Schwarzwälder Tageszeitung
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Aus den Tannen
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^titentteig Sovnerslag den 23 Mürz
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MM Sill Seuf im engl. Sbekhmv.
London, 24. März. Lord Oxford and Asquith, der die Debatte im Oberhaus über Genf einleitete, erklärte, er verfolge den Zweck, heute durch seine Rede wesentliche und wirksame Versicherungen bezüglich der Zukunft zu erhalten, i Der Pakt von Locarno sei mit allgemeiner Befriedigung in ! England begrüßt worden als ein Meilenstein auf dem Wege zur internationalen Freundschaft und zum internst- f ionalen Einklang. Es sei eine deutliche aber bedauerliche ! Tatsache, daß der Locarnopakt im gegenwärtigen Augenblick, vom juristischen Standpunkt aus gesehen, überhaupt keine Wirksamkeit habe, trotz der sehr zweideutigen reto- rischen Erklärungen, die zum Schluffe der Genfer Verhandlungen von seiten der Vertreter der Mächte abgegeben worden seien. Die deutsche Regierung habe nach Locarno ein Zirkular an die Mitglieder des Völkerbundsrats gesandt, in dem sie angefragt habe, ob sie, wenn Deutschland als Mitglied des Völkerbunds ausgenommen werde, daraus rechnen könne, daß es auch zu einem ständigen Mitglied des Nölkerbundsrats gemacht werde. Nicht ein einziges der 1v Mitglieder des Rats, mit Ausnahme von Brasilien, das eine Art von zweideutigem Vorbehalt gemacht habe, s Haie in seiner Antwort angedentet, daß eine weitere Verwehrung des Rats von ihm in Aussicht genommen werde. Deutschland sei daher vollkommen berechtigt gewesen, anzunehmen, daß sein Eintritt ohne weitere Meinungsverschiedenheiten erfolgen werde. Auch sei von niemand in Locarno ««gedeutet worden, daß irgendeine andere llm- tildung des Rats außer der, die notwendigerweise auf Deutschlands Eintritt in den Völkerbund folgen würde, beabsichtigt sei. Das englische Volk sei allgemein dieser Ansicht gewesen und er habe nie eine größere Einstimmigkeit in irgendeiner Frage der Außenpolitik erlebt. Als die Völkerbundsversammlung zusammengetreten sei und Vertreter von 40 oder 50 Staaten anwesend gewesen seien, hätten sie 10 oder 14 Tage in den Korridoren und Vorzimmern herumstehen müssen, während hinter verschlossenen Türen eine auserwählte Gruppe von Mächten, davon einige Großmächte und einige sehr kleine Mächte, sich mit Tauschhandelsgeschäften befaßt hätten, um zu einer Vereinbarung untereinander zu gelangen.
Lord Oxford and Asquith fuhr fort, nachdem er den Wiener Kongreß als Vergleich für die Geheimniskrämerei auf der Genfer Konferenz herangezogen hatte, es habe auf der Genfer Konferenz keine öffentlichen Erklärungen gegeben außer dem Klatsch der Zeitungsberichterstatter über die Vorgänge und Intrigen hinter den verschlossenen Türen. Lord Oxford sagte, er habe die gestern von Chamber- lain abgegebenen Erklärungen gelesen und schließe sich keiner Beschuldigung oder Jnsinuierung, die gegen die Ehre Lhamberlains oder seinen Wunsch, die Wirksamkeit des Völkerbunds selbst zu fördern, gerichtet seien, an. Weiter fragte Lord Oxford die Regierung, ob sie auch fernerhin die Regel vertrete, daß die Beschlüsse des Rats einstimmig sein müßten, ob die gebildete Kommission Vertreter Deutschlands enthalten werde, ob sich die ständigen Mitglieder auf die Großmächte beschränken würden und ob die britische Regierung darauf bestehen werde, daß die bedingungslose Aufnahme Deutschlands die erste und dringlichste Frage sei. Schließlich erklärte er, «an könne in einem Teil Europas ein wachsendes Bestreben feststellen, die alten zum Kriege führenden Gruppierungen und Bündnisse wiederherzustellen.
Lord Salisbury, der für die Regierung antwortete, betonte, der Rückschlag für den Völkerbund dürfe nicht überschätzt werden. Die Locarnoverträge seien in keiner Weise durch das, was geschehen sei, verletzt. Die Regierung habe keinen Grund zu der Annahme, daß im September Deutschland nicht in den Völkerbund und in den Völkerbundsrat aufgenom ... werden ^-rde. Die Locarnoverträge würden dann in Kraft treten. Die Regierung stehe weiter zu der Regelung, daß die Ratsbeschlüsse einstimmung sein müßten. Die Kommission werde aus 10 Mitgliedern des Rats und Vertretern Argentiniens, Deutschlands, Chinas, Polens und der Schweiz bestehen. Was die Frage der Beschränkung der ständigen Sitze auf die Großmächte betreffe, so sei dies ein Grundsatz, mit dem man zu arbeiten beabsichtige. Was die Frage betreffe, ob Deutschland allein im September ausgenommen werde, so sei dies eine der Fragen, die an die Kommission verwiesen worden seien. Aber der britische Vertreter «erde für nichts stimmen, «as
Deutschland hindern würde» in de» Rat zu kommen. —
Auf die Frage Lord Parmoores, welches die Haltung der ! Regierung gegenüber Spanien und Polen sei, erklärte Lord Salisbury, dies falle unter die Obliegenheiten der Kommission. Man müsse dem britischen Vertreter in der Kommission vertrauen. Damit fand die Debatte ihr Ende.
Die englische Presse zu Lhamberlains Erfolg
S» ganze« ist es also Tbamberlain gelungen, die Opposition «att zu setzen, indem er sich in die Verteidigungsstellung begab, nur aus das «inging, was vorgebracht wurde. „Morning- post" meint, die einzige Gefahr für den uropäischen Frieden sei in diesem Augenblick der Völkerbund selbst. Diese wundervolle Erfindung, die Europa durch eine amerikanische Ration aufge- pfropft wurde, werde nun durch eine andere amerikanische Nation »um Stillstand gebracht. Die Times behandeln die gestrige Debatte i« einem ausführlichen Leitartikel und sagen, Cbamber- lain habe bei der gestrigen Debatte im ganzen gut abgeschnitten. Man könne nur bedauern, daß er sich nicht früher ebenso frei und offen geäußert habe. „Daily Expreß" bleibt ihrer bisherigen Stellungnahme treu. Lhamberlains Verteidigung der Genfer Katastrophe sagt das Blatt, sei der Maßstab für die Unordnung, in die seine Urteilskräfte durch diese zwecklosen Verhandlungen geraten wäre«. „Daily Chronicle" meint, Lhamüerlain wäre »war die Erweiterung des Dölkerbundsrates mißglückt, doch hätte s« »ester« eine leichte Aufgabe in der Behandlung der liebens- «jirdis« Mehrheit im Unterhaus gehabt. Die lauten Protest- stimmen von 2V0 Konservativen seien durch den Einpeitscher zu« Stillschweigen verurteilt worden. So wäre es denn für ih« leicht gewesen, einen Vertrauensbeweis zu erhalten.
Die Steuerpolitik.
Was augenblicklich in der Steuerpolitik vorsichgeht, ist geeignet, Verwirrung mi Pabkvmeirt zu schaffe«. Der neu« Neichsfinanzmimi-ster kam aus Dresden möt einem Bukett von Steuererlvichkevungen, deren Durchführung Las Gbfamt- kabmetk seinerzeit zur notwendigen Belebung der Wirtschaft für erforderlich hielt. Inzwischen Hst die Bayerische Volks- Partei, um ihr« Tradition Genüge zu tun, verlangt, Laß di« am 1. April 1926 emtretende OOprozentige Biersteuer- erhühurvg ausgesetzt wird. Ferner haben sich die bürgerlichen Parteien mit Einschluß der Sozialdemokratie die Forderung nach völliger Aufhebung der Weichte uer zu eigen gemacht. Damit ergibt sich natürlich im Haushalt für 1926 ein Ausfall von Einnahmen, der irgendwie wieder wettgemacht werden muh. Deshalb will man die Umsatzsteuer nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, von 1 auf 0,6 senken, sondern nur auf 0,7S Prozent. Man tauscht also «ine Steuersenkung, die der Gefamiwirtschaft zugute gekommen wäre, ein gegen besondere Steuervergünstigungen an einzelne nicht gerade übermäßig wichtige Wirtschaftsgruppen. Gegen den Erlaß der Weinstsuer wird man wogen der Not der Winzer nichts sin- zwwendea haben, und besonders nicht diejenige«, düe sine Hilfe für die Winzer aus außenha-ndelspolitffchsm Gebiet für unangebracht halten. Wer ob die Biersteuererhöhung fallen muh, ist doch inehr als fraglich. Es ist im Augenblick noch nicht zu sehen, wie das neue, man kann sagen, aller neueste Stouerprogramm parlamentarisch erledigt werden soll. Mit den Sozialdemokraten, deren außenpEttsche Unterstützung Luther braucht, geht es bestimmt nicht. Die Regierung»- ! Parteien haben sich auf das Kompromiß geeinigt, die Mög- > kkchkeit von Acrtzernngen Älstbt aber bestehen. '
Neues vom Tage
Gesamtergebnis au» de« Volksbegehren
B e r ti «, 24. März. Nach de« vorläufigen amtlichen Er. MftknAG,» beträgt dir Gesamtzahl aus der Abstimmung für bas Volksbegehren 12 S1214V Stimme«.
Zum Ergebnis des Volksbegehrens
Berlin, 25. März. Zu dem Ergebnis des Volksbegehrens nimmt nur ein Teil der Berliner Blätter Stellung.
Die „Kreuzzeitung" schreibt: Zweifellos ein Erfolg, der nicht weggeleugnet werden kann. Wenn auch die Mehrzahl des deutschen Volkes dem Volksbegehren ferngeblieben ist, so muß doch angesichts der hohen Zahl der Eintragungen die ernste Mahnung an alle bürgerlichen Kreise gerichtet werden, Aufmerksamkeit und Abwehrenergie auf die Vorgänge zu konzentrieren, von denen der Enteignungskampf gegen die Fürsten nur ein Vorpostengefecht ist.
Die „Tägliche Rundschau" ist der Ansicht, daß der Ausfall des Volksbegehrens den Mißerfolg des Volksentscheids
in sichere Aussicht stellt. Die Sozialdemokraten und die Kommunisten müßten noch rund 7,5 Millionen Wähler an die Urne bringen, ein Erfolg, der außer aller Wahrscheinlichkeit stehe.
Die „Morgenpost" sieht in der Tatsache, daß die erforderliche Zahl der Eintragungen für das Volksbegehren um das Dreifache überschritten worden ist, einen Beweis für die große Erregung, die infolge der maßlosen Ansprüche der Fürsten alle Volkskreise erfaßt hat.
Der „Vorwärts" nennt das Ergebnis des Volksbegehrens eine weltgeschichtliche moralische Verurteilung der deutschen Fürstenhäuser.
Die „Rote Fahne" schreibt: Das Ergebnis beweist, wie stark die Fürstenenteignungsbewegung unter den Anhängern der bürgerlichen Parteien Fuß gefaßt hat.
BvaMens Note
Berlin, 24. März. Aus Anlaß der letzten Debatte» i-m Reichstag und im englischen Unterhaus über die Bölber- bmrdsfrage wird der Wortlaut der Note vom 1. Dezenrb« 1924 veröffentlicht, mit der die brasilianische Regier««« sek- uerzeit auf das deutsche Memorandum vom September 1VL4 über den Eintritt Deutschlands in de« Völkerbund geant. wartet hat. Diese Note Mießt mit folgenden Darlegungen: Brasilien hat sich an keinerlei Einwendungen gegen den Eintritt Deutschlands als Mitglied des Völkerbundes W er« heben, im Gegenteil, es wünscht, daß dieser Eintritt sich vollziehe. Auch ist Brasilien im Prinzip nicht dagegen, daß das neue Mitglied einen ständigen Sitz im Rate erhalt«. Diese Fragen und die anderen, auf di« sich das Memorandum der deutschen Regierung bezieht, werden von Brasilien unvoreingenommenen Geistes und in gerechter Abwägung i«s Auge gefaßt werden, sobald wir berufen werden, die Angelegenheit bei ihrer Erörterung vor der Völkerbundsver- samurlung zu behandeln.
Graf Westarp Parterooesitzender der Deutschnationale« Berlin, 24. März. Zn der heutige« Sitzung der Partei- Vertretung der Deutschnatiomrlen Volkspartei wurde ent« hrrecheNd einem einstimmig beschlossenen Vorschläge des Par» tetvorstandes, der Parteileitung und der Landesverbands- Vorsitzenden der Vorsitzende der deuifchnationalen Reichs- tagsfraktion, Graf Westarp, durch Zuruf zum Pavteivor- sitzenden gewählt.
Skrzynskis Bericht Mer Genf Warschau, 24. März. Zm Auswärtigen Ausschuß des Sex» erstattete MintsterpräfÄen-t Skrzynski Bericht über die Genfer Tagung. Er erklärte, daß die Forderung Polens, Brich» zeitig mit Deutschland in den Rat einzutreten, nicht aus Prestigegründe« erstrlgt ssi. Polen vertrete vielmehr de« Standpunkt, daß der FrieLe und die Entwaffnung unmöglich seien, solange nicht Deutschland mit Polen zusammen am Tische des Völkerbundes säße. Neunzig Prozent der in Eens vertretenen Nationen hätten die Forderung anerkannt (?). Rach der Rode Skrzynskis kam es zu einer heftigen Diskussion, die bis spät in die Nachtstunden andauerte. Am Donnerstag soll die Genfer Debatte fortgesetzt Werden.
Französisch-spanische Offensive in Marokko Paris, 24. März. „Petit Journal" will aus Rabat erfahren haben, daß eine gemeinsame frangöfisch-sponifche Offensive gegen Abd el Krim bevorftehe, deren Einzelheiten Mischen dem spanischen Oberkommissar und dem französische« Oberkommando vereinbart worden seien. Wd el Krim habe j bereits davon Kenntnis erhalten und 'habe die Hauptführer
> dar Rifleute und Dscheballahs -nsilmmenbemisen. um de«
! LUdeustaud zu »pgarsHsren.
! Tagung des Verwaltungsrates der Deutschen Reichsbahn«
! Gesellschaft
Berlin, 24. März. Der Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbahngesellschaft hielt vom 22. bis 24. März 1926 seine
> planmäßige Tagung in Berlin ab.
Die Finanzlage des Unternehmens bildete den Haupt- , Punkt der Erörterungen. Die vorsichtige Wirtschaftsführung und die günstige Verkehrsentwicklung im Zahre 1925 j werden einen befriedigenden Abschluß des ersten Geschäftsjahres ermöglichen. Der durch die Wirtschaftskrise bedingte starke Rückgang der Einnahmen in den ersten Monaten des neuen Geschäftsjahres mahnt zu verschärfter Vorsicht. Die Ausgaben für werbende Anlagen müßten jetzt auf dem Wege der Kredite beschafft werden. Das Reich hat bekanntlich 100 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Verhandlungen wegen Beschaffung weiterer Kreditmittel sollen mit allem Nachdruck verfolgt werden, um