Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Attensteig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und FreudenstaSt.
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«scheinen
Nr. 12.
Alrensteig, Dlonnerstag den 13. Januar.
Jahrgang »925
Stille Reserven
W.W. Für die Leiter wirtschaftlicher Unternehmungen var es stets ein Ziel der Sehnsucht, stille Reserven zu ha- »en. Man kann es den Bilanzen nicht immer ansehen, ob tille Reserven vorhanden find, und wie hoch sie sich belaufen. Nenn jedoch eine Zndustriegesellschaft ihren gesamten Befand älterer Maschinen mit einer Goldmark in der Bilanz Kihrt, so weiß selbst der Laie, daß hier — und sei es auch »ur beim Verkauf des alten Eisens — nicht unerhebliche Beträge herausgeholt werden können. Neben Unterbewertungen von Grundstücken, Gebäuden, Anlagen usw. können auch besondere Reservefonds, etwa für Debitorenverluste and für Selbstversicherung, eine stille Reserve darstellen. Dazu kommt eventuell noch eine niedrige Bewertung von Beteiligungen an anderen Unternehmungen, sofern es sich nicht um Aktiengesellschaften handelt, deren Aktien zum Börsenkurse eines bestimmten Stichtages in die Bilanz aufzunehmen sind.
Ueber den Zweck und das Wesen sowie auch über die volkswirtschaftliche Bedeutung der stillen Reserven bestehen im Publikum zum Teil recht naive Vorstellungen. Die Schaffung von stillen Reserven ist durchaus nicht eine bloße Steuerdrückebergerei Wenn die Einreihung von Vermögenswerten in die Bilanz zu niedrigen Sätzen erfolgt, so braucht das betreffende Unternehmen allerdings an allen Sach Vermögen veranschlagten Steuern weniger zu zahlen, als wenn es die Vermögensteile höher bewertet. Zum Teil wird dies dann dadurch ausgeglichen, daß alle an das Einkimmen anknüpfenden Steuern um so höher werden, als bei auf das Vermögen bezogene jährliche Ertrag prozen- .tual steigt. Stille Reserven sollen einem Unternehmen die Möglichkeit geben, unvorhergesehene Rückschläge zu überstehen. Man wird zugeben müssen, daß im Deutschland vom Jahre 1925 die Aussichten für solche Rückschläge erheblich größer find als im Deutschland vom Jahre 1913. Durch die Insolvenz vielleicht nur weniger Debitoren kann ein sonst gut fundiertes und richtig geleitetes Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten kommen und sogar zusammenbrechen. Kommt es aber erst einmal zum Konkurs und müssen die Vermögenswerte des Unternehmens kurzfristig losgeschla- 'gen werden, so schrumpft sehr häufig die erhoffte stille Reserve auf einen recht kleinen Betrag zusammen. Es ist die alte Erfahrung: Wer verkaufen muß, erzielt keine guten Preise. Die Rentabilitätsaussichten der deutschen Wirtschaft sind durchschnittlich gering und werden auch wohl noch Jahre hindurch gering bleiben. Aus diesem Grunde ist es empfehlenswert, daß das bilanzmäßige Vermögen nicht allzu hoch «usgewiesen wird, daß also stille Reserven geschaffen werden. Dies hat den Vorteil, daß bei einer Besserung der Lage Mer mit einer mäßigen Gewinnausschüttung begonnen werden kann, als wenn ein nominell sehr großes Kapital bedacht werden muß. Die deutsche Wirtschaftsführung muß so hild wie möglich wieder rentabel werden, damit nicht das seugebildete Kapital ins Ausland wandert, weil es nur dort angemessenen Gewinn erzielen kann. Sehr beachtlich ist jfedoch auf der anderen Seite die Erwägung, daß eine auf ausländische Kapitalzufuhr angewiesene Wirtschaft wie die deutsche sich hüten mutz, allzu große stille Reserven zu schaffen. Stille Reserven werden zwar für das Auslandskapital Anreiz zur Beteiligung an dem betreffenden Unternehmen schaffen, sie werden jedoch meist ohne ausreichende Gegenleistung nach Maßgabe der Kapitalbeteiligung den frem- st«n Geldgebern zugute kommen. Es liegt kein Grund vor, e Frage der „stillen Reserven" anders zu beurteilen als s andere wirtschaftliche Teilproblem: nämlich nach der > volkswirtschaftlichen Zweckmäßigkeit. Dr. Cr oll.
Das Pariser Abkomme«
Paris, 14. Jan. Das von den alliierten Finanzministern Unterzeichnete Abkommen über die Verteilung der deutsche« Reparationszahlungen und die Liquidierung des Ruhrunternehmens bestimmt im wesentlichen:
Im Jahre 1925 dürfen für die Reparationskommissio« nur noch 9,25 Millionen Eoldmark, für die durch den Dawes- pla« vorgesehenen Organismen 7,6 Millionen und für die- Rheinlandkommisfion höchstens 10 Millionen ausgegeben werden. Hiervon kann Frankreich 62, England 16 und Belgien 26 Prozent beanspruchen. Me Militiirkontrollkommis- sionen können höchstens 8 Millionen fordern. Jedoch können unter Umständen die Zusatzausgaben nachträglich angerech- uet werden. An effektiven Besatzungskosten find vorgesehen: Für Belgien und England je 25 Millionen und für Frank
i
reich 110 Millionen Eoldmark. Die weiteren Ausgaben sollen den bereits bestehenden Restschulden zugerechnet werden. Auch die Ausgaben für Leistungen aus dem Rheinlandabkommen, die ehemals kostenlos erfolgten, (Wohnung, Heizung usw.) werden dieser Restschuld hinzugefügt. Der entsprechende Betrag wird vom Generalagenten an Deutschland zurückgezahlt. Die Festsetzung späterer Ausgaben joll vor dem 1. 9. erfolgen. Hinsichtlich der Teilnahme der Bereinigten Staaten an den Jahreszahlungen des Dawesplanes wird bestimmt, daß für die amerikanischen Besatzungskosten vom 1. 12. 26 ab jährlich durchs" nttlich 55 Millionen Eoldmark an Amerika zurückvergütet werden. Diese Zahlungen haben ein Privileg vor allen anderen Geldzahlungen mit Ausnahme der Zinsen für die 800 Millionenanleihe und die Unterhaltungskosten der Kommissionen. Im Falle einer Stundung verlangt Amerika 4,5 Prozent Zinsen. Die deutsche Reparationsentschädigung an die Vereinigten Staaten in Höhe von 350 Millionen wird dermaßen getilgt, daß ihnen an den Reparationszahlungen 2,75 Prozent zustehen und zwar bis zu einem Höchstbetrag von 45 Millionen Eoldmark im Jahr. Unter diesen Bedingungen verzichten die Vereinigten Staaten auf die früheren Abmachungen (in Spaa, D. Red.) mit Ausnahme der Summe von 14 725 150 Dollar. Hinsichtlich der belgischen Kriegsschuld wurde bestimmt, daß dieselbe im Betrage von etwa 5600 Millionen Eoldmark dadurch zurückgezahlt wird, daß 6 Prozent jährlich abgetragen werden. Im übrigen nimmt Belgien vom 1. September 1925 bis zur Tilgung seiner Prioritätsforderungen mit 8 Prozent an den Jahreszahlungen teil. Von da ab reduziert sich der belgische Anteil auf 4,5 Prozent.
Von den deuten Zahlungen erhält in Zukunft Griechenland 0,4 Prozenr und Rumänien 1,1 Prozent. Schließlich wurde bestimmt, daß der Donaukommission sofort eins Summe von 266,600 Eoldfranken ausbezahlt wird.
Für die Regelung des Ertrags der Ruhrbesetzung wurde bestimmt: Die Reparationskommission wird die von der französischen, belgischen und italienischen Regierung von Deutschland erhaltenen Summen feststellen, die von den wirklich gehabten Ausgaben der interessierten Mächte in Abzug zu bringen find. Die Unterhaltungskosten für die französischen und belgischen Truppen im Ruhrgebiet werden vergütet. Die Kosten für die wirtschaftliche Ausbeute des Ruhrgebietes wird von den Einnahmen der wirtschaftlichen Ausbeutung in Abzug gebracht. Die französische, englische und belgische Regierung stimmen zu, daß die Besatzungskosten bis zum 31. Dezember 1923 auf die Sachlieferungen vererechnet werden.
Das Abkommen enthält im einzelnen weitere Bestimmungen, um nachträglich in endgültiger Weise die von Deutschland geleisteten Reparationszahlungen unter den alliierten Staaten zu verrechnen.
Neues vom Tage
s nung ist zuschänden geworden. Der Kommunistenführer Cä- r chin erhielt bei der Präsidentenwahl 21 Stimmen. Di« i' Wiederwahl Painleves zum Kammerpräsidenten mit 31Z H Stimen wird in hiesigen politische Kreisen als Beweis für ' die Festigkeit des Linksregimes eifrig kommentiert. Die i nächste Sitzung der Kammer findet am Donnerstag nach- ; mittag statt. Der Senat hat sich nach kurzer Eröffnungs- s sitzung unter dem Vorsitz des fast 90jährigen Meline als Al- ! terspräsidenten bis Donnerstag vertagt. Die Wahl des Se- ! natspräsidenten wird am Donnerstag stattfinden, z Die verzögerte Regierungsbildung
s Berlin, 14. Jan. In der Frage der Regierungsbildung i ist bis zu den Mittagsstunden am Mittwoch ein weiterer s Fortschritt noch nicht zu verzeichnen. Es müssen noch ver- ? schieden« Personenfragen geregelt werden, da noch die Ant-- « Worten von einigen Persönlichkeiten ausstehen, die wegen : llebernahme eines Ministerpostens befragt worden sind. ! Nach wie vor ist damit zu rechnen, daß die Beauftragung des I Finanzministers Dr. Luther mit der Kabinettbildung im i Laufe des heutigen Tages erfolgt. Nachdem durch die bis- ! herigen Verhandlungen alle Schwierigkeiten aus dem Wegs z geräumt worden sind, wird nach der Erteilung des formellen i Auftrages die Erledigung der Regierungsbildung voraus- ! sichtlich schnell vonstatten gehen.
^ Im Reichstage herrschte Mittwoch vormittag reges Leben, k Sämtliche Fraktionen halten vor der Plenarsitzung Bespre- l chungen ab. Seit 11 Uhe find die Sozialdemokraten versam- » melt, um zu der bevorstehenden Regierungsbildung Stellung - zu nehmen. Um 12 Uhr traten die Fraktionen des Zentrums f und der Wirtschaftlichen Vereinigung zusammen, um 1 Uhr k die Deutschnationalen und die Demokraten. Die anderen s Fraktionen versammelten sich zu einem späteren Zeitpunkte, ( die Deutsche Volkspartei erst nach dem Plenum, z Me Reichstagsfraktion der Wirtschaftlichen Bereinignag nahm in ihrer heutigen Fraktionsfitzung zu der bevorstehenden Bildung eines Kabinetts Luther Stellung. Es wurde beschlossen, diesem Kabinett gegenüber wohlwollende Neutralität zu bewahren, und es zu unterstützen, solange die k Interessen des Mittelstandes durch die neue Regierung ge- f wahrt werden. Eine Beteiligung der Wirtschaftlichen Ver- E etnigung an der Regierung kommt nicht in Frage. Die Ver- Z Handlungen der Reichstagsparteien, die sich an einem Ka- j binett Luther beteiligen wollen, drehten sich in den ersten ) Nachmittagsftunden vornehmlich um die Formulierung ^ eines beim Reichstag einzubringenden Vertrauensvotums ) für das in Aussicht genommene Kabinett. — In der Sitzung ; der demokratische« Reichstagsfraktion erschien zu Beginn Reichswehrminister Gehler und erklärte gegenüber verschiedenen Nachrichten in der Presse, daß er zu der Frage der Regierungsbildung überhaupt noch nicht Stellung genommen habe. Der Fraktionsvorsitzende Koch berichtete dann über ! die politische Lage. Me demokratische Fraktion wird voraus- ! sichtlich zur Frage der Kabinettsbildung keinen neuen Beschluß fassen, da ihre Stellungnahme unverändert ist.
Znm Herncr Eisenbahnunglück
. Essen, 14. Jan. Me weiteren Ermittlungen über die Persönlichkeiten der Verunglückten in Herne haben ergeben» daß von den 22 Getöteten 13 weiblich und 9 männlich sind. Die Namen der bisher als unbekannt bezeichnet«» Leichen sind: Fräulein Luise Engel-Dortmund und Emilie llsack- Necklinghausen. Die Zahl der Sästververletzten beträgt nach dem bis zur Stunde vorliegenden Ergebnis 27. Me Zahl der Leichtverletzten beläuft sich auf 59.
Berlin, 14. Jan. Der Rei^ipriisident hat an den Präsidenten der Reichsbahndirektion folgendes Telegramm gerichtet: „Tiefbewegt durch die Berichte über das schwere Eisenbahnunglück in Herne, bitte ich Me, den Familien der auf so schreckliche Weise ums Leben Gekommenen den Ausdruck meines herzlichsten Beileids zu übermitteln und den zahlreichen Perlstzten mit der Versicherung meiner Teilnahme meine besten Wünsche für ihre baldige Wiederherstellung auszufprechen! gez. Reichspräsident Ebert."
Parlamentseröffnnng in Frankreich
Paris, 14. Jan. Kammer und Senat sind zusammengetreten. In der Kammer eröffnet« der radikale Abgeordnete Pinard als Alterspräsident die Sitzung mit der üblichen Ansprache. Man könne jetzt die Ueberzeugung haben, daß eine fortschreitende Gesundung eintrete. Einziger Kandidat für die Präsidentschaft war der bisherige Kammerpräsident Painleve. Der linksrepublikanische Sozialistenführer Pain- leve wurde mit 313 Stimmen zum Kammerpräsidenten wiedergewählt. Die Opposition hatte gehofft, diese Wahl durch Stimmenthaltung verhindern zu können. Diese Hoff-
Sie lassen warten
London, 14. Jan. Der „Daily Telegraph" meldet, daß die Zwischenberichte der interalliierten Kontrollkommission jetzt nach und nach bei den alliierten Regierungen eingehen. Der Schlußbericht der Kommission sei jedoch nicht vor Ende Januar zu erwarten. Vorher könnte keine endgültige Besprechung der alliierten Regierungen über die Note an Deutsch- ^nd stattfiudeu.
Deutscher Reichstag
Berlin, 14. Dez.
Zu Beginn der heutigen Sitzung des Reichstages gedachte Präsident Löbe der Opfer des gestrigen Eisenbahnunglücks in Herne. Dann verlas er die amtliche Mitteilung von der Amtsenthebung des Reichspostministers Höfele. Verschiedene Anträge auf Einstellung von Strafverfolgungen wurden dem Geschäftsordnungsausschutz überwiesen. Ein Antrag Dr. Schücking (Dem.) auf Wiedereinsetzung des Untersuchungsausschusses über die Kriegsursachen wurde einstimmig angenommen. Die ferner auf der Tagesordnung stehenden Anträge aller Parteien über die Erwerbslosenfürsorge wurden den zuständigen Ausschüssen ohne Debatte überwiesen. Das Haus vertagte sich sodann auf Donnerstag 4 Uhr nachmittags.
Abg. Dr. Frick (Nat.Soz.) beantragt, am Donnerstag in eine politische Aussprache einzutreten. Präsident Löbe erklärte dazu, daß der Herr, der jetzt die meiste Aussicht habe, eine Regierung zu bilden, soeben mitgeteilt habe, daß eine Regierungserklärung frühestens auf Freitag an-"^ "t wer» den könne.