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Amtsblatt für den Bezirk Nagold und sür Altensteig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und Freudenstaöt.
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Nr. 60
Altrnsteig, Donnerstag de« 19. März.
Jahrgang 1923
Politische Streiflichter
Deutschland ist vor eine schwere Entscheidung gestellt worden mit der Einladung des Völkerbundsrats rum Eintritt in den Völkerbund. Diese Einladung, die sich als Antwort auf unsere Note vom Dezember dar- stellt, ist, wie wir schon dargelegt haben, in den höflichsten und geschicktesten Formen gehalten, so daß leider zu befürchten ist, daß die öffentliche Meinung gegen uns gekehrt werden kann, wenn wir zögern, sie anzunehmen. Auf das Ersuchen um Befreiung von den Verpflichtungen des Artikel 16 der Völkerbundssatzung ist uns nur eine sehr ungenaue und verschwommene Antwort zuteil geworden, die uns nicht genügen kann. Wir haben bei der Absendung unserer Note darauf hingewie- fen, wie wichtig für unsere Zukunft die Stellungnahme des Völkerbundes zu diesem Ersuchen ist. Der Artikel 16 würde uns verpflichten, mit jedem Staat, der ein Mitglied des Völkerbundes angreift, Handel und Verkehr abzubrechen, den Durchzug von Truppen zur Bekämpfungen des angreifenden Staates zu gestatten, und einen Teil der eigenen Wehrmacht zu diesem Unternehmen auf Anfordern des Völkerbundsrats zur Verfügung zu stellen. Um das auf den Fall anzuwenden, der am leichtesten eintreten kann: Bei einem Konflikt zwischen Rußland und Polen würde uns auferlegt werden können, den Handelskrieg mit den Russen zu beginnen, den Durchzug alliierter und anderer Truppen durch unser Gebiet zu gewähren und selbst Regimenter unserer Reichswehr einzusetzen. Wir müssen uns also verpflichten, im gegebenen Falle die Russen als unsere Feinde zu behandeln. Wir haben bei der Besprechung unserer Note dargelegt, dätz wir diese Verpflichtung nicht übernehmen können, weil wir dann Gefahr laufen, daß unser Gebiet zum Kriegsschauplatz gemacht wird, und Herr Reichswehrminister Gehler, der wie kein zweiter kompetent ist, über die militärischen Möglichkeiten zu urteilen, hat diese Auffassung in seiner Rede in Hamburg bestätigt.
Seit der Absendung unserer Note hat sich folgende neue Lage ergeben: Wir haben ein Sicherheitsabkommen angeboten, das die Westgrenze verbürgt, und unsere Forderungen für eine gerechte Abänderung der Ostgrenzen aufrechterhält. Die Franzosen sperren sich gegen diesen „Pakt zu Fünfen", der England, Belgien, Frankreich, Italien und Deutschland umfassen soll, und zwar sperren sich dagegen sowohl die Opposition, als auch große Teile der Regierungsparteien, wenn sie es auch aus verschiedenen Gründen tun. Sie möchten lieber nur ein Bündnis zwischen England, Belgien und Frankreich, das sich eines Tages doch wieder gegen Deutschland wenden müßte, und nur den Zustand fortgesetzter Schikanen verewigen würde, den wir nun schon seit mehr als fünf Jahre ertragen haben. Die englische Regierung ist gegen diese französischen Vorschläge, gegen die Rückkehr zu dem Abkommen, über das Briand und Lloyd George in Cannes verhandelt haben, und das besonders Briand, der in dieser Hinsicht der einflußreichste Berater Herriots ist, wieder beleben möchte. Selbst Lloyd George der damals einen Entwurf (abgedruckt in dem Weißbuch über die Sichherheitsfrage) vorgelegt hatte, hat an einem der letzten Tage erklärt, daß die Zeit über diesen Plan hinweggeschritten ist, und daß England nicht noch einmal bieten könne, was Frankreich damals durch die Quertreibereien Millerands und Poincares vereitelt hat. Die englische Regierung will jetzt einen Pakt unter Einschluß Deutschlands und setzt sich, wie Dr. Stresemann noch neulich anerkannte, für die deutschen Vorschläge ein. Sie hat dafür mehrere Gründe; einer der wichtigsten ist, daß sie fürchtet, Deutschland werde, wenn die Entente in verstärkter Form wieder auflebe, an die Seite Rußlands getrieben. Einer englisch-belgisch-französischen Entente werde ein deutsch-russisches, vielleicht sogar ein deutsch-russisch-japanisches Bündnis folgen, das für England nichts Gutes bringen könnte.
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Von der Besprechung zwischen Herriot und dem tschechischen Außenminister Benesch wurde in Paris nicht viel Aufhebens gemacht. Benesch hatte einen fertigen Plan in seinem Reisesack. Allerdings einen sehr verwik- kelten, umständlichen Plan, da er den Wünschen aller Rechnung tragen möchte. Benesch ist der Anschauung, daß die deutschen Sicherheits.vorschchläge von den Alliier
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ten mit der größten Aufmerksamkeit geprüft werden sollen. Das deutsche Angebot solle die Gestalt eines genauen und bestimmten Planes annehmen. Benesch möchte auf der Grundlage des Genfer Protokolls und aus dem Grundsätze des allgemeinen Schiedsgerichts durch einen gemeinsamen Vertrag alle einzeln-n Länder von Mittelund Osteuropa verbinden. Auf ^e>e Weise würde das Genfer Protokoll einen eingeschrä kteren Charakter bekommen. Wichtig wäre es aber, daß nicht nur Ententestaaten, sondern auch Oesterreich an diesem eingeschränkten Vertrage teilnehmen sollen. Wenn die großen Alliierten zum Abschluß eines Vertrages mit Deutschland kämen, oder wenn es bloß unter den Alliierten zu einem Vertrag käme, was übrigens nicht unwahrscheinlich ist, werde es in Europa zwei Staatengruppen geben, die sich gegenseitig zu unterstützen hätten. Diese beiden Gruppen, welche demselben Ziel zustreben, würden trachten, sich untereinander zu verbinden, und man werde auf diese Weise zu dem Protokoll, allerdings auf vollkommen veränderter Form, zurückkommen. 3m Grunde genommen läuft der Plan von Benesch darauf hinaus, daß die Grenzen im Osten Deutschlands von den Staaten der kleinen Entente mit Einschluß von Oesterreich berücksichtigt würden. Wenn einmal die großen Alliierten sich entschließen sollten, diese Grenze ebenfalls anzuerkennen, dann wäre selbstverständlich allen Wünschen genügt. Unter dieser Voraussetzung müßte man sich allerdings fragen, was Deutschland mit diesem ganzen System zu tun hätte. Daß Deutschland auf-.all.Üe'.-Wünsche' und beinahe Befehle, die ihm jetzt wegen Polen zugehen, eingehen sollte, muß mehr als zweifelhaft erscheinen. Vielleicht hat übrigens Benesch das ganze verwickelte Programm nur ausgedacht, um Herriot dem Gedanken des Schutzvertrages mit Deutschland zugänglicher zu machen. Jedenfalls will der Tscheche, der bereits seit sechs Fahren in der diplomatischen Geschichte Europas eine sehr geschäftige Rolle spielt, neuerlich wieder in den Vordergrund treten.
Der amerikanische Präsident Coolidge erscheint gleichzeitig mit seiner Abrüstungskonferenz. 3n Deutschland wird man gut daran tun, nun nicht an Coolidge als einen Messias und an Washington als ein neues Bethlehem zu glauben. Seitdem der geschmeidige Wilson den Gedanken der Abrüstung im Weltkriege zum Amulett geweiht hatte, das die friedliche Welt gegen das militaristische Deutschland beschützen sollte, hat das Wort sür uns einen bitteren Beigeschmack. Trotz aller Friedens-, Derständigungs- und Genfer Konferenzen haben eben doch nur die besiegten Staaten abgerüstet, womit man getreulich dem Beispiel der ,,'Sieger"-staaten in der Geschichte unseres Planeten gefolgt ist. Alle Verhandlungen zwischen London und Paris gingen und gehen im Gründe auch nur darauf hinaus, die Ketten Deutschlands enger zu schmieden und jeden Zahnstocher und jede Nagelfeile daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht gegen den Geist der Abrüstung — Deutschlands verstoßen. Und die Abrüstungskonferenz in Washington vom Fahre 1922 hat ja tatsächlich auch nur für ein Deze- nium die Seeherrschaft der Großen gesichert und die? Kleinen im Bau von Großkampfschiffen beschränkt. Trotzdem werden aber die Großen die Besorgnis nicht los, daß nur der Rüstungsschauplatz vom Wasser unter und über Wasser verlegt wurde. Daß Frankreich seine Flugzeuge und U-Boote ausschließlich gegen seinen östlichen Nachbarn anzusetzen geneigt und genötigt wäre, glaubt man ihm nirgends, tut höchstens dann und wann und da und dort so, weil es ebe n a ugenblicklich gerade am besten in den Kram paßt.
Ludendorff Präsidentschaftskandidat?
Berlin, 18. März. Die nationale Opposition der Freiheitsbewegung bestehend aus der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, den völkischen Verbänden und Organisationen haben unter Führung Adolf Hitlers als Neichspriisidentschaftskandidaten General Ludendorff aus- zerufen. General Ludendorfs ist heute in Berlin einge. troffen.
Ein Beamtenkabinett in Preußen?
Berlin, 18. März. In der auf Mittwochabend anberaumten neuen Sitzung des preußischen Laichtags soll der Ver
such gemacht werden, mit einem reinen Beamtenkabinett für eine Uebergangszeit vor den preußischen Landtag zu treten. Den Vorsitz dieses Beamtenkabinetts soll ebenfalls ein Nichtparlamentarier führen. Wie wir weiter hören, find seitens einer Reihe hoher Beamter lebhafte Klagen geführt worden, daß durch die fortwährende Krise ihre Amtstätigkeit geradezu unterbunden werde. Abends findet auch eins Sitzung der Zentrumsparteivorstandes statt, in der über die F^age entschieden werden soll, ob Marx die Ministerpräsidentschaft in Preußen annimmt. Es wird eine Erklärung Des Ministerpräsidenten über die Annahme oder Nicht- annahme der Kabinettsbildung erfolgen.
Der Magdburger Prozeß.
Magdeburg, 18. März. Als erster Zeuge wurde am Mittwoch unter Aussetzung der Vereidigung Gobert vernommen, der aus dem Untersuchungsgefängnis in Berlin durch einen Polizeibeamten vorgeführt wird. Er bekundet, daß er in keiner politischen Partei organisiert und national gesinnt sei. In der Teptower Versammlung sprach Ebert von der Böschung an der Spielwiese aus. Er, Zeuge, stand 15 bis 20 Meter von ihm entfernt und es waren nur wenige Menschen vor ihm. Er habe den Zettel geschrieben, mit der Frage: Wie verhält sich der Abgeordnete Ebett zu den Gestellungsbefehlen und habe ihn Ebett hinaufgereicht. Nach einigen Minuten habe Ebert geantwortet, den Gestellungsbefehlen sei Folge zu leisten. Wer einen bekommt, solle sich an die Pattei wenden, dann werde die Partei das Mögliche veranlaßen. Auf Vorhalten des Vorsitzenden, erklärt der Zeuge, es sei ganz ausgeschlossen, daß er sich verhütt habe.
Zeuge Fröhse erklärt, als Ebert sagte: „Ja, wenn ihr Gestellungsbefehle bekommt, müßt ihr ihnen selbstverständlich folgen. Wir als Partei werden aber dafür sorgen, daß die Gestellungsbefehle rückgängig gemacht werden", erhob sich ein großer Tumult und man rief: Arbeiterverräter, Halunke!
Eisenbahnsekretär Haane sagt aus, Syrig sei vor dem Rothardtprozeß zu dem Arbeiter Oreel gekommen und habe in seiner Gegenwatt gesagt, Oreel müsse sich doch erinnern, daß er mit Syrig zusammen in der Versammlung im Treptower Patt gewesen sei. Darüber müsse er jetzt als Zeuge aussagen. Orcel habe alles bejaht, auch die Frage, ob er Eberts Aufforderung gehört habe, den Gestellungsbefehl Vicht Folge zu leisten. Darauf wird Orcel selbst vereidigt und vernommen. Orcel, der wieder teilweise sehr erregt und ausfallend wird, wiederholt alle seine Aussagen und hält alle seine Behauptungen aufrecht.
Nun wird Syrig vernommen, der zuerst über dei Treptower Versammlung aussagt. Ihn habe nur die Frage der Gestellungsbefehle interessiert. Ebett erhielt einen Zettel hinaufgereicht und sagte dann: Wer einen Gestellungsbefehl bekommt, soll ihm nicht Folge leisten. Vorsitzender: Haben Sie das genau verstanden? Zeuge: Jawohl! Auf die Frage des Vorsitzenden, ob der Redner nicht m'elmehr gesagt habe: Ich warne davor, dem Streikbefehl.nicht Folge zu leisten, antwortet Syrig: Nein. Denn dann wäre ich am nächsten Tag einer der ersten gewesen, der wieder in den Betrieb gegangen wäre. Herr Ebett hat auch, gesagt, die Pattei würde sich dafür einsetzen, daß die Gestellungsbefehle rückgängig gemacht würden. Auf weitere Fragen wendet sich Syrig scharf gegen die Behauptung, daß ihm im Zusammenhang mit dem Prozeß Versprechungen gemacht worden seien-
Der neue amerikanische Botschafter
Berlin, 18. März. Nachdem die deutsche Regierung ihr Einverständnis erklärt hat, ist der jetzige amerikanische Gesandte in Peking Schurman zum Botschafter der Vereinigten Staaten in Berlin ernannt worden. Schurman war früher Professor der Philosophie und Rektor der Cornell Universität. Coolidge wird die Bestätigung der Ernennung durch den Senat unverzüglich anfordern. Schurmans. Auswahl ist insofern ungewöhnlich, als bei der Regierung der Vereinigten Staaten die Versetzung von Botschaftern von einem Posten auf den andern ungebräuchlich ist. Jakob Goled Schurman ist holländischer Abstammung. Er ist in Kanada geboren und studierte in Heidelberg, Berlin und Göttingen und auf französischen und englischen Universnä- ten. Im Jahre 1892 erwarb er im Staate Neuyork dis amerikanische Staatsangehörigkeit. Er hat sich als Lehrer und Kenner des öffentlichen und internationalen Rechts in Amerika einen guten Ruf erworben. Als Gesandter ig China hat sich Schurman durch die Art und Weise, in der er manche heikle diplomatische Frage behandelte, die größte Anerkennung seiner Regierung gesichert. "