richter in die Magdeburger Mordangelegenheit einzu- s areifen.
E Schröder gesteht den Raubmord ein
i Berlin, 5. August. Der Mörder des Buchhalters Helling, s Schröder, hat, wie das Berliner Tageblatt in später Nacht- l stunde erfährt, gestern abend ein volles Geständnis abge- s legt. Nachdem er anfänglich sehr selbstbewußt zu leugnen s versuchte, brach er unter dem Druck des von den Berliner ! Kriminalkommissaren zusammengebrachten Beweismats- ! rials und des Geständnisses seiner Geliebten vollständig zu- ! sammen. Er gab auch zu, daß Rudolf Haas an der Tat ; in keiner Weise beteiligt ist. Er habe seine falschen An-
- gaben nur gemacht, weil er um seinen Kopf kämpfte.
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! Neues vom Tage
! Der deutsche Botschafter bei Briand
§ Berlin, 4. Aug. Wie die Blätter aus Paris melden, hat s der deutsche Botschafter von Hoesch am Montag nachmittag >' mit dem französischen Außenministerium. Berthelot, Unter« s redungen gehabt, die sich auf Fragen der besetzten Gebiet«
- bezogen. Es soll sich hierbei in erster Lime um die Frage i der Stärke der Besatzungsarmee gehandelt haben, worüber ' die gegenteilige Auffassung unverändert und unvermindert
hervorgetreten sei. Auch der Zwischenfall von Germersheim ist zur Sprache gekommen. Der endgültige französische Be« richt darüber liegt noch nicht vor, sodaß die Angelegenheit ^ noch nicht abgeschlossen werden konnte. (Das dauert aber lange!)