Amis- und Anzeigeblatt für den Vberanttsbezirk Lalw. 8Y. Jahrgang.

Nr. 256.

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Montag, d»« 2. Novennber

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Anntlichf« Sekanntnrachangen

Iugendwehr.

Die Herren Ortsvorsteher der Landgemeinden wollen bis spätestens 1v. d. Mts. berichten, ob nun­mehr eine Jugendwehr in ihren Gemeinden ge­gründet ist; zutreffendenfalls wären die Namen der Herren Ortslciter und Führer, welche der Be­stätigung durch den Arbeitsausschuß der Murrt. Jugendwehr in Stuttgart unterliegen, sowie die Zahl der Jungmannen hierher mitzuieilen. (Vergl. die oberamtl. Ausschreiben vom 1., 5. und 26. vor. Mts., Calwer Tagbl. Nr. 230, 232 und 250).

Den 2. November 1914.

K. Oberamt: Binder.

K. Versicherungsamt Calw. Aufforderung an sämtliche Krankenkaffenmitglieder des Bezirks Calw.

Die gegenwärtig sehr ernste Zeit erfordert mehr denn je eine Einschränkung der Ausgaben der Krankenkassen aus das allernoiwendigste Maß.

Durch die Einberufung zahlreicher Krankenkassenmit- ylieder zu den Waffen einerseits, dte bereits schon eingelretene Arbeitslosigkeit andererseits gehen die Einnahmen der Krankcn- Kasse, insbes der Allgem. Ortskrankenkasse Calw ganz erheb­lich zurück; es ist deshalb Pflicht der Mitglieder, in allererster Linie mit den Mitteln der Krankenkasse mindestens ebenso spar­sam umzugehen, wie man dies im eigenen Haushalte tun muß.

In der Stadt und auf dem Lande dürfen sich nur solche Kafsenmitglieder krank melden und die Unterstützungen in Anspruch nehmen, welche tatsäcklich nicht arbeitsfähig sind, denn Arbeitslose zu unterstützen ist Pflicht anderer Korporationen, nicht der Krankenkassen. Zudem ist der größte Teil unserer Aerzte von der Heeresleitung einberufen und es ist deshalb dringend notwendig, daß die Kassenmitglieder die noch anwesenden Aerzte so wenig als möglich in Anspruch nehmen, damit dieselben auch den sonstigen Ansprüchen an sie gerecht werden können.

Ebenso ist die Einschränkung der Arznei- und Stärkungs- mittel ein absolutes Erfordernis Biele Fälle sind schon be­kannt geworden, in welchen die vom Arzt oerordneten Arz­neien weggeworfen werden, von der Kasse aber bezahlt werden müssen. Sämtliche Krankenkaffenmitglieder möchte ich deshalb im Hinblick aus die vielen Entbehrungen unserer im Felde

stehenden Krieger dringend auffordern» gegenwärtiges Mahn­wort im Interrcsse der Erhaltung einer auch in ernsten Zeiten leistungsfähigen Kaffe zu beachten, damit die Unterstüzungen den wirklich Bedürftigen in dem bisherigen reichlichen Maßt weiter gereicht werden können.

Den 31. Oktober 1914.

Reg.-Rat Binder.

K. Oberamt Calw.

Auf die imStaatsanzeiger" Nr. 259 (Bei­lage) erschienene Bekanntmachung der K. Zentral­stelle für die Landwirtschaft vom 24. d. Mts. betreffend die Abhaltung von Maschinenlehrkurfen für Landwirte in Hohenheim» werden die beteiligten Kreise hiemit hingewiesen.

DerStaatsanzeiger" kann bei den Herren Ortsvorstehern etngesehen werden.

Den 31. Oktober 1914.

Regierungsrat Binder.

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Die Würfel sind gefallen, die Türkei befindet sich im Kriege mit Rußland. England und Frankreich werden nicht zögern, nun auch ihrerseits den Türken den Krieg zu erklären.

Wie sich die letzte Phase der bald nach Ausbruch des europäischen Krieges einsetzenden Spannung zwischen dem Dreiverband und der Türkei gestaltet hat, ob der entscheidende Schritt von Rußland oder -er Türkei ausging, entzieht sich bis fetzt der genau­eren Kenntnis, der Anlatz zum Bgginn der Feind­seligkeiten spielt ja auch für die Tatsache des Krieges selbst nur eine untergeodnete Rolle.

Die Ursachen der Auseinandersetzung zwischen dem Dreiverband und der Türkei stehen im engsten Zusammenhang mit dem europäischen Krieg, ja sie bilden eines der Hauptmomente, die für den Aus­bruch dieses fürchterlichen Völkerringens maßgebend waren.

Rußland hatte 1906 seine Pläne in Asien in­folge der Niederlage durch die Japaner fallen lassen müssen und griff nun wieder sein Lieblingsprojekt, das Balkanproblem und mit ihm die DardaneNen- frage auf. Die Gelegenheit schien günstig. Die Türkei hatte in den letzten Jahrzehnten unter dem schnodde­rigen Regime des alten Sultans Hamid seine mili­tärische Kraft oingebüßt, die den Russen in den bei­den letzten Kriegen gehörig zu schaffen gemacht hatte, und die 1908 zur Herrschaft gelangten Jungtürken waren nicht regierungsreif. Mit England, das in den letzten Kriegen gegen die Türkei immer zu deren Gunsten eingögriffen hatte, wegen seiner Interessen in Zentvalasien, hat man sich offenbar schon damals verständigt. Die Abmachungen bezüglich Persien und Afghanistan sind bekannt geworden, aber alles deutet darauf,, hin, daß auch inbezug auf die Dardanellen und Asgypten Vereinbarungen zwischen England und Rußland getroffen worden sind.

Die offensichtliche Verblendung Englands ange­sichts dieser gefährlichen Schritte kann nur damit be­gründet werden, daß es in den letzten Jahren nur einen Gegner gesehen hat. und das war Deutsch­land,, sein stärkster wirtschaftlicher Konkurrent und Lugleich sein Konkurrent auf dem Weltmeere. Treu dem bisherigen Prinzip, immer den stärksten Gegner ?uerst zu vernichten, hatte sich England dem Zwei­bund unter Preisgabe großer Interessen an geschlossen.

Mit der Türkei sollten auch Deutschland und Oesterreich getroffen werden. Der erste Akt des Jn- triguenspiels gegen die Türkei begann mit der In­

szenierung des Balkankriegs durch russische Agitation und französisches Geld. Man glaubte durch die Schaf­fung des Balkanbundes ein williges Werkzeug für die Interessen des Dreiverbandes zu erhalten. Der Ausgang der Tragödie ist bekannt. Rußland erlitt dabei ein völliges Fiasko. Nicht nur, daß es sich Bul­garien zum Feinde machte, es erreichte auch seinen Hauptzweck nicht, nämlich seinen Schützling Serbien ans Meer zu bringen. Diese Pläne waren vom Drei­bund unter der scheinheiligen Mithilfe Englands ver­eitelt worden, das seine Karten noch nicht zeigen wollte.

Der Türkei aber waren die Augen geöffnet wor­den und man wird sich in Konstantinopel erst recht über die Absichten der Ententemächte klar geworden sein bei Gelegenheit ihrer unverschämten Einsprüche bezüglich der Kompetenzen der deutschen Militär­mission.

Das Eingreifen der Türkei in den europäischen Krieg war für diese eine zwingende Notwendigkeit, denn im Falle des Sieges des Dreiverbandes hätte sie doch auch ohne Beteiligung am Krieg ihre bisher schon sehr eingeschränkte Autonomie wohl ganz ver­loren, Aegypten wäre von England annektiert wor­den und die Russen hätten wohl die Desarmierung der Dardanellen erzwingen. Siegen aber Deutsch­land u. Oesterreich so wird der Türkei dadurch die Ge­währ für eine innere Gesundung und Erstarkung ge­boten. Denn die Zentralmächte haben das größte Interesse an einer selbstän­digen Türkei. Die Türkei hat zweifellos die für sie günstigste Gelegenheit zu einer Abrechnung mit England und Rußland ergriffen. Wenn nicht alles täuscht, werden Persien und Afghanistan wohl auch früher oder später losschlagen, und welche Fol­gen das türkische Vorgehen für Indien haben wird, ist noch nicht abzusehen. 0. 8.

Me Miele KrieMMW. Weitende Ersätze der Mische« Rotte.

(W.T.B.) Frankfurt. 31. Okt. (Nicht amtlich.) DieFrankfurter Zeitung" meldet aus Konstanti­nopel: Die türkische Regierung teilt mit: Als ein kleiner Teil der türkischen Flotte am 28. Oktober im Schwarzen Meere übte, eröffnete die russische Flotte am Donnerstag die Feindseligkeiten, indem sie die türkischen Schiffe angriff. Unsere Flotte versenkte den russischen MinendampserPrut" von 5VOÜ Tonnen, der 7V0 Minen trug, beschädigte ein russisches Tor­

pedoboot und kaperte einen kleinen Dampfer. Ein von TorpedobootHairet-Millie" abgefeuertes Tor­pedo versenkte den russischen TorpedojägerKuba- nez". Ein vonMuaoenet-Millie" abgefeuertes Tor­pedo beschädigte schwer ein anderes russisches Küsten­wachschiff. Drei russische Offiziere und 72 Matrosen wurden von uns gerettet und gefangen genommen. Die türkische Flotte erlitt keinerlei Schaden. Der Kampf geht günstig weiter.

(W.T.B.) Frankfurt. DieFrankfurter Zeitz." meldet aus London: Ein Lloydtelegramm berichtet: Verschiedene, jedenfalls türkische Torpedoboote un­bekannten Namens griffen Odessa an und versenkten das russische KanonenbootDonetz" am Hafenein­gang. Die Bemannung ist teils ertrunken, getötet, verwundet. Drei russische und ein französischer Dam­pfer wurden beschädigt, einige Einwohner getötet oder verwundet.

Aus Konstantinopel wird gemeldet: Der tür­kische KreuzerSultan Jawus Selim" beschoß er­folgreich Sewastopol und steckte die Stadt in Brand.

Me Botschafter der Entente nerlaffei KouftautillMl.

(W.T.B.) Rom. DieAgenzia Stefani" meldet aus Petersburg: Nachdem die Türkei die Feindselig­keiten eröffnete, wies die russische Regierung die Kon­suln an, die Türkei zu verlassen, den Schutz der Russen übertrug sie Italien.

Der russische Botschafter wurde angewiesen, Kon­stantinopel zu verlassen.

(W.T.B.) Konstantinopel, 31. Okt. (Nicht amt­lich.) Den Botschaftern Rußlands, Englands und Frankreichs wurden die Pässe zugestellt. Der russische und der englische Botschafter reisen heute abend ab, der französische morgen.

Türkische Truppen Wen AtMen.

Aus Wien wird derDeutschen Tageszeitung" gemeldet: Nach Mitteilungen aus Cairo sind im Golf von Akaba (in der Nähe des Suezkanals) starke türkische Kavallerietruppen einge­troffen.

Türkische Kabelschiffe mit drahtlosen Stationen sind von Scherm bis zum Golf von Suez gesichtet worden.

Mit dem Vorgehen gegen Rußland verbindet die Türkei mit Recht auch eine Aktion gegen die Eng­länder, die sich gegen jedes Völkerrecht in Aegypten