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Schwarzwälder TageszeitungAus den Tannen"

Wesentliches hinzuzufügen. Die Beschlüsse der Londoner Konferenz wären von der deutschen Regierung weiter aus« gearbeitet worden, die gleich nach der Londoner Konferenz einer neuen Prüfung unterzogen worden seien. Die Re­gierung beabsichtige, diesen Entwurf in allernächster Zeit den Spitzenverbänden der Arbeitgeberverbünde und den Ge­werkschaften zur Prüfung zu übermitteln. Der Gesetzent­wurf wird in naher Zukunft von der Reichsregierung und dem Reichstag behandelt werden. Die deutsche Regierung begliche lebhaft die Uebereinstimmung in der bisherige« Frage der Arbeitszeit zwischen den 5 Staaten. Der deutsche Arbeitervertreter Hermann Müller begrüßte das in Lon­don erzielte Einverständnis als einen wichtigen Fortschritt auf dem Gebiete der Arbeitszeitgesetzgebung. Die Regie­rungen müßten sich dafür einsetzen, daß die Ratifikation des Londoner Abkommens möglichst bald erfolge. Im Schlußwort betonte Albert Thomas, es sei dringend zu wünschen, daß die Regierungen bald die Ratifikation vor­nehmen würden, da die Arbeitnehmer enttäuscht seien. Deutschland muß für 1927 600 000 Franken an das Inter­nationale Arbeitsamt als Zuschuß zahlen.

WM Wer den MKOtid

Paris, 34. April. Briand nahm in der Kammersitzung zu drei auswärtigen Problemen Stellung. Er behandelte den ungarischen Banknotenskandal, die Beziehungen Frankreichs zu Italien sowie die Fragen des Völkerbundes. Zur Völker­bundsfrage erklärte Briand: lieber die letzte Tagung des Völkerbundes wurde ein übertriebener Pessimismus an den Tag elegt. Man hat es Frankreich als Illoyalität anrechnen wollen, daß es Polen und Spanien zur gleichen Zeit in den Völkerbund einführen wollte, als die Aufnahme Deutsch­lands vorgenommen werden sollte. Frankreich hat indessen aus seinem Wunsch, daß Polen einen Sitz erhalten solle, nie einen Hehl gemacht. Diese Haltung entspricht im übrigen durchaus dem Geiste von Locarno. Wenn Polen tatsächlich nicht in den Rat ausgenommen wurde, so wäre es an Frank­reich gelegen, Polen Interesse im Rat zu schützen und dies gegebenenfalls gegen Deutschland. Das könnte der Sache des Friedens aber nur schädlich sein. Die Haltung Brasiliens ist mit Unrecht als egoistisch getadelt worden. Brasilien sprach nicht für sich allein, als es darauf hinwies, daß der südame­rikanische Kontinent nicht entsprechend im Rate vertreten sei. Brasilien sprach für den südamerikanischen Kontinent. Briand fuhr dann fort: Ich habe die brasilianische Regie­rung in Genf freundschaftlich ersucht, ihr Veto zurückzuzie­hen. Die deutschen Vertreter haben ja auch selbst die voll­endete Loyalität Frankreichs in dieser Angelegenheit zuge­geben. Was den Völkerbund selbst anbetrifft, so setze ich ein absolutes und unerschütterliches Vertrauen in seine Zukunft. Es unterliegt keinem Zweifel, daß gelegentlich der Septem­bertagung eine Lösung zustandskommen wird. Die fran­zösische Auffassung ist die, daß es in Zukunft weder große noch kleine Völker, sondern nur noch gleiche Völker gibt. Me letzte Völkerbundstagung hat bewiesen, daß der Wille eines joden Volkes vom Völkerbund respektiert worden ist. Der Geist der Gleichheit hat mit jedem Tage neue Fortschritte gemacht. Während der letzten Tagung ist viel davon ge­sprochen worden, daß die letzten Ereignisse den Völkerbund zertrümmert hätten. Das ist nicht der Fall. Der Völker­bund ist unversehrt aus der letzten Genfer Tagung hervvv- gegangen. Der Geist der Solidarität wurde gestärkt und das Volk, das vom Völkerbund vorübergehend nicht aus­genommen wurde, hat sich von ihm nicht entfernt. Alle dies« Tatsachen sind dazu angetan, auch in Zukunft nur Vertrauen für den Völkerbund einzuflößen.

i Lies Rainer.

s Geschichte einer Ehe von Leontine v. Winterfeld, Copyright by Greiner L Co., Berlin W. 30. Nachdruck und Ueberfetzungsrecht in fremde Sprachen - Vorbehalten.

28. Fortsetzung.

Mit Nelken und Rosen hatte Knut dann drei Tage später Lies von der Bahn abgeholt und ihr die Tränen von den Augen geküßt und neues Rot auf die blassen Wangen gezaubert. Wie glücklich war er, daß er sie wieder hatte I

Wie die Zeit verging. Schon wurden die Tage kürzer, und von tu>" Bäumen fiel das rot und gelbe Laub.

,roßen Tisch im Eßzimmer stand Lies, Schnitt- nrn"p ^um Zuschneiden vor sich ausgebreitet. Sie wollte , Kittelchen für ihren Jungen auf der Nähmaschine nahen. Klein Ulli kroch zu ihren Füßen auf dem Boden umher und versuchte, sich schon hier und da an den Stühlen aufzurichten. Es war plötzlich empfindlich kalt geworden, und sie hatte zum erstenmal Heizen lassen. Leise zischten die ersten Bratäpfel in der Ofenröhre, eine . Ueberraschung für Knut, der sie so liebte Es war schon dämmerig geworden im Zimmer, und sie zündete die große Hängelampe an. Dann schneiderte sie ruhig weiter, , von Zen zu Zeit einen Blick auf ihren kriechenden Jungen werfend. Der war jetzt wieder ganz munter, rosig und > rund und hatte zwei stolze Zähnchen.

. Ta hörte sie den Drücker in der Flurtür, und über 'ihr Gesicht sprang eine freudige Röte. Nach einigen Mi­nuten trat Knut ins Zimmer, eine Aktenmappe unterm Arm.

Kinder, habt ihr's hier behaglich! Und das riecht ja beinah wie Bratäpfel. Guten Abend Schatz!"

Als er Lies küssen wollte, fuhr sie zurück.

Aber du bist ja ganz naß, Knut. Regnet es denn-2

Aber gehörig, sogar schon mit Schnee vermischt. So, jetzt setze ich mich an den Ofen und spreche mit KlauS Grothr

Regen, Regen drus.

Dir sitten in warmen Hus!"

Neues vom Tage.

Eine Rede des Grafen Westarp

Berlin, 26. April. Auf dem Parteitag des deutschnat­ionalen Landesverbands Potsdam 2, der in Berlin abge­halten wurde, hielt gestern nachmittag der Parteivorsitzen­de, Graf Westarp, eine Rede über die Ziele der Partei. Nach demMontag" sagte er u. a.: Wir wollen uns mit der größeren Bedeutung der Partei entsprechenden Einfluß den unmittelbaren Anteil an den Regierungsgeschäften er­ringen. Unser Ziel kann jedoch nicht durch den Eintritt in die jetzige Regierung erreicht werden. Auch eine Unter­stützung der jetzigen Regierung, die es ihr ermöglicht, außenpolitisch mit den Sozialisten und innenpolitisch in desem oder jenem Fall mit uns zu regieren, führt nicht zum Ziel. In der Außenpolitik halten wir an der Opposition fest. Die Gründe, aus denen wir noch vor Kurzem die Politik von Genf bekämpft und die Zurücknahme des An­trags auf Eintritt Deutschlands in den Völkerbund gefor­dert haben, sind inzwischen nicht beseitigt, sondern ver­schärft worden, mag man an die Besatzungslast oder an die Militärkontrolle, an Chamberlains Ablehnung gegenüber der Verkürzung der Besatzungsfristen oder an die fortge­setzten Bemühungen denken, Deutschlands Aufnahme in den Rat durch dessen Erweiterung zu entwerten. Der jetzt be­kannt gewordene deutsch-russische Neutralitätsvertrag än­dert an unserer Locarnopolitik nichts. Zu dem Fürstenkom­promiß erklärte Graf Westarp: Bei den Verhandlungen über dieses Kompromiß werden wir uns nicht durch die Peitsche des Volksbegehrens von unseren Grundsätzen ab­bringen lassen.

Ellen Key gestorben

Stockholm, 25. April. Nachdem, wie bereits gemeldet, die 77jährige Schriftstellerin Ellen Key von den Aerzten aufge- gegeben worden war, ist die Greisin nunmehr ihrem Leiden erlegen.

Tödlicher Äutomobilunfall

Palermo, 25. April. Während eines Automobilrennens auf der Targa-Florio-Bahn stürzte ein von Masetti gesteu­erter Delage-Wagen um. Masetti war sofort tot.

s Einigung Rußlands mit Tschangtsolin?

' Moskau, 24. April. Das Mitglied des Kollegiums des Volkskommissariats für Verkehrswesen Segebrjakow, der zur Regelung von Streitfragen mit Tschangtsolin sich in Mukden aufhält, schloß mit diesem ein Uebereinkommen ab, wonach der Marschall die dem Generalkonsul der Sowjetunion in Mukden überreichte Note des diplomatischen Zentralamtes der drei Ostprovinzen, worin die Abberufung Karachans ge­fordert wird und Drohungen gegen seine Sicherheit enthal­ten waren, zurücknahm.

f Keine Zugeständnisse Abd el Krkms?

Madrid, 24. April. Die Rif-Unterhändler find nach Tauvir zurückgekehrt und werden daher erst mit den spanischen und französischen Vertretern verhandeln. Wie verlautet, werden die Niflsute von ihrer Erklärung, keine Gefangenen zu be­freien, bevor der Friedensvertrag unterzeichnet ist, nicht abgehen. Auch wird die Besetzung wichtiger militärischer Punkte durch die Franzosen und Spanier von den Risleuten nach wie vor abgelehnt-

Krönung des neuen Schahs von Persien

Teheran, 25. April. Die Krönung des neuen Schahs von Persien, Reza Khan Pählävi, fand gestern mit großer ori­entalischer Pracht starr.

Aus Stadt und Land.

Altensteig, den 26. April 1926.

Amtliches. Die Prüfungen im Hufbeschlag haben die nachstehend verzeichneten Hufschmiede mit Erfolg bestanden und dadurch den vorgeschriebenen Nachweis der Befähigung zum Betrieb des Hufschlaggewerbes erbracht: Finkb ei­ner Eottlieb aus Fünfbronn u. Schmid Christian aus Oberisling en OA. Freudenstadt.

- Vom Schwarzwaldverein. Die gestrige Frühjahrswan­derung des hiesigen Schwarzwaldbezirksvereins nach Käl­berbronn erfreute sich einer zahlreichen Beteiligung. Zwar ist Kälberbronn als Halbtagestour für manche Wanderer etaws weit, aber Kälberbronn hat mit Recht immer An­ziehungskraft und so wurden auch die gestrigen Wanderer reich belohnt, denn das Wetter war günstig und das Wan­dern durch die blütengeschmückte Frühlingsnatur und die herrlichen Wälder Kälberbronn zu, wo nicht nur die großen Tannen, sondern auch die stattlichen Buchen mit ihrem freundlichen Grün bewundert wurden und Freude machten, eine Lust. In Kälberbronn wurde in der gastlichen Schwane" zunächst eine Wanderpause gemacht und dann stattete man auf dem kleinen Friedhof dem Grabe des hier ruhenden jetzt vor einem Jahr verstorbenen Wander­freundes Eirrbach einen Besuch ab, wo Vorstand Zimmer­mann dem einstigen Mitgliede einen Waldstrauß nieder­legte. Nach stillem Gedenken ging die Wanderung weiter über die Waldsäge, Pfalzgrafenweiler zu, wo sich im Schwanen" weitere Mitglieder eingefunden hatten und wo man einige gemütliche Stunden zubrachte, bis das Post­auto, das dicht besetzt wurde, die meisten Teilnehmer auf­nahm und wohl befriedigt über den schönen Nachmittag nach Altensteig zurückbrachte. Möge diese harmonisch ver­laufene erste Wanderung dieses Wanderjahres Veranlas­sung dazu sein, daß sich auch bei den nachfolgenden Wande­rungen wieder recht viele Wanderfreunde zusammenfinden!

Vom Feldbereinigungswesen. Dieser Tage sind es 40 Jahre, seit das württ. Feldbereinigungsgesetz in Kraft ge­treten ist. In dieser Zeit find im gangen 1659 Feldbereini­gungen mit 202 399 Hektar oder rund 640 009 Morgen Fläche zur Ausführung beschlossen worden. Von diesen waren bis 1. Januar 1926 im ganzen 1053 Feldbereinigungsunter- nehmen mit 123 766 Hektar vollständig abgeschlossen, wäh­rend zum gleichen Zeitpunkt 606 Feldbereinigungsunterneh­men mit 78 634 Hektar noch in Bearbeitung waren. Im Jahre 1925 find insgesamt W Feldbereinigungen mit 9681 Hektar neu angefallen und in der Abstimmung zur Aus­führung beschlossen worden. Von den zurzeit in Ausführung begriffenen 606 Feldbereinigungen werden 377 Unterneh­men mit S1763 Hektar von 20 staatlichen Dermessungs- llurter« für Feldbereinigung und 229 Unternehmen mit 88 871 Hektar von 71 privaten und körperschaftliche Berei- MgmrasämteW beMbeitet.

Nagold, 24. April. Die seit etwa einem Jahr bestehende Verbindung zwischen Swarzwaldbezirksverein und Fremdenverkehrs- und Verschönerungs­verein hat sich unter der aufopfernden Leitung des Vorstandes, Rechnungsrat Lenz, gut bewährt. Beide Ver­eine haben eine gute Leitung und einen gemeinsamen Ausschuß. Nur die Kaffe ist getrennt. Der Schwarzwald­bezirksverein erhebt einen Jahresbeitrag von 6 Mark, der Beitrag für den Lokalverschöneryngs- und Fremdenver­kehrsverein beträgt mindestens 3 Mark. Mitglied des Lo- kalverschönerungs- und Fremdenverkehrsverein ist, wer dem

Da bückte sich Lies und hob ihren Junge« von der Erde.

So, Vater, nun kümmere dich auch einmal um dein Kind. Bubi, wo ist denn der Vaters-

Knut setzte sich auf die geschnitzte Ofenbank und nahm seinen Jungen aufs Knie.

Ein warmer Blick flog zu Lies herüber.

Wie er dir ähneln wird. Genau dieselben großen, dunklen Augen und das weiche, lockige Haar."

Lies kniete nieder vor den beiden und legte ihren Kopf an seine Brust.

Ja, leider; ich hätte viel lieber, daß er dir ähneln würde .Na, Bubi, dann aber wenigstens innerlich wie dein Vater."

Knut legte den linken Arm fest um ihre Schultern, mit der Rechten hielt er seinen mit Armen und Beinen rudernden Jungen.

Lies, flüstert« er nur leise,meine süße, süße, kleine Lies!"

Tann ging sein Blick über die beiden fort an die gegenüberliegende Wand.

Sag' mal, hat uns das Ellen nicht einmal zur Hoch­zeit gebrannt:Nord, Süd, Ost. West, Daheim am best!"

Jetzt erst in diesem Augenblick kann ichs so recht begreifen."

Er zog sie an sich und preßte seinen Mund auf ihre Lippen. Mit raschem Griff machte sich der Kleine das zunutze und fuhr mit seinen Fäustchen in seiner Mutter dunkle Flechtenkrone.

Lies bog sich lachend zurück und drohte mit dem Finger.Tann sprang sie auf.

So, Knut, jetzt sollst du auch deinen ersten Brat- apfel Habens

Während sie denn emsig weiter Zuschnitt und Vater und Sohn behaglich abwechselnd von dem duftenden Apfel schmausten, klingelte eS.

Um Gotteswillen, bloß keinen Besuch I" flüsterte Knut und sah scheu nach der Tür.

Aber es war nur der Briefträger, der einen Brief aus Rilmer krackte.

Von Ellen!" rief Lies und erbrach hastig den Um­schlag.Höre bloß, Knut, sie wird mir da noch ganz sentimental!"

Liebste Lies!

Hier ist alles grau in grau. Ueber die Stoppelfelder fliegen Möwen und Krähen und zanken sich, und vom Meer her steigen die dichten Herbstnebel . Die Bäume sind alle schon kahl und über den Hof rattern schwer­beladene Dungwagen. Fried und Pastor Tile spielen nebenan Schach, Vater raucht und Mutter strickt. Groß­mutter geht's leider nicht sehr gut, sie hustet jetzt immer soviel und klagt über Schmerzen in der Brust. Hektar ist auch schon beinah melancholisch geworden, und meine Geige wird täglich verstimmter in meser feuchten Atmo­sphäre .Ich finde es rührend, daß ihr mich haben wollt. Wenn nichts dazwischen kommt ,bin ich also Mittwock vor Wwent bei euch. Aber auf so lange, wie du es wünschst, Lies, kann ich mich denn doch nicht einrichten. Tu weißt ja, wie viel vor dem Fest hier immer zu tun ist, mit Leutebescherung usw. Also hoffentlich Mittwoch auf Wiedersehen, wenn alles gut geht. Alle grüßen sehr. Euch Dreigespann viel Liebes. Deine Ellen."

Lies steckte freudestrahlend den Brief in den Um­schlag Zurück.

Wie ich mich freue, auch für dich, Knut, wegen der Musik."

Ach je, da fällt mir bei Musik ein, daß ich vernäh etwas vergessen hätte. Ich traf Römer vorhin auf der Straße, der heute abend gerne mit mir musiziert hätte. Ich lud ihn zum Abendbrot ein, ist dir das recht?"

Aber ja. Knut. Er ist solch netter, vescheidener Mensch. Wir haben zwar nur Bratkartoffel mit Spiegelei -- aber er kennt uns ja und ist für die Gemütlichkert-

Sie packte ihre Sachen zusammen.

So, Junge, nun gib Vater einen Kuß, denn du muM ins Bett."

Tamil nahm sie ihr Bübchen auf den Arm und ging singend aus der Tür .Langsam stand Knut auf, nahm seine Aktenmappe und warf sie aus den Schreibtisch, das es knallte . Er hatte sich lange nicht so froh und behagucy gefühlt. . ,

(Fortsetzung folgt.)