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Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altenfieig-SLadL. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und jreudenstadt.
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Ur. 96
Alteustittg. Samstag dkir 83. April.
Jahrgang L923
VWmWMkllusereZritW!
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Zur Lage. ^
' Nun steht die große Entscheidung des 26. April vor der § Türe, die für sieben Jahre das höchste Arnr des deutschen ^ .Volkes in die Hände eines Mannes legen soll, dem die ; Vertretung des deutschen Volkes vor der Welt übergeben ^ ist. Wer zur Stunde noch nicht weiß, wen er wählen soll, f dem ist nicht zu helfen. Aber neben soschen politischen Un- f mündigen gibt es auch noch andere stimmberechtigte Nicht- : Wähler. Einige wolle sich dem häßlichen Parteigezänke, f das den Charakter verdirbt, fernhalten und „neutral" i bleiben oder für den Gang der Politik, auf den sie ihren f Einfluß nicht unmittelbar glauben geltend machen zu kön- f rien, keine Verantwortung zu übernehmen. Za, es gibt so- z gar einige Nichtwähler, welche mitleidig und erhaben die ; Wühltätigkeit als töricht und einfältig belächeln. Diese s irrigen Anschauungen beruhen auf einem leider in unserem ? Volke noch sehr vorherrschenden Mangel an politischer Ein- ! ficht und Schulung. Durch die Wahl, auch die Präsident- ? schaftswahl, wird das Verhältnis zwischen Staat und Volk i geregelt. Wer also nicht wählt, entzieht sich einer staats- z politischen Pflicht. Er entledigt sich nicht der Ver^ntrvor- , tung, sondern nur der Abgabe einer eigenen Ent- - scheidung zu Gunsten der Ansicht von einer Mehrheit, j wie sie sich gerade trifft. Da nun bei der Reichsprä- s fidenteuwahl die Entscheidung nur zwischen Marc und ? Hindenburg fallen kann, beide Kandidaten eine Weltan- s schauung und ein klares politisches System verkörpern, ! dürfte die Entscheidung nicht so schwer sein. Es wäre ein ^ Ehrenblatt des deutschen Volkes für ferne politische Mün- ^ digkeit, wenn am Sonntag die Wahlbeteiligung eine recht f große wäre, obwohl mancherlei Anzeichen dafür sprechen, / daß neben Wahlmüdigkeit politische Konflikte und Ge- : wissensfragen eine Rolle spielen werden. s
Die Weltpolitik dieser Woche hatte ihre Brennpunkte in i Paris und auf dem Balkan. Am 17. April wurde das s neue französische Kabinett geboren, nachdem Herriot am - 10 April im Senat gestürzt war. Es war die Millerand- ' Pcmcare-Opposition, die sich stark genug fühlte, den Fehde- i hondschuh aufzünehmen, den Herriot mit seine: vatikani- ! schen Politik hingeworfen hatte, lind nun hat Painleve s von derselben Mehrheit des Linksblocks, die seither hinter ; Hcniot stand, trotz der Belastung fernes Kabinetts durch - den Finanznlinister Caillaux, der der Opposition immer s noch als defaitistisch und moralisch nicht einwandfrei er- ! scheint, ein Vertrauensvotum mit einer Mehrheit von 98 s Stimmen davongetragen. Das Regierungsprogramm Painleve unterscheidet sich jedoch wesentlich von den Her- riotschen Erklärungen vor zehn Monaten, obwohl es die Außenpolitik ganz auf besten Ton abstimmt. Herriot hatte seinerzeit einfach das sozialistische Programm einer Wahlrede zum Programm der Regierung genommen. Painleve j ist klüger. Er macht Frieden mit der Kirche und dem Va- s tikan, läßt die vatikanische Botschaft in Nom bestehen, ver- s schiebt die Einführung der religionslosen Schule im Elsaß s und gibt den Kampf auf, den eine Gruppe chauvinistischer j Studenten an der Sorbonne begonnen hatte, indem er wie- ! der den abgefetzten Doyen der juristischen Fakultät in sein § Amt zurückführte. Painleve verzichtet auf den Lieblings- s bedanken der Sozialisten, die Schwierigkeiten des Schatz- § mntes durch eine Kapitalabgabe zu beheben, er läßt General Rollet mit dem Plan der Herabsetzung der militärischen Dienstzeit im Stich und vertagt die Frage. Auf der Lanzen Linie verleugnet Painleve so in seiner Regierungserklärung sozialistische Parteidokrinen und erhält doch das, Vertrauensvotum. Es ist also ein anderer Geist in der Ne- Sierung, als unter Herriot. Painleve rückt die Frage der Sicherheit Frankreichs als wichtigste Aufgabe der Regie- Sierung in den Vordergrund, ohne sich näher darüber aus- öusprechen. Unverkennbar aber ist die von Frankreich nun- JAr starl betonte Freundschaft zu England, die ihren t^baren Ausdruck in dem bereits heute stattfindenden Be- mch des englischen Königspaars in Paris hat. Briand will nglands Freundschaft. Zn der politischen Aussprache in s er Kammer wurde namentlich der Finanzminister Cail- f dest^ h ^ mitgenommen, aber auch er hat die Feuerprobe I
Die Ereignisse in Bulgarien und deren noch gar nicht abzusehende Folgen bilden den Gegenstand diplomatischer Besprechungen zwischen den westlichen Großmächten. In der Vorwoche wurde bekantlich auf den bulgarischen König Boris ein Anschlag verübt. Boris ist in seiner Regierung den Parteistreitigkeiten aus dem Wege gegangen und dennoch vermutete man einen politischen Anschlag. Das hat sich rasch bestätigt durch das politische Attentat in der Kathedrale von Sofia, wo durch die Explosion einer Höllenmaschine 200 Personen getötet und fast die doppelte Zahl verletzt wurden. Es handelte sich um eine kommunistische Verschwörung, deren Hauptziel war, den König und die ganze Regierung aus Anlaß des Trauergottesdienstes um einen ermordeten General auf einen Schlag zu vernichten. Auch das mißlang. Die agrarbolschewistische Bewegung in Bulgarien wird von Rußland aus geleitet, sie sollte sich allmählich über den ganzen Balkan ausdehnen. Unterdessen hat die Aufstandsbewegung eine neue Form angenommen, zwischen Regierung und Militärs bestehen allerlei Unstimmigkeiten. Nach einer allerdings noch nicht bestätigten Meldung aus Paris, soll König Boris der Gefangene einer Militärliga sein. Die Botschafterkonferenz in Paris hat sich mit den Vorgängen in Sofia beschäftigt und die vorübergehende Erhöhung der Polizeimacht in Bulgarien um 7000 Mann zugestanden. Bulgarien hat auch ein Söldnerheer durch den Friedensvertrag zudiktiert erhalten, das mit seinen 30 000 Mann im Vergleich zu dem deutschen 100 000 Mann-Heer eine erhebliche Streitmacht darstellt. Machtlose Staaten sind eben Krankheitsherde der ganzen Welt. Das System von Versailles rächt sich. Die Unterdrückung «und maßlose Ungerechtigkeit, die dis Alliierten den besiegten Mächten Europas zufügten, muß sich ausmirken. So fällt aucb die Slbllld des K/»»»»»»»»»«»»,--: in Niiinnrioo /»ui die Schultern der sogenannten Siegerstaaten. Für uns aber ist es eine deutliche Mahnung zur Beachtung der bolschewistischen oder kommunistischen Bedrohung des deutschen Startes. Das Urteil im Leipziger Tschelaprozeß und seine Begründung sagt dies ebenso klar. Da auch in Frankreick und England Anzeichen, vom Aufleben des kommunistischen Kamp-es vorhanden sind, so wird die nächste Zeii noch mehr Explosionen aus diesem politischen Gebiet Hervorrufen.
Am kommenden Dienstag wird der deutsche Reichstag -wieder zusammentreten und die große Steuerreform nach Verabschiedung des Staatshaushalts beraten, die ja der Reichsrat"bereits in großen Teilen genehmigt hat. Sleuer- abbau und -Ausbau gehen dabei Hand in Hand und überdies kommt die Aufwertungsfrags damit zu endgültiger Entscheidung. Eine Fülle von gesetzgeberischen Arbeiter» und von Stoff, gerade genug für den innerpolitischeti Kampf!
Zur NeichsprästdenLenwahl
Marx in Stuttgart
Stuttgart, 24. April. Donnerstag abend sprach der Kandidat des Volksblocks für die Reichspräsidentenwahl Marx in drei Versammlungen in Eroß-Stuttgart. Zn der Liederhalle eröffnete Regierungsrat Walter die Versammlung. Zubelnd begrüßt, führte Dr. Marx aus, daß die Stellung des Reichspräsidenten der deutschen Republik vornehmlich eine politische sei. Er solle zuerst die Außenpolitik leiten. Daneben habe er nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, sich um die innere Politik zu kümmern und darauf zu achten, daß die Verfassung in keiner Weise gefährdet und verletzt werde. Er sei sehr mißtrauisch gegen die lleber- parteilichkeit gewisser Kreise. Man solle den Reichspräsidenten prüfen nach seinem politischen Programm. Zn seiner Tätigkeit als Reichskanzler im Zahle 1924 sei sein politisches Programm mit vollständiger Klarheit vor der Welt dagelegen. Wir hätten keine Macht vorzutäuschen — die nicht vorhanden sei — und nicht mit den Waffen zu rasseln, die man uns längst abgenommen habe. Sodann legte der Redner das Bekenntnis zur Weimarer Verfassung ab. Die Weimarer Verfassung enthalte große Fortschritte und Vorzüge gegenüber der früheren Reichsverfastung. Die im Volksblock vereinigten drei Parteien hätten in erster Linie den Anspruch, das Wort „national" in ihrer Firma zu führen. Sodann ging Dr. Marx auf die Bedenken ein, die man gegen ihn als einen Mann von ausgesprochen katholischer Gesinnung habe. Es sei richtig, daß er im Kampfs gegen das Staatskirchentum in Preußen sehr scharfe Töne für die katholische Elaubensüberzeugung angeschlagen habe, aber die drückenden Fesseln, die in Preußen auf die Kirche gelegt gewesen seien, seien durch die Verfassung von Wei-
; mar verichwunven. Aber nicht die Freicheil der katholischen s Kirche allein, iodern di: Freiheit der Kirchen, der Gewissen,
- der Weltanschauungen überhaupt sei sein Ziel. Im demokratischen Staate müßten wir uns als ein Volk von Brü-
^ dern erachten und im politischen Leben uns die Hand rei- ' chen und alle Kraft einsetzen für das Wohl des deutschen s Volkes. (Der Rede folgte brausender Beifall.)
- In den vier Parallelversammlungen sprach«: außer Marx
> noch von der Demokratischen Partei Reichstagsabgeordneter
> Dr. Heuß, Landtagsabgeordneter Elsaß sowie Johannes ' Fischer, ferner von der Sozialdemokratischen Partei die i Reichstagsabgeordneten Roßman und Keil, der Landtags- ! abgeordnete Ulrich sowie Heinrich Schliestadt. Beim Ver- ? lasten des Saales wurde gegen Dr. Marx gepfiffen und ' «ine Gegendemonstration versucht.
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^ Dr. Zarres für HindeuLurg
: Berlin, 23. April. Bei einer großen Kungebung der im
^ Reichsblock vereinigten Parteien, die im Sportpalast statt- ! fand, führte Dr. Zarres als Hauptredner u. a. aus: Was ? im ersten Wahlgang nicht vollkommen gelang, sollte im ! zweiten Wahlgang nach Kräften erstrebt werden. Von mir wußte man, daß meine Person kein Hindernis für eine t solche Verständigung bilden würde. Das war oft genug i öffentlich erklärt worden und war auch dem Zentrum und
> den Demokraten durchaus bekannt. Aber in jenem Lager j ist man bewußt an dieser Tatsache vorbeigegangen. Der ! Pakt zwischen Zentrum und Sozialdemokraten war be- ! reits grundsätzlich sestgelegt, das Geschäft längst fertig und i bedurfte nach dem ersten Wahlgang nur noch des roten s preußischen Stempels. Wir klagen die Parteien der Wei- l marer Koalition an, daß sie die Wahl des deutschen Staats- ; oberhauptes zum Gegenstand eines politischen Tauschgeschäftes herabgewürdigt haben. Durch dieses Vorgehen wird der Sinn der Verfassung gerade von den angeblich verfassungstreuen Parteien in sein Gegenteil verkehrt. Angesichts der unnatürlichen Wahlbündnisse des Volksblocks ergab sich für uns die nur noch umso stärkere Notwendigkeit, unsere Kampffront nach Möglichkeit zu verbreitern. Bei der von mir verlangten Nachprüfung der Gesamtlage nach der ersten Wahl ergab sich, daß politische Parteien und Gruppen
i die bis dahin unserm Block noch ferngestanden waren, durch § die Kandidatur Hindenbrg für unsere gemeinsame Sache i gewonnen werden konnten. Daraufhin habe ich unseren ? Feldmarschall gebeten» dem Rufe des Reichsblocks Folge zu leisten und dieses letzte Opfer dem Vaterland zu bringen. Ich empfinde es als Ehre, im ersten Wahlgang in der Bresche gestanden zu haben. Nunmehr mache ich einem Größeren, dem besten deutschen Manne Platz. Hindenburg soll und wird uns zum Siege führen. In ihm verkörpert sich unser Programm. Er war uns, er ist uns und er bleibt uns der ideale Vertreter deutschen Wesens im Glück und im Unglück. Groß und stolz steht sein Leben vor uns. Zhm danken wir es in erster Linie, daß unsere deutsche Heimat von oen Greueln des Krieges verschont blieb. Wenn wir freilich das Gebaren einer gewissen Presse in diesem Kampfe beobachten, ch schä men Mir uns, daß ein Teil des Volkes ! sich augenscheinlich der ungeheuren Dankesschuld nicht mehr ! bewußt ist, die wir diesem Manne gegenüber haben. Ero- ! ßer noch als alle Schlachtenersolge war der Sieg, den er
- über sich selbst errang, als er nach der Revolution das Heer ) geordnet in die Heimat zurücksührte und durch sein Beispiel ! und wortlose Selbstaufopferung und staatsbürgerliche s Pflichterfüllung das Gespenst des Bürgerkrieges bannte.
Wir sind nach wie vor der Auffassung, daß die Staats-
- Umwälzung dem deutschen Volke keinen Segen gebracht hat,
- doch liegt es uns fern, eine politische Dummheit mit einer ? zweiten zu beantworten und eine Revolution mit einer ! neuen Revolution zu vergelten. Wir achten die Verfassung
- als oberstes Staatsgesetz, aber wir behalten uns Las Recht j vor, sie aus gesetzmäßigem Wege da zu ändern, wo sie uns
reformbedürftig erscheint. Wir wollen im Rahmen der Verfassung einer fortschrittlichen Entwickelung dienen und unser staatliches Leben erneuern. Dazu gehört aber auch, daß wir ihm die Reinheit wieder geben, die das beste Erbe der Vergangenheit bleibt und die wir in den letzten Zähren allzu häufig vermißen mußten. Dazu gehört ferner, daß wir dem Eigenleben der Länder innerhalb des Reichsverbands wieder zu der nötigen Geltung verhelfen. Wir verwahren i uns aber auch dagegen, daß man das Schicksal des preu- s ßischen Staates irgendwelchen Experimenten ausliefert. Die Einheit und die Unteilbarkeit Preußens ist die unerläßliche Voraussetzung für die Freiheit und die Sicherheit des deutschen Volkes.