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Amtsblatt für den Dbsramtsbezirk Nagold u. Altensteig 5tadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw u jreudenstadt

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Nr. 233

Altensteig, Montag den 3. Oktober

1923

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Preisabbau"

Aat 8. August gab der Reichskanzler in feierlichster Forn or dem Reichstag die Erklärung ab, daß die Reichsregie ang zum 1. Oktober die Bevölkerung durch einen Preis- ibbau für die außerordentlichen Lasten entschädigen wolle bi« kie durch die Steuern und Zöelle ausgenommen habe Matt einer Senkung des Preisniveaus ist seit dem 8. Aug bis zum 1. Oktober noch eine Erhöhung der Preise für st lebenswichtige Waren wie Fleisch, Wurst und Fette eings trete«. Teilweise liegt diese Preissteigerung über 15 bir «0 Prozent.

i Zum 1. Oktober hat die Reichsregierung in einer neu«« Kundgebung aufgezählt, was für Durchführung des Preis­abbaues geschehen ist. Wollte man das Communique dei ^eichsregierung über dasbereits Erreichte" mit einer leberschrift versehen, dann könnte sie nur lauten:Preis, »bbauerzählungen der Reichsregierung!" Die Regierunk oerweist gewiß mit Recht darauf hin, daß die Ermäßigung bes Eisenbahntarifs und die Herabsetzung der Umsatzsteuer als nenenswerte Etappenpunkte für den Preisabbau an- resehen werden können. Aber über einen Anfang zur Sen- mng find die Preise noch auf keinem Gebiet hinausgekom- ren. Was bis jetzt an Preisen tatsächlich gesenkt ist, Le­icht sich auf Waren, die nicht als Massenbedarfsartikel be- rachtet werden könne«. Kali, Benzin, Möbel, Autos sink eine Massenbedarfsartikel, wenigstes nicht solche, für di« ie deutsche Bevölkerung den Preisabbau gewünscht Hai

And auch nicht solche, an die der Reichskanzler bei der feier­lichen Abgabe seines Versprechens im Reichstag nur et- ernt gedacht haben kann. Die Regierung sagt aber nichi inmal, dag sie die Preise für diese Waren tatsächlich ver­billigt hat. Sie erzählt nur, daß sie dafür ebenso wie für ahrräder, Ziegelsteine, Textilien, Schuhe und Lederwaren me Preissteigerung durch Unterhandlung mit den Kartel­len vermieden hat. Kein Mensch in Deutschland hätte ge­glaubt, daß die Reichsregierung nach diesem feierlichen Ver­brechen vom 8. August sich am 1. Oktober damit brüsten würde, daß eine Anzahl Waren vom 1. Oktober an nicht teurer werden, nachdem sie inzwischen noch einige erheb­liche Preissprünge gemacht haben. Das ist nie und nimmer eine Preisabbauaktion! Die Regierung spricht auch von einer Preissenkung bei Kartoffeln! Sie soll einmal ein Wirtschaftsjahr nennen, in dem nach der Herbsternts die Kartoffelpreise sich nicht gesenkt haben! Sie soll ein ein­ziges Beispiel dafür nennen, daß nach einer derartigen Re­kordernte, wie sie Deutschland auch in der Kartoffel gehabt hat, die Preise nur so wenig heruntergegangen sind, wie in »ie'em Jahre! Ebenso peinlich berühren die Darlegungen der Regierung, daß die Margarinepreise nur 10 Prozent Über dem Friedenspreis liegen sollen. Ist denn das auch sin Verdienst der Regierung, oder ist es nicht vielmehr eine folge der Ueberproduktion, auf die die Regierung gar kei- en Einfluß hat.

In der amtlichen Erklärung fehlt aber vor allem der lnsdruck eines starken Willens, daß die Regierung eine rdikale Aenderung ihrer eigenen Finanz- und Steuerpoli- k eintreten lasst will, die sich auf die Länder und Ee- lneinden auswirken müßte. Denn hier wird ebensoviel ge-> Pndigt wie oben.

^Zweifellos hat die Reichsregierung mit der Widerspen- igkeit der Kartelle in besonders bemerkenswertem Grade u rechnen. Wenn sie erfolgreich sein will gegen die Kar- elle, die mit ihrem Festhalten an einer bequemen Eewinn- olitik verhängnisvollsten Raubbau an der Kaufkraft der Bevölkerung treiben, dann muß sie ihnen durch ihr eigenes Beispiel auch den letzten Grund nehmen, an dem Ernst der iegierungsaktion zu zweifeln.

! Nun haben Ende vergangener Woche die Finazminister Kfd Staatspräsidenten der Länder in Berlin erneut den PZillen bekundet, die Preissenkungsaktion zu unterstützen, ks darf deshalb gehofft werden, daß nunmehr die Sache ernstlich auch in der Provinz in Angriff genommen wird, kr folg ist dem Streben der Reichsregierung, die damit im- Merhrn mehr Mut bewies, als ihre Vorgängerinnen, av^ Ale Fälle zu wünschen.

Nor einer WMresorm

s Im Reichsinnenministerium wird zurzeit ein neuer Ee- Utzentwurf zur Wahlreform bearbeitet. Bekanntlich hatte Kr Reichsrat schon vor der Auflösung des Reichstages im perbst 1924 einen derartigen Entwurf angenommen. Der Heue Entwurf dürste grundsätzlich von dem alten wenig Verschieden sein. Die Wahlkreise sollen verkleinert werden, »er Einfluß der Wählerschaft aus die Auslese der Kandi- Daten soll wieder wachsen. Nach dem Entwurf würden die Wahlkreise etwa doppelt so groß sein, wie die Wahlkreise her Vorkriegszeit. Das System der Verhältniswahlen wird Aer trotzdem gewahrt, da die Reststimmen den Nachbarkrei« K« zugeschlagen werden. Die Verminderung der Äbgeord- Aetenzahl soll in dem neuen Entwurf nicht mehr die gleiche Rolle spielen wie in dem alten. Man will zuerst einen Ab- »a» «t den Länderparlamenteu empfehle«.

.Man kann grundsätzlich diesen Plänen nur zustimmen. Aas theoretisch so gerechte deutsche Wahlsystem hat sich prak­tisch nicht bewährt. Die großen Wahlkreise mit den langen Pisten bringen eine Entfremdung zwischen Wählerschaft und Parlament, da praktisch die Bürokratie darüber entscheidet, ßver Abgeordneter wird. Es ergibt sich auch der Uebelstand, daß so manche Abgeordnete es gar nicht nötig habe, einen Wahlkreis persönlich zu erobern, weil sie aus Wirtschaft, ftchen oder anderen Rücksichten von der Partei von vorn» erein auf einem aussichtsreichen Posten der Liste gestellt

Las gerüstete Locarno

/ A« Montag beginnt in dem im wundervollsten Herbstschmuck prangenden Locarno die mit Spannung erwartete Ministerkon- Herenz, die die Vertreter von Deutschland, Frankreich, England, sKtalien und Belgien, dann auch von Polen und der Tschechoslo­wakei am grünen Tisch versammelt sehen wird, der diesmal in per Schweiz auf dem südlichen Sonnenbalkon aufgeschlagen wor­den ist.

Ei» Berichterstatter der N. Züricher Zeitung erzählt u. a. Kolaendes: lleberflüssig festzustellen, daß der Kurort Locarno fM»d mit ibm die Nachbargemeinden Muralto und Minus» glücklich und dankbar über alle Matzen darüber stnv, das inner die Ebre des Kongretzortes zuteil wurde, und sie gehen mit Feu­ereifer an die nicht leichte und in kürzester Zeit auszuführend! Arbeit. Denn man darf nicht vergessen, daß Locarno augenblick­lich mitten in seiner erfolgreich aussehenden Herbstsaison steht auf die es trotz der Konferenz selbstverständlich nicht verzichte« kann, schon nicht mit Rücksicht auf die grobe Zahl seiner treue« Stammgäste, die Fahr für Jahr Locarno und seine Seegestad« als ErLolungsstation aufsuchen.

Die groben Hotels, die für den Aufenthalt der sieben Dele­gationen in erster Linie in Betracht kommen, haben dank de» Entgegenkommen ihrer Gäste Dispositionen treffen können, di, es ihnen ermöglichen, diese in anderen Hotels von Locarno mit Umgebung unterzubringen, so datz die Delegationen mit Veginr ' der Tagung »um größten Teil im Grand Hotel Palace wohnen, das für sie fast vollständig frei gemacht werden konnte. Für di, «twa 80 Personen, die dort wohnen werden, stehen 180 Zimmer tm Hauptgebäude zur Verfügung. Im Grand Hotel Palace, i« Nächster Nähe des Bahnhofes gelegen und bekannt durch seine« prachtvollen Park, sind bisher die Delegationen von Frankreich, England, Italien, Belgien und Polen einquartiert, die im Laufe des Samstags und Sonntags in Locarno eintreffen. Die eng­lische Delegation zählt etwa 30 Personen, die französische 20, die italienische 25; für Belgien sind bisher 8, für Polen 4 Per­sonen angemeldet. Die Delegation der Tschechoslowakei, etwa 15 Personen stark, wird voraussichtlich im Hotel du Pare Quartier beziehen. Die deutsche Delegation, etwa 3540 Personen, wählte das in Minusio gelegene Hotel Esplanade als Sitz, etwa zwei­einhalb Kilometer von Locarno entfernt. Ein Spezialautodienst für diese Delegationen mit vier Wagen ist vorgesehen. Die Ge­samtzahl der Delegierten nebst Sekretären und Kanzleipersonal wurde mir mit Maximum 150 Personen angegeben; dazu kom­men noch schätzungsweise 200 Journalisten. Kuriere der einzelne« Delegationen, bezw. Vertreter der Eesandschaften aus Bern sind als Pioniere der Konferenz bereits am Ort und treffen die um­fangreichen Anordnungen für einen schwierigen Dienst, der vor­aussichtlich zwei bis drei Wochen dauern wird.

Man ist sich darüber klar, daß der große Sitzungssaal im Ge­richtsgebäude diese drei Wochen hindurch nicht in dauerndem Betrieb sein wird. Die entscheidenden Besprechungen und Unter­handlungen werden wohl auch diesmal in der Hauptsache im Quartier der Delegationen stattfinden und das Gerichtsgebäud« wird nur für die offiziellen Tagungen Verwendung finden. Da an diesen Zusammenkünften nur etwa 50 Delegierte teilnebme« werden, dürfte der grobe Eerichtssaal genügend groß sein. Füi die Pressevertreter ist allerdings dort kein Platz vorhanden, doch erhielten die Behörden von Locarno auf Anfrage hin vom Völ­kerbund die Auskunft, daß die Konferenrfitzunsen nicht öffentlich seien. Was für Anforderungen an den Kongreßort gestellt wer­den müssen, möge man aus der Tatsache ersehen, daß die eitA. Telegraphen- und Telephonverwaltung das sprachenkundigste Personal über die Dauer der Konferem nach Locarno abordnet. Die internationalen Linien werden von Bellinzona und Lugano aus bis Locarno verlängert; zwei neue direkte telephonische Ver­bindungen mit Zürich, ebenso zwei mit Basel und eine mit Mailand werden geschaffen, überdies die übrigen vorhandene« und zurzeit spärlich benützten Linien in die Zentrale Locarno einbezogen alles grobe und mühsame Arbeiten, die alle i« Laufe weniger Tage mit fieberhafter Schnelligkeit erledigt wer­den müssen. Auch in den Quartierhotels der Delegationen müs­sen die Telephonlinien vermehrt werden. Ueberdies wird ei« direkter Draht vom Grand Hotel »um Ministerium des Aeuber« t» Paris geschaffen.

lleüer die vielseitigen Arbeiten in den für die Konferenz vor­gesehenen Räumlichkeiten, auf den Straßen, in de« öffentliche« Anlagen usw. wird noch kurz zu berichten sein; das etwa 10 00k Einwohner zählende Städtchen gleicht einem Bienenhaus unk hat Hunderte von Hilfskräften, die im Akkord, nicht im Taglobn, die Hände fleißig regen, um Locarno fix und fertig zu Veginv der Konferenz präsentieren zu können.

Mttscherim Berliner Besuch

Der Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten der Sow­jetunion, Tschit scherin, der gegenwärtig in Berlin weilt, »m seiner Krankheit wegen Eeheimrat Klemverer zu konsultie­ren, und in einem deutschen Bade Heilung zu suchen, empfing «inen Pressevertreter, dem er u. a. sagte:

Die augenblickliche Konstellation der groben Politik ent­springt im wesentlichen der englischen Feindschaft gegen di« Sowjetunion, die alle anderen Aktionen maßgeblich beeinflußt. Es erweckt fast den Anschein, als ob die Tory-Regierung in England die Zeitspanne, die ihr beschieden ist, benutzen will, um in möglichst kurzer Zeit möglichst grobe Resultate in der Arbeit gegen die Sowjetunion zu erzielen. Ich denke dabei weniger an einen militärischen Angriff; die Formen, in denen sich dies« Politik betätigt, find vielmehr die politische und wirtschaftlich« Einkreisung, und dafür arbeitet die englische Diplomatie in der ganzen Welt mit Hochdruck. Und unter diesem Gesichtspunkt erscheint die ganze Paktvolitik Englands als ein Bestandteil sei. ner grundsätzlichen antisowjetistischen Tätigkeit. Das ist di« Ursache, weshalb wir mit steigender Besorgnis darauf blicken, wie Deutschland mehr und mehr in das Fahrwasser der englische« Pläne einlenkt. Es ist Englands Idee, Deutschland von der Sowjetunion abzutrennen. Ich zweifle nicht im mindeste» daran, daß das dem Wunsche der deutschen Regierung wider» spricht, die Frage ist aber, ob es bei der weiteren Entwicklung nicht England gelingt, seine antisowjetistische Politik Deutsch» land aufzuzwingen, und ob Deutschland uach Abschluß des Pakte» «och in der Lage sein wird, sich lange Zeit dem englischen Zwang »» widersetzen. Bei der ganzen Paktkamvagne hat es England darauf angelegt, immer mehr die Stellung des Schiedsrichters auf dem Kontinent zu gewinnen. Offiziöse Publizisten haben das in London auch mit unmibverständlichen Worten ausgespro­chen. Ls besteht für mich nicht der mindeste Zweifel, daß Eng­land in Deutschland nur eine Schachfigur in seinem divloma» tischen Spiele steht. Die allerwichtigsten Fragen bilden in die­sem Zusammenhang die Artikel 16 und 17 des Völkerbunds- paktes. Sie sind das Mittel, mit dem Deutschland 'gegebenen­falls zur Teilnahme an einer Koalition gegen Rußland ge­zwungen werden kann. Artikel 16, der das Durchmarschrecht bei einer Völkerbundsaktion stipuliert, mag für Schweden oder Nor­wegen ungefährlich sein, aber für Deutschland bedeutet er bei der jetzigen allgemeinen politischen Linie Englands eben ganz etwas anderes. Deutschland kommt damit in eine Lage, bei der England einerseits durch Frankreichs Mithilfe einen groben Druck auf Deutschland ausüben kann, und auf der anderen Seite kann England Frankreich gegenüber als Beschützer Deutschlands auitreteu. Nimmt man dazu, daß England Deutschland auch noch große Gewinne auf Kosten Polens versprechen möchte, so haben Eie die Politik des Zuckerbrotes und der Peitsche. Das ist die Ursache, weshalb der Artikel 16 für Deutschland eine viel grö. Here Bedeutung bat als für jedes andere Land. Und das ist auch die Ursache, weshalb die augenblickliche politische Konjunkkui uns so gefahrdrohend erscheint. Der bevorstehende Abschluß des Handelsvertrages ist uns für Deutschlands guten Willen ein deutlicher Beweis. Bei der Verschiedenheit der wirtschaftliche» Systeme verstand es sich von selbst, daß die Verhandlungen nicht leicht waren. Der deutsche Kaufmann findet sich selbstverständ­lich in Rußland in seinen geschäftlichen Gewohnheiten eingeengt. Und es hat auf beiden Seiten des besten Willens bedurft, um zu einer Einigung zu kommen, aber daß diese Einigung jetzt da ist, leigt, welchen großen Wert beide Parteien auf den Abschluß ge­legt haben. Das ist eine deutliche Demonstration für die Ra- dallo-Linie. Der Handelsvertrag ist bis auf einige unbedeutend« Punkte fertig und wird wohl in kurzer Frist in Moskau unter­zeichnet werden." Tschitscherin bleibt bis zum Dienstag kn Berlin. Am Dienstag dürfte er auch beim Reichspräsidenten o. Hindenburg sein, der an diesem Tage nach Berlin zurückkehrt. In welchen deutschen Kurort der sowjetrusfische Staatsmann sich dann begebe« wird, sollt« erst bestimmt werden.

Neues vom Tage

/ Deutschnationaler Mißtrauensantrag gegen Severing s

^ Berlin, 3. Ott. Die deutschnationale Landtagssrattion i hat zum Haushalt des Innenministeriums, dessen Bera»

- tung für die Woche nach der Pause angesetzt ist, den folgen» i den Antrag eingebracht:Der Landtag entzieht dem Mi»

- 'trister des Innern das Vertrauen "

i Die Ankunft in Locarno

: Bern, 8. WK. Die deutsche Vertretung zur Konferenz in

' Locarno traf Samstag nachmittag hier ein und fuhr sofort : in ihre Quartiere. - -

s Zur Einnahme von Ajdir.

' ^XParis, 3. Ott. Hcwas berichtet aus Madrid: Zur Ein- l Mrhm« Ajdirs durch die Spanier wird noch gemeldet, datz Mich das fruchtbare Gebiet auf dem linken Ufer des Ms und die neuen Steilungen beherrschend enAnhöhen besetzt feie». Reiches Kriegsmaterial, das vom Gegner Stich gelassen wurde, sei in die Hände der Spanier ge»