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er Tageszeitung
Aus den Tannen"
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Amtsblatt für den Dberamtsbezirk Nagold und Altenstrig-^tadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw u jrsudmstad
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Allrnjlrtg, Samstag dr« St. Aalt
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Zur Lage.
' Zn denselben Tagen, in denen der amerikanische Ge- > dhichtsprofessor Barnes in Berlin und München seine
! Mmnhaften Vorträge gegen die Kriegsschuldlüge hielt und «ichwies, daß andere — Rußland, und Frankreich — weit cher die Schuld am Ausbruch des Weltkrieges hatten, als ! Deutschland, erfolgte ein Aufruf des Verbands für europäische Verständigung. Unterzeichnet war er von 350 „führenden Persönlichkeiten des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens Deutschlands". Wer mit uns der Ueber- zeugung ist, daß Deutschland nicht im Trutzwinkel sitzen blei- ^ darf und daß eine ausgleichende friedliche Verständi- Mng mit allen unfern Nachbarn die Voraussetzung eines wirtschaftlichen Aufbaues ist, der kann diesen neuen Ver- stch der Annäherung nur begrüßen. Vergeben wird sich Deutschland nichts, wenn es, die Schuldlüge abweisend und ! das Selbstbestimmungsrecht für die nationalen deutschen j Minderheiten samt dem Schutz seiner Grenzen fordernd, den ! Nachbarn aber die Hände entgegenhält mit dem Vorschlag s und dem Versprechen: So wollen wir dem allgemeinen -Frieden und dem wirtschaftlichen Gedeihen aller dienen! ?
Eine geradezu unbegreifliche Tragikomödie spielt sich zur Zeit im deutschen „Vorstaal" Preußen ab. Zn Magdeburg ist ein Mordprozeß anhängig, zu dessen Untersuchung auch Berliner Kriminalbeamte zugezogen wurden. Und nun entwickelte sich eine gegenseitige Streiterei zwischen den Berliner und den Magdeburgern Beamten, die nicht miteinander arbeiten wollen. Unbegreiflich dabei ist, daß die sonst doch so schneidigen preußischen Minister des Innern und der Justiz sich ein solches Verhalten der richterlichen Beamten gefallen lassen. Die höchsten staatlichen Organe Müssen schließlich immer noch die Möglichkeit haben, diejenigen Beamten mit der Wahrnehmung besonders schwieriger Aufgaben zu betrauen, die sie dafiir für hervorragend geeignet halten, und es geht nicht an, daß in einer Frage, die das öffentliche Interesse so sehr berührt, wie diese, die Dinge einfach wegen lächerlicher Kompetenzstreitigkeiten oder persönlicher Voreingenommenheiten verschleppt werde». Zudem wächst natürlich von Tag zu Tag die Gefahr, idatz die wirkliche Spur immer mehr verwischt wird und der Täter straflos davon kommt. Schließlich hat die ganze Angelegenheit auch noch eine menschliche Seite. Wir wissen nicht, ob der Großindustrielle Haas die Mordanstiftung, deren er bezichtigt ist, begangen hat oder nicht. Wir wissen Ä>ei, daß er nunmehr fünf Wochen im Untersuchungsgefängnis sitzt und erst einmal richtig vernommen wurde. And das alles wegen der internen Streitigkeiten der Beamten, die die Untersuchung zu führen haben. Wo bleibt da der preußische „Schneid"?
Frankreich hat zurzeit seine Znflationssorgeu mehr als V- Das neue Ministerium unter Führung Poincares, das WEs Kabinett der „heiligen Eintracht" darstellt und als solches auch scharfe politische Gegner umfaßt, hat eine neue, Poincare selbst entworfene und von ihm zu vertretende "Engsvorlage bei der Volksvertretung eingebracht. Alls «rwereu Fragen politischer Art wurden in der Regierungserklärung absichtlich weggelassen; nur die finanzielle Ret- des Staates wurde in Betracht gezogen. Ueber dis Vorschläge Poincares soll nun, nach dem raschen Abschluß ^ der Kommission, im Plenum mit rücksichtsloser Raschheit entschieden werden. Zu diesem Behufs verlangt Poincare erstens, daß keinerlei Abänderungsvorschläge gemacht "brden dürfen — und doch sind schon über 200 solche an- t — und zweitens, daß der Regierung freie Er- Echtigung zur Durchführung der für nötig erachteten Maßnahmen gegeben wird, ein Verlangen, das der vorhergehenden Regierung nicht gewährt wurde. Nachdem bei A? Einbringen der Vorlage durch Poincare, trotz des ^Eischen Protestes der Kommunisten, die Regierung eine Mederholte starke Mehrheit für sich verzeichnen konnte, hat Wn die Kommissionsberatung nur schwankende, geringe Mehrheiten erbracht, so daß Poincare bei jeder Einzelfor- Arung die Erhebung der Vertrauensfrage in Aussicht Mute Die Aussicht für Poincare ist also keineswegs glän- doch wird die Furcht vor der großen Verantwortung «Uly dieses Scheiterns des Rettungsversuches ihm eine Mehrheit verschaffen. Aber um diese sicher zu erhalten, muH b als nur möglich vorgegangen werden; denn die k an der Eesetzesvorlage nimmt auch in der Presse n der Bevölkerung immer schärfere Zuspitzungen an.
. .yrend so Frankreich seine großen finanziellen Sorgen "W durch den massenhaften Besuch der Juftationsrei- besonders aus England und Amerika, aber auch Deutschland, nicht gemildert werden, muß es sich gleich- mit der Autonomiebewegung im Elsaß auseinander- ^ Schlettstadt hat die Stadtverwaltung sich er- ym, die Straßennamen, die an die glorreiche" Kriegs- Innern, durch neutrale Namen zu ersetzen, was aber Herr Präfekt nicht dulden will. Und in Kol- c karw rn diesen Tasen ein Prozeß segeu. eft«« Verftlf-
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ser und Unterzeichner eines Ausrufes des Heimatvunves, - der die Autonomie des Landes im Rahmen der Staatszugehörigkeit zu Frankreich forderte, statt. Der angeklagte ; Professor Rosse verteidigte sich energisch und die Zeugen, ! die u. a. auch auf die Rückständigkeit der französischen So- f zialgefetzgebung hinwiesen, forderten die größere Selbstän- s digkeit vom Elsaß als ein Naturrecht der Einwohner. Die i Urteilsverkündung wird erst in nächster Woche erfolgen. j
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In England geht der Kohlenkrieg weiter. Der neue Exe- l kutivausschuß des Bergarbeiterverbandes ist zusammengetreten. Doch wird er keine veränderte Haltung einnehmen. > Im Gegenteil! Man hat bereits beschlossen, eine Deputation von Bergarbeitern nach den Vereinigten Staaten zu schicken, um dort in Propagandaversammlungen Unterstützungsgelder zur Fortsetzung des Streiks zu sammeln. Dis Regierung verhält sich vollständig passiv. Auch lehnt sie jede weitere Unterstützung für die Bergwerke ab.
Eine Aeußerung des Außenministers Lhamberlain über ^ die deutsche Abrüstung hat in England wie Deutschland er- r hebliche Erregung verursacht. Die Aeußerung des Mini- i sters ging dahin, als ob Deutschland seinen Verpflichtungen j nicht in vollem Umfange nachgekommen sei. Auf wieder- ? holte Anfragen im englischen Unterhause wurde dann die ! Auskunft sehr erheblich eingeschränkt. Die Anstände, wurde ! gesagt, betreffen nur ganz untergeordnete Punkte und ihre ! Erledigung werde in Aussicht zu nehmen sein, so daß dem ! Eintritt Deutschlands in den Völkerbund nichts im Wege : stehe. Auch von deutscher Seite wurde in offiziöser Weise i die verhältnismäßige Belanglosigkeit der noch bestehenden i Differenzpunkte betont. Auffallend ist dabei nur, warum ! der englische Minister des Aenßern in solch mißverstand- i licher schroffer Weise seine Aeußerung getan hat. Daß man , dann nachträglich einen Minister öffentlich korrigieren muß, f trägt sicherlich nicht zur Stärkung seiner Autorität, aber s auch nicht zur Erhöhung des gegenseitige« Vertrauems der - Nationen und ihrer Regierungen bei. r
' An der polnisch-litauischen Grenze wie cm der zwischen ! Rumänien und Rußland kam es zu allerlei Zwischenfälle, k Es sollen da auffallende Bandenbildungen mit bedrohlichem ? Charakter vorgekommen sein, gleich als ob ein kleberfäll > des Nachbarstaates planmäßig vorbereitet werde, und s Spione, die über die Grenze gekommen waren, wurden er- j schossen. Es zeigt das die fortdauernde Unsicherheit an de« r von den Diplomaten der Entente bei den sogenannten ? „Friedensschlüssen" gezogenen widernatürlichen Grenzen, die einen wirk! ,en Frieden und eine ruhige Entwicklung auch im Osten nicht aufkommen lassen.
Daß es auch im bolschewistischen Rußland noch fortwährend gährt, hat die letzte Zeit gezeigt. Das Haupt der bolschewistischen Tscheka Dserschinski, einer der mächtigsten und aefürchtetsten Männer von Sowjetrußland, ist, im beste« Mannesalter stehend, plötzlich gestorben. Daß es kein na- türlicher Tod war, ist allgemein behauptet und nur einseitig und schwach zurückgewiesen worden. Man hat nur für nötig erachtet, seine Vergiftung in Abrede zu ziehen. Dich aber manches auch bei ihm, diesem scheinbar Unnahbaren, nicht in Ordnung war, ist jetzt nach seinem Tode ruchbar geworden. Man sagt, er habe sich große persönliche Reich- j tümer im Ausland gesichert — er, der große Kommunist! §
Offiziell eingeräumt und mitgeteilt aber wurde, daß der Führer der kommunistischen Internationale und Mitglied i des politischen Büros Sinowjew plötzlich seiner Aemter entsetzt werden mußte und mit ihm Laschowitz, Mitglied des revolutionären Kriegsrates. Grund: geheime, revolutionäre Umtriebe gegen die bestehende Regierung und Ord- ! nung! Vor Jahresfrist ist das noch Trotzki begegnet, der dann in den Kaukasus verbannt wurde, und von dem man s bisher nichs mehr hörte. Alle diese Vorgänge aber bewei- z ftn, daß auch im Sowjetreich keine Ruhe unter den Ge- - nossen herrscht, sondern die Gärung der verschiedensten Mei- s nungen und Strömungen fortdauert. !
JeillWmd - Italien
Die große italienische Presse hat sich in den letzten Tagen ' in so auffälliger und in so einheitlicher Form mit den r deutsch-italienischen Beziehungen beschäftigt, daß man an- ! nehmen darf, daß sie von der italienischen Regierung in i diesem Sinn inspiriert worden ist. Der Tenor aller dieser : Auslassungen ist etwa folgender: In den letzten Monaten ! sei eine unleugbare Besserung in den beiderseitigen Be- . Ziehungen eingetreten. Tiefe Meinungsverschiedenheiten f grundsätzlicher Natur beständen nicht und die Möglichkeit ; herzlicher Beziehungen zwischen beiden Ländern seien durch- aus gegeben, wie das auch vor dem Kriege durch die Er- ^ fahrungen eines halben Jahrhunderts erhärtet worden sei. Bei gutem Willen werde es auch möglich sein, in der Südtiroler Frage zu einem modus vivendi zu komme«. Auch die
Forderung nach gerechterer Verteilung des Kolonialbesitzes sei kein Anlaß zu politischen Differenzen zwischen beiden Ländern. Den Ansprüchen Deutschlands in dieser Beziehung werde zugestimmt und Deutschland tue gut, seinerseits auch den italienischen Forderungen Rechnung zu tragen. Damit im Zusammenhang heißt es dann, Laß durchaus die Möglichkeit gegeben sei, daß Italien die kommende Völkerbundstagung dazu benutzen werde, um die Beziehungen zu Deutschland besonders herzlich zu gestalten.
Nach den langen Monaten, in denen auf beiden Seiten eine außerordentlich gespannte Stimmung herrschte, wird man in Deutschland derartige Auslassungen begrüßen, zumal aus ihnen auch hervorgeht, daß man in Italien hofft, auch in der Frage des österreichischen Anschlusses in Deutschland bei „entsprechenden Kompensationen" einen Schritt vorwärts zu kommen. Der Konflikt zwischen Deutschland und Italien entstand seinerzeit wegen Südtirol, wo Italien glaubte, gegen das deutsche Kulturelement schärfer Vorgehen zu können. Der einmütige Protest der deutschen Oef- fentlichkeit hatte damals aber zur Folge, daß Italien nur einen Bruchteil seines „Nationalisierungsprogrammes" durchführte. Im Großen und Ganzen läßt sich jetzt sagen, daß die Wahrung der deutschen Interessen in Südtirol im Rahmen der nun einmal bestehenden Verträge gesichert erscheint. Damit ist aber l-.r wichtigste Konfliktsstoff zwischen beiden Ländern beseitigt worden. Tatsächlich sind beide Länder in der Frage des Kolonialproblems wohl die natürlichen Bundesgenossen. Nun ist es ja selbstverständlich, daß die deutsche Demokratie, noch mehr aber die Sozialdemokratie aus ihrer ganzen Weltanschauung heraus Gegner des Faschismus find, der Italien beherrscht. Damit läßt sich praktisch aber keine auswärtige Politik treiben. Deutschland ist darauf angewiesen, alle Reibungen, die seiner internationalen Politik entgegenstehen, aus dem Wege zu räumen, und wenn es gelingt, die Beziehungen zu Italien wieder so zu gestalten, daß den beiderseitigen Interessen damit gedient ist, dann werden Erwägungen rein innerpolitischer Natur hierbei kein Hemmnis bilden dürfen.
Neues vom Tage
Annahme der ermäßigten Mehlzölle im Reichsrat
Berlin, 30. Juli. In seiner öffentlichen Vollsitzung am Donnerstag stimmte der Reichsrat der Vorlage der Reichs- vegierung zu, die vom 1. August ab bis auf weiteres niedrigere Mehlzollsätze und zwar für Mahl aus Hafer und Gerste und für Müllereierzeugnisse aus Gerste 14 -N, für sonstiges Mehl und sonstige Müllereierzeugnisse 10 <4l pro Doppelzentner festsetzt. Ei« Antrag des bayerischen Gesandten von Preger, der die 10 Mark-Zollsätze auf 12,50 erhöhen wollte, wurde in namenti Abstimmung mit 38 gegen 28 Stimmen abgelehnt. Das gleiche Schicksal hatte sin würt- tsmbergischer Antrag, der über den bayerischen hinaus die 14 Mark-Zollsätze auf 17ZO erhöhen wollte. Für die
höheren Zölle stimmten u. a. Ostpreußen, Brandenburg, Pommern, Bayern, Württemberg, Thüringen und Bremen.
Rücktritt Dr. Hehlers?
München, 30. Juli. Die „Münchner Neuesten Nachrichten" bvingsn «me Berliner Information, nach der Reichswehr- Minister Dr. Eeßler fest entschlossen sei, im Herbst endgültig Es dem Amt zu scheiden. Es werde angenommen, daß Dr. Geßler sich künftig besonders lebhaft im Sinne der Förderung der Politik der Mitte betätigen werde. Eine Entscheidung über stinen Rücktritt sei noch nicht gefallen. Es gelte aber als nicht unwahrscheinlich, daß der Reichstag bei seinem Wiederzusammentritt das Reichswehrministerium bereits anderweitig besetzt finden werde. Die größere 26ahr- scheintichkeit spreche dafür, daß der bisherige Innenminister Dr. Külz im Herbst unter Abgabe des Innenministeriums dos Rekchswehrministerium übernehme.
Prompt erfolgt die Antwort! — Keine RücktrittsabsüAe« Dr. Kehlers
Berlin» 30. Juli. Entgegen anders lautenden Meldun« gen ist an zuständiger Stelle von der Absicht des Reichs« wehrministers Dr. Eeßler, im Herbst zu demissioniere«, nichts bekannt.
Abberufung der Kommission Walch im Oktober?
Berlin, 30. Juli. Wie in Kreisen der Kommission Walch erklärt wird, rechnet man dort mit der Abberufung der Kommission aus Berlin bestimmt bis spätestens Oktober. Ei« Teil der Kontrolloffiizere soll bereits Anweisung erhalte« haben, sich im Herbst auf eine anderweitige Verwendung vorzubereiten.