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Amtsblatt für den Gberamtsbezirk Nagold u. Altensteig Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, La'w u- jreudenstadt

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Nr. 287

Altrustrig, Montag den 7. Dezember

1923

Der Rücktritt der Regierung.

Die amtliche Rücktrittserklärung

Berlin. 6. Dez. (Amtlich.) Die Neichsregierung be­schloß in der Samstag-Sitzung einstimmig, dem Reichs­präsidenten die Demission zu überreichen. Der Reichskanz­ler wurde nachmittags vom Reichspräsidenten empfangen.

Der Reichspräsident betraute die bisherigen Mitglieder mit der Weiterführung der Geschäfte, wird in den nächsten Tagen mit den Parteiführern Besprechungen haben und sehr wahrscheinlich den bisherigen Kanzler mit der Neu­bildung des Kabinetts beauftragen

Die ersten Besprechungen über die Regierungsumbildung.

Berlin. 7. Dez. Der angekündigte Besuch des Reichstags­präsidenten Lobe beim Reichspräsidenten v. Hindenburg fand gestern mittag statt und dauerte eine knappe Stunde. Wie mehrere Blätter wissen wollen, hat der Reichspräsi­dent den Standpunkt vertreten, daß versucht werden müsse, eine Regierung auf der breiten Grundlage zu bilden, die von den Sozialdemokraten bis zur Deutschen Volkspartei reiche. Die Notwendigkeit einer Regierung auf einer der­artigen Grundlage ergebe sich auch aus den Schwierigkeiten der gegenwärtigen Wirtschaftslage und der ständig wachsen­den Arbeitslosigkeit. Am heutigen Montag sind die Partei­führer mit Ausnahme der Völkischen und der Kommunisten zum Reichspräsidenten geladen. Die Reihenfolge beim Em­pfang richtet sich nach der Stärke der Reichstagsfraktionen. Daher wird zuerst der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Hermann Müller, um 11 Uhr vormittags vom Reichspräsidenten empfangen werden. Dem Montag zu­folge ist man in parlamentarischen Kreisen der Meinung, daß nach den heutigen informatorischen Besprechungen zu­nächst interfraktionelle Beratungen zwischen den parlamen­tarischen Gruppen folgen werden.

Bor neuen Lultsahrtvsckandlungrn

Die seit Jahr und Tag von Deutschland erhobenen For­derungen nach Wiederherstellung seiner Rechte in den Fra­gen der deutschen Luftfahrt sollen erneut Gegenstand voy Verhandlungen zwischen Deutschland und den Alliierten werden. Der deutsche Standpunkt ist bekannt: Der Vertrag von Versailles verbietet das Halten militärischer Luft­streitkräfte; er sieht aber für zivile Luftfahrzeuge keinerlei Beschränkungen vor. Alle dem Deutschen Reiche nach dem Versailler Vertrag auferlegten technischen und organisa­torischen Beschränkungen, also vor allem dieBegriffs­bestimmungen", die Ordonnanz 80 der Rheinlandkommis- !fion, das Verbot der Anlage fester Flugplätze in derneu­tralen Zone", sowie der Umstand, daß Polen das Ueber- fliegen des polnischen Korridors nicht duldet, und di« Handhabung der Luftfahrtkontrolle gehen über den Ver­trag hinaus bezw. widersprechen ihm. Die Beseitigung dieser Verbote ist Vorbedingung für eine gedeihliche Zu­sammenarbeit mit anderen Nationen und muß auch in aller Zukunft grundsätzlich für alle Verhandlungen bleiben. Deutschland fordert vollständige Freiheit für den Vau von Zivilflugzeugen und gleiches Recht unter den am inter­nationalen Luftverkehr beteiligten Völkern! Bevor nicht die letzte der deutschen Forderungen erfüllt ist, bleibt deut­sches Recht auf das schwerste verletzt!

Die unmöglichen Verhältnisse, die heute noch im euro­päischen Luftverkehr herrschen, veranlassen die polnische ZeitungEazeta Toranna Warszawska" zu einem beweg­lichen Klagelied gegen dieNichtachtung der internationa­len Luftverkehrsgesetze durch Deutschland, wodurch z. B. die Linie ParisWarschau zu der Umleitung um deutsches Gebiet herum über das schwierige Alpengebiet hinweg­gezwungen wird. Deutschland will durch die von ihm er­lassenen Bestimmungen die Aufhebung von Bestimmungen des Versailler Verlages erzwingen."

In dem Augenblick, wo deutsche und alliierte Staats­männer sich an einen Tisch zusammensetzen wollen, um end­lich die das deutsche Flugwesen betreffenden Verstöße der Votfchafterkonferenz gegen den Versailler Vertrag aus der Welt zu schaffen, stimmt das politische Blatt die alten Mär­chengesänge an von demböswilligen Deutschland". Polen kann es offenbar noch immer nicht verstehen, daß Deutsch­land Anspruch darauf erhebt, auch leben zu wollen. Im übrigen scheint es die Erklärungen englischer, amerikani­scher, tschechischer, ja sogar führender französischer Staats­männer verschlafen zu haben, die den deutschen Standpunkt, Usberfliegen deutschen Gebietes mit Flugzeugen, die über disBegriffsbestimmungen" der Votschafterkonfcrenz hin­ausgehen, zu verbieten als vollständig rechtmäßig aner­kennen!

Der Regierungswechsel in Spanien

Ueber zwei Jahre, seit dem September 1923, bat in Spanien, die Militärdiktatur bestanden. Wie seinerzeit vor allem die Marokkosrage, der Wille zu einer schnellen Beendigung des krie­gerischen Abenteuers mit den Rifkabylen, zu dem militärischen Staatsstreich führte, so ist Marokko schließlich auch der Grund, für das Ende des Direktoriums geworden. Die Unfähigkeit auch der Militärregierung, das Marokkounternebmen zu Ende zu führen, hat die Unzufriedenheit in die Reihen des Heeres ge- ^ führt, das seit Monaten immer dringlicher den Rücktritt des ; einst von ihm selbst eingesetzten Direktoriums und die Rückkehr ? M verfassungsmäßigen Regierungsmetboden forderte. Diesem ^ Drängen hat Primo de Rivera und der König nachgeben müssen. - Spanien kehrt also zum Parlamentarismus zurück, der seit zwei Jahren dort keine Stätte mehr gehabt hatte. Zweifellos ist es s in den beiden Jahren mit Spanien aufwärts gegangen: die in- s nere Verwaltung wurde gesäubert von unbrauchbaren Beam­ten,'der Korruption, die nun einmal häufig mit dem parla- s mentarischen System verbunden ist, trat das Direktorium ener- ! gisch entgegen, und die Staatseninahmen konnten beim Eleich- : gewicht des Budgets nicht unwesentlich gesteigert werden. Was s bisher über die Umbildung der Regierung bekannt geworden ist, . dürfte denjenigen recht geben, die angekündigt haben, man ; werde zunächst nicht viel mehr als dieMilitärdiktatur in Zi- s oil" erhalten. Nicht nur, daß Primo de Rivera selbst an der s Spitze der Regierung geblieben ist, er hat auch die wichtigsten s linderen Portefeuilles mit ihm ergebenden Generalen und mit i Zivilpersonen besetzt, von denen bisher nur bekannt ist, daß sie sein Vertrauen besitzen.

s Ministerpräsident Primo de Rivera erklärte Pressevertretern, ! daß er eine Erklärung veröffentlichen werde, wonach die Re-

> gierung die Verfassung zwar für unantastbar ansehe, die aber s vorläufig außer Kraft bleibe. Es werde der Posten eines Vize- s Präsidenten geschaffen werden: die früheren Unterstaatssekre-

> täre und Privatsekretäre der Minister würden abgeschaftt. Die Regierung werde die Politik der letzten 5 Jahre vor dem Ein-

i tritt des Direktoriums sorgfältig prüfen, um eine energische Be- s jtrafung aller strafbaren Handlungen zu erwirken. Die Zensur l des Telegraphen und der Presse werde weiter streng durchge- ! führt. Das politische Versammlungsrecht bleibe beschränkt. Die j Regierung bereite auf Grund der Steuerreform einen neuen s ausgeglichenen Haushaltsplan vor, um den Kredit im In- und ^ Ausland zu festigen.

Neues vom Tage.

Letzte Sitzung des Neichskabinetts s Berlin, 5. Dez. Das Reichskabinett ist nm 11 Uhr zu s einer Sitzung zusammengetreten, in der noch über verschie- ! dene offenstehend« Fragen Beschluß wurde. Im Anschluß s daran ist in einer Besprechung der Minister der Demis - ! sionsbeschluß gefaßt worden. Der Reichskanzler hat s sich Samstag nachmittag zum Reichspräsidenten begeben und «hm die Demission des Kabinetts unterbreitet.

! Sin schweres Lawinenunglück

< . Fußen, 5. Dez. Sin schweres Lawinenunglück ereignete sich

- in den letzten Tage,: in Lähn in Tirol. Etwa 30 Mann ! wurden im Degental von einer Lawine überrascht. 8 Mann ! wurden von dem Wirbel in die Tiefe gerissen. Während

- drei Mann der Kolonne sich selbst wieder herausarbeiten r konnten, wurden zwei andere als Leichen aus dem Schnee

- gegraben.

! Die neue Völkerbundstagung

! Paris, 6. Dez. Der tschechische Außenminister Dr. Benesch

- ist aus London in Paris eingetroffen und am Sonntag nach z Genf Weitergefahren, um an der Tagung des Völkerbunds ! teilzunehmen. Der englische Außenminister Austin Cham- ; berlain reiste Samstag früh nach Genf. Ob er auf dieser i Reise sich in Paris aufahlten wird, steht noch dahin. Cham- i herlain wird mehrere Wochen von London fernbleiben. Nach

- der Genfer Beratung will er sich zu einem mehrwöchigen ! Aufenthalt nach Italien begeben, um dort seinen Urlaub zu ^ verbringen.

^ Loucheurs Fmanzpla« angenommen

s Paris, 3. Dez. Der Senat hat in einer Sitzung, die bis ; nach Mitternacht andauerte, mit 206 gegen 26 Stimmen das ' Finanzgesetz der Regierung angenommen. Die Folgen die- : fes Gesetzes sind in diesem Augenblick nicht abzusehen, aber s ,stnes ist sicher, daß eine sehr starke Verteuerung der Le- i benshaltung eintreten wird. Andererseits ist man auch da- s von überzeugt, daß die jetzt beschlossene Inflation von 7)4 ; Milliarden Franken eine weitere Inflation nach sich ziehen

- Guß, die sich spätestens Januar auswirken wird, wenn nicht s bis dahin ein Abkommen mit Amerika in der Schuldensrage j getroffen wird. Wie es scheint, will der Finanzminister jetzt

! die amerikanischen Verhandlungen sofort wieder aufneh- ! men. Man hatte erst daran gedacht, daß Frankreich dadurch i Erleichterungen bekommen könnte, daß die deutschen Eisen- ! bahnschuldverschreibungen, die nach dem Dawesplan auszu- l geben sind, jetzt zur Zeichnung aufgelegt würden. Man ist sich aber inzwischen in Pariser Finanzkreisen darüber klar

- geworden, daß diese Anleihe wenig Erfolg haben würde, i und nur Zustandekommen könnte, wenn man einen sehr ! niedrigen Ausgabekurs nnd einen sehr hohen Zinsfuß be- ! willigen würde. Dieser Plan wird also nicht weiter erörtert.

- Die Verhandlungen mit Amerika sollen einstweilen auf i diplomatischem Wege vor sich gehen.

Frankreich beschließt die Inflation Paris, 5. Dez. Im Senat ersuchte Briand, dem Gesetz- i entwurf über die Finanzgesetze zuzustimmen. Wenn er heute s eine neue Inflation und schwere Steuern fordere, so ge- ! schehe das, weil ein anderes Verfahren nicht möglich sei. ! Er sei der geschworenste Feind der Konsolidierung durch die j Inflation. Diese sei aber im Augenblick unvermeidlich. Was

- man jetzt nötig habe, sei der Geist nationaler Solidarität, j Was verlangt das Land vom Parlament? Der Mittelstand ! verlangt, daß nicht vergebliche Opfer an Summen gefordert ! werden, die vergeudet würden. Er verlange nur einen ge- z funden Finanzierungsplan, sowie, daß die Steuern nicht j eine Waffe gegen den Bürger werden. Nach Briand ergriff j der ehemalige Präsident der Republik, Senator Millerand,

- das Wort. Er glaube, daß die Inflation der Regierung ! gebilligt werden könne unter der Bedingung, daß die Ab- s fttmmung klar zu erkennen gäbe, daß es sich um ein Ende

- eines Systems und um den Beginn einer neuen Methode handele: Ende des Systems, also Ende der Parteiherrschaft.

! Art. 4 über die Inflation wird mit 196 gegen 69 Stimmen : angenommen.

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Ein Friedensangebot des Drusenführers Paris, 5. Dez.Neuyork Herald" veröffentlicht eine De­pesche aus Kairo, nach der die Ankunft des neuen fran­zösischen Obevkommissars, de Jouvenel, in Damaskus zeit­lich zusammenfällt mit einem Fried^usangebot des Führers d r Drusen. Seine Vorschläge sollen wie folgt Guten: 1. Wiedereinführung des früheren Regimes für das Libanon- gsbiet; 2. Abschaffung der Politik, Syrien in verschiedene Berwaltungseinheiten aufzuteilen; 3. Räumung des Ge­bietes der Drusen durch die französischen Truppen, Einberu­fung der gesetzgebenden Versammlung zwecks Regierungs­bildung; 5. Abschluß eines französ-sch-syrischen Handelsver­trages; 6. Amnestie für alle politischen Verbrechen; 7. Zah­lung einer Kriegsentschädigung' -

Vom demokratischen Reichsparteitag Breslau, 5. Dez. Der 7. ordentliche Reichsparteitag der demokratischen Partei wurde mit einer Sitzung des Partei- ausfchusses eingeleitet. Der Parteivorsitzende, Reichsminister a. D. Koch, gab einen ausführlichen Bericht über die gegen­wärtige politische Lage. Zum Schluß betonte er mit größ­tem Nachdruck, daß die große Koalition heute die einzig mögliche Grundlage für eine Regierungsbidlung im Reich fein könne. Die Tagung des Parteitags eröffnet« der Vor­sitzende Koch, indem er zunächst derer gedachte, dre der To! im letzten Jahre aus den Reihen der demokratischen Partei gerissen hatte, vor allem des Ministers Hugo Preuß. Di« Wahl des Büros ergab als Vorsitzende die Abg. Koch un! Erkelenz. Dr. Hellpach hielt einen Vortrag überEei- stesfreiheit nnd Christentum in ihrem Verhältnis zum ger­manischen Volkstum und zum demokratischen Staat". Hell- pach führte aus, daß die Demokratie einer spezifisch germa­nischen Tradition entspreche, wobei er auf die Zeiten der germanischen Stammesverfassung zurückgriff. Auch die phi­losophisch-humanistische Geistesfteiheit nimmt Hellpach als (Idee in Anspruch, die zur Demokratie führe. Dabei suchte ei lwachzuweisen, daß nur die evangelische Richtung des Chri­stentums demokratisch gerichtet sei. Diese Ausführungen fanden allerdings bereits in der Rede des Vorsitzenden Koch eine gewisse Abschwächung, der auf den sozialen Charakter des Katholizismus hinwies. Ebenso widersprach als erster Diskussionsredner der Reichstagsabgeovdnete Dr. Heuß. Er wies darauf hin, daß die katholische Kirche einen ganz an­deren Charakter angenommen habe. Die Ausführungen des früheren Staatspräsidenten Dr. Hellpach und die Debatte darüber nahmen einen erheblichen Teil des ersten Partei, tages in Anspruch. Erst am Samstag kamen die politischen und wirtschastspolitischen Fragen zur Sprache.

Breslau, 6. Dez. Auf der Schlußsitzung des demokrati­schen Parteitages erklärte heute der bekannte Pazifist Prof. Dr. Quitte, daß er den pazifistischen Vereinigungen in den