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Schwarznmlöer Tageszeitung

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Ar. IN j ^i e',Ne«g Kamslag Leu 13 Mai ^

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Zur Lage.

Nun haben wir die Regierungskrise im Reich. Sie ,ji nicht etwa cm einer der innerpolitischen Hauptfragen der nächsten Zukunft wie Fürstenabfindung oder Aufwertung entstanden, sondern an dem mehr untergeordneten Streit über die Flaggenverordnung. Die Vorgänge, aus denen sich jetzt der Rücktritt des Reichskanzlers Dr. Luther und aller seiner Ministerkollegen ergeben hat, brauchen nicht alle noch einmal erörtert werden, denn das plötzliche Auf­treten der Flaggenfrage und der Sturm der davon aus­ging, sind noch in frischer Erinnerung. Die Entscheidung selbst fiel im Reichstag am Mittwoch nachmittag, als der demokratische Mißtrauensantrag gegen den Reichskanzler mit 176 gegen 146 Stimmen bei 103 Enthaltungen An­nahme gefunden hatte. Die Deutschnationalen hätten es in der Hand gehabt, durch Ablehnung des Mißtrauensan­trages die Krise noch weiter zu vertagen, aber nach der matten Reichskanzlerrede vom Dienstag bestand bei allen Parteien wenig Lust mehr, den Kanzler zu stützen. In der Lauterkeit des Wesens und der Klarheit des Denkens be­saß Reichskanzler Luther hervorragende Eigenschaften. Er ist zweifellos einer unserer fähigsten und tüchtigsten Staatsmänner. Es war aber ein politisch-taktischer Feh­ler, daß er ohne Not die Flaggenfrage aufrollte durch die bekannte Verordnung und damit stürmische Parteileiden­schaften entfesselte.

Wenn dieNeuyorker Staatszeitung" zu dem deutschen Kanzlersturz sagt, daß mit Luther auch der Reichsverfas- fung ein Mißtrauensvotum erteilt worden sei, so hat sie zum Teil schon recht, eben weil in der Reichsverfassung neben der schwarz-rot-goldenen auch die schwarzweißrote Flagge mit der Gösch als Reichsflagge bestimmt ist. Daß alle Blätter die Tüchtigkeit des Kanzlers anerkennen und bei allen Parteien nunmehr das Bedürfnis vorliegt, dem scheidenden Kanzler und seinen Verdiensten Dank zu zol­len, den der Reichspräsident in einem Handschreiben ausge­drückt hat, beweist, daß es eben parteipolitische Motive und Differenzen, vielleicht auch persönliche Verstimmungen in den Parteien waren, die den Ausschlag zur Krise gaben. DieTägliche Rundschau", das Blatt Stresemanns, faßt ihr Urteil dahin zusammen, der Scherbenhaufen sei geschaffen worden, weil kleinliche Rechthaberei, Engherzigkeit, Ver­kennung der ganzen Situation, Abhängigkeit von der Straße über bessere Einsicht gesiegt hätten. In den weite­sten Kreisen des Volkes hat zweifellos durch die Vorgänge nn Reichstag der deutsche Parlamentarismus einen neuen Stoß erlitten, denn man wird es im Volke nicht verstehen, daß über einer Frage, die im Verwaltungsweg geregelt werden kann, ein Kabinett gestürzt wird, mit dessen Außen­politik die Parteien, die nun seinen Abgang herbeiführten, seither durch dick und dünn gegangen sind.

Der Reichspräsident hat den Reichskanzler, weil eigentlich das Mißtrauensvotum nur gegen Luther gerichtet war, auf Ansuchen von der Fortführung seines Amtes bis zur Neubestellung einer Regierung entbunden und den Reichs­wehrminister Dr. Keßler damit beauftragt. Eeßler erhielt auch vom Reichsrästdenten den Auftrag zur Neubildung des Kabinetts. Zunächst hat sich Getzler Bedenkzeit Vorbe­halten, um mit den Parteien Fühlung zu nehmen. Man will das seitherige Kabinett der Mitte ohne Luther fort- führen, also keine weitere Personenveränderung vorneh­men. Es ist aber nicht anzuehmen, daß diese Lösung die Regierungskrise beenden wird, da es nicht denkbar erscheint, daß die Sozialdemokratie ein Kabinett Eeßler unterstützen würde. Die politische Haltung des Reichswehrministers war schon immer Gegenstand heftiger Kritik. Die Bildung der Großen Koaltion im Reiche stößt aber auf unüberwind­liche Widerstände .sowohl bei der Sozialdemokratie als auch bei der Volkspartei. Die Sozialdemokratie will auf die Fürstenabfindungs-Abstimmung nicht verzichten. Eine Er­weiterung der Regierung nach rechts durch Einbeziehung der Deutschnationalen wird sowohl vom Zentrum als auch von den Demokraten für untragbar erklärt.

So haben wir zweifellos die alte Geschichte, daß die Bil­dung der neuen Reichsregierung den größten Schwierig­keiten begegnet und eine Lösung nur mit Beschränkung auf die Mittelparteien einen Ausweg und Notbehelf bietet, obwohl gerade diese Regierung der Mitte eine Minder- heitsregierüng ist. Ihr einen längen Bestand etwa voraus zu verheißen, ist unmöglich. Die Erfahrung, daß es wohl geht, eine Regierung zu stürzen, aber dafür einen arbeits­fähigen parlamentarischen Ersatz zu schaffen, die größten Schwierigkeiten bietet, wird erneut bestätigt. Dies alles hätte vor der Kanzlerstürzerei bedacht werden müssen. Die gehler, die Dr. Luther in der Behandlung der Flaggen­frage machte, sind unbeachtlich und klein gegenüber den Hehlern der Regierungsarteien in dieser Frage. Man denke nur daran, daß die Parteien der Regierung sich gegen die eigenen Beschlüße ihrer Vertrauensleute in der Regirung stellten und den Kabinettssturz herbeiführten. Der Reichs­präsident hatte sogar die Absicht über dieser Krise zurück- Lutreten. Das wurde glücklich vermieden. Aber es beleuch­

tet die Tatsache, daß hinter dlezem letzten Kanzlerskurz eine viel schlimmere Krise ihr Haupt erhebt, die Staatskrise.

Zn Preußen spielt die Aufdeckung von Umtrieben rechts­radikaler Verbände eine große Rolle in der inneren Poli­tik. Nach einer amtlichen preußischen Darstellung handelt es sich um die geplante Aufrichtung einer Diktatur im Reiche. Der preußische sozialistische Innenminister hat des­halb die Vereins Olympia, den Wchrbund Ostmark und den Bund Wiking aufgelöst. Zahlreiche Haussuchungen bei hohen Persönlichkeiten haben bisher wenig belastendes Material ergeben. So wird man die weitere Klärung ab- warten müssen und das Zugreifen dann begrüßen, wenn wirkliche Umsturzpläne Vorlagen.

Es ist eine eigenartige Tatsache, daß, längst bevor deutsche Zeitungen etwas genaues über Putschgerüchte in Deutsch­land wußten, die Pariser Zeitungen vollkommen orientiert gewesen sind. Es gibt zwei Möglichkeiten, diese eigenartige Geschichte aufzuklären. Erstens könnte eine amtliche deutsche Stelle früher zu Franzosen geplaudert haben als zu Deut­schen. Das möchten wir aber doch wohl als unmöglich zu­rückstellen. Dagegen gewinnt die andere Möglichkeit danr an Wahrscheinlichkeit, daß nämlich die Kreise, von dener die Informationen in der Putschaffäre stammen müssen, si enge Beziehungen zu Frankreich pflegen, daß sie die franzö­sische Kundschaft der Pariser Zeitungen eher bedienen all selbst die deutschen amtlichen Stellen, an deren Eingreifei Ebnen lieat.

Im Reichstag wurde auch über die Alkoholfraqe verhan­delt und die Einführung des Eemeindebestimmungsrechtes abgelehnt. Für das Gesetz setzten sich nur die Parteien der Linken ein, während auf der Rechten und in der Mitte bei allen Gruppen die Meinungen geteilt waren. Angenom­men wurde der Ausschußantrag, der allerlei Maßnahmen gegen den Mißbrauch des Alkohols vorsieht.

Der große englische Generalstreik wurde durch eine Ver­ständigung zwischen Streikleitung und Regierung abgebla­sen. Die Aussperrung der Bergarbeiter soll noch so lange dauern, bis eine Formel für ein neues Lohnabkommen ge­funden ist. Die Schwierigkeiten sid aber noch nicht behoben, da die Gewerkschaften verschiedenen Arbeitergruppen befoh­len haben, den Streik fortzusetzen.

Von außenpolitischer Bedeutung sind einige Vertragsab­schlüße, so die vorläufige Unterzeichnung des deutsch-spa­nischen Handelsvertrag, durch den der Handelsverkehr nach Spanien auf längere Zeit geregelt werden soll, ferner das Luftfahrtsabkommen, das in Paris zum Abschluß kam. Die zivile Luftfahrt erhält ihre Bewegungsfreiheit. Welch große Bedeutung dies für den Luftverkehr hat, erhellt sich aus der Tatsache, daß in dieser Woche der Nordpol zweimal überflogen wurde. Das erstemal von dem amerikanischen Fliegeroffizier Byrd mit einem Großflugzeug, das ande- remal von Amundsens Luftschiff Norge, das aber seither vermißt wird.

Die Verhandlungen der Studienkommischon des Völker­bundes in Genf stehen vor der Entscheidung. Es scheint, daß die Erhöhung der nichtständigen Ratssitze um drei im Prinzip Annahme findet. Dagegen wird die Forderung Brasiliens, zehn ständige Ratssitze zu schaffen, von England energisch bekämpft. Eine ganze Reihe von Staaten hat Forderungen auf einen ständigen Ratssitz gestellt, so vor al­lem Spanien, Brasilien, China, Persien und andere.

In kommender Woche wird in Genf auch die Abrüstungs­konferenz des Völkerbundes beginnen, die fast noch größe­ren Schwierigkeiten gegenübersteht. Bekanntlich wird auch Amerika darin vertreten sein, wenigstens in beobachtendem Sinne. Die Freigabe des beschlagnahmten deutschen Eigen­tums in Amerika wurde verschoben, was sich an den deut­schen Börsen durch Schwäche auswirkte.

In Polen hat sich das Gewitter entladen, das seit Wochen das Land in eine Krise warf. Man hat dort ein Rechtska­binett gebildet unter Witos, dem Bauernführer. Nun steht aber seit geraumer Zeit das Heer zum großen Teil hinter dem abgedankten Marschall Pilsudski, der während des Krieges sogar auf Seiten der Mittelmächte focht, später aber Führer der Polen wurde. Er steht auf nationalsoziali­stischem Boden und ist nun gegen die neue Regierung und die Landeshauptstadt Warschau marschiert. Durch einen Staatsstreich suchte er die öffentliche Macht an sich zu rei­ßen. Wie weit es Pilsiudski. gelungen ist, dies durchzufüh­ren. steht noch dahin.

Versuch der Regierungsbildung.

Ablehnende Haltung der Sozialdemokraten

Berlin, 14. Mai. Ueber die Besprechung Dr. Külz' mit den Sozialdemokraten erfahr,.» wir, daß die So­zialdemokraten sich im wesentliche» ab- lehnendverhielten. Eine endgültige Stellungnahme behielten sie aber ihrer nächsten Fraktioussitzung vor. lieber dieBesprechungender Regierungsparteien hören wir, daß sie nur zwischen Zentrnmnud Volkspartei

stattfanden und ergebnislos verliefe«. Di« Fraktioussitzung der Deutschen Volkspartei wird erst nach dem Plenum stattfinden. Vor der Zentrumsfraktionssitzung tagte der Fraktionsvorstand des Zentrums. Wie wir höre«, war er in seiner Mehrheit der Ansicht, daß ein Kabinett Eeßler mit Rücksicht auf die un- ! sicheren Mehrheitsverhältnisse im Reichs- > t«ge wohl nicht zuftandekommeu würde.

^ Eeßler lehnt ab

! Berlin, 14. Mai. Rsichswehrmin-ister Dr. Geßler erstattete . dem Herrn Reichspräsidenten Bericht über seine Fühlung­nahme mit den Parteien. Als Ergebnis stellte Dr. Eeßler fest, daß er selbst nicht iu der Lage sein werde, auf der bis- beriaeu Grundlage eine Regierung zu bilde». Er werde sich aber um die Klärung der Lage bemühen und hoffe, bis mor­gen vormittag dem Herrn Reichspräsidenten einen positive« - Vorschlag unterbreiten zu können-

! Der Staatsstreich in Polen.

- Ueber den Staatsstreich in Polen liegen heute folgende Meldungen vor:

; Seit Donnerstag 2 Uhr morgens ist jede telegraphische i und telephonische Verbindung mit Warschau unterbrochen.

! Die Pilsudski-Truppen haben die Telephonämter besetzt.

, Alle bisherigen Nachrichten aus der Hauptstadt sind ent- ? weder durch Flugzeuge, die zwischen dem Belvedere und Krakau verkehren, oder aber durch Privatpersonen übermit- ! telt worden. Der Eisenbahnverkehr nach Warschau ist voll- s ständig lahmgelegt. Es verkehren nur Militärzüge. Die i Regierung versucht, durch Flugzeuge die Verbindung mit der ! Außenwelt aufrecht zu erhalten, da in Warschau die.Zita- l delle, die Kadettenschule und das Belvedere vollständig von

- den Pilsudski-Truppen umzingelt sind. Um die Zitadelle s und die Kadsttenschule, deren Leiter erklärt hatten, bis zum

- letzten Blutstropfen zu kämpfen, sind seit Donnerstag vor- l mittag heftige Kämpfe entbrannt, über deren Ausgang noch ' nichs bekannt geworden ist. Der Kriegsminister der Witos- s Regierung Hai einen Aufruf erlaßen, in dem er den Ver- ' rätern den Kampf ansagt. Sämtliche regierungstreuen Re- i gimenter sind zum Marsch nach Warschau alarmiert worden.

- Die Regierung hofft, daß Warschau durch diese Truppen ! entsetzt wird.

! Die wenigen Nachrichten, die bis zur Stunde eingela-ufe« i find, besagen, daß die Regierung Witos den Generäl Pil- : jndski für einen Rebellen erklärt habe und ihn anßerhaÄ ! des Gesetzes stelle. Der Krieasminister MaLczewski bat de» s Auftrag erhalten, mehrere Armeekorps in der Provinz zr ! sammeln, um Warschau zu entsetzen. Die Regierung Witos zählt auf die geschlossene Unterstützung der Garnisonen im s Posengebiet, wo General Haller und Rozwadirpski stehen j sowie auf die in Lemberg, die der frühere Kriegsminister ! Sikorski, der alte heftige Gegner Pilsudskis, befehligt. Auch die Garnisonen von Krakau und Przemysl sollen der Regie- j rung Witos zur Verfügung stehen. Ein Teil der Truppen ! ist bereits auf dem Anmarsch gegen Warschau. General j Malachowski, ein Anhänger Pilsudskis, soll Lodz besetzt

- haben. Pilsudski hat außer in Warschau auch in Wilna die f Herrschaft an sich gerissen. Der Sejmmarschall Rataj hat die 1 schwere Aufgabe übernommen, zwischen beiden Parteien j Verhandlungen einzuleiten, um weiteres Blutvergießen zu . vermeiden.

j Von der polnischen Grenze wird gemeldet, daß die psl- ! Nische Regierung nach Posen geflüchtet ist. (?) Die Nach- < richt, daß Wilna sich in der Hand der Anhänger Pilsudskis befindet, wird auch von anderer Seiet bestätigt. Zn der ! Stadt find Unruhen ausgebrochen. In den ehemals preu- i ßischen Gebieten ist die Stimmung gegen Pilsudski sehr un- , günstig, während in Lemberg und Kongreßpolen Pilsudski über größere Sympathien in der Bevölkerung verfügt

Neues vom Tage.

s DkeNorge" in Anwetter?

Reuyork, 14. Mai. Nach den letzten Funksprllchen, die bei ; de« kanadischen Küstenstationen vorliegen, scheint die Nach- ! kicht, baß AmundsensNorge" bereits in Alaska gelandet l sei, verfrüht gewesen zu sein. Es erscheint durchaus nicht i unwahrscheinlich, daß das Luftschiff in ein schweres Unwet- i 1er geraten ist. Die einzelnen Funkstationen versuchen noch nnmer, zum Teil mit recht geringen Zeitabständen, an Bord j derNorge" gehört zu werden.