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Nr.4
Altentteig, Mittwoch de« 7. Januar.
Jahrgang 923
Die Note der Alliierte« a« Deutschland.
UeLerreichung der Räumungsnote.
Berlin» 6. Jan. Die Botschafter Frankreichs, Englands, Italiens und Japans und der Gesandte von Belgien übergaben am Montag mittag im Aufträge ihrer Regierungen dem Reichskanzler die Kollektivnote über die Frage der Räumung der nördlichen Rheinlandzone. Der englische Botschafter wies» ohne die Note zu verlesen, auf ihre besondere Bedeutung, sowie auf die Tatsache, dag sie von den alliierten Regierungen selbst äusgehe, hin. Zugleich hob er hervor, daß in der Note eine weitere Mitteilung der alliierten Regierungen an gekündigt werde, die der deutschen Negierung zugehen werde, sobald der Bericht der interalliierten Militärkontrollkommis- fton erstattet sei. Der Reichskanzler nahm die Note entgegen und erklärte, dah er von ihrem Inhalte Kenntnis nehmen werde. Im übrigen beschränkte er sich auf die Bemerkung, dah allerdings über die Bedeutung der Note kein Zweifel bestehe» könne und daß er sie dem Reichskabinett vorlegen werde.
Die Note soll nach einer Vereinbarung nicht vor Mittwoch veröffentlicht werden. Dem Vernehmen nach bestätigt sie, daß Köln zum 10. Januar nicht geräumt wird und eine weitere Note wegen der deutschen Abrüstung in Aussicht gestellt wird.
Der Wortlaut der Note.
Berlin, 6. Jan. Die Kollektivnote der alliierten Regierungen über die Frage der Räumung der nördlichen Rheinlandzone lautet in deutscher Uebersetzung:
Artikel 428 des Vertrages von Versailles vom 28. Juni 1919 besagt, daß, um die Ausführung des genannten Vertrages durch Deutschland sicherzustellen, die deutschen Gebiete westlich des Rheins einschließlich der Brückenköpfe während eines Zeitraumes von 15 Jahren nach Inkrafttreten des Vertrages durch die Truppen der Alliierten und Assoziierten Mächte besetzt bleiben.
Gemäß den Bestimmungen des Artikel 429 wird die in Artikel 428 vorgesehene Besetzung, wenn die Bedingungen des genannten Friedensvertrages von Deutschland getreulich erfüllt werden, nach und nach bei Ablauf der ersten fünf, dann der ersten zehn Jahre eingeschränkt werden.
Schon jetzt sind die alliierten Regierungen in der Lage, der Deutschen Regierung, ohne den 10. Januar 1925 abzuwarten, mitzuteilen, daß sie den Beweis dafür erhalten haben, daß Deutschland die im Artikel 429 vorgesehenen Bedingungen noch nicht erfüllt hat und bis zu diesem Datum nicht wird erfüllt haben können, um der Vergünstigung der Bestimmung über die vorzeitige teilweise Räumung teilhaftig werden zu können.
So sind, wenn man nur den Teil 5 des Vertrages in Betracht zieht, die von der Interalliierten Militärkontrollkommission trotz gewisser Widerstände, denen sie begegnet ist, gesammelten Nachrichten über den Stand der Ausführung der militärischen Bestimmungen hinreichend, um diese Entscheidung der alliierten Regierungen zu begründen.
Es sind z. B., um nur einige wesentliche Punkte unter den schon jetzt bekannten Tatsachen hervorzuheben, die folgenden Feststellungen gemacht worden:
In Verletzung des Art. 160 ist der Große Eeneral- staö der Armee in einer andern Form wiederhergestellt worden.
In Verletzung des Art. 174 sind Freiwillige kurze Zeit eingestellt und ausgebildet worden.
Entgegen dem Artikel 168 ist die Umstellung Fabriken für die Herstellung von Kriegsmaterial weitem noch nicht durchgeführt.
Entgegen den Artikeln 164 bis 169 sind bei militärischen Ausrüstung festgestellte überzählige stände jeder Art vorhanden, und es sind bedeutende unerlaubte Vorräte an Kriegsmaterial entdeckt worden.
Entgegen dem Artikel 162, sowie dem Beschluß der Konferenz von Voulogne vom 19. Juni 1920 hat die llmorganisation der staatlichen Polizei noch nicht begonnen.
Entgegen dem Art. 211 hat die Deutsche Regierung bei weitem noch nicht alle von den alliierten Regierungen in ihrer Note vom 29. September 1922 geforderten gesetzgeberischen und Verwaltungsmaßnahmen getroffen.
Die alliierten Regierungen rechnen übrigens mit dem baldigen Eintreffen des Berichts der Interalliierten Kon
auf
der
Be
trollkommission, der die Gesamtergebnisse der im Gange befindlichen Eeneralinspektion wiedergibt. Dieser Bericht wird es ihnen ermöglichen, zu bestimmen, was von Deutschland noch erwartet werden muß, damit seine Verpflichtungen aus militärischem Gebiet gemäß den Bestimmungen des Artikels 429 als getreulich erfüllt betrachtet werden können; eine weitere Mitteilung hierüber wird der Deutschen Regierung später zugehen.
(gez.) C. della Faille
P. de Margerie D'Abernon
Bosdari. Honda.
Zu der Note der alliierten Regierungen über die Frage der Räumung der ersten Rheinlandzone erfahren wir an zuständiger Stelle, daß sich die Note offenbar die Vorwürfe zu eigen macht, die insbesondere in der französischen Presse seit einiger Zeit im Zusammenhang mit der Eeneralinspektion und der Frage der Räumung der nördlichen Rheinlandzone erhoben worden sind. Diese in der Note zusammengestellten Vorwürfe sind so allgemein gehalten und so wenig sachlich begründet, daß es an der Voraussetzung für eine sachliche Stellungnahme dazu fehlt. Die deutsche Regierung hält es daher für richtig, die Widerlegung dieser Vorwürfe solange zurückzustellen, bis ihr die angekündigten näheren Mitteilungen gemacht sind, und gibt dem dringenden Wunsch Ausdruck, daß dies bald geschieht. Schon aber stell: die deutsche Regierung fest, daß der Stand der Entwaffnungsfrage nach ihrer Ueber- zeugung auf keinen Fall eine so schwerwiegende Maßnahme wie die Verlängerung der Besetzung der ersten Rheinlandzone rechtfertigen kann. Im übrigen wird die deutsche Regierung in kürzester Frist ihren Standpunkt den alliierten Regierungen in einer Antwortnote Mitteilen.
Zusammentritt des Reichskabinetts.
WTV. Berlin, 6. Jan. Das Reichskabinett ist heute vormittag zusammengetreten, um über die Antwort auf die Note der Alliierten in der Räumungsfrage zu beraten.
Preffestimmen.
-- Berlin» 6. Jan. Die Note der Botschafterkonferenz wird von der „Deutschen Zeitung" als Note des Vertragsbruchs bezeichnet. Artikel 422 des Versailler Vertrags, auf den sich die Note berufe, besage ausdrücklich, daß die Besatzungsfristen nur dann verlängert werden können, wenn zu diesem Zeitpunkte die Sicherheiten gegen einen nicht herausgeforderten Angriff Deutschlands von den alliierten und associierten Regierungen nicht als ausreichend betrachtet werde. Nicht nur von neutralen Persönlichkeiten, sondern auch seitens der englischen und französischen Regierung sei dagegen wiederholt anerkannt worden, daß Deutschland nicht in der Lage sei, einen Angriffskrieg zu führen.
Die „Deutsche Tageszeitung" fordert von der Reichsregierung, daß die Rechtslage völlig klar heraus- gearbeitet und der Vertragsbruch schonungslos gebrandmarkt werde. Das Blatt nennt die ganze Entwaffnungsfrage einen an den Haaren herbeigezogenen Vorwand, um ein aus ganz anderen Gründen und auf ganz anderem Hintergründe abgeschlossenes hochpolitisches Kompromiß zu bemänteln und der Rechtsverletzung den Schein der Vertragsmäßigkeit zu verleihen.
Auch die „K r e u z z e i t u n g" erklärt, der wahre Grund für die Nichträumung sei darin zu suchen, daß England für seine außereuropäische Politik die Unterstützung Frankreichs brauche und ihm dafür freie Hand am Rhein lasse. Deutschland sei wieder einmal zum Kompensationsgebiet der englischen und französischen Politik geworden.
Die „Deutsche Allgemeine Zeitung" betont, Deutschland denke nicht daran, seinerseits den Vertragsbruch der Alliierten mit einem Gegenstück zu quittieren. Es werde die finanziellen Verpflichtungen, die es im Londoner Abkommen auf sich genommen habe, auch weiterhin getreulich erfüllen. Aber es werde mit um so größerem Nachdruck immer wieder darauf Hinweisen müssen, daß die amerikanischen Urheber des Dawesplanes als Grundvoraussetzung für die Möglichkeit der Durchführung des Planes die Herstellung der deutschen Souveränität gefordert haben.
Die „Germania" bezeichnet die Note als eines der schwächsten Dokumente, die im Laufe der Auseinandersetzung zwischen Deutschland und seinen Gegnern der deutschen Regierung zugegangen seien, aber gleichzeitig auch als eines der bedauerlichsten, weil es das im letzten Jahre mühsam wieder angebahnte Vertrauen in die Völkerbeziehungen aufs schwerste gefährde.
Auch der „B ö r s e n k u r i e r" erklärt, oag man mit der Note zu den übelsten Methoden der Na^)- kriegszeit zurückkehre, die in jedem Zeitpunkt und bei den geringfügigsten Gelegenheiten die Gewalt an die Stelle des Rechts setzten.
Das „B. Tageblatt" hebt hervor, daß im ganzen deutschen Volke ohne Unterschied der Parteien einmütig der ungeheuerliche Versuch zurllckgewiesen werde, aus'nichtigen Vorwänden die Bevölkerung von 2 300 000 Menschen noch über die im Versailler Vertrag festgesetzte Frist hinaus auf unbestimmte Zeit unter Fremdherrschaft zu stellen.
Ettr deutsch französisches „Provisorium"
Paris, 6. Jan. Es bestätigt sich, daß Handelsminister Raynaldi Staatssekretär Dr. Trendelenburg den Entwurf eines Handelsprovisoriums unterbreitet hat, da mit dem Abschluß eines deutsch-französischen Handelsvertrags bis ium 10. Januar nicht gerechnet werden kann. Die Grundlage für ein solches Provisorium hat sich jedoch besonders mit Rücksicht auf die kürzlich veröffentlichte französische Zolltarifnovelle noch nicht finden lasten. In dieser Novelle werden für sehr viele Artikel, die Deutschland interessieren, Mindestzölle gefordert, die über das hinausgehen, was der augenblicklich in Kraft befindliche französische Höchstzolltarif vorschreibt.
Die von der französischen Abordnung ausgearbeitete vorläufige Vereinbarung wegen des Handelsverkehrs mit Deutschland umfaßt 43 Artikel. Darin sind die von den französischen und deutschen Sachverständigen bereits angenommenen Teilvereinbarungen, sowie die auf die elsässisch-loth- ringische Ausfuhr nach Deutschland bezüglichen Sonderbestimmungen enthalten. Die Vereinbarung befaßt sich auch mit dem Niederlastungsrecht der Schiffahrt, der Gewährleistung für den Jndustriebesitz und den Fabrikmarken. Von französischer Seite wird betont, daß die Verhandlungen beiderseits in der freundschaftlichsten Weise und in großer Einsicht und Nachgiebigkeit fortgesetzt werden. Gleichzeitig mit den Verhandlungen über ein vorläufiges Abkommen werden auch die Verhandlungen zwischen den Vertretern fortgesetzt.
Neues vom Tage.
Gedächtnisfeier für Helfferich BerNn» 6. Jan. Im Reichstag versammelte sich am Montag die deutschnationale Reichstagsfraktion fall vollzählig im Fraktionszimmer zur Gedächtnisfeier für Helfferich, der auch Frau Helfferich mit ihren Kindern beiwohnte. Es wurde eine Bronzebüste Helfferichs enthüllt. Der Partei- vorsttzende Schiele sprach Worte des Gedenkens und gab ein Lebensbild Helfferichs.
Der Berliner Finanzskandal
Berlin, 6. Jan. Wie die Blätter zu der Barmataffär« melden, find die Direktoren der Merkurbank, Lichtenstein und Levy, aus der Haft entlasten worden. Weitere Entlastungen sollen bevorstehen. Außerdem wurde das Verfahren gegen die bereits aus der Haft entlassenen Direktoren Thieme, Gehricke und Schäffer eingestellt. Auch der Prokurist der Berlin-Burger Eisenwerke, der festgenommen worden war, wurde nach seiner Vernehmung wieder freigelassen.
Das bayerische Konkordat
München» 6. Jan. Wie die „München-Augsburger Abendzeitung" meldet, dürfte die Erledigung der Konkordatsverhandlungen keine großen Schwierigkeiten verursachen. Zwischen der bayerischen Regierung und den Koalitionsparteien ist ein Uebereinkommen dahin zustande gekommen, daß die wesentlichen Bedenken, die gegen das Konkordat geäußert worden sind, in geschäftlich bindender Form beseitigt werden tollen.
Deutsch-demokratischer Vertretertag Stuttgart, 5. Jan. Der jedes Jahr am Dreikönigstag stattfindenden Landesversammlung der Deutschen demokratischen Partei Württembergs und Hohenzollerns ging ein Vertretertag im Konzertsaal der Liederhalle voraus. Der Landesvorsitzende der Partei, Abg. Dr. P. Bruckmann, eröffnet« die Versammlung, wobei er u. a. ausführte: Wir treten in das