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Aus den Tannen

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Nr. »8

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Politische Streiflichter

^ Der Reichstag, der nach achtwöchentlich"r Panis wiedei zusammengetreten ist, sieht sich vor die größten 'laücr gestellt, die seit Bestehen der deutschen Republik d Par» lament zur Lösung gesetzt worden sind. Diese Aufgaben sink besonders deshalb von so schwerwiegender Ratur, weil sic zum Teil die größten Gegensätze im Volke und innerhalk der Fraktionen ans Tageslicht zerren, die bisher mehr odei minder gewollt, verborgen gehalten wurden. Mit der Für­stenabfindungsfrage. mit dem Gesetzentwurf der Reichsre­gierung über die Verhinderung des Volksentscheides in Din­gen, die mit der Aufwertung Zusammenhängen, ist so unge­fähr alles in Bewegung gesetzt worden, was an widerstre­benden Interessen, an Gegensätzlichkeit politischer Meinun­gen und wirtschaftlicher Notwendigkeiten vorhanden ist, Weiter kompliziert durch rechtliche und moralische Erwä­gungen der verschiedensten Art ist die Lösung dieser Fra­gen, in den letzten Wochen mehrfach angebahnt, immer wie­der daran gescheitert, daß es uns einerseits einer klugen politischen Führung mangelte und andererseits immer irgendwo und irgendwann der gute Wille fehlte, der dazu gehört, Aufgaben von derartigen Ausmaßen im Interesse der Gesamtheit zu meistern. So steht der Reichstag und mit ihm die Neichsregierung vor einem Berg von unge­heuer innerpolitischen Sorgen. Der Optimismus, der nicht wenig in diesen Tagen zur Schau getragen worden ist, scheint uns unter solchen Umständen gerade nicht existenz­berechtigt. Die innerpolitische Atmosphäre ist so gewitter­schwanger, wie selten vordem. Die vor uns stehenden gewal­tigen Fragen werden unser innerpolitisches Leben in den nächsten Wochen so in Wallung bringen, daß man immer hart am Rande einer neuen Regierungskrise stehen wird.

Dis Verwicklungen kommen zunächst von dem Gesetzent­wurf zur Fürstenabfindung, da innerhalb der Regierungs­parteien keine Einigung erzielt wurde. Ganz unmöglich er­scheint die Erreichung einer Zweidrittelmehrheit im Reichs­tag. Da schon in diesen Tagen im Reichstag die Beratun­gen über das Volksbegehren zur Fürstenabfindung vor sich gehen, der Rechtsausschuß über den Komvromißentwurf nicht einig wurde, wird der Reichstag das Enteignungsge­setz ablehnen. Dann ist die Bahn für die Volksabstimmung frei. Die Demokraten haben den Vorschlag gemacht, zu dem sozialdemokratischen Enteignungsant^ag einen Z-satzantrag zu stellen, wonach die einzelnen Länder ermächtigt werden, im Falle der Enteignung der Fürsten ihnen eine Summe für einen angemeüenen Lebensunterhalt zu zahlen. Ein solcher Antrag würde natürlich eine starke Anziehungskraft aus­üben können auf viele, die von der restlosen Enteignung der Fürsten nichts wissen wollen. Die Absicht der Demokra­ten dürfte dabei wohl sein, auf die Regierungsparteien einen Druck auszuüben, daß noch vor dem Volksentscheid der Kompromißantrag zur Erledigung kommt. Wenn der Antrag im Reistag Annahme findet, wird er mit zum Volksentscheid gestellt. Die Parteien sehen noch keinen Aus­weg. Es ist bezeichnend, daß nicht nur dieGermania" von einer Gefährdung der Regierungskoalition spricht, sondern auch dieTägliche Rundschau" für den Fall, daß die De­mokraten auf ihrem Antrag bestehen,innervolitische Kom­plikationen ernstester Art" als wahrscheinlich in Aussicht stellt. DieGermania" stellt fest, daß die Zentrumsfrak­tion den Antrag der Demokraten nicht annehmen wird, und das gleiche betrachtet dieTägliche Rundschau" für die Volkspartei als selbstverständlich.

Doch ist das Abfindungsgesetz nicht die einzige Gefahr für die Negierung, auch das nunmehr vorgelegte Gesetz über einen Volksentscheid in den Aufwertungsfragen, das die Sparerverbände einreichten, birgt Schwierigkeiten inner­politischer Art. Denn die Regierung hat sich zum Kampf gegen dieses Gesetz entscklosfen und hat einen Entwurf ein­gebracht, der diesen Volksentscheid verhindern soll. Da er !m Reichstag auch eine Zweidrittelmehrheit erfordert, so ist gar nicht abzusehen, wie man aus dem Wirrwarr heraus­kommt.

, Nur in der deutschen Außenpolitik sind Hemmungen und Schwierigkeiten gebannt, wenigstens solche parteipolitischer Art. Der deutsch-russische Freundschafts- und Neutralitäts- Vertrag ist zum Abschluß gekommen. Wie hoch allein die Tatsache dieser Verhandlungen in der politischen Welt des Auslandes, in Amerika, Frankreich und England nicht min­der als in den mißtrauischen, neuen Staatsgebilden Ver­sailler Prägung gewertet worden ist, das zeigt die Flut von Pressekommentaren, lehrt uns vor allem der voreilige Schritt des Herrn Benesch in Paris und London. Stets, wenn es galt einen vermeintlichen neuen Brand in Europa im voraus zu ersticken, stand der tschechische Außenminister m vorderster Front der Löschmannschaft. Meist sah er sich freilich um den Lohn für sein menschenfreundliches Wirken betrogen, indem man ihm seine Mühe wenig dankte, noch häufiger sah er auch nur Gespenster. Als die Gerüchte von Verhandlungen zwischen Berlin und Moskau ernstere Ge­aalt annabmen. hielt sich der treue Wachmann über dis

Ruhe Euroas für verpflichtet, durch seinen bekannten Fra- aebogen wiederum Alarm zu kchlaaen. Der Erfolg der Lon­doner Indiskretion war eine tüchtige Abfuhr durch das Berliner Auswärtige Amt. Wenn Herr Benesch glaubte, auf Grnud der Locarnoverträae sich bereits zum Vormund der deutschen Außenpolitik aufspielen zu können, so täuschte er sich wirklich!

Sein Schritt aber beweist, wie man in weiten Kreisen unserer Vertragsgegner die Lacarnoverträge und Deutsch­lands Eintritt in den Völkerbund gerne deuten möchte: Deutschland soll, an Händen und Füßen gebunden, zum willigen Werkzeug des Westens und der von ihm abhängi­gen Staaten gemacht werden. Das ist nun niemals die Auf­fassung in Berlin gewesen, und zum Beweise, daß Deutsch­land in seiner Politik zwischen dem Westen und Osten durch­aus auch in Zukunft freie Hand behalten will, ist nun in Berlin der neue Vertrag mit Moskau abgeschlossen wor­den. Als notwendige Ergänzung der Locarnoverträge be­grüßen wir diese Abmachung. Ob sich das Ausland unter Rührung Frankreichs zu einem divlomatischen Schritt in Berlin entschließt, wie die französische Presse wissen will, bleibt abzuwarten. Jedenfalls geht es die Herrschaften nichts an, was Deutschland unternimmt.

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Iss ZWenLoiMMiß gescheitert?

Berlin, 28. April. Die Verhandlungen des Rechtsausschusses über das Fürstenkomvromiß sind am Mittwoch mittag nach sehr bewegter Debatte für unbestimmte Zeit unterbrochen worden. Der Vorsitzende, Aba. Kahl, faßte das Ergebnis der heutigen Aussprache am Schlüsse der Sitzung in folgende Erklärung zu­sammen: Man dürfe den Wert der Komvromißarbeit in 36 Sit­zungen, die bisher nur Auseinandersetzungen mit den vormals regierenden Fürsten gebracht hätten, doch in keiner Weise unter­schätzen und wie sich die Dinge in allernächster Zeit entwickeln würden, könne niemand voraussehen. Er für sein» Person glaube, daß die Zeit gekommen wäre, wo der Reichstag wieder auf die unentbehrliche Arbeit der Kompromißpartei angewiesen sein werde. In der Spannung des gegenwärtigen Augenblickes sei es allerdings richtig, dem Antrag auf vorläufige Vertagung und Unterbrechung der Verhandlungen im Rechts^-sschuß zuzustim­men. Er fasse den ihm als Vorsitzenden zug^dachten Auftrag vahin auf, daß er nach Vereinbarung mit den Obmännern der Parteien die nächste Sitzung unter eigener Verantwortlichkeit für diese Fragen einzuberufen habe. Der Vertagungsauftrag wurde darauf angenommen. Die Kommunisten hat vor Ein­tritt in die Tagesordnung Abstimmung über die zurückgestellten Anträge verlangt. Abg. S ch u l t e-Breslau (Ztr.) erklärte im Namen der Zentrumspartei, daß er bei der Stellungnahme der Deutschnationalen und der Sozialdemokraten eine weitere Be­ratung für zwecklos halte, solange diese Flügelparteien nicht endgültig und klar erklärten, ob sie überhaupt bereit seien, einer Lösung auf mittlerer Linie zuzustimmen. Abg. Dr. Ro sen­ke! d (Soz.) erklärte, daß auch er eine Weiterberatung gegen­wärtig ebenfalls für zwecklos halte. Im weiteren Verlauf der Aussprache erklärte Abg. Dr. Barth (Dn.), daß es nicht die Schuld der Deutschnationalen sei, wenn die Verhandlungen jetzt zum Abbruch kämen. Die Mittelvarteien sollten den Grund für das Scheitern ihrer Versuche darin suchen, wo er liege, näm­lich in der Illoyalität der demokratischen Partei, die auch beute wieder ohne Rücksicht auf die Kompromißparteien mit einem selbständigen Antrag zu dem Volksbegehren ihre eigenen Wege gehe. Abg. Dr. Haas (Dem.) wies mit Entschiedenheit den Vorwurf der Illoyalität für seine Fraktion zurück. Seine Frak­tion habe erkannt, daß die Verhandlungen im Rechtsausschuß zr .ein Resuli. üihren würden, was ja heute auch die Mei- n . eller Parteien sei. Reichsiustizminister Dr. Marx er­klärte, daß eine Initiative der Neichsregierung von vornherein auf dieselben Schwierigkeiten gestoßen wäre, die dem Kompro­miß der Regierungsparteien entgegenstanden. Abg. Dr. Ever- ling (Dn.) stellte fest, daß die Schuld an dem Scheitern des Kompromisses die Mittelparteien treffe, die unter dauernden Zugeständnissen nach links eine Fühlung mit der Rechten gar nicht erst gesucht hätten. Eine historische Schuld treffe die De­mokraten, die nicht nur durch den Entwurf Koch die ganze Hetze und Verwirrung veranlaßt hätten, sondern jetzt wieder durch ihren Abänderungsantrag zum Volksentscheid der Enteignung Beihilfe leisten.

Sr. Luther über die wirtfWWe Lage

Deutscher Industrie- und Handelstag

Berlin, 28. April. Unter starker Beteiligung aus dem ganzen Reich trat der Deutsche Industrie- und Handelstag zu seiner 46. Vollversammlung zusammen. Vom Reichskabinett waren der Reichskanzler sowie der Minister Dr. Curtius, Dr. Reinhold und Dr. Haslinde erschienen.

Nach kurzen Begrüßungsworten des Präsidenten Franz von Mendelssohn nahm Dr. Luther das Wort.

Wenn man, so führte er aus, den allgemeinen Zustand von heute in Politik und Wirtschaft mit den Verhältnissen einerseits bei Beendigung des Weltkrieges und andererseits beim Ende des Ruhrkamvfes vergleiche, so sehe man, daß in einer weltgeschicht­lich nicht leichten Zeit die Lage Deutschlands sich erheblich gebes­sert habe. Dieser Feststellung stehe indessen die Lage gegenüber, die sich besonders deutlich aus dem.gegenwärtigen Notstand der deutschen Wirtschaft ergebe. Wir seien von einer wirklichen Bes­serung der Lage noch weit entfernt. Die Zahl der Erwerbslosen und der Kurzarbeiter spreche eine erschreckende Sprache. Die Ein­gliederung unserer Wirtschaft in das Welthandelsgetriebe sei noch recht weit von dem Zustand entfernt, der bei der gegen­wärtigen Lage Deutschlands erforderlich sei. Denn zur Abdek- kung der ihm auferlegten Lasten und zur Erfüllung der Zins­verpflichtungen, die sich aus der unvermeidlichen Verschuldung der letzten Jahre ergaben, brauche Deutschland auf die Dauer eine aktive Handelsbilanz. Eine gewisse Verbesserung unserer Handelsbilanzverhältnisse sei unverkennbar und zwar eine Ver­besserung, die nicht nur auf einer verringerten Einfuhr beruhe. Schon seit Anfang 1825 sei die Ausfuhr im Steigen begriffen. Der März habe einen lleberschuß von 155 Millionen Mark gegen­über der Einfuhr gebracht. Diese Steigerung sei nicht etwa allein eine Folge der deutschen Wirtschaftskraft, denn der gesamte Weltindex der Ausfuhr weise eher eine steigende, als eine fal­lende Tendenz auf. Dabei bleibe aber die Tatsache bestehen, daß Deutschlands Anteil am Welthandel, der 1913 ein Achtel betra­gen habe, bei der Ausfuhr 1925 auf ein Vierzehntel zurückgegan­gen sei. Die Ziffer der Erwerbslosen und Kurzarbeiter habe eine Höhe erreicht, die der am Ende des Ruhrkampfes und der unter den tiefsten Nachwirkungen der Inflation nicht viel nachgebe. Die Zahl der unterstützten Erwerbslosen betrage zurzeit noch immer 1,88 Millionen. Dennoch wäre es verkehrt, wollte man angesichts dieser Zahlen mutlos werden. Allerdings seien di» Träume der Geld- und Kreditinflation ende'^tig zerstoben. Ge­rade aber angesichts der ungeheuren Erwerbslosenzabl sei es Pflicht jedes Verantwortlichen, nicht aus kleinlichem Eigennutz von der Mitwirkung am neuen Aufbau der Wirtschaft zurückzu- stehen. Notwendig sei eine Hebung der Spartätigkeit. Die Spar­einlagen seien Ende 1925 auf 2,5 Millionen Mark gestiegen und hätten sich damit in einem Jahr mehr als verdoppelt. Auch die Bank- und Devositeneinlagen hätten zugenommen. Der Reichs­kanzler führte weiter aus, er begrüße jede Senkung des Zins- und Provisionsstandes und hoffe, daß auch auf diesem Wege weiter kräftig vorangeschritten werde. Die von den neuen Auf­wertungsbestrebungen ausgehende Gefahr habe die Reichsregie­rung durch den bekannten Gesetzentwurf zu vermeiden gesucht. Ziel der gesamten Regierungsarbeit sei, in der Innen- und Außenpolitik beruhigte Verhältnisse zu schaffen, damit nicht nur das inländische, sondern auch das ausländische Kapital sich lang­fristig und zu tragbaren Bedigungen bereit finde, am Wieder­aufbau der deutschen Volkswirtschaft mitzuwirken. Die Herbei­führung einer allgemeinen Beruhigung in der Politik sei das Erheblichste, was die Reichsregierung überhaupt zum Wiederauf­bau der Wirtschaft tun könne. Das verflossene Jahr habe sicht­bare Fortschritte in der Befriedung der Welt gebracht. Selbst­verständlich sei das Ziel der Befriedung erst erreicht, wenn auch die zweite und dritte Rheinlandzone geräumt sei. Durch die Ab­machungen von Locarno sei eine Verringerung der Besatzungs, truppen erreicht, die freilich noch erheblich hinter den berechtigten Wünschen Deutschlands zurückbleibe, und auch die Note der Bot­schafterkonferenz vom November vorigen Jahres noch nicht ver­wirklicht habe. Die Vorgänge in Genf hätten die politische Ent­wicklung des friedlichen Wiederaufbaues nicht abgebrochen. Auch der neue Vertrag mit Rußland sei als lebendiger Fortschritt auf der Bahn allgemeinen politischen Beruhigung zu betrachten. Wenn die deutsche Regierung entschlossen sei, auf diesem Wege allgemeiner Friedensverständigung fortzufahren, so sei dafür auch ihre Ueberzeugung maßgebend, daß so dem wirtschaftlichen Wiederaufbau Deutschlands am wirkungsvollsten gedient werde. Deutschland müsse alles tun, um sich dem weltwirtschaftlichen Warenaustausch so stark wie möglich wieder aiHusiigen. Hierfür gebe es drei Wege: 1. Die Handelsverträge, 2. die allgemeinen Bestrebungen auf interationale Verständigung und 3. die priva­ten Verständigungsmaßnahmen. Den Arbeiten der Weltwirt- jchaftskonferenz sei vom deutschen Standw Lester Erfolg zu wünschen. Für Deutschland bleibe die Qualitätsarbeit die beste Grundlage für eine Sicherung des Auslandsgeschäftes. Für Deutschland seien Kolonien unbedingt notwendig. Die deutsche Regierung bemühe sich vor allem, in Rußland neue Absatzmärkte für Deutschland zu schaffen. Der Reichskanzler schloß mit der Aufforderung an die Kreise der Wirtschaft und des Handels, di« Regierung bei ihren Bemühungen um den Wiederaufbau tat­kräftig zu unterstützen.