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Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für AltenfteLg-LLadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bi zi cke Nagold, Lalw und jreudsnstadl.
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DezugSoretS: WS. Kicheinm der Zeitung
Nr. 32
Altenlleig» Samstag de« 7. Februar.
Jahrgang iS23
Zur Lage.
Mit Noten und Reden hat der neue Feldzug der Alliierten gegen Deutschland in der letzten Januarwoche seinen Anfang genommen. Der deutsche Reichskanzler Dr. Luther hat auf Herriots schlimmste Hetzrede in der Pariser Kammer in einer Versammlung vor ausländischen Pressevertretern geantwortet. Er betonte dabei den Willen zur Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich über alle Fragen, auch über die Sicherheitsfrage, die man in Paris in den Vordergrund geschoben hat, um einen neuen Feldzug der Verleumdung gegen Deutschlands angebliche Rüstung führen zu können. Dr. Luther hat die geradezu lächerlichen Angaben Herriots über die deutsche geheime Rüstung zurückgewiesen und sich bereit erklärt, alles zu untersuchen. Auch in der Räumungsfrage wies der Kanzler darauf hin, daß Deutschland zu Verhandlungen bereit ist. Auf alle diese Bezeugungen eines guten und ehrlichen Willens ist man in den Pariser Regierungskreisen beinahe stumm geblieben. Herriot und der Präsident der französischen Republik Doumerge haben nur einige Verlegenheitsausflüchte gebraucht, um erneut die bedrohte Sicherheit Frankreichs in die Welt hinauszuposaunen, aber keineswegs irgend eine Andeutung gegeben, daß Frankreich zu Verhandlungen über die strittigen politischen Fragen bereit sei. Anders wurden in der politischen Presse des Auslands Dr. Luthers Ausführungen gedeutet. Das französische Nationalistenblatt der „Temps" hat den deutschen Kanzler mit haßerfüllten Darlegungen über deutsche Kriegsvorbereitungen und revanchelustige Kundgebungen abzutun versucht. Da das Blatt den Schwerindustriellen Frankreichs nahesteht, so ist dies nicht von ungefähr. Allerdings hat die französische Linkspresse Dr. Luthers Verhandlungsvorschläge freundlich ausgenommen. Aber diese internationale, nach parteitaktischen Zielen eingestellte Erörterung hat solange keinen Wert, als die verantwortlichen Männer in Frankreich nicht den guten Willen zur Verständigung aufbringen. Herriot hatte sich in der Kammer ja nur zu wehren, daß er die Sozialisten auf seine Seite bekam, als die Kammer den Anschlag seiner Hetzrede beschloß. Unterdessen ist die Stimmung in dem Linkskartell der französischen Kammer gegen den Führer Herriot nicht besser geworden. Auch die beschlossene Aufhebung der französischen Botschaft am Vatikan mit Hilfe der Kommunisten hat diese Situation nicht zu Gunsten Herriots beeinflußt.
Neben den sympathischen Stimmen, die man in der ausländischen Presse zu der Erklärung des deutschen Reichskanzlers findet, steht die Aeußerung des englischen Außenministers Chamberlain, der Herriot in der Sicherheitsfrage beipflichtete und die Versicherung abgab, daß dis Vsr- bandsmächte die Verpflichtungen des Versailler Vertrags erfüllen, aber zugleich die Ausführungen Dr. Luthers, „bedauerte". Selbst in englischen Kreisen hat diese Haltung überrascht, schreibt doch Daily News, Luthers Rede sei in der Tat eine milde Antwort auf den dramatischen Ausbruch Herriots in der französischen Kammer.
Was aus der nun eingeleiteten öffentlichen Besprechung in der internationalen Weltpresse herauskommt, ist ziemlich undeutlich. Der Abschluß eines Sicherheitsvertrages zwischen Frankreich, England und Deutschland wurde seinerzeit schon von der Regierung Luno angeregt, aber in Paris hat man darüber gelacht. Der Weg zur Befriedung der europäischen Verhältnisse bleibt eben in Paris noch lange versperrt. Die schönen Worte von der Völkerversöhnung und Verständigung sind nur Weihrauch auf bekümmerte Treten. Die französische Politik hat sich in ihren tiefsten Wurzeln seit Clemenceau und Poincare um kein Jota geändert. Daß das Revisionsgericht in Paris den deutschen General von Nathusius nicht freisprach, ist ein Stück dieser Politik.
In der Auslandspolitik dieser Woche steht vor allem der griechisch-türkische Konflikt vorne an. Man rasselt dort bereits mit dem Säbel. Der Austausch der fremdstämmigen Pevölkerungsteile zwischen beiden Staaten führte schon län- öere Zeit zu ernsten Schwierigkeiten. Die Türken haben nun den Vertreter der griechisch-orthodoxen Kirche, den ökumenischen Patriarchen, ausgewiesen, weil er sich in inner- politische türkische Angelegenheiten mischte. Das Recht hiezu Ichöpfte die Angora-Regierung aus dem Lausanner Vertrag, -bn Griechenland ist man darüber empört und hat bereits me Vermittlung der Ententemächte angerufen. Die Türkei ll-int jede Konzession ab. Hinter dem Konflikt verbirgt sich
f l
die
neue Mächtegruppierung im Osten, die Verständigung
Rußlands mit de». Türkei und das russisch-japanische Bünd- durch das man in türkischen Kreisen sich LeitiM fühlt.
Reich bewegt gestaltete sich die innere Politik Deutschlands. Die Preußenkrise beherrschte das Interesse der Oef- fentlichkeit. Der vom preußischen Landtag wiedergewählte Ministerpräsident Braun (Soz.) lehnte die Wahl ab, nachdem sich gezeigt hatte, daß die Deutsche Volkspartei und die Wirtschaftspartei nicht für eine Regierung mit Einschluß der Sozialdemokratie zu haben war, auch keinerlei Neurra- lität üben wollte. Man nimmt nun an, daß in Preußen ein Kabinett der kleinen Koalition aus Zentrum und Demokraten es versucht, die Regierung zu bilden, vielleicht unter Einschluß der Deutschen Volkspartei. Aber nach wie vor drängt die Entwicklung in der Richtung der Zuziehung der Deutschnationalen, da im Reich nun einmal die Koalition mit der Rechten feststeht. Die Wahl des preußischen Ministerpräsidenten soll am 10. Februar erfolgen. Noch immer steht die Kandidatur des Zentrumsvertreters Dr. Horion im Vordergrund. Neuerdings soll jedoch vom Zentrum eine andere Persönlichkeit ins Auge gefaßt worden sein.
Die Finanzministerkonferenz der Länder beim Reichsfinanzminister in Berlin hat die Schwierigkeiten des Finanzausgleichs zwischen Reich und Ländern beleuchtet, zugleich das große und schwere Problem der Stenern. Wenn auch die Haushaltspläne des Reichs, der Länder und der Gemeinden für 1924/28 wohl ohne Fehlbetrag abschließen,
birgt die kommende dauernde Regelung der finanziellen
Verhältnisse und die Rücksicht, die Bedürfnisse der Stenokraft der Volkswirtschaft anzupassen, so tiefeinschneide Maßnahmen in sich, daß vor 1926 keine endgültige Klärung zu erwarten ist. Aus dieser ersten Fühlungnahme werden^ sich langwierige Verhandlungen ergebe;
Im Reichstag hat man neben sozialen Fragen im Zusammenhang mit der Beratung des Haushalts für das Reichsarbeitsministerium auch die Aufwertungsfrage besprochen. Die Regierung kündigte an, daß sie innerhalb drei Wochen einen Gesetzentwurf vorlegen wird, der Rechtsgewißheit auf dem Boden eines der Billigkeit entsprechenden endgültigen Ausgleichs bringen soll. Ter Schlußstrich unter die Währungskatastrophe wird aber noch viel Kopfzerbrechen machen und zweifellos auch mancherlei Enttäuschungen bringen.
Der Magdeburger Ebertprozeß hatte ein gerichtliches Nachspiel. Der Vorsitzende des Republikanischen Richter- Lundes, Landgerichtsdirektor Kroner in Berlin hatte in der „Vosstschen Zeitung" den Vorsitzenden im Beleidigungsprozeß des Reichspräsidenten, Landgerichtsdirektor Vewers- dorff in Magdeburg, scharf angegriffen und beleidigt. Diese Beleidigungsklage wurde gegen Kroner entschieden, der zu 3000 Mark Geldstrafe verurteilt wurde. Daraus entsteht nun neuer parteipolitischer Streit um Fragen der Rechtsprechung. In Paris haben die deutsch-französischen Wirtschaftsverhandlungen nach der Rückkehr des deutschen Delegationsführers Dr. Trendelenburg ihren Fortgang genommen. Es sollen sich Möglichkeiten für eine Verständigung gezeigt haben. Deutschland erstrebt bei der endgültigen Lösung die Meistbegünstigung für seine Einfuhrwaren und Ist gleichzeitig bereit, ein Zwischenabkommen abzuschließen. Lis in ??rankreiL die Zolltarife behandelt sind.
Die Denkschrift über die Aufwertung
Berlin, 6. Febr. Der Aufwertungsausschuß des Reichstages hat beschlossen, die im Reichsfinanzministerium verfaßte Denkschrift über die Aufwertung, die bisher als vertraulich bezeichnet war, sreizugeben. Nie Denkschrift gibt einen interessanten Ueberblick über die ganze Aufwertungsfrage. eDr Zweck derselben ist, für die Behandlung des ,Aufwertungsproblems eine Grundlage zu schaffen. Die Denkschrift behandelt im ersten Abschnitt die Umstellung des Geldwesens beim Beginn des Weltkrieges und im zweiten den Währungszerfall. Im dritten wird die Behandlung her Aufwertungsfrage durch die dritte Steuernotverordnung dargelegt. Der vierte Abschnitt enthält die Aende- rungsvorschläge zur dritten Steuernotverordnung. Di« Denkschrift kommt zu dem Schluß, daß über die zahlreichen Einzelfragen, die das Problem der Aufwertung betreffen, die Ansichten wohl weit auseinandergehen. Ueber eins fe- doch bestehe in weiten Kreisen Uebereinstimmung, nämlich darüber, daß es erforderlich sei, zu einer Regelung zu gelangen, die etwas Dauerhaftes darstelle. Hier könne es nur ein Ziel geben: Rechts-Gewißheit auf dem Boden eines der Billigkeit entsprechenden endgültigen Ausgleichs. Es a"dl« sich nunmehr darum, den Schlußstrich unter die Wäb gs- ratastrophe zu ziehen. Damit sei lle Gesetzgebung vor ein« große und ver^ntwoll""7Svolle Em,ch. '"""M gestellt. Daß die,e . l,!y!' ,>ng Irre gell ,vn hänge nicht-
wenig r all Ke ganze Zukunft des deutscyen Volkes ab.
! Nerres vom Tage
^ Die Militärkontrolle in den Fabriken
s Köln, 8. Febr. Das Präsidialmitglied des Reichsverban- - des der deutschen Industrie, Gehemirat Bücher, sagte m z einer Unterredung mit dem Berliner Berichterstatter der ' „Köln. Ztg.": In den sechs Jahren sind mehr als 7000 Be- ! triebe der früheren Kriegsindustrie zum Teil mehrfach von ! den Kontrollausschüssen besichtigt worden. Sämtliche Zer- ! störungs- und Umstellungsanordnungen der Kontrollaus- schüsse sind durchgeführt worden und die größten wirtschaftlichen Schäden werden stillschweigend getragen. Nur in etwa 7 Fällen haben sich Firmen geweigert, offensichtlich unberechtigte Forderungen auf Zerstörung von Anlagen zur Herstellung von Friedensgerät auszuführen. Daraus sieht man, daß unsere frühere Kriegsindustrie nicht mehr vorhanden ist oder sich voll umgestellt hat. Auf die Frage des Berichterstatters, ob die in der Note der Verbandsmächte geforderten gesetzgebrischen Maßnahmen auch die Industrie beträfen, betonte Eeheimrat Bücher, daß die Herstellung und Ausfuhr von Kriegsgerät durch gesetzgeoe- rische Maßnahmen bereits weitestgehend beschränkt sei. Das Gesetz vom 28. Juni 1921 verbiete nicht nur die Anfertigung und Ausfuhr von Kriegsgerät, sondern erstrecke sich auch auf Gegenstände, die damit kaum in Verbindung zu bringen sind. Die letzte Forderung der Botschafterkonferenz auf Verschärfung des Gesetzes könne nur als ein Versuch zur widerrechtlichen Beschränkung der deutschen Erzeugung und Ausfuhr angesehen werden. Die deutsche Industrie habe den Friedensvertrag vollständig erfüllt und müsse gegen derartige Versuche geschützt werden. Aber auch die Gegenseite sollte endlich die ihr aus diesem Vertrag zufallenden Leistungen bald und ohne Rückhalt erfüllen.
Zur Regierungsbildung in Preußen Berlin, 6. Febr. Im preußischen Landtag fanden auch am Freitag vor der Plenarsitzung wieder Fraktionssitzungen statt. In der Sitzung der Deutschnationalen wurde bei Besprechung der politischen Lage zum Ausdruck gebracht, daß man besonders draußen im Lande immer mehr der Ansicht sei, daß nur Neuwahlen eine Lösung der Schwierigkeiten einer Kabinettsbildung bringen könnten.
Die Barmatkredite der Reichspost Berlin, 6. Febr. Der Verwaltungsrat der deutschen Reichspost nahm in einer Sitzung den Bericht des von ihm eingesetzten Untersuchungsausschusses über die Barmatkredite entgegen. Das Ergebnis war die Feststellung, daß im Zusammenhang mit den vom Neichspostministerium dem Barmatkonzern gewährten Kredite gegen andere Beamte des Reichspostministeriums irgendwelche Vorwürfe nicht zu erheben sind.
Abgesagter Neichstagsabgeordneter Berlin, 6. Febr. Der Prüfungsausschuß der Sozialdemokratischen Partei, der sich aus Vertretern der Reichstrgs- und Landtagsfraktion zusammensctzt, hat sich mit der Affäre -Bauer-Barmat befaßt und ist einmütig zu der Entscheidung -gekommen, daß der frühere Reichskanzler Bauer sein Reichs- ckagsmandat niederzulegen habe. Wie wir hören, soll Bauer sich dazu bereit erklärt haben.
Die gescheiterte Opiumkonferenz Genf, 6. Febr. Nachdem es dem fünfgliedrigen Unterausschuß des vereinigten Sechzehnerausschusses bei der Opiumkonferenz nicht gelungen ist, eine Einigung zwischen dem amerikanischen und dem englisch-französtsch-holländischen Standpunkte in der Frage des Beginns des Rechtes der Unterdrückung des Rauchopiums zu erzielen, können die Verhandlungen hierüber als gllcheitert gelten.
Türke« und Griechen
Konstantinopel, 6. Febr. Die türkische Antwort, die rem griechischen Geschäftsträger in Konstantinopel übergeben wurde, lehnt es ab, den türkisch-griechischen Streitfall irgendwie dem Haager Schiedsgericht vorzulegen.
i
Deutscher Reichstag
Berlin, 6. Febr.
In der Sitzung am Freitag wurde die Eii^elberatung -es Etats des Reichsarbeitsministeriums vorgcnommen.
Bei der Besprechung der sozialen Fürsorge fordert Abg. Karsten (Soz.) eine Erhöhung der Invalidenrenten.
Abg. Dr. Mo!-. . nk , u ^1 eine gründliche Reform der Orga-' jation des Soz,> "ngswesen, är
notwendig.
Abg. Frau Ahrendsee (K.) verlang: eil" Ver-ier fachung der Jnv^ eenrente auf 86 Mark.