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Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altensteig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und jreudenstadt.

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Altenlleig Montag den 7. September

Jahrgang 1923

War bedeutet der Streit um Mosful?

Beim Streit um Mossul vor dem Völkerbund handelt es sich um Mesopotamien, das Stromland des Euphrat und Tigris.

Dieser Zankapfel war im Kern schon vorhanden, als der türkische Staat nach dem Weltkrieg zum Frieden von Se- ores gezwungen worden war. Damals wurden die arabi­schen Gebiete des alten Türkenreiches losgetrennt. In lähem Kampfe suchte die Türkei Stück für Stück von dem verlorenen wiederzugewinnen und wenigstens die alte tür­kische Svrachgrenze wieder zu erreichen. Es gelang dies zum Teil durch Verständigung mit Frankreich, das Adama aufgab und. sich auf Syrien beschränkte. Nun ist Mossul als unerledigter Rest des Lausanner Vertrags der Mittel­punkt des Streites.

England schickt, wie es seiner diplomatische Gepflogen­heit entspricht, einen Strohmann vor, um seine Wünsche durchzusetzen. Nicht Eroß-Britannien verlangt die Mos- sulquellen, sondern das Königreich Irak. Dies aber ist ein künstliches Staatengebilde, welches das südliche Mesopota­mien umfaßt, mit Bagdad und Basra als größte Städte, kein König ist eine Kreatur von Englands Gnaden, Fai- ftl, ein Sohn des Königs Hussein von Hedschabs, der wie­derum seine Königswürde nur England verdankt Mit dem König Faisal hat England einen Mandatsvertrag abge­schlossen, der in vier Jahren zu Ende gehen soll. England vill den Vertrag nur erneuern, wenn das Mossulgebiet zu Kak kommt. Das Königreich Irak aber verlangt Mossul, veil es ohne dieses Gebiet wirtschaftlich nicht lebensfähig sei. Da im Lausanner Vertrag eine Einigung nicht erzielt joerden konnte, haben Türken und Engländer sich geeinigt, die Entscheidung des Völkerbundsrats anzurufen. Üm diese Entscheidung dreht es sich jetzt, und ihre Grundlage ist der Bericht einer Völkerbundskommission, der Anfang August veröffentlicht worden ist. Der Kommissionsbericht ist ein Musterbeispiel diplomatischer Verlegenheit. Zwischen Rechtsfrage und Machtfrage gestellt, hat die Kommission Schlußfolgerungen angenommen, die voller Widersprüche llnd logischer Unmöglichkeiten sind. Tatsächlich ist die Kom­mission zu der Auffassung gekommen, daß vom streng recht­lichen Standpunkt das Mossulgebiet ein Bestandteil der Türkei sei. Um aber die Brücke zu den britischen Wünschen zu schlagen, stellt die Kommission fest, daßwichtige Argu­mente wirtschaftlicher und geographischer Natur sowie die Stimmung der Mehrheit der Bevölkerung für eine Ver­einigung mit dem Irak sprechen." Würde aber das Man­dat des Völkerbundes über das Jrakgebiet nach Ablauf des Vertrags zwischen England und dem Irak, also nach vier Jahren, erlöschen, dann wäre es für das Mossulgebiet vor­teilhafter, unter türkischer Souveränität zu verbleiben,da Pie äußeren und die inneren Vorbedingungen für eine ge­sicherte Entwicklung in der Türkei unvergleichlich viel sta­biler seien, als im Irak." Die Kommission hat sich nach­drücklich gegen eine Teilung des Mossulgebietes ausgespro­chen, hat aber vorsorglich für den Fall, daß eine solche Tren­nung doch beschlossen würde, bereits eine Grenzziehung, empfohlen. Daher regt sie die Verlängerung des Mandats auf 25 Jahre an.

Für England bedeutet der Besitz von Mossul eine Siche». Mng des Landwegs nach Indien. Zu Arabien, Palästina, Bersten auch noch Mesopotamien. Dann ist die Kette ge­flossen. lleberdies wünscht England das Erdöl von Mos- M für seine Kriegsflotte. Und das Erdöl wird in der alten Welt knapp. Die Türkei aber will das Mossulgebiet wegen der wirtschaftlichen Kräfte der Erdölquellen, ste will Geld Prd Menschen. Der Kampf in Genf vor dem Völkerbund mag in dieser Frage noch allerlei lleberraschungen bringen.'

, Genf, 5. Sept. In nichtöffentlicher Sitzung beschloß der Völkerbundsrat, die weitere Behandlung der Mossulfrags, fernem dreigliedrigen Ratskonritee zu übertragen, das aus§ sOüknones de Leon (Spanien), Euani (Uruguay) und Uu- deu (Schweden) besteht. Diese Kommission, die übrigens! bereits im Oktober 1924 bei der außerordentlichen Tagung des VAkerbundsrates im Brüssel gebildet wurde, wird ihre Arbeiten auf Grund der Unterlagen beginnen, die im den» Bericht der Mossulkommisfion enthalten find bszw. von bei» den Parteien geliefert wurde».

-er Poleder beste Soldat

Während die Feindbundstaaten das vollkommen wehr» lose Deutschland immer weiter zu entwaffnen trachten, da es immer nocheine Gefahr für den Weltfrieden" bildet, sind sie selber dabei, mit allen Kräften ihre Streitkräft» lauszubauen. So scheut denn unser östlicher Gernegroß keine Mittel für militärische Zwecke und mit großem Tam-Tam wurden die diesjährigen polnischen Herbstmanöver, die am

"MJAugnst ihren Abschluß fanden, vorbereitet. Vertreter aller befreundeten Armeen waren zu den Manövern ein­geladen und die polnische Presse schwelgt in großen Töney über die anerkennenden Aeußerungen, die diese Vertreter ihren Gastgebern höflicherweise machen mußten. So gibt es, den polnischen Zeitungen nach, überhaupt nichts, wo­rüber sich die fremden Militärs nicht lobend ausgesprochen hätten: Man war erstaunt über den großen Wohlstand der Bevölkerung, über die hervorragend arbeitenden Behörden, die Polizei und selbstverständlich besonders über die pol­nische Armee, die einfach musterhaft sei. Der Berichterstat­ter desSlovo Pom" schreibt, daß der alte französische Ge­neral Dupont so entzückt gewesen sei, daß er während de, Parade immer wieder sagte:Welch prachtvoller Menschen­schlag, welch herrliche Ausstattung!" llnd der französisch« General Eouraud war von dem ihm von der Bevölkerung bereiteten Empfang so gerührt, daß er an seinen Einzug in Stratzburg denken mußte (wo ihm seinerzeit ein Teil des in Straßburg, wie in jeder anderen Stadt wohnenden Pö­bels mit Begeisterung empfangen hat!). Zum Dank stiftete er dann 1000 Einheiten des so wackelig dastehenden Zloty im Namen der französischen Armee für die Armen Thorns. Am begeistertsten aber war der englische General Jronside, der auf einem Bankett in seiner Ansprache sagte'Es gibt keinen besseren Soldaten als den polnischen. Ich habe ge­waltige Fortschritte feststellen können, die die polnische Ar­mee im Laufe der letzten Jahre gemacht hat. Ich fürchte nichts für die Zukunft des Landes. Polen ist sin großer Staat und verdient es, daß man es als solchen behandelt."

Daß man einem Vasallen von Zeit zu Zeit einmal einige Schmeicheleien sagt, ist ja verständlich, aber was sagt denn Frankreich zu dembesten Soldaten der Welt, dem pol­nischen?"

Internationaler Friedenskongreß

Paris, 5. Sept. In der Freitag-Nachmittagssitzung des In­ternationalen Friedenskongresses fand nach einem öovasbericht eine lebhafte Aussprache zwischen den Anhängern und Gegnern des Genfer Protokolls statt. Unter den Gegnern waren insbe­sondere die deutschen und englischen Delegierten. Ein Zusatzan- tra der Tschechoslowakei wurde einstimmig angenommen, in welchem der Kongreß vom Völkerbund unverzüglich die An­nahme der Abänderung des Protokolls noch in diesem Jahre fordert und welche die Annahme des Protokolls durch alle Staa­ten ermöglicht. Ein Zusatzantrag Helene Stöcker-Deutschland, der bezweckt, die technische und moralische Entwaffnung der Völker durch Zusammenarbeit auf dem Fuß der Gleichheit zu ermögli­chen, wurde abgelehnt. Mit allen gegen 10 Stimmen wurde so­dann ein Zusatzantrag angenommen, in dem das Genfer Proto­koll als das wirksamste System bezeichnet wurde, um die Ziele des Völkerbundsstatuts im allgemeinen und eine allgemeine Rüstungsverminderung zu verwirklichen. Da die Opposition ge­wisser Staaten hauptsächlich auf den durch das ernste Sank­tionsproblem hervorgerufenen Schwierigkeiten beruhe, beschwört der Kongreß die Delegierten der Völkerbundsstaaten fest an den im Völkerbundsstatut für die friedliche Regelung internationa­ler Streitigkeiten vorgesehenen Grundsätzen festzuhalten und verlangt, daß jeder Angriffskrieg als internationales Verbre­chen anerkannt werde. Alle Staaten sollen alle internationalen Verpflichtungen achten und alle neuen Streitigkeiten einer fried­lichen Regelung unterbreiten. Der Kongreß fordert genaue De- finierung des Angriffsfalles, der Sanktionen und der allgemei­nen Rüstungseinschränkung alsbald nach der Ratifizierung des Protokolls. Der Kongreß appelliert an alle pazifistischen Ver­einigungen, einen regen Feldzug zu eröffnen, um die öffentliche Meinung in allen Landern zur Aufnahme eines obligatorischen Weltvrotokolls für den gegenseitigen Beistand und die Entwaff­nung zu bekehren und die demokratischen Verbesserungen der Verfassung des Völkerbundes zu sichern.

Hur Zerstörung -erShenandoah"

. Taldwell, 5. Sept. Zur Untersuchung der Ursachen der ^Katastrophe des LuftschiffesShenandoah" wurde eine 'Kommission von Marineoffizieren aus Lakehurst an die Unglücksstelle entsandt. Tse Untersuchung gestaltet sich schwierig durch den Umstand, daß die Ueberreste des Luft« Wffes in großem Umfange awVLplündert sind.

Swampscott, S. Sept. Präsident Coolidge ist der An­sicht, daß man im Marinedepartement den Wunsch habe« «werde, dieShenandoah" durch ein für militäische Zweck« ^verwendbares Luftschiff zu ersetzen. Coolidge bezeichnet« die Katastrophe als schrelckich wegen des Verlustes an Men. sihenleben, gab aber der Meinung Ausdruck, daß der Ver> last von Luftschiffen sich nicht von der Zerstörung vo« Kriegsschiffen unterscheide, die immer wieder zu Plänen de, MetzMg des. Schiffes führen.

Neues vom Tage.

Oesterreich ans der Tagesordnung Genf, S. Sept. I» einer vertraulichen Sitzung des Rats- komitees für Oesterreich, das unter dem Vorsitz Ehamber- lains tagte und an dem zum ersten Male der franz. Mini­sterpräsident teilnahm, gab der Generalkommissar des Völ­kerbundes, Zimmermann, eine längere Darstellung der fi­nanziellen Lage Oesterreichs. Sämtliche Mitglieder des Ratskomitees bekundeten ihre Befriedigung über die Fort­schritte des Sanierungswerkes in Oesterreich. Von irgeich meinem Termin für den Abbau der Völkerbundskontrolle m Oesterreich wurde nicht gesprochen. Immerhin ergab die Aussprache die grundsätzliche Zustimmung zum Abbau der Kontrolle. Chamberlain erhob jedoch trotz grundsätzlicher Zustimmung Bedenken.

Neuer Zwang für die Nheiulaudbewohner Koblenz, 5. Sept. Am 7. September tritt folgende neu» Verordnung der Rheinlandkommisfion in Kraft: Jedem Einwohner des besetzten Gebietes ist es, sofern er nicht die in Art. 174, 176 und 194 des Friedensvertrages von Ver­sailles vorgesehenen Dienstverhältnisse eingegangen ist, un­tersagt, im unbesetzten Deutschlaud a« irgendwelchen theo­retischen oder praktische« Militär- oder Beendungen teil­zunehmen und irgendwelche« Heeres- oder Kriegsmarine­oder ähnlichen Formationen anzugehören, selbst wenn diese Organisation ihren Sitz außerhalb des besetzten Gebietes haben Diejenigen, die die im vorstehenden Absatz bezeich- neten Dienstverhältnisse eingegangen sind, dürfen »ach ihrer Entlassung ohne besondere Erlaubnis der Rheinlandkom­mission nicht ins besetzte Gebiet zurückkehren, Demzufolge sind die Bürgermeister verpflichtet, den Delegierten der Rheinlandkommission jedes derartige, ihnen bekannte Ver­hältnis anzuzeigen. Die Verordnung ist auch im Gebiet» des Brückenkopfes Kehl anwendbar.

Die Münchener Auslands-Btadtanleihe München, 5. Sept. Der Gegenwert der von der Stadt München auszunehmenden und in außergewöhnlich kurzer Zeit untergebrachten Münchener Stadtanleihe bei dem Bankhaus Harris Forbes u, Lo. in Neuyork ist der Deut­schen Bank in Neuyork als Treuhänderin bereits überwie­sen worden. Die lleberweisung erfolgte in Dollar. Der Ge­genwert beträgt in Reichsmark rund 32 Millionen. Die Schuldverschreibungen sind seitens der Inhaber sür die llm- laufzeit von 1925 bis 1945, von Seiten der Stadt München bis zum 31. Juli 1930 unkündbar. Nach einem Funffpruch derMünchener Neuesten Nachrichten ist die Münchener Dollaranleihe dreimal überzeichnet worden.

Ernste Lage an der spanischen Marokkofront?

Paris, 5. Sept. Wie demJournal" aus Madrid be»> richtet wird, ist General Primo de Rivera, der nach Melilla abgereist war, Hals über Kopf nach Tetuan zurückgekehrt, weil die Lage in der Westzone der spanische« Marotto- sront in den letzten 24 Stunden außerordentlich ernst ge­worden sei.

Abschluß der Londoner Konferenz.

London, 5. Sept. Der diplomatische Berichterstatter des -Daily Telegraph" schreibt: Die juristischen Sachverstän­digen haben ihre Arbeiten zum Abschluß gebracht. Eine vollständige Uebereinstimmung unter den Sachverständigen konnte nicht erwartet werden, da die Aufgabe der Bespre­chungen ein freier Meinungsaustausch war mit dem Ziele, die strittigen Fragen zu erforschen und zu formulieren. Es scheint jetzt zweifelhaft, ob die geplante Zusammenkunft der Außenminister noch vor dem Ende der Wlkerbundstagung istattfinden wird. Es kann angenommen werden, daß die deutsche Forderung, jeden Konflikt an den Völkerbund zu verweisen, ausgenommen in einem Falle offenkundigen An­griffes nicht allgemein Annahme gefunden hat.

Genfer Besprechungen über den Sicherheitspakt Genf, 5. Sept. Die Schweizerische Dep.-Agentur meldet:' Der französische Ministerpräsident Painleve, der franzö­sische Außenminister Briand, der englische Außenminister Chamberlain und der belgische Außenminister Vandervelde sind zu einer Besprechung zusammengetreten, die, wie ver­lautet, dem Stande der Verhandlungen über den Sicher- Leitspakt gewidmet war. Es wurde grundsätzlich beschlos­sen, mit dem deutsche« Außenminister Dr. Stresemann eine persönliche Besprechung abznhalten. Zeitpunkt und Ort der Zusammenkunft sind noch nicht bestimmt, jedoch glaubt man, daß diese Konferenz nicht schon in den nächsten Tagen, sondern erst an einem ivätere u Keitvunl. itattkinden