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Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für AÜmfieig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und Freudenstadt.

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Nr. 11 j Altrnkeig, Mittmoch den 14. Januar

j Jahrgang ^925

Beachtenswerte Winke fürs § neue Zahr.

Der sehnlichste Wunsch aller rechtlich denkenden Deutschen) ! welche die Inflationszeit miterlebt haben, ist im Jahrs s 1924 in Erfüllung gegangen. Die von vielen zunächst arg- s wöhnisch betrachtete Einführung der Rentenmark hat die i dunkle, nichts als Verderben und Vernichtung bringende ! Macht der Inflation aufgehalten und gebrochen. Rascher als ^ viele geahnt, sind die Fluten der Millionen-, Milliarden- : und Villionenscheine verebbt und versandet. Die der Ren- - tenmark innewohnenden Kräfte haben naturgemäß das ^ Gegenteil der Inflation, die Deflation herbeigeführt. Ein : Reinigungsprozeß im deutschen Wirtschaftsleben hat zum : Heil des ganzen Volkes im Laufe des Jahres 1924 eingesetzt. ! Wie bei einem Reif in der Frühlingsnacht die Blumen und ' Blüten erstarren, verwelken und verdorren, so sind die Un- - krautblüten der Inflation vernichtet worden; und auch ! manches reelle Unternehmen, das den veränderten Verhält- ^ nissen nicht rechtzeitig Rechnung trug, wurde verschlungen. Das während und noch am Schluffe der Inflation verachtete ! Geld ist plötzlich wieder eine Macht geworden, mit der jeder : Einzelne wieder rechnen mußte und auch heute und künftig ^ wird rechnen müssen. ;

Viele große Gewinne, welche durch Aufnahme von Schul- s den während der Inflationszeit mit leichter Mühe gemacht s wurden, sind plötzlich wieder in das Nichts versunken. In- I folge der katastrophalen Schuldnerzinssätze ab Mitte No­vember bis Ende Dezember 1923 und vom April bis Sep­tember des Jahres 1924 sind die auf eine nochmalige In- ^ flation hoffenden großen und kleinen Spekulanten entwe- ? der vollständig ruiniert oder an den Rand des Ruins ge- ? bracht worden. Welche Lehre ist aus diesen Vorgängen zu , ziehen? Die Antwort lautet: Wer heute noch leichtsinnig ? Schulden macht, wer nicht vor der Schuldaufnahme eine Be­rechnung darüber anstellt, ob sich auch im ungünstigsten Fall ^ der mit der Schuld erworbene Gegenwert im Verhältnis zu s dem hierfür zu zahlenden Zins entsprechend rentiert, leistet ^ Totengräberarbeit für sich selbst, und zwar Landwirte um- i somehr, als die Ernte des Jahres 1924 in vielen Gegenden ! die gehegten Erwartungen bezüglich Menge und Güte man- > cherorts schwer enttäuscht hat und die geernteten Früchte f infolge der wieder stark einsetzenden Weltmarktkonkurrenz ! teilweise fast unverkäuflich oder nur zu fast nicht rentieren­den Preisen unterzubringen sind. !

Wie unter solchen Umständen ländliche Bevölkerungskrcise noch Erundstückkäufe machen können, ohne vorher im Besitz der erforderlichen Mittel zu sein, ist unverständlich. Wenn aber solche Kreise noch Erundstückskäufe gegen Barzahlung abschließen, ohne sich vorher zu vergewissern, ob, wo und zu welchen Zinssätzen sie die erforderlichen Gelder bekommen können, muß eine solche Handlungsweise eine direkte Tor­heit genannt werden. In solchen Fällen werden in der Re­gel nach erfolgtem Vertragsabschluß die genossenschaftlichen Organisationen um ihre Hilfe angegangen. Diese können s aber nicht in allen Fällen helfend eingreifen. Die vorhan- ; denen Mittel reichen zur Kreditgewährung für Bauten und t Grundstückskäufe nicht aus. Mitglieder der Darlehenskassen- ? vereine, welche dies nicht beachten wollen, müssen eben die r bittere Wahrheit der Sprichwörter erfahren:Wer nicht i hören will, muß fühlen" undVorgetan und nachbedacht, ? hat schon manchen in großes Unglück gebracht". Das letztere » trifft insbesondere auch bezüglich der unüberlegten Aus- ! stellung von Wechseln zu. Jeder Wechsel ist ein öffentli- ; ches Zahlungsversprechen, das unter allen Umständen ein- i gelöst werden muß. Dementsprechend sind auch sehr strenge z Vorschriften vorhanden, durch welche sowohl der Aussteller, ; als auch der Bezogene und die etwaigen Giranten des Wech- ! sels zur Zahlung der Wechselsumme gezwungen werden kön- s nen. Alle, welche die Wechselbestimmungen nicht kennen, t tun gut, sich niemals, auch nicht im Falle dringendster Not, ' mit Wechseln abzugeben, da Wechsel schon viele ins tiefste ! Elend gebracht haben. Ein Wechsel kann in Zeiten großer » Geldnot und der Unmöglichkeit, die erforderlichen Mittel z flüssig zu machen, eine unlösbare wirtschaftliche Fessel wer­den. Vorsicht, äußerste Vorsicht ist gerade in der jetzigen Zeit bezüglich der Ausstellung von Wechseln dringendstes s Gebot. Viele Landwirte haben im Jahre 1924 zu ihrem , größten Schaden das Wesen und die Folgen des Wechsels anläßlich von Vieh- und Pferdekäufen kennengelernt. Möch- ten alle diejenigen, die nicht davon betroffen wurden, das Sprichwort beherzigen:Ein Weiser wird durch fremden , Schaden klug, aber ein Narr kaum durch seinen eigenen.* Niemand weiß heute schon, was das Jahr 1925 bringen :

wird. Sicherlich nicht nur Gutes. Der Versailler Vertrag, das Dawesgutachten und die auf Grund derselben zu lei­stenden Zahlungen werden in verstärktem Maße die Ren. tabilität unserer gesamten Wirtschaft, auch der Landuü schüft, beeinträchtigen. Auch die ländlichen Kreise tun des­halb gut daran, sich restlos auf diese Tatsache einzustellen. Verschiedene Wirtschaftsgruppen haben dies bereits getan.

Das Großkapital und die Industrie zum Beispiel stren­gen alle Kräfte an, wieder rentabel zu arbeiten. Durch die darniederliegende Konjunktur wurden unrentabel gewor­dene Kräfte sowohl von den Großbanken, als auch der In­dustrie teilweise sogar mit größter Rücksichtslosigkeit auf die Straße gesetzt und ihrem Schicksal überlassen. Soziale Rücksichten gab es fast nur noch bezüglich der obersten Stel­len der Unternehmungen. Zusammenfassung der noch vor­handenen Kräfte unter genauester Berechnung und Wah­rung der Rentabilität ist das Losungswort der heutigen Zeit. Auch für die ländlichen Kreise besteht nur noch eine Möglichkeit, den Daseinskampf erfolgreich ditrchzuführen, welche darin besteht, daß jeder Einzelne seinen Betrieb ebenfalls unter genauester Berechnung und Wahrung der Rentabilität führt und die Einzelkräfte wieder in einer wirtschaftlichen Gesamtorganisation vereinigt werden, wel­cher jeder Einzelne unverbrüchliche Treue halten muß. Ge­schieht dies nicht, dann sind auch die Einzeloraanisationen» m oer wesamtorgaiuianon zu>ammengesatzt, erne wirrjcyaft- liche Macht, welcher von allen Seiten Rechnung getragen werden muß. Die wirtschaftlichen Einzelorganisationen für die ländliche Bevölkerung sind die Darlehenskassenvereine und ihre Eeldausgleichsftelle sowie für den Warenbezug die Warenvermittlungszentrale. Diese Institute find zum Zwecke der Förderung der landwirtschaftlichen Genossen­schaften und ihrer Mitglieder gegründet und sollen und werden auch künftig nur diesem Zweck diene« können, wenn alle Genossenschaften treu zu ihrer Eesamtorganisation halten. Dies trifft insbesondere auch bezüglich des Eeld- verkehrs der einzelnen Mitglieder in den Darlehenskasseu- vereinen zu.

Wer Mitglied eines Darlehenskassenvereins ist und sein Geld, welches er nicht sofort braucht, nicht unverzüglich sei­nem Darlehenskassenverein wieder zur Verfügung stellt, schädigt sich selbst um den Zins und entzieht anderen Ver­einsmitgliedern die Möglichkeit, dieses brachliegende Geld nutzbringend zu verwerten. Gleiches Recht für alle setzt gleiche Pflichterfüllung für alle voraus. Bei der Kreditver­teilung in den Vereinen ist strenge Gerechtigkeit zu üben. Viele bescheidene Mitglieder dürfen nicht wegen einzelner unbescheidener Mitglieder benachteiligt werden, da sonst das Vertrauen berechtigterweise schwindet. Vertrauen ist aber das Fundament, auf dem die Genossenschaften aufgebaut sind, wie wäre sonst die unbeschränkte Haftpflicht möglich? Dabei muß jedoch besonders darauf hingewiesen werden, daß die Verluste der Vermögensanlagen der Gläubiger der Ge­nossenschaften durch die Inflation das Vertrauen und das gute Fundament und die segensreiche Einrichtung dieser Genossenschaften nicht erschüttern dürfen, da die Inflation von Mächten gefördert wurde, die die größten Feinde der Genossenschaften sind. Das große WortAufwertung" mit aller Strenge durchgeführt, dürfte noch manches erjagte Jn- slationsvermögen gefährden, manches fremder Not gegen­über kalt gewordene Spekulantenherz zittern machen und die himmelschreiende Ungerechtigkeit zwischen früheren Gläubigern und Schuldnern ausgleichen; allerdings, wer weiß, ob, wie und wann, womit, wozu, was weiter dann? Solange die Kutisker, Barmat und Genossen auf Empfeh­lung höchster Stellen mehr Kredite von allen erdenklichen amtlichen Stellen erhalte«, als die ganze ländliche Bevöl­kerung eines süddeutschen Landes zusammen, ist das Mor­genrot des wahren Rechts und der echten Gerechtigkeit noch nicht angebrochen. Würde« die Reichspost, die Reichsbahn, die Finanzverwaltung der über alle Maßen notleidenden ländlichen Bevölkerung mit den verfügbaren Geldern durch Vermittlung der landwirtschaftlichen Kreditorganisation helfend unter die Arme greifen, dann würden der Allge­meinheit zugute kommende Werte geschaffen, bodenbestän­dige Existenzen vor dem Ruin bewahrt, den Blutsaugern deutscher Arbeit die Möglichkeit zum Pressen und Wechsel- kälschen entzogen und damit wieder eine gesunde Lust in die verpestete Atmosphäre gebracht.

Taten brauchen wir zur Gesundung, nicht nur Worte. Mit den Galiziern war es nichts, versuche man es einmal mit den gesunden einheimischen Organisationen, hier wird eine andere Frucht reifen. Das deutsche Volk in seiner Ge­samtheit hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, ohne irgend welche Rücksichten dafür zu sorgen, daß Ord­

nung geschaffen wird. Aufschub darf es hier nicht mehr ge­ben, sonst ist auch vollends der letzte Rest unseres ohnedies schon geringen Ansehens im Ausland vollständig verloren. Darum auf zum Kampf gegen alle finsteren Mächte, dem Lichte, der Wahrheit und der sittlichen Erneuerung ent­gegen!

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! Dr. Luthers Kabinett

Berlin, 13. Jan. Ein Reichskabinett Luther würde, den Blättern zufolge, soll s Bertranensleute der in Frage : kommenden Fraktionell in sich vereinigen: für die Deutsch­nationalen Wallraf als Innenminister, für die Bayerische Volkspartei Dr. Emminger als Zustizminister, für das Zen- ! trum Dr. Brauns als Arbeitsminister und für die Deutsche ! Volkspartei Dr. Stresemann als Außenminister. Die übri- gen Ministerien würden durch Fachmänner besetzt werden und zwar würden von den bisherigen Ministern als Fach­männer im Amt verbleiben: Dr. Gehler als Reichswehrmi- j mster »nd Graf Kanitz als Ernährungsminister, j Die Frage, ob ein Kabinett Luther zustande kommen ' wird, hängt, wie die Blätter betonen, einmal von der Hal- s tung der Deutschnationalen ab und andererseits von dem i Verbleiben Dr. Getzlers, der übrigens der demokratischen ! Fraktion nicht mehr angehört, in feinem Amte, da, wie ge- , meldet wird, hiervon das Zentrum seine Stellungnahme zu ! dem Kabinett Luther abhängig machen wird. Wie das ; ^Berliner Tageblatt", dieVossische Zeitung" und derVor- s wärts" hervorheben, würde ein Kabinett Luther auf die ! Opposition der so: ^demokratischen und demokratischen Par- ^ chei stoßen.

Großes Eisenbahnunglück in Westfale»

" -erne, IS. Jan. Am Dienstag morgen 7.25 Uhr ist d«r D-Zug Berlin Köln auf einen im hiesigen Bahnhof ste­hende« Personenzng anfgefahren, wobei die letzten drei Wa­ge» de» Persvnenzuges vollständig zertrümmert wurde«. > Ls ko unten bisher 22 Tote geborgen werde«.

! Bei dem Eisenbahnunglück sind 4 Wagen vierter Klaffe des Personenzuges zertrümmert und 3 Wagen des Berliner ? D-Zuges schwer beschädigt worden. Die Zahl der Vernma- ! deteu beträgt 3035, davon ist eine Anzahl schwer ver- ! wnndet. Ne find sämtlich mit Rotverbänden versehe« zum j Krankenhaus geschafft worden.

j Die Name« der bei dem Herner Eisenbahnunglück Getö­tete» find: 1. Ehefrau Soltyfiak aus Ickern (Westfalen), 2. Hass Vestring ans Henrichenburg (Westfalen), 3. Johanna s Korn ans Dortmund, 4. Johann Holtftlker aus Dortmund L LMtzsSLS Lost aW.ZMMmd, L Morg Vanseler^au- : Herne, 7. Michael Witziack aus Salzberg in Bayern, 8.

! Johanna Vollmer aus Herne, 9. Gustav Hippenstiel aus s Riemke (Westfalen), 10. Franz Erosch aus Dortmund, 11. i Elisabeth Trente aus Osterfeld (Westfalen), 12. Albert ? Korwitsch, 13. Karl Eroetel aus Walsum (Rheinland), 14.,

, Otto Horstmann aus Dortmund, 18. Lehrerin Gertrud Tul- j Hage aus Dortmund, 16. Karoline Jungs aus Castrop, 17. i Wilhelm Vroß aus Vraunschweig, 18. Rudolf Schilling aus Mettnau (Westfalen), 19. Maria Kranz aus Herne, i M. Auguste Bock aus Ickern, 21. Stefan Soltyfiak aus ^ Ickern, 22. Karl Fing aus Menge (Westfalen).

S Herne, 13. Jan. Bei dem heutigen Unglück sind 23 Tote s »nd 58 Verwundete zu beklagen, davon 24 schwer und zwei l iebensgefahLlich. Verletzte, während zwei Leichtverletzte sich k rach Hause begebe« konnten. Die Anglücksstelle bietet eine«

? furchtbaren Anblick. Die Lokomotive des D-Zuges schob die « beiden letzten Wagendes Personenzuges vollkommen in- und ! durcheinander, sodaß Me Personen in diese« beiden Wagen ! zermalmt wurden. Außerdem wurden noch zwei weitere k Wagen 4. Klasse und ei« Wagen 2. Klasse sehr schwer be- s schädigt. Die Unglücksstelle ist ein großes Trümmerfeld.

- lllles ist mit Wagenteilen Lbersät. Dazwischen liegen Zei-

- tungspakete, Kleidungsstücke, Kinderspielzeug, Bilderbücher, s rlles entsetzlich mit Blut getränkt. Die Aufräumungsarbei- ' den sind mit Schwierigkeiten verbunden. Das Unglück ent- : stand auf folgende Weise: Der Perfonenzug 230 stand im ' Bahnhof und sollte um 7fl9 Uhr abfahren. Er verspätet«

. sich aber, da viele Reisende einstiege«. Der D-Zug sollte erst . um 7.24 Uhr ankommen, traf aber verfrüht bereits um 7.20 ; Uhr ein. Bei dem überaus biMe« Nebel »nd der herrschen-

- den Dunkelheit durchfuhr der D-Zug die beiden Haltesignale, verminderte aber seine Geschwindigkeit, da er in Herne hal-

- ten mutzte, sonst wäre das Unglück noch entsetzlicher gewesen.