Schwarzwälöer Tageszeitung
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Aus Herr Tannen
Amtsblatt für den Obsramtsbeziek Nagold und Altensteig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalro u Zreudenftad ;
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Nr- 177
Atteusteig, Montag den 8. August
1926
Gegen die Fremde»
Pariser Brief
Die Belästigungen der Fremden dauern an. Es ist gewiß nur der Mob von Montmartre, der sich daran beteiligt, der sich eine Freude daraus macht, auf die Trittbretter der großen Autocars zu springen, die die Ausländer truppweise zu den Sehenswürdigkeiten fahren, es ist schließ- 8ch »ur Eesiindel, das durch diese Inflation nicht erheblich verloren, das keine Veranlassung hat, die Fremden zu beschimpfen und auszupseifen. Aber letzlich drückt dieses Ge- baren doch nur in rüdester Form die Gesinnung des ganzen Volkes aus.
Seltsam, es sind nicht die Deutschen, die zuerst gewerkt sind, die getroffen werden sollen, wenn die Fremden- autvs bedroht werden. Der Hatz des Volkes kehrt sich instinktiv gegen die Ausländer angelsächsischen Stammes, gegen Engländer und Amrikaner.
Der Deutsche? Jeder Franzose bemüht sich, dem Deutschen durch doppelte Freundlichkeit zu beweisen ,daß er gegen ihn keinen Groll mehr hege; der Krieg ist gewesen und mutz einmal vergessen sein, das ist die Empfindung, der mau immer begegnet, Deutschland ist unterlegen und bestraft worden, es hat durch die Inflation gelitten, wie wir leiden, es hat sein Vermögen verloren und damit mag's denn gut sein. Die jetzige gewaltige Invasion der Deutschen nach Frankreich hat dem Franzosen sehr deutlich den Gegensatz zwischen der Natur des Deutschen und dem Charakter des Engländers zum Bewußtsein gebracht; er sieA, daß der Deutsche eigentlich doch kein Boche ist, denn er bewundert Paris, er spendet Komplimente und Trinkgelder, er ist zugänglich, im allgemeinen höflich, taktvoll und zurückhaltend, nicht als ob das durchaus in seiner Art läge, aber er fühlt sich im Lande de sErbfeindes immer noch ein wenig unsicher. Auch mutz in Deutschland trotz allem, empfindet der Franzose, eine Kraft stecken, die sicherlich etwas Unheimliches hat: wie schnell ist dieses Volk mit seiner Inflation fertig geworden, wie hat es Zustände überwunden, die uns, vielleicht, erst noch drohen werden! Sind also die Deutschen auch vielleicht nicht sympathisch, sie sind doch achtenswert und umgänglich: in Frankreich kann man einer höflichen Wendung und einem schmeichelnden Wort immer noch nicht widerstehen.
Der Deutsche kommt, amüsiert sich, fährt davon; vielleicht kaust er Frankreich auch ein wenig aus; ein wenig uur, denn er ist selbst nicht reich.
Anders diese Angelsachsen. Die französische Presse hat gegen Deutschland gehetzt und wird es weiter treiben, sie kann's nicht lassen. Aber man mutz nicht denken, daß England und Amerika verschont würden! Man betrachtet Deutschland mit Sorge, die Angelsachsen mit Hatz. „Unsere teueren Verbündeten", „unseren lieben Verbündeten zur freundlichen Kenntnis": das ist die Tonart der Boulevardblätter, wenn sie etwa ausführliche Listen veröffentlichen, die die steuerliche Belastung des französischen Bürgers beweisen sollen. Seitdem die Engländer im Herbst 1914 als sehnsüchtig erwartete Bundesgenossen an der normannischen Küste landeten, haben sie es in sicherer und langsamer Arbeit erreicht, aus Frankreich eine Art englische Kolonie zu «achen. Sie haben Terrains, Häuser, Unternehmungen ausgUauft. Sie betrachten sich als die Herren. Änzugäng- Lch und abgeschlossen gehen sie durch die Straßen. Man kann mit ihnen nicht vertraut werden. Sie gehen nicht aus sich heraus, sie sind hochmütig, spenden weder Komplimente »och Trinkgelder, sie überschätzen die Macht ihres Cent. Da hat sich letzthin der FM des Mister Cunningham ereignet; bei hat an der französischen Südküste straßenweise Gelände «lfgekauft und offeriert diese Bauplätze nun allen, die sie »och bezahlen können. Seine Prospekte werden in der Presse lebhaft angegriffen: wir find nicht mehr Herren in Frankreich, klagen die Zeitungen erbittert.
Die leichte und leichtlebige Natur des Südländers empfindet die angelsächsische Herausforderung in jeder Geste, l>en abgeschlossenen Hochmut des glattrasierten Gesichts, die teilnahmslose Flüchtigkeit des englischen Reisenden, der überall gewesen sein und alles gesehen haben will und sich im Angesicht von Sacre Coeur eine neue Pfeife ansteckt.
Wir, die Deutschen, aber können uns im allgemeinen dieses Mal an die Brust schlagen und erleichtert ausrufen: wir sind nicht so wie jene Fremden! Der Deutsche hat, wenn er auch den Fall des Franken ausnutzt, nicht vergessen, was ein Land mit sinkender Währung leidet; er sieht mit geschärftem Blick hinter die glänzende Fassade der Boulevards und er ahnt das Elend, das sich in den Häusern der kleinen Bürger verbürgt. Und daher tritt er leise und be- Wüam auf.
l - Reues vom Tage
s Anfangserfolg des Nussen-KreLits
! BeEn, 31. Juli. Rach einer Erklärung der russischen Han- i delsvertretung sind, wie der „ Börsenkur,ier" mit teilt, auf Grund des Kreditabkommens zwischen den deutschen Banken , und der russischen Regierung bisher Geschäftsabschlüsse in s Höhe von etwa 40 Millionen Mark getätigt worden. Davon entfallen 14 Millionen auf Werkzeugmaschinen, 3 Millionen
> auf elektrische Artikel, das übrige diene großen technische» r Projekten.
, Große Mehrheit für Poincare
i Paris, 31. Juli. Zum Schlüsse seiner Kammerrede stellte
> Poincare die Vrtrauensfrage über den Eintritt in die . Spezialdebatte. Die Regierung erhielt 380 Stimme«, dagegen stimmten 150 Abgeordnete (Kommunisten, Soziali-
! steu und einige Radikalsozialisten). Die Sonderdebatte be- ? gann Samstag nachmittag 3 Uhr. ""
? Der spanische Mussolini
« Valencia, 31. Juli. General Primo de Rivera hielt bei ! einem Feste hier eine Rede, worin er betonte, daß die Union patriotica die höchste Stufe ihrer Entwicklung er- ! Wicht habe. Von nun an müsse mau sich unnachsichtlich j zeig«r und alle die, welche Ansichten verbreiten, die denen entgegengesetzt feien, wodurch die Handlungen der Regie- s WNg bestimmt wurden, und die beabsichtigen, das begon-
> «ene Wiederaufbauwerk z» untergraben, streng cm Ent ! und Lebe« zu bestraf«!.
i Die Delegiertenkonferenz der englischen Bergarbeiter r London» 31. Juli. Die Verhandlungen der Delegierten- s Konferenz der Bergarbeiter habtn entgegen allen Erwartun- ! gen eine Sensation gebracht. Generalsekretär Look hiebt ! in der Nachmittagssitzung eine Rede, die zu äußerst Mr- ! mischen Szenen führte. Cook sprach sich für sofortige Vsr- ! Handlungen im Kohlenkonflikt aus, um bestmöglichste Be- ! dingungen zu erlangen. Er würde eher niedrigere Arbeitslöhne als längere Arbeitszeit annehmen. Die Delegierten sprangen nach dieser Erklärung Cooks von ihren Sitzen auf und tumultartige Szenen folgten. Cook wurde auf das schärfste kritisiert. Verschiedene Delegierten warfen ihm sogar vor, vor den Grubenbesitzern und der Regierung kapituliert zu haben. Nach einer äußerst stürmischen Debatte wurde am Spätabend von der Delegiertenkonferenz beschlossen, das Memorandum der englischen Bischöfe den einzelnen Grubenbesitzern mit der Empfehlung zu übersenden, diese Vorschläge als Berhandlungsbasis anzunehmen- Dieser Vorschlag schwächt die Erklärung Cooks wesentlich ab und bringt eigentlich keine Veränderung der Lage, da di« kirchlichen Vorschläge endgültig zu den Akten gelegt wurden. Beachtenswert ist der Umstand, daß sich innerhalb der Delegiertenkonferenz das radikale Element stark bemerkbar macht. Die Delegiertenkonferenz beschäftigte sich mit der Haltung der Bergarbeiter-Exekutive, die jede schiedsgerichtliche Regelung in der Frage der Arbeitszeit ablehnt. Zn einigen größeren Kohlenbezirken wird sogar eine schiedsgerichtliche Regelung in allen Punkten abgekehnt. Zn diesen Bezirken gehört South Wales, wo die Bergarbeiter eine L-ohnredu- KieruMg von 32 Prozent in Kauf zu nehmen hätten und ferner Schottland, wo eine Reduzierung von 10 Prozent Platz greifen müßte. Außerdem sprachen sich noch zwei andere größere Kohlenbezirke gegen eine schiedsgerichtliche Regelung aus.
Die Lage in Syrien
! ' Paris, 31. Juli. Der „Quotidien" will aus Smyrna k Mitteilungen erhalten haben, die im Gegensatz zu den of- ? fiziellen Darstellungen stehen. Diesen Mitteilungen zufolge i seien zurzeit außer den Djebel Drus der ganze Staat Da- l maskus, das Haurangebiet bis Homs-Hama, der nördliche
- Libanon, das Bekah-Gebiet und der südöstliche Teil des j Libanon im Aufstand befindlich, lleberdies habe der Waha- ' br-nnönig Jbn Saud mitgeteilt, daß die nordarabisches ? Stämme den syrischen Ntionalisten vollkommen ergeben s feien. Das Eingreifen des Scheichs mit "I uen starken be- j rittenes Truppen, die sehr gut bewaffnet und ebenso tapfer ? wie die Drusen seien, könne eine ernste Lage schaffen.
E Ein französischer Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Be- ° wegnug in Elsaß-Lothringen
- Paris» 31. Juli. In der gestrigen Kammersttzung hat der s Juftizminister einen Gesetzentwurf unterbreitet, der nach z dem „Echo de Paris" bezweckt, die Propaganda zu unterdrücken, die darauf ausgeht, einen Teil des französischen
; Gebietes der Autorität der französischen Regierung zu ent- ^ ziehe«. Dieser Gesetzentwurf soll die antisranzüstschen llm-
- triebe in Elsaß-Lothringen unterdrücken.
Aus Stadt und Land.
Altensteig, den 2. August 1926.
MW« der StMWltdeiWMMdidM.
- Der gestrige Sonntag war ein großer Tag für dis Altensteiger. Es fand die Vorstellung der Bewerber um die durch den infolge Krankheit erfolgten Rücktritt von Stadtschultheiß Welker sreigewordene Stadtschultheißenstelle statt. Die Turnhalle, in welcher die Vorstellung erfolgte» war dicht besetzt und zwar waren nicht nur hiesige Bürger und Bürgerinnen so zahlreich vertreten, sondern diese Vorstellung lockte auch viele Verwaltungsleute des Bezirks und der Nachbarbezirke an. So wies Nagold deren eine stattliche Zahl auf. Die Tribüne der sonst so nüchternen Turnhalle wies einen Tannenreisschmuck aus. Geleitet wurde die Versammlung vom Sparkassendirektor Walz, der im Auftrag des Eemeinderats die Erschienenen herzlich willkommen hieß, ebenso die Bewerber. Der zahlreiche Besuch der - Versammlung beweise, daß sich die Einwohnerschaft der l Bedeutung der Wahl eines Stadtvorstandes bewußt sei, die i durch den Rücktritt des verdienten Schultheißen Welker not- ! wendig geworden sei. 14 Kandidaten haben sich beworben, i Die Bewerbung eines Berliners scheide aus, 5 andere Kan- i didaten haben ihre Bewerbung zurückgezogen; die restlichen ! 8 Kandidaten sind erschienen und zwar: Emil Braun, r Schultheiß in Darmsheim, Verwaltungsaktuar Kalm- ! bach, hier, Schultheiß Kaltenbach in Dettingen u. T.» j von hier gebürtig, Stadtschultheißenamtsverweser Kraps, z hier, Ulrich Merz, Verwaltungspraktikant, Dipl. rer. pol., Eßlingen, Stadtschultheitz Moros, Dornhan, Stadtpfleger Pfizenmaier, hier, und Rechnungsrat Sann- wald aus Welzheim. Die Reihenfolge der Redner wurde durch das Los entschieden und die Redezeit auf 20 Minuten festgesetzt. So sprach als Erster
Ulrich Merz aus Eßlingen,
während die anderen Bewerber die Turnhalle verließen» um nachher der Reihenfolge nach gerufen zu werden. Merz schilderte zuerst seine persönlichen Verhältnisse und seinen Bildungsgang, welch letzterer in der Ausbildung im Ver- ! waltungsdienst und im Besuch der Hochschule bestand. Z. ^ Zt. ist er im Verwaltungsdienst der Industrie tätig und zwar bei den Lech-Elektrizitätswerken in Augsburg. Durch seine Ausbildung und praktischen Erfahrungen glaubt der Redner dem Posten eines Stadtvorstandes voll und ganz gewachsen zu sein und gibt seine Grundsätze bekannt, die ihn als künftigen Stadtvorstand leiten würden. Nötig sei, im Besitze des allgemeinen Vertrauens der Bevölkerung zu sein, die durch unparteiische und gerechte Amtsführung zu erwerben sei. Unparteiisch sein heiße nach seiner Auffassung ohne Ansehen von Stand und Person, von der Parteien Haß und Gunst unbeirrt, stets seinen Weg zu gehen, ! den die eigene von strengstem Pflicht- und Verantwortungs- I bewußtsein geleitete Ueberzeugung vorschreibe. Die politi- j sche Ansicht der Bürger, ob vermögend oder unvermögend, r ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, dürfe für den Stadtvorstand in seinem Amt keine Rolle spielen. Jedem habe er in gleichem Maße seinen Rat und seine Unterstützung zu leihen. Der beste Bürger aber sei der, der am uneigennützigsten seinem Gemeinwesen diene nach dem Grundsatz: Gemeinnutz vor Eigennutz. Getreu diesem Grundsätze müsse aber auch der Stadtvorstand sein Amt führen. Sonderinteressen und Sonderwünsche der Einzelnen dürfen nur unterstützt werden, wenn sie dem Gemeininteresse nicht entgegenstehen. Die Charaktereigenschaften seien maßgebend für einen Mann, der an der Spitze einer Gemeinde stehe. Er ! habe rücksichtslosen Kampf zu führen gegen diejenigen, die gegen das Interesse der Gemeinde seien. Reinheit in der öffentlichen Verwaltung sei notwendig. Korruption dürfe es nicht geben. Eine gedeihliche Entwicklung sei nur dort s gesichert, wo Gemeinschaftsgefühl und der Geist des Fort- i schritts sich verbinden. Was alt und gut sei, müsse erhal- j ten bleiben, was morsch sei, habe zu weichen und dem Ge- ^ sunden Platz zu machen. Das lehre schon die Natur. Er k wolle es unterlassen von den einem Stadtvorstand durch ! das Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu sprechen oder einzelne ^ Probleme und Fragen zu erörtern. Auch widerstrebe es ' ihm durch schöne Worte Hoffnungen zu erwecken oder Ver- sprechungen zu machen. Nicht durch Worte, sondern durch s Taten zeige sich der Meister. Im Falle seiner Wahl wolle l er aber sein Amt so führen, wie es einem tüchtigen Stadt- * Vorstand gezieme und seine Zeit und Kraft einsetzen, um den