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Aus den Tannen

Amtsblatt für den Gberamtsbezirk Nagold und Altenstrig Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Calw u. Freudenstadt

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Ur. 139

Altrnsteig, Montag den 12. Juli

1926

JeutWnds koloniale Ansprüche i

Baldrom, der englische Premierminister, hat dieser Tage I sich mit den kürzlichen Auslastungen des englischen Kolonial- ? staatSsekretärs Amery über die Frage des deutschen An- ! tznuchs auf Kolonialmandate identifiziert. Konnte man die s krklärungen Amerys noch als Aeußerungen mehr oder we- I »iger privater Natur bezeichnen, so geht das bei denen des i britischen Ministerpräsidenten nicht an. Es wird deshalb - notwendig sein, den deutschen Standpunkt vor aller Welt l »och einmal mit aller Kürze, aber auch mit aller Präzision ! darzulegen. s

Als Herriot und Macdonald im Frühjahr 1624 von Genf f aus eine deutliche Aufforderung an Deutschland richteten, >> doch nunmehr dem Völkerbund beizutreten, hat das Aus- ; wärtige Amt in einem eingehenden Memorandum die Stel- - lung Deutschlands zum Völkerbunde noch einmal genau dar- l gelegt. In diesem Schriftstück von programmatischer Vedeu- i tung, das damals an alle im Völkerbundsrat vertretenen ! Mächte gesandt wurde, erklärte die Reichsregierung, daß i Deutschland es als sei« selbstverständliches Recht ansche, auch ? seinerseits zu denvorgeschrittenen Rationen" zu gehören, ! die nach der Völlerbundssatzung allein fähig seien, eine Art s oou Vormundschaft über andere Völler zu übernehmen, s Diese Erklärung ist dann im Laufe der Zeit noch mehrmals s bekräftigt worden. Sie hat u. a. auch ihren Niederschlag in s der Anfrage gefunden, die Deutschland an die im Rate ver- s tretenen Mächte sandte, um sich zu vergewissern, ob ihnen s ein Eintritt Deutschlands in den Bund unter den Voraus- f setzungen, die für Deutschland nun einmal unerläßlich sind, : auch genehm wäre. Endlich ist das Kolonialproblem auch ! bei den Verhandlungen in Locarno angeschnitten worden i md die dort vertretenen alliierten Mächte haben Deutsch- s lrnd die klare Zusicherung gegeben, daß es als Kandidat für ? Kolonialmandate anerkannt werde. i

Die Kolonialmächte, die mit der Verwaltung von Man- s baten betraut sind, stellen sich nun, wie man aus den Aeuße- s rungen der zuständigen englischen Stellen schließen muß, ! ruf den Standpunkt, daß an der gegenwärtigen Verteilung ^ der Mandate nichts geändert werden dürfe. Dieser Stand- t Punkt aber ist völlig unhaltbar. Denn, wenn man ihn ernst- i Haft vertritt, dann kann man auch keine Kandidaten für neue Mandatsansprllche anerkennen. Eines schließt das an- ! dere aus, da ja die zur Verfügung stehenden Mandatsgebiete j durch den Versailler Vertrag alle verteilt worden sind. Der k Standpunkt ist aber noch aus einem zweiten Grunde un- f haltbar. Nach dem klaren Wortlaut und Sinn des Ver- ^ sailler Vertrages üben die Mandatare die Verwaltungs- ! Hoheit in den Mandatsgebieten nur als Treuhänder des ! Völkerbundes aus. Sie haben diesen gegenüber Rechenschaft über alle Maßnahmen abzulegen, die sie in den Mandats­gebieten treffen. Das schließt aber logischerweise in sich, daß i der Völkerbund auch von sich aus eine andere Verteilung der « Mandate vornehmen kann, wenn es ihm aus irgendwelchen f Sünden zweckmäßig und notwendig erscheint. Diese Zweck- ! Mäßigkeit und Notwendigkeit ist aber ohne weiteres gege» s ben, wenn Deutschland in Len Völkerbund eintritt. Denn es ^ geht nicht an, daß man den größten kontinentalen Staat, r der der Liga der Nationen beigetreten ist, von einem Recht j ausschließt, das in erster Linie moralisch begründet wird. ? Wir misten selbstverständlich, daß für die alliierten Mächte, i als sie im Jahre 1919 Deutschland in Versailles zum Ver- t Sicht auf seine überseeischen Besitzungen zwangen, vor allem z wirtschaftliche Motive maßgebend gewesen sind. Und wir ? leugnen auch nicht, daß es vornehmlich wirtschaftliche k Münde sind, die in Deutschland die koloniale Idee tragen. > Da die Alliierten aber ihre Haltung in dieser Frage aus f rein Versailler Vertrag zu begründen suchen, so steht uns r aas gleiche Recht zu, und wir können unsere Ansprüche aus ! den Bestimmungen des Vertrages zweifellos mit besseren Argumenten belegen, als das bei der Gegenseite der Fall ist. x theoretisch haben die anderen Locarnomächte die sogenannte i koloniale Schuldlüge, gegen die Deutschland in Versailles r vergeblich schärfsten Protest erhoben hat, schon aus dem l geräumt, indem sie Deutschlands Kandidatur für f Kolonialmandate anerkannten. Die praktischen Konsequen- ' scheinen sie allerdings daraus nicht ziehen zu wollen, s gerade aber, weil der Versailler Vertrag dem deutschen i Bolke aus moralischen Gründen das Recht zum Besitz von - Kolonialgebieten abspricht, ist es für Deutschland unerläß- - >ch, daß seine Ansprüche vom Völkerbund nicht nur de jure, > Indern auch de facto vor aller Welt anerkannt werden, s Deutschland kann es bei den Erklärungen der Alliierten von i Locarno, die es erst im Jahre 1919 vor der Oeffentlichkeit ! ler zivilisierten Nationen diskrediert haben, nicht bewen- ? M lasten. Es muß sichtbare Beweise dafür verlangen, daß

sich die Auffassungen über Deutschland gewandelt haben. Ohne diese Beweise hätte Deutschlands Eintritt in den Völkerbund einen großen Teil seines Sinnes verloren. Die­sen Standpunkt in den Hauptstädten der Welt mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen, wird eine wesentliche Aufgabe der diplomatischen Erörterungen sein müssen, die, wie wir wissen, die deutschen Vertreter über die Frage des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund vor kurzem wie­der ausgenommen haben.

Me HeiMbeMgung im Elsaß

Von den innerpolitischen Sorgen Frankreichs erscheint neben der Finanzfrage das elsaß-lothringische Problem von ebenso hervorragender Bedeutung. Die Tatsache, daß in Elsaß-Lothringen seit Wochen eine Bewegung um die Ver­selbständigung der dortigen Verwaltung immer mehr ge­wachsen ist, hat den Machthabern in Paris sehr zu denken gegeben, da ja auch nicht zu leugnen ist, daß die Propaganda des Heimatbundes im Auslande nicht ohne praktische Aus­wirkungen bleibt. Von Paris aus hat man viele Maßnah­men ergriffen, um die Autonomiebewegung einzudämmen oder gar ganz abzustoppen. Die Schärfe, mit der man aber zum Teil vorgegangen ist, mußte auf die Gemüter natürlich den umgekehrten Druck ausüben. Die Elsaß-Lothringer lie, !en sich nicht irre machen. Sie haben nach dem Eingreifen «r französischen Regierung nur noch intensiver und ziel- lewutzter gearbeitet. Ein Maßstab dafür, wie weit die Hei- »atbewogung zum Beispiel im Elsaß vorgedrungen ist, stirfte der Parteitag der elsässischen Volkspartei sein, der lrößts» elsässischen Partei. Rückschlüsse aus dem Parteitag Kegen umsomehr nahe, als die elfässische Volkspariei in sich llle politischen Faktoren vereint, wie sie sich im gesamten cksah-lothringifchen Volke vorfinden, das, abgesehen von ros­tigen Ausnahmen, noch immer stark klerikal ist. Der Partei­lag mußte zeigen, inwieweit es möglich ist, zwischen dem profranzösischen Element und den Leuten der Heimatbewe- zung zu vermitteln. Die Verhandlungen und die angenom­menen Resolutionen haben nun den Beweis dafür geliefert, Satz auf die Dauer ein Zusammengehen zwischen französischen Nationalisten deutscher Zunge im Elsaß und den Anhängern der Heimatbewegung unmöglich ist. Man hat zwar auf dem Parteitag nicht nur den Versuch gemacht, eine Einigung herbeizuführen, man ist sogar tatsächlich zu einer Einigung gekommen. Lieft man mit der nötigen Sachkenntnis und Objektivität aber die angenommenen Resolutionen durch, so wird man finden, daß der Heimatgedanke immer weiter sich Bahn bricht und daß die Gegner der Autonomiebewegung bereits mehrere Pflöcke zurückgesteckt haben. In dieser Mei­nung wird man auch dadurch bestärkt, daß von parteioffi- sieller Seite der Auffassung nicht widersprochen wird, daß etwas Endgültiges nicht erreicht ist und daß die letzte Lösung noch aussteht. Die Lage wird man damit am besten kenn­zeichnen, daß man feststellt: Die elsaß-lothringische Heimat­bewegung hat sich schon soweit durchgesetzt, daß es auf dem Parteitag der elsässischen Volkspartei schon zu einer Schei­dung der Geister gekommen wäre, wenn die Gegner der Autonomisten sich stark genug gefühlt hätten, den offenen Kampf aufzunehmen. Da sie es nicht getan haben, da sie zögern, sich als Gegner der Heimatbewegung in aller Oef­fentlichkeit im Lande vor der Wählerschaft zu zeigen, geben sie indirekt nur allzu deutlich zu erkennen, daß der Autono­miegedanke bereits festen Fuß gefaßt hat, daß sie vielleicht nur noch eine gewisse Zeit und die Maßnahmen der Pariser Regierung abwarten wollen, und dann abwägen werden, ob es aus gewissen materiellen Interessen heraus für sie auch nicht besser ist, eines Tages sich dem Heimatbund anzuschlie- hen. Deshalb kann man den Versuch der Autonomiegegner, zwischen Paris und der elsaß-lothringischen Heimatbewegung zu vermitteln, ruhig als gescheitert ansehen. Die einleiten­den Sätze der angenommenen Entschließungen lassen zwar den Schluß zu, daß der Vermittlungsvorschlag geglückt sei, bei näherem Zusehen ergibt sich aber, wie oben bereits be­tont, zur Genüge, daß die Leute vom ehemaligen nationalen Block unterlegen sind. Sachlich gehen sie ja in der Verurtei­lung des von Paris ausgeübten Zentralismus mit den Auto­nomisten durchaus einig. Die Entschließungen wenden sich mit sehr scharfen Worten gegen den bis ins Extreme gestei­gerten Zentralismus und fordern eine durchgreifende Ver­waltungsreform im Sinne einer weitgehenden Dezentrali­sation, was erhellt, daß die einleitenden Sätze lediglich eine Phrase darstellen. Die Autonomisten haben schließlich, wenn man so will, die nationale Gemeinschaft in Gesamt- Frankreich nicht lockern wollen, sie verlangen nur, die elsäs­sischen Probleme unter der Souveränität des französischen Staates Lrakt eiaener Machtvollkommenbeit zu Wen. io.wett

sie sich auf Dinge beziehen, die eben als spezifisch elsässisch oder lothringisch anzusehen sind.

Wieweit der Autonomiegedanke bereits in der elsässischen Volkspartei gesiegt hat, geht insbesondere aus der zweiten auf dem Parteitag angenommenen Entschließung hervor, in der die von der Regierung gegen die Unterzeichner des Ma­nifestes des Heimatbundes getroffenen Maßnahmen in schärfster Weise mißbilligt und zwar aus grundsätzlichen Rücksichten und praktischen Erwägungen. Indem man die Eemaßregelten als die Opfer einer Atmosphäre bezeichnet, für die die Fehler der französischen Regierungs- und Der- waltungspolitik in erster Linie die Schuld tragen, sagt man ! ungefähr alles, was das Programm der Heimatbewegung ! zu tun vorschreibt. Wenn jetzt die Antiautonomisten der s elsässischen Volkspartei Lust verspüren sollten, trotz des Par- ! teitages und seines Ergebnisses gegen die Heimatbewegung i loszuziehen, dann wird man ihnen stets von neuem die x Entschließungen des Parteitages vor Augen halten müssen, s Sie werden sich mit nichts mehr entschuldigen können, und ! sie werden es dulden müssen, der Unaufrichtigkeit bezichtet ^ zu werden. Eines Tages wird zweifelsohne trotz des Aus- s ganges des Parteitages die Auseinandersetzung innerhalb ? der elsaß-lothringischen Bevölkerung kommen müssen, wie sie ; sich auch in der elsässischen Volksvartei zeigen wird. D. zu f sind die Gegensätze zu groß, als daß man mit einem schiedlich- ! friedlichen Nebeneinanderleben französischer Zentralisten ! und Vertretern des Autonomiegedankens rechnen könnte.

! Der Parteitag der elsässischen Volkspartei gibt aber zu der r begründeten Hoffnung Anlaß, daß der Autonomiegedanke ! den Sieg über die Leute davontragen wird, die in seltener Verblendung ihre deutsche Herkunft und ihre deutsche Kultur verleugnen.

Eia gkMliiger ErplosiWWW is Amerika.

Morristown (New-Jersey), 11. Juli. Eine durch Blitz­schlag in das Munitionsdepot am Denmark-See hervorge­rufene starke Explosion zerstörte das gesamte Arsenal und 3V Häuser in der Umgebung. Nach Mitteilungen des Ma­rineamts werden zwei Drittel des 80 Mann starken Kom­mandos des Munitionsdepots vermißt. Andere Nachrichten sprechen davon, daß über 100 Mann umkamen. In den Nachbarorten mußte die Bevölkerung ihre Wohnungen räumen.

Newyork, 11. Juli. Die Explosion des Munitionsde­pots in Denmark übertrifft die Explosionen von Black-Tom im Jahre 1916, bei der über 100 Bahnwagen Dynamit auf­geflogen sind. Das explodierte Munitionsdepot enthielt ein Zehntel der gesamten Munitionsvorräte der amerikani­schen Marine. Nachdem um 5 Uhr nachmittags die erste Explosion erfolgt war, flog im Laufe der Nacht auch der Rest der Vorräte in die Luft. Auch ein in der Nähe gele- f genes Munitionsdepot der amerikanischen Armee wurde in ! Mitleidenschaft gezogen. In diesem dauern z. Zt. die Ex- ! plosionen noch an, doch ist bisher der Hauptteil der Vorräte im Armeedepot von der Katastrophe noch nicht erfaßt wor­den. Die in der Nähe gelegenen Ortschaften Mount-Hope ! und Denmark, sowie zahlreiche von Touristen errichtete s Zelte sind zerstört worden. Im Umkreis von über 35 Mei- i len wurden die Fenster zerstört. Die explodierenden Era- f naten überschütteten die Gegend meilenweit mit Spreng- ! stücken, wodurch zahlreiche Autofahrer auf den Landstraßen s verletzt wurden. Die Zahl der getöteten Militärpersonen ! läßt sich nicht genau angeben, da viele in dem llnglllcksge- biet stationierte Soldaten beurlaubt waren. Die Verluste unter der Zivilbevölkerung können infolge der herrschen­den Verwirrung noch nicht festgestellt werden. Der Sachscha­den wird allein für das Marinedepot auf 80 Millionen Dollar geschätzt.

f Dover (New-Jersey), 11. Juli. Infolge des Explo- ? sionsunglücks am Denmark-See ist ein militärischer Kor- ! don um ein Gebiet von 16 Quadratmeilen gezogen worden. ! Infolgedessen ist es gegenwärtig nicht möglich, die Höhe der > Verluste und die Größe des Materialschadens abzuschätzen. ! Es steht fest, daß ein Offizier den Tod gefunden hat und ! daß 3 andere Offiziere und wahrscheinlich 20 Mann ver- ! mißt werden. 34 Marinesoldaten sind verwundet.

- Newyork, 11. Juli. Nach weiteren Nachrichten über das ! Explosionsunglück am Denmark-See erwartet man, daß auch ) das Munitionslager der amerikanischen Armee im Werte

- von 40 Millionen Dollar, das bereits von der Explosion be­troffen wurde, seiner völligen Zerstörung entgegengeht und