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Amtsblatt für den Dberamtsbezirk Nagol- u. Altensteig Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw u- Lreudenstadt

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Nr- 804

Altrntteig. Dienstag den LN. Dezember

1S23

Dir

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Anßenvolltische Umschau

Die englische Regierung hat keinerlei Grund, mit dem Verlauf der ersten Session des augenblicklichen Parlaments unzufrieden zu sein. Die Regierung hat ihren unzweifel­haften Erfolg hauptsächlich zwei Umständen zu verdanken: ihrer einigen, überwältigenden Mehrheit im Unterhaus und ihrer auch von der Gegenseite anerkannten geschickten Führung, die durch das große Vertrauen und die Achtung, die der Premierminister Baldwin bei allen Parteien und im Lande genießt, sehr erleichtert wurde. Die innere Schwäche und Uneinigkeit beider Oppositionsparteien konnte nicht drastischer zutage treten als bei der kürzlichen Mos- fnldebatte im Unterhaus. Während die Arbeiterpartei, de­ren Führer Macdonald, ebenso wie der Führer der Libera­len, Lloyd George, auffallenderweise schon vor der Debatte in Urlaub gefahren war, zu einer keineswegs sehr überzeu­genden Obstruktionstaktik überging und das Haus verließ, stimmte von den Liberalen ein Teil für die Regierung, ein Teil gegen die Regierung, ein dritter Teil enthielt sich der Stimme. Nach Annahme der Mossulentscheidung des Völ­kerbundsrats durch das Unterhaus machte sich die Regie­rung, wie zu erwarten war, unverzüglich an den Ausbau der neuen Regelung. s

Während die Frage der britischen Interessen, im nahen i Osten jetzt vom breitspurigen Gleise des Völkerbundes auf ! das schmalspurige privater, diplomatischer Verhandlungen - geschoben wurden, scheinen die Ereignisse im fernen Osten § infolge des Sieges Fengyuhsiangs über Tschangsolin sowie die Entsendung japanischer Truppenverstärkungen nach der Mandschurei immer größere internationale Bedeutung an­zunehmen. Ein Teil der öffentlichen Meinung erklärt das japanische Eingreifen für voll berechtigt, bei einem anderen Teil kommt jedoch die Besorgnis zum Ausdruck, daß die Streitigkeiten der Vertragsmächte wegen der Mandschurei nur der Sowjetregierung zugute kommen könnten.

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Man hat recht viel Aufhebens von dem Angebot einiger Industrieller aus Nordfrankreich gemacht, die nach deut­schem Beispiel eine Art Rentenfranken schaffen wollen, da­durch, daß sie ihre industriellen Unternehmungen für eins Anleihe im Ausland als Garantie anbieten. Die Nachricht hat ein scharfes Emporschnellen des Franken gezeitigt, aber inzwischen ist er wieder zurückgegangen, da die wirtschaft­lichen Vereinigungen von Bedeutung vor übertriebenem Optimismus gewarnt haben. Die Frage, ob der Finanzmi- aister den Vorschlag der Textilindustriellen für seine Finanz­pläne ausniitzen will, bleibt offen. Einen weit besseren Ein­druck hat in der französischen Wirtschaft selbst die grund­sätzliche Einigung über einen deutsch-französischen Handels­vertrag hervorgerufen. Man spricht zwar noch nicht von einem wirtschaftlichen Locarno, gibt aber zu, daß nun die stärksten Hindernisse beseitigt sind und daß am 12. Januar in die Beratung der Tariffragen mit sicherer Aussicht aus Erfolg eingetreten werden kann.

Seit einigen Tagen ist ein Abgesandter Abd el Krims in Paris, der offenbar im Aufträge eines schlauen Gegners s gesandt wurde, um den Friedenswillen des Gegners auf s die Probe zu stellen. Nachdem Abd el Krim bereits im s Januar, wie Painleve offiziell erklärte, Kenntnis von den > französischen Friedensbedingungen erhalten hatte, kann der ! französische Außenminister sie nicht noch einmal einem ? Außenseiter, der sich als Friedensengel ausgibt, zur Kennt­nis bringen, aber das ist eine Formsache und weite Kreise des französischen Volkes erklären, der Krieg in Marokko habe schon so viel Gut und Blut gekostet, daß die Form Ne­bensache sei. Ob die aus Syrien eingetroffenen Nachrich­ten von Ausgleichsmöglichkeiten mit den Drusen den Tat- sachen entsprechen, kann noch nicht festgc'tellt werden. Tat- r sache ist, daß der türkisch-russische Vertrag, der in Paris ab- ? geschlossen wurde, zum Nachdenken aufforvert, und vor al- r leiy in Pariser Kreises, die maßgebend sind^ die Lrage^auf- ?

geworfen hat, ob man es nicht mit dem nenn eines cyian- ,chen Völkerbundes zu tun hat, dessen Entstehen der chinest- ichen Frage eine noch weit größere Bedeutung geben müß^e, als man ihr bereits bei Gelegenheit zugemessen hat.

Zn Prag wurde das neugewählte Abgeordnetenhaus un- stürmischer Obstruktion der Slowaken, Deutschen und Kom­munisten eröffnet. In den mehrfach zu Tätlichkeiten aus­artenden Tumulten ging die programmatische Regierungs­erklärung des Ministerpräsidenten Svehla, die im Wesent­lichen die Fortsetzung der bisherigen Programme und Me­thoden in den einzelnen Ressorts in Aussicht stellte, völlig unter. Die Krawallszenen, die sich auch während der De­batte über die Regierungserklärung unvermindert fortsetz­ten, fanden ihren Höhepunkt in der Absingung eines slowa­kischen Trutzliedes, derInternationale", und desDeutsch­land, Deutschland über alles". Besonders das letztere ver­anlagte heftige tschechische Proteste, die auch in einigen Straßenversammlungen ihren Ausdruck fanden, ohne daß es im übrigen zu antideutschen Gewaltakten gekommen wäre. Der Präsident des Abgeordnetenhauses, der tschechi­sche Agrarier Malypetr, wurde auch mit den Stimmen der deutschen Agrarier gewählt. Besonderes Aufsehen erregte der Antrag der gesamten deutschen, slowakischen und kom­munistischen Opposition in Stärke von 140 Abgeordneten, die im Abgeordnetenhause eine Anklage gegen den Mini­sterpräsidenten Svehla und den ehemaligen Eisenbahnmi­nister Franke wegen der Gesetzwidrigkeit bei Abbau der Staatsbediensteten einbrachten. Das Abgeordnetenhaus hat sich bis Mitte Januar vertagt. Zahlreiche Protestver­sammlungen in den deutschen Gebieten des Staates wen­den sich gegen den auf nationalistische Gehässigkeit zurückge­henden systematischen Abbau deutscher Staatsdiener.

Fünf Wochen dauert bereits die holländische Regierungs­krise an, ohne daß bisher ein greifbarer Fortschritt bei den Bemühungen zu ihrer Lösung festzustellen wäre. Wie vor­auszusehen war, haben sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Christlich-Historischen und den Römisch-Katho­lischen in der Frage der Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl, obwohl bereits mehrere Kompromißvorschläge diskutiert wurden, als nahezu unüberbrückbar erwiesen. In der im holländischen Staatsleben sehr zurücktretenden Außenpolitik brachte in letzter Zeit dar am 26. November abgeschlossene deutsch-holländische Wirtschaftsabkommen, dessen Rückwir­kungen auf Holland erörtert werden, einige Belebung. Die m den deutsch-holländischen, zu Osnabrück geführten Ver­handlungen vereinbarte Abschaffung des beiderseitigen Paßvisums zum 1. Februar 1926 wird allgemein von allen Wirtschaftskreisey warm begrüßt.

Sie MM des Führers

DieD. A. Z." hat in ihrer WeihnachtsnummerFüh­rer unseres Wirtschaftslebens über densozialen Frieden* zu Worte kommen lasse«. Der Stuttgarter Großindustrielle Dr. Robert Bosch hiezu: ----

Zmmer wieder liest man in Berichten Deutscher, die di« Verhältnisse in den amerikanischen Fabriken untersuchen, daß der amerikanische Arbeiter eine grundsätzlich andere Stellung seinem Werk gegenüber einnehme als der deutsche, d. h. daß er nicht daran denke, sich einer Erhöhung der Lei­stung entgegenzustellen. Im Gegenteil: Der Amerikaner sei stolz darauf, daß er in einem Werke tätig sei, das ein« möglichst hohe Leistungsfähigkeit habe. Er sei stolz dar­aus, daß er selbst eine große Leistung herausbringe!

Diese Behauptung, der ich aus eigener Kenntnis bei» pslichte, findet ihre Bestätigung in der Aussage des euro­päischen Vertreters eines der größten amerikanischen Be­triebe, der mir mit der Frage entgegentrat: Wie soll es möglich sein, daß Deutschland im Weltwirtschaftskampf aus die Dauer bstehen kann, da sich der deutsche Arbeiter gegen eine Erhöhung der Produktion seines Werkes grundsätzlich stemmt?

Wenn man ohne Vorurteil die Ursache für diese Tatsache sucht, so kommt man auf folgendes:

Es ist nicht der einzelne Arbeiter an sich, d. h. aus seinem eigenen Innern heraus, der zurückhält mit seiner Leistung. Im Gegenteil: Der einzelne ist fleißig und er liebt es auch, gut zu verdienen.

Es ist aber auch festzustellen, daß der Arbeiter aus Er­fahrung weiß, daß er, z. B. im Stücklohn stehend, gewärtig sein muß, man setze seinen Stücklohn herunter, wen« er über einen gewissen Verdienst hinauskommt. In den meisten Fällen steht nämlich der Unternehmer leider auf dem Standpunkt, man dürfe den Arbeiter über ein Gewisses hi­naus nicht verdienen lassen. Er überlegt nicht, daß er er­stens durch einen Arbeiter um so mehr verdient, je mehr ihm dieser erzeugt, und zweitens, daß der Arbeiter schließ­lich auch errechnen kann, wieviel er erzeugen darf, ohne daß Km der Stücklohn gekürzt wird.

Die Folge einer drohenden Verkürzung des Stücklohns ist also ein Zurückhalten des Arbeiters und damit eine ge­ringere Leistung des Werks im ganzen.

Nun sollte man meinen, der Unternehmer würde diesen Nachteil ohne weiteres einsehen, und er tut es auch. Er rechnet aber daraus, trotzdem dies eine Täuschung ist, er könne den Arbeiter genügend überwachen, um eine Höchst­leistung zu erzielen. Und, was die Hauptsache ist, er steht wie gesagt, allermeist auf dem Standpunkt, daß man den Arbeiter nicht über ein Gewisses hinaus verdienen lassen dürfe, man mache ihn dadurch nur begehrlich und bekomme trotz Bewilligung großer Verdienste keine Ruhe im Betrieb.

Ich will nun einmal zugeben, man kriege keine Ruhe im Betrieb, aber man kriegt wenigstens die größere Leistung, und das ist doch vor allem erstrebenswert und lebensnot­wendig, wenn man mit Ländern, wie die Vereinigten Staa­ten, in Wettbewerb tritt.

Es ist aber noch nicht einmal richtig, zu sagen, man kriege keine Ruhe im Betrieb. Direkt hat man weniger Unruhe, wenn man nicht ständig an den Löhnen kürzt. Noch höher aber schätze ich den indirekten Nutzen ein, der dadurch entsteht, daß man den Arbeiter mehr verdienen läßt: Ein gut bezahlter Mensch ist zufriedener, er ist sorgenloser, er ist arbeitsfähiger. Kommt er erst gar so weit, daß er sich ir­gendwie eine Liebhaberei leisten kann, ohne daß er sich et­was ersparen kann, daß er ein gewisses Eigentum erwirbt, und sei es schließlich nur die Erpachtung eines Schreber­gartens, so ist der Mann ein ganz anderer. Es gewinnt allmählich die Ueberzeugung in ihm Raum, daß er doch nicht nur ein Enterbter, ein Mensch zweiter Klasse ist. Sieht er aber gar noch, daß aus seinen Kameraden dieser oder jener, von dem er selbst sieht, daß er ein tüchtiger Mann ist, herausgezogen wird und Meister oder gar Betriebslei­ter wird, so festigt sich in ihm der Glaube an die Gleichbe­rechtigung der Menschen. Namentlich wird dies der Fall sein, wenn er die Erfahrung macht, daß die Betriebsleitung nicht auf ihn heruntersieht, sondern auch ihn als wertvol­les Glied des Werkes ansieht.

Und gerade darauf möchte ich besonders Hinweisen, daß in den Vereinigten Staaten innerhalb eines Werkes ein Geist der Gleichberechtigung und der Kameradschaftlichkeit herrscht, wie man sich das in Deutschland kaum vorstellen kann, und in diesem Geiste ist ein sehr großer Teil der Lei­stungsfähigkeit der amerikanischen Industrie begründet.

Ich bin mir der Tatsache vollauf bewußt, daß es nament­lich in der heutigen Zeit des Hochschutzzolles sehr schwer rst. sozusagen beliebige Löhne zu bezahlen. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß bei gutem Arbeitswillen des Arbei­ters d h. wenn dieser nicht zurückhält, weil er weiß, dsr einmal angesetzte Lohn wird ohne dringendste Notwendig­keit nicht mehr gekürzt, immer noch billiger erzeugt wer­den kann, als wenn sich Unternehmer und Arbeitnehmer feindselig gegenüberstehen.

Es wird sehr schwer sein, beide Teile, Unternehmer und Arbeitnehmer, zu der Ueberzeugung zu bringen, daß sie beide zu ihrem Teil beitragen müssen, soll sich ern Um­schwung vollziehen. Viele Unternehmer können sich vom Standpunkt des Herrn im eigenen Hause nicht trennen- Sie mögen ihren Arbeitern an sich wohlwollend gegenuberste- hen, aber ste können stch nicht dazu bekennen, dag rn der heu- tigen Zeit ein patriarchalisches Verhältnis sich nicht mehr aufrechterhalten-läßt. Daß also andere Wege gegangen werden müssen, als dies früher der Fall war.

Auf der anderen Seite müssen die Gewerkschaften eine von der vorkriegsmäßigen sehr verschiedene Haltung ein­nehmen. Es wird aber ganz außerordentlich schwer sein, aus den Arbeitermassen die durch Jahrzehnte anerzogene Stel­lungnahme gegen das Unternehmertum herauszubringen. Es ist dies so schwierig, weil die Massen, welche umdenke« lernen müssen, so außerordentlich groß sind und weil in den zum Teil sehr einfachen Menschen der Masseninstinkt mäch­tiger ist, als alles andere. Man hört aber gerade von de«, besten Köpfen unter den Arbeiterführern die besten Rat­schläge und begegnet einer ganz verständigen Auffassung. Wenn auch von ihnen, manchmal nur aus taktischen Grün­den, zuweilen Dinge gehört werden, die einem nicht gefal­len, so muß man eben den Umständen Rechnung tragen. Dieser Baum kann und wird nicht auf einen Streich fallen.

Meine Ausführungen sollen dem sozialen Frieden die­nen. Zch wende mich in erster Linie an das Unternehmer­tum und in zweiter Linie an die Arbeiterführer. Die erste» ren müssen über den Kastengeist wegkommen, die anderen haben es mit den großen Massen der Arbeiter zu tun. Wer wird die größere Leistung zu vollbringen haben? Nach meiner Ansicht ist es Pflicht des Unternehmers, daß er, der führenden Schicht angehörend, durch gutes Beispiel ein bes­seres Verhältnis anzubahnen sucht.

Eines ist sicher: Friede ernährt, Unfriede verzehrt!

Auf also zum Kampf gegen den Unfrieden!

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