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Amtsblatt für den Dberamtsbezirk Nagold u. Altensteig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Calw u- jreudenstadt
Urchetnt «öchkntltch ««al. BezugSpriti: monatlich 1.86 Rark. Di« Etn-elnu««ir kostet 10 Pfg. Anze genpret»: Die einspaltige Zeile oder deren Ran« 15 Goldfpennige, die Reklamezeile 45 Goldpsg »eiRichterschünea der Zeitung infolge höherer Gewalt od. Betriedistörnng besteht kein Anspruch auf Lieferung Postscheckkonto Stuttgart Rr. 578Ü. — Für telephonisch erteilte Aufträge übernehmen wir keine Gewahr
Nr- 290
Hierzu eine Beilage.
Las Weil im SolchMproreß
Miinchen, 9. Dez. Zm Dolchstoßprozeß wurde HE- vormittag 1V Uhr von dem Vorsitzenden, Amtsgerichtsdirektor Frauk, das Urteil verlündet. Der Beklagte Eruber wurde oegeu fortgesetzter Vergehen teils der Beleidigung, teils der iAe« Nachrede zu einer Geldstrafe von 3VV9 Mark evtl, zu 10 Tagen Gefängnis und Tragung sämtlicher Kosten verurteilt.
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Urteilsbegründung im Dolchstoß-Prozeß
München, S. Nov. In der Begründung des Urteils im Dolch- stoßprozeß, die 16 Seiten umfaßt, wird u. a. festgestellt, daß die im einzelnen angeführten Wendungen der Artikel der „Münchener Post" und ihr beschimpfender und verhöhnender Wortlaut ohne weiteres ergibt, daß die Kundgebungen der Mißachtung des Privatklägers gelten. Der Angeklagte war sich, wie die Begründung weite: ausführt, unbestritten bewußt, do: ob Aeußerun- gen den Eindruck der Mißachtung hervorsurufen gegeignet sind. Die Behauptung der bewußten Geschichtsforschung gegenüber dem Privatkläger ist geeignet, diesen verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Der Angeklagte war sich auch unbestritten dieser Eigenschaft bewußt. Die behauptete Tatsache ist nicht als wahr erwiesen worden. Das Ergebnis der Beweisaufnahme mag nach der einen oder anderen Richtung auch für Zwecke der Geschichtsforschung dienlich sein; im Privatklageverfahren ist es nur in dem durch den Zweck dieses Verfahrens begrenzten Amfang auszuwerten. Aus dem Pri- vatklageverfahren ist demzufolge unter Achtung der Bestimmungen des Paragraph 261 der Reichsstrafprozeßordnung aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur festzustellen:
1. Bewußt und absichtlich auf die Zertrümmerung der deutschen Wehrmacht gerichtete Handlungen hinter der Front sind in den spätere« Kriegsreite« erfolgt. Als solche Handlungen kommen insbesondere die Vertreibung von Flugschriften und Flugblättern mit einem den Kampfeswillen zu lähmen bestimmten mit einem aufrührerischen und Mißstimmung erzeugenden Inhalt, revolutionäre Propaganda in Wort und Schrift mittels Flugzettel und von Hand zu Hand, Meutereien im Heere und kl der Marine, auch einzelne Streiks, insbesondere Streiks der Rüstungsindustrie in Frage.
r. Solche Handlungen sind, abgesehen von der Verbreitung von Flugschriften durch die Feinde, sei es in der Form von Aufforderungen, sei es in der Form unmittelbarer Beteiligung de» A. S. P. und von Angehörigen noch weiter links stehenden Gruppen vorgenommen worden.
8. Der Kampfgeist des Frontbeeres ist. wenn überhaupt, nul in vereinzelten Fällen durch solche Handlungen Leeinträchtigl pordeu. Der Geist der Truppen in der Etappe, der Geist des aus der Heimat kommenden, für die Front bestimmten Ersatzes, ist durch solche Handlungen erheblich geschädigt worden. Der Er- stitz verstand es, im letzten Jahre des Krieges vielfach nicht mehr bis zur Front vorzukommen. Der Kampfgeist des mit dem Feind« ständig in Berührung stehenden Teiles der Marine, insbesondere der Geist der Besatzung der A-Boote ist vortrefflich geblieben. Der Geist der Mannschaft der in den Heimathäfen liegenden Schiffe ist unterwühlt worden. Als Ende Oktober 1918 nach Anordnung der Seekriegsleitung die Hochseeflotte zu einem Vorstoß, der nach lleberzeugung der höheren Marinfachleute aussichtsreich gewesen wäre, die Lage des Frontheeres hätte entlasten «nid damit wohl auch Vorbedingungen für den Abschluß des Waffenstillstandes und des späteren Friedens hätte schaffen können, ist unter der Mannschaft offene Meuterei ausgebrochen. De, Flottenvorstoß ist unterblieben. Die Kampfkraft des Heeres Hai durch diese Handlungen sehr große Einbußen erlitten.
4. Es hat vielleicht ein verhetzter Teil der Jndustriearbeiter- fchaft und auch ein verhetzter Teil der anderen Volksgenossen den Sieg aus innenpolitischen Gründen nicht mehr gewollt. Di« Masse der Jndustriearüeiterschaft, die Masse der anderen Volksgenossen haben ihn gewollt.
In der Begründung wird weiter festgestellt, daß der Inhalt der Dolchstoßhefte teilweise über die Feststellungen hinausgeht. Es finden sich in ihnen verschiedentlich Verallgemeinerungen, die nicht gerechtfertigt sind. Der Privatkläger hat in der Hauptverhandlung ausdrücklich erklärt, er habe Vorwürfe gegen Angehörige der Mehrheitssozialdemokraten nicht erheben wollen. In den Heften hätte das deutlicher zum Ausdruck kommen müssen. Die Darstellung in den Heften ist in keiner Weise irrig und unrichtig. Jrrtümer und Unrichtigkeiten finden sich auch in anderen geschichtlichen Darstellungen. Auch die zur Zeit in großer Anzahl erscheinenden Erinnerungen und Denkwürdigkeiten einzelner an den Ereignissen besonders beteiligten Personen sind teilweise nicht ganz frei davon. Die geschichtlichen Ereignisse des Weltkrieges liegen noch viel zu kurz zurück, als daß letzt schon alle zu ihrer Erforschung und einigermaßen sicheren Feststellung nötigen Unterlagen zugänglich wären. Die Archive der Feinde sind noch nicht alle geöffnet. Die Mängel der Leiden
Alteusteig, Donnerstag de» 1V. Dezember
1923
. Hefte können aber noch lange nicht, wie das der Angeklagte will, ! als bewußt falsche Darstellungen bezeichnet werden. Die beiden ! Hefte sind nicht eine erschöpfenve Darstellung der Ursachen des j Zusammenbruches,' sie sollen es auch nicht sein, wie aus den l Worten der Einleitung des Heftes 7 unschwer entnommen wer- ! den kann. Es ist deshalb unzulässig, aus dem Umstande, daß j Tatsachen, die auch als Ursachen — und als besonders ausschlag- i gebende Ursachen des Zusammenbruches zweifellos bewertet werden müssen, in den Heften nicht oder nur nebenher erwähnt
- sind, den Schluß ziehen, der Privatkläger habe bewußt die Ge- s schichte gefälscht.
Voraussichtliche Berufung der beklagten Partei München, 9. Dez. Die Verkündung des Urteils im Dolchstoßprozeß verlief ohne Kundgebungen. Das Gericht hat dem Pri- oatkläger im Urteil auch die Befugnis zugesprochen, die Verurteilung des Angeklagten in der „Münchener Post" und dem ! „Vorwärts" in Berlin zu publizieren. Außerdem hat der Be- i klagte auch die dem Privatkläger erwachsenen notwendigen Aus- ! lagen zu tragen. Voraussichtlich wird, wie wir hören, die Le- ! klagte Partei Berufung gegen das Urteil einlegen.
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j Neuer vom Lage
! Besprechungen der Parteiführer
Berlin, 9. Dez. Auf Einladung der Abg. Koch-Weser ? (Dem.) und Fehrenbach (Ztr.) traten am Mittwoch die Vertreter der für die Große Koalition in Betracht kommenden ! Parteien zu einer ersten Sitzung zusammen. Außer den ' Einladenden nahmen an der Sitzung noch teil die Abgeord- s neten Marx (Zentr.), Dr. Scholz (D. Volksp.), Müller- ! Franken (Soz.), Leicht (Bayer. Vp.) und Drewitz (Wirtsch. z Ver.). Wie wir hören, unterhielt man sich nach einleiten- s den Ausführungen der Abgg. Koch und Fehrenbach über die s Fragen, die die Große Koalition ermöglichen oder ihr ent- ? gegenstehen. Die Fraktionen sollen sich selbst mit den Fra- s gen beschäftigen. Bei den Fraktionen besteht der Wunsch, s daß der Reichspräsident gleichviel wie jetzt die Verhandlun- f gen über die große Koaliiton ausgehen, zunächst eine Per- ! söulichkeit mit der Bildung der Regierung beauftragt, ! die dann am besten in der Lage sein würde, als Mittler i zwischen den Parteien zu wirken.
! Reue Unterdrückungsmaßnahmen i« Tirol
Boze«, 9. Dez. Die faszistischen Behörden dehnen jetzt ihren Kampf gegen das Deutschtum in rücksichtsloser Weise auch auf die deutsche Sprache in der Kirche aus. Zn Bozen, wo den Italienern schon seit langer Zeit eine eigene Kirche zur Verfügung steht, muß jetzt auch in der deutschen Kirche weben dem deutschen Gottesdienst ein italienischer abgehalten werden, der jedoch nnr sehr schwach besucht wird. Um v-ie Notwendigkeit dieser Einrichtung zu beweisen, haben die Behörden angeordnet, daß der Religionsuntericht an die deutschen Kinder in italienischer Sprache zu erteilen ist. Die Nichtbeachtung dieser Vorschrift hat zur Folge, daß dem Seelsorger die Erlaubnis zur Erteilung des Religionsuntervichts entzogen wird.
Völkerbund und Abrüstung
^ Genf, 9. Dez. In seiner geheimen Sitzung hat der Völker- : bundsrat Benesch beauftragt, einen Bericht über die dem Rat vorliegenden vrschi ebenen Auffassungen über das Ar- beitsprogramm des vorbereitenden Ausschusses für die Ab- i rüstungskonferenz auszuarbeiten. Er genehmigte ferner im
- Verfolg der Vorbereitung einer internationalen Konferenz ! über die Kontrolle der privaten Massenherstellung den be- s reits gemeldeten Fragebogen und erledigte so ann eine ! Reihe interner Angelegenheiten finanzieller und admini- s strativer Natur.
! Coolidges Botschaft an den Kongreß
! Washington, 9. Dez. Gestern ist dem Kongreß die alljähr- ? siche Botschaft des Präsidenten zugegangen. Coolidge er- ! neuert darin sine Reihe von Vorschlägen, die der Aufmerksamkeit der gesetzgebenden Körperschaften schon früher anempfohlen worden sind. Die Vorschläge geben in ihrer Gesamtheit die llmrißlinie eines umfassenden gesetzgeberischen Programms, das dringende innere und internationale Fra- > gen behandelt. So macht die Botschaft des Präsidenten Vor- ! schlüge für Steuererleichterungen und befürwortet den Beitritt Amerikas znm Wöltgerichtshof. Sie verlangt ferner» daß dem amerikanischen Flugwesen nachdrückliche Förderung zuteil werde, und besteht auf peinlicher Znnehaltung der Anti-Alkohol-Eesetzgebung. — Znm Thema der auswärtigen Beziehungen erklärt der Präsident, der Erfolg der ! Konferenz von Locarno rechtfertige die von der amerikanischen Regierung befolgte Politik, die es de» europäischen
Staaten überlassen habe, die besonderen europäischen Probleme zu lösen, ohne die Vereinigten Staaten mit hineinzuverwickeln. Er fügt hinzu, auch die Abrüstungsfrage sei ein ausgesprochen europäisches Problem, doch würden die Vereinigten Staaten jeden Schritt, den die europäischen Länder zur Verringerung ihrer Rüstungen unternehme« sollten, mit besonderer Dankbarkeit begrüßen. Aber wenn die amerikanische Regierung auch im allgemeinen für die Abrüstungsidee eingenommen sei, leg« sie doch keine« Wert darauf, an einer Abrüstungskonferenz teilzunehme«, deren Tagungsort und deren Zusammensetzung so gewählt sei, daß mit der Wahrscheinlichkeit des Schefterns von vornherein gerechnet werden müsse. — Der Präsident behandelte dann die Schuldenverhandlungen mit auswärtigen Staaten. Er vertritt die Meinung, daß die bereits abgeschlossenen Ueber- ^ einkommen keine ungerechtfertigte Belastung der Schuldner l> bedeuten und daß sie für beide Teile erfreuliche Auswir- I! kungen zeitigen würden,
Aufhebung der österreichische« Fiuanzkoutroll« ««de ISSß
Genf, 9. Dez. Di« Verhandlungen zwischen dem Finanz konnte« und den österreichischen Delegierten sind beendes worden. Danach wird die Finanzkontrolle durch den Es» neralkommissar Zimmermann, die ab 1. Januar 1926 weitere Erleichterungen erfahren wird, Ende Juni 1926 aufgehoben. Außer der österreichischen Frage wird der Rat heut« nachmittag in öffentlicher Sitzung noch den Bericht über das finanzielle Sanierungswerk in Ungarn, ferner einige Minderheitsfragen behandeln.
Bereits über eine Million als Sammlungsergebnis der Zeppelin-Eckener-Spende.
Berlin, 9. Dez. Heute fand eine Sitzung des Vorstandes des Kuratoriums der Zeppelin-Eckener-Spende des deutschen Volkes unter Vorsitz Eckeners statt, in der. festgestellt wurde, daß das bisherige Ergebnis der Sammlung durchaus befriedigt, da es für den verhältnismäßig kleinen Teil des deutschen Reiches, der das bisherige Ergebnis der Sammlung gemeldet hat, bereits weit über eine Million Mark beträgt. Es darf daher mit Bestimmtheit damit gerechnet werden, daß das Ziel erreicht wird, wenn in den übrigen Landesteilen die Sammlung ähnlich ausfällt. Aufgrund der vorliegenden Revisionsberichte wurde einmütig die Geschäftsführung und der organisatorische Ausbau anerkannt und der Leitung der Spende aufrichtigen Dank ausgesprochen.
Deutscher Reichstag
Berlin, 9. Dez.
Am Mittwoch wurde vom Reichstag der Gesetzentwurf über die Aenderung der Lohnsteuer ohne Aussprache dem Steueraus- schuß überwiesen.
Hierauf verlangt Abg. Rädel (Komm.) beschleunigte Erledigung der Anträge auf Erhöhung der Erwerbslosenfürsorge uni Unterstützung für Kurzarbeiter.
Präsident Lobe stellt fest, daß ein Ausschußbericht, über den das Plenum beraten könnte, noch gar nicht vorliegt. Der kommunistische Antrag sei also nach der Geschäftsordnung gar nicht durchführbar.
Der kommunistische Antrag wird abselebnt. Die dritte Beratung des Haushalts des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wird fortgesetzt.
Abg. Schmidt-Köpenick (Soz.) wendet sich gegen die Ausführungen des deutschnationalen Abgeordneten Thomsen in der letzten Sitzung. Die Anträge der Rechten auf Staatshilfe widersprächen dem sonst von dieser Seite propagierten System der freien Wirtschaft. Von den landwirtschaftlichen Arbeitgebern werde immer stärker der Import ausländischer Arbeiter gefordert.
Reichsernährungsminister Graf Kanitz: Es stebt fest, daß die Landwirtschaft in den letzten beiden Jahren ohne wesentliche Gewinne gearbeitet bat, daß sie große Kredite aufnehmen mußte, und daß sie sich in schwerer Notlage befindet. Die gegenwärtige Agrarkrise ist aber nur ein Teilgebiet der allgemeinen Absatzkrise der Wirtschaft, die sich nicht nur auf Deutschland beschränkt. Wir werden dieser Krise nicht dadurch Herr werden, daß wir bei ) einem Erwerbszweige allein anfangen. Dazu sind die einzelnen l Zweige der Wirtschaft zu eng miteinander verknüpft. Die Zins- s belastung der Landwirtschaft ist heute wesentlich größer als in s der Vorkriegszeit. Für die Rückzahlung der Kredite sind Erleichterungen erzielt worden, die aber noch nicht ausreichen. Es muß erstrebt werden, die landwirtschaftlichen Verpflichtungen, die bis zum Frühjahr nicht in Realkredit überführt werden können, bis nach der Ernte zu prolongieren. Die Rcichsbank ist bereit, Er- ! leichterungen zu gewähren,' denn sie bat kein Interesse daran, i daß es in der Landwirtschaft schlecht gebt. Der Ertrag einer