SchwMwälöev Tageszeitlmg

Mus den Tannen"

Amtsblatt für den Gberamtsbezwk NagolS «. Al»-nttetq.Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw u- Freudenstadt

»«»ttntwSchrntllch8 mal. Bezugspreis: monatlich 1.80 Mark Die «nBnummrr kostet 10 Pfg. , Anzeigenpreis; Die einspaltigeZeitt oder dereaRaum 15 Goldpfenaiae. dieReklamereile 45Golds«, «st Äicksterschektm der Leitung insol«e-SH«rer Gewalt oder Betti-oSstSrung besteht kein Anspruch aus Lieferung. > Postscheckkonto Stuttgart Nr. 5780. - Für telephonisch erteilte Aufträge Uebernehmen wir keine Gewähr

Uc. 6L

I

Ai»enlleig Nienstag de» 16. März

I

lt»r«

Das Trugbild von Versailles

Gerade zur rechten Zeit, im Augenblick, in dem Deutsch- K»d den Schritt in den Völkerbund macht, erscheint ein Buch des berühmten Geschichtsschreibers des Weltkrieges, Hermann Stegemann, das die Politik Europas seit dem Friedensdiktat vom 28. Juni 1919 in neue Beleuchtung rückt. Das Buch trägt den Titel:Das Trugbild von Ver­sailles" und ist bei der Deutschen Verlagsanstalt Stuttgart LPreis 12 Mk.) in trefflicher Ausstattung erschienen. Hat schon des Verfassers vorletztes Werk .Kampf um den Rhein" seinen Namen in die politische Literatur aller Zeiten ein- gereiht, so darf von seiner neuesten Schöpfung gesagt wer­den, daß jeder Deutsche, vor allem jeder Politiker an dem Buche nicht vorübergehen kann, weil in ihm die weltge­schichtlichen Zusammenhänge und die strategischen Perspek­tiven mit solcher Klarheit und Sachkenntnis zusammenge- tellt sind, daß diese reiche Fundgrube des Wissens und diese Fülle neuer Gedanken nicht übersehen werden darf. Zumal in den nächsten Jahren, in denen Weltkrieg und Völkerbund weiterhin aus der Tagesordnung der europäi­schen Politik stehen.

Nach Stegemann ist die Neuordnung, die Europa durch den Weltkrieg erfahren hat, auf die Verdammung Deutsch­lands zur Ohnmacht gegründet. Sie verlangt daher, die Riederhaltung der deutschen Macht. Das Verharren des Deutschen Reiches in politischer Ohnmacht ist also eine we­ltliche Voraussetzung zur Aufrechterhaltung des politi­schen Zustandes, der durch den Vertrag von Versailles ge­schaffen worden ist. Die Stellung Deutschlands und des Deutschlands im neugeordneten Staatensystem ist das Kar­dinalproblem der europäischen Politik geworden und wirkt als solches auf die Gestaltung der ganzen Welt. Stege­mann erkennt auch, daß das Nationalitiätenprinzip und das Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht allgemein ver­bindliche Grundsätze find, sondern als Mittel zur Schwä­chung der Besiegten angewendet werden. Dies wird deut­sch dargelegt in dem Kapitel: Frankreich und das Hege­moniesystem. Frankreich war der Krieg nichts anderes als der Kampf um die Vorherrschaft in Europa, aber die fran- Afische Diplomatie verstand es, die Sehnsucht nach dem Rhein, dem großen europäischen Schicksalsstrom, in der öf­fentlichen Meinung zum Verteidigungskampf umzugestal­ten. Daher die Sicherheitsthese, die Frankreich immer wie­der Vorschubdienste leisten mußte. Als es dann zur Verein­barung des Rheinpakts kam, wurde sie zurückgestellt, denn vorausgegangen war der Rückzug von der Ruhr, der mit etuer Konzentration auf dem Vertrag von Versailles en- däk. Stegemann, der neutrale Schweizer, sagt: Frankreich wird nicht von seinem historischen Kampf um den Rhein lassen, solange eine Ader in ihm schlägt und seine Macht- PÄlung durch sein Versailles zu England und Deutschland bestimmt bleibt.

In den weiteren Kapiteln des Stegemannschen Buches zlHen alle europäische Staaten in ihrer Politik zur Ge­genwart und Zukunft vorüber in vorzüglichen Abhand- mngen. Es sei angeführt wie Stegemann sich die wichtig­sten Staaten ringsum Deutschland innerhalb der europäi­sche« Schicksalsgemeinschaft und ihre Politik zurechtlegt. Oesterreich wird in Zukunft die Rolle spielen, die ihm Ahland in der Paulskirche zuwies,eine Pulsader zu sein tm Herzen Deutschlands". Die Tschechen könnten mit ihren 8 Millionen Tschechen und Slovaken nicht dauernd eine Drohstellung gegen die 74 Mill. Deutschen einnehmen, von denen sie umgeben seien. Die Selbständigkeit der Tschechei dürste nicht lange aufrecht erhalten werden können, son­dern sich als Glied einem mitteleuropäischen Staatensystem anschließen müssen. Das neue Polen hat im Raume mehr erhalten, als die Gesetze des Raumes ihm zusprechen. Die Zukunft Polens ist an eine Verständigung mit Deutsch­land gebunden und diese ist von einem Verzicht auf die gegen die Oder- und bis zur Weichselmündung vorgetriebe­nen Erenzsetzung abhängig. Rußlands Auge i^ünt Stege- «ann mehr nach Osten gerichtet. Die russischen Gedanken kreisen nicht mehr um Riga und Konstantinopel", sondern «m Peking und Kabul".

In einem groß g^ " n Bild wird Englands Aufstieg zur Weltmacht darge, Aber es wird die Weltherrschaft mit der angelsächsischer, -chwesternation jenseits des Mee­res teilen, And Stegemann hebt mit Recht hervr baß un­ter dem Versailler Dokument nicht Englands 1 ichrift, sondern jene Wilsons das größte Gewicht hatte, ein Ge­danke, der wohl keinem gekommen war, als 1914 die Schwer­ter aus der Scheide flogen.

Zum Schluß kommt Stegemann auf Deutschlands tra­gische Sendung zu sprechen. Es scheint uns ein guter Ge­danke, daß er den Versailler Schuld Paragraphen als einen schweren Fehler der Alliierten ansieht. Die Bedingungen hätten ja auch ohne dürft: moralische Mäntelchen die glei­chen sein können, aber gegen diesen Paragraphen wende sich nicht der politische Verstand, sondern das viel stärkere sittliche Gefühl, und hier erstünden mit der zunehmenden Erkenntnis der W^brbett dem NeriaM« Diktat viel mehr

Feinde in allen Ländern, als wenn es vermieden worden wäre, in das Dokument reinsten Machtwillens eine sitt­liche Betrachtung einzufügen. Deutschland hat sich durch Unterzeichnung des Vertrags von Locarnoals ohnmäch­tige Macht in den Ring seiner Gegener begeben, um der Ver­einsamung zu entrinnen, und es hat den Einsprung mit Verzichten erkauft".Deutschland ist nicht als Erdulder, sondern als Träger seines Schicksals zum Völkerbund ge­kommen; käme es als Dulder, so gewänne die Gemeinschaft in der die Stärkeren gebieten, so sehr sie selbst auch leiden mögen, weder an Tatkraft, noch an guten Willen zur Er­hebung. An der Genesung Deutschlands ist alles gelegen. Nicht das Beharrungsvermögen der Sieger, sondern di« Erneuerungskraft der Besiegten stößt die Welt vorwärts.. Nur wenn diese Einsicht wirksam wird, läßt sich das Schick­sal bannen, das heute nicht mehr mit Rosenfingern winkt, sondern schreckende Schatten an den Vorhang wirft, der dun­kel die Zukunft verhüllt." Stegemann schließt sein Werk, dessen an Eindrücken reiche Lektüre jedem empfohlen sei, mit den Worten:Die Geschichte Europas wir? durch die Ueberwindung des Vertrages von Versailles und des darin waltenden Geistes bestimmt."

Die Krise i« Genf.

Als seinerzeit die Mächte rum Abschluß des Rbeinpaktes in Locarno versammelt waren, bat man an Ebamberlains Ge­burtstag den Friedensgedanken Herz und Mund geöffnet und kam zu einer Vereinbarung im Sicherbeitsvertrag des Westens, kun hat man in Genf mehr als eine Woche ergebnislos ver­tändelt und hat den Geburtstag des deutschen Reichskanzlers tm 10. März verübergehen lassen, ohne dem Friede» einen roei- kren Dienst zu erweisen; und doch geht es um die Friedens» ttbeit des Völkerbundes. Woher diese Störung? War es bloß tie Frage der Ratssitze? Aeuberlich wohl, aber r« tiefst inner- 8ch ist das Problem schwerer. Die Völker dieser Erde sind für »en Völkerbund nicht so reif, wie fie i» ihre« Worten glauben «achen. Denn die meisten Staaten sehen in dem Völkerbund licht den Boden, auf dem der Friede und die Versöhnung der Kölker gepflegt werden sollen, sondern ste suche« in Genf di« Üelegenheit, ihre Macht zu erhöhe«. Der Anspruch Polens auf niren Ratssitz ist ein schlagender Beweis hiefür. And doch würde dieser Anspruch längst an sich znsammengefallen sein, wenn nicht >as mächtige Frankreich dahinter stünde und mit der Forderung eine eigenen machtpolitische» Ziel« stützen nxMe.

ist k>r

Reichskanzler Dr. Luther an die Schweizer Presse.

Die deutschen Delegierten haben am Samstag und Sonntai wiederholt, um dem Druck der gegen sie geübt wird, zur Press, ihre Zuflucht genommen und den deutschen Standpunkt darge legt. So hat Reichskanzler Dr. Luther zur Schweizer Presse u. a gesagt:

Deutschland sei zurzeit überhaupt noch nicht berufen, durck seine Zustimmung zur Schaffung neuer Ratssitze Völkerbunds Politik zu treiben. Selbstverständlich sei Deutschland bereit, si bald es Mitglied des Rates sei, zu all den ernsten Organisa tions- und anderen Fragen des Rats mit der ganzen Verant wortung eines Ratsmitgliedes im Dienste gesunder Völkerbunds Politik Stellung zu nehmen. Deutschland werde durchaus »ich etwa einhellig von den Mitgliedern des Rates zu einer sosov tigen Stellungnahme gedrängt, vielmehr seien die Mitglieder des Rates in sich selbst zerspalten. Deutschland würde also durch seine Stellungnahme in einem Streite, der eine innere Angele­genheit des Rates ist, zugunsten der einen oder anderen Seit« Pattei ergreifen. Das könne unmöglich ermattet werden, so­lange Deutschland nicht Ratsmitglied ist. Deutschland, so betont« der Kanzler weiter, hat neben seiner auf eigener Anschauung beruhenden Hinneigung zum Bölkerbundsgedanken, eine von de« arideren Teilnehmern des Sicherheitspattes gewünschte Be­dingung erfüllt, indem es seinen Eintritt anmeldete. Gerade dieser Umstand macht es besonders unbegreiflich, daß aus de» Kreisen der anderen Sicherheitspaktmächie zu der Bedingung des Eintritts in den Völkerbund auch die Forderung einer schon vor dem Eintritt abzugebenden Zustimmung zu einer bestimmte» Veränderung in der Völterbundsorganisatiou mm in r- tz f» , Stunde biurugefügt wird.

Stellungswechsel Deutschlands?

Gens, IS. März. Bei einer Pressebesprechung im Hottt Metropole wurde von dem Reichsaußeumiuister Dr. Stre« semaun erklärt, Schweden sei »»folge des Druckes, der einer» seits von England, Fraukreich, Italic« uud andererseit» »ou de« Sozialisten Bandervelde, Thomas und Paul-Bon­cour ausgeübt worden sei, zu der Ansicht gelangt, es Witte uuuröglich, die bisherige Positiv« aufreiht zu erhalte«. Stresemaun meint, es sei wahrscheinlich, daß chwedeu zu Nunsteu Polens verzichten würde. Ferner erklärte Strese- nanu:Die Stellung Deutschlands i« Genf hat eine Aen- »erung erfahren, da die Weltmeinung unter den Eindruck leriet. Deutschland stelle sich hier gegen alle Rationen und

suche einzig und allein seine« eigene« Rechtsstandpunv durchzusetzen. Infolgedessen geriete« wir in eine schwierige Situation und es ist jetzt an der Zeit durch eine entspre­chende Geste die völlerbundsfreuuLlicheu Ansichten Deutsch­lands z« beweise«.

Die Montagsbesprechungen der Ratsmktglieder

Genf, 15. März. Die nicht offiziellen Besprechungen der Rittsmitglieder am Montag dauerten bis kurz nach 1 Ahr und wurden nachmittags nach einer auf 4.20 Ahr angesetz­tes öffentlichen Ratssitzung, die jedoch keinerlei Bezug auf die gegenwärtigen Verhandlungen haben, fortgesetzt. Die auf Dienstag angesetzte Sitzung der Bölkerbundsversamm- lung wurde ans Mittwoch vormittag verschoben.

Schweden will ein Opfer bringe«^

Genf, IS. März. Wie der Sonderberichterstatter des WTB. aus den Kreisen der deutschen Delegation erfährt, hat sich nach deutscher Aufassung eine gewisse Modifikation der Eesamtlage ergeben durch eine neue Anregung seitens Schwede«. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um eine Aufgabe des streng eingehaltenen Grundsatzes, daß eine Pergrößerung des Rates nicht stattfinden dürfe, vielmehr >oll der Gedanke einer eventuellen Zuoerfügungstellung des schwedischen Ratssitzes gerade dazu dienen, den schwedischen Standpunkt unbedingt aufrecht zu erhalten. Man geht da­bei ferner von dem unbedingten Wunsche aus, im Interesse des Völkerbundes alles zu tun und jedes auch erdenkbare Opfer zu bringen. Daß hierbei natürlich weitgehende Ent­scheidungen von einzelnen Delegattonen z» fassen wären, liegt auf der Hand.

Stockholm» 18. März. Der AuswSrüge Ausschuß ist M einer Sitzung einbernfe« worden.

Genf» 15. März. Die Schweizerische Depeschenagentur meldet: In den späten Nachmittagsstunden erfuhr man, daß die schwedische Delegation von ihrer Regierung im Einvernehmen mit dem Ausschuß für Auswärtiges die notwendigen Instruktionen für den Rücktritt Undens aus dem Rate erhalten hat. Auch der Vertreter der Tschecho­slowakei, Dr. Benesch, soll gewillt sein, sein Mandat dem Rate zur Verfügung zu stellen, sodaß die Völkerbundsver­sammlung eine doppelte Neuwahl vorzunehmen hätte. Der Brasilianer Mello Franco erhebt neuerdings die Forderung auf sofortige Zuteilung eines ständischen Sitzes an Brasilien, doch ist man allgemein der Ansicht, daß die­se Opposition eventuell leicht beseitigt werden kann.

Die Lage in Genf.

Genf, 15. März. Heute nachmittag fand eine Sitzung der Vertreter der kleinen Entente statt, in der sich diese bereit erklärten, aus den von Dr. Benesch innegehabten Sitz im Völkerbundsrat bis zum Herbst zu verzichten, da­mit dieser von der Völkerbundsversammlung gegebenen Falls Polen gewährt werden könne. Die Mächte der klei­nen Entente erwarten jedoch, daß im September wieder eines ihrer Länder wahrscheinlich Jugoslawien ge­wählt wird. An die Stelle Schwedens, das ebenfalls, wie gemeldet wurde, zurücktritt, soll Holland oder ein skandina­visches Land treten.

Eens, 15. März. Die nichtoffiziellen Ratsbesprechungen gingen um 8,20 Uhr zu Ende. Formelle Erklärungen wur­den der Presse nicht abgegeben, dagegen teilten verschiedene Ratsmitglieder auf Anfragen mit, daß es zu einem Ergeb­nis nicht gekommen sei, daß man sich vielmehr nochin Seenot" befinde und daß die Besprechungen morgen vor­mittag fortgesetzt werden sollen.

Der Schweiz. Dep.-Ag. zufolge sagte Briand, daß die Angelegenheit noch nicht geregelt sei. Dr. Benesch habe durchblicken lassen, daß die Sache schlecht stehe.

- Ü

Renes vom Tage

Die Eröffnung der Londoner Arbeitszeitkonferenz

London, 15. März. Die Internationale Arbeitszeitkonfe­renz wurde Montag vormittag im Arbeitsministerium durch «ne Begrüßungsansprache.des PWNierminifters eröffnet.

Schweres Eisenbahnunglück in Costa Rica

San Jose (Cvstarica), 16- März. Zwischen Alajuela und Da-rtago entgleiste auf der Eisenbahnbrncke über Len Bivilla» Fluß ein mit 1000 Ausflügler» besetzter Eisenbahnzug. Er» Wagen stürzte in den Fluß. Die Zahl der Toten und V«»- wundsten wttd auf nahezu 300 geschätzt.

'Z