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Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altensteig-LtadL. Allgsmemer Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und Freudenstaöt.

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Ur. 3 j Alteristeig, Montag drn 3. Januar. j Jahrgang 925

Zum Erscheinungsfest 1925

Das Werk der Heidenmission, dem das ErschKimMtzÄ» fest gilt, hat in Deutschland allem Anschein nach nun seine schwerste Krise glücklich üt-erstanden. Das deutsche Geld gilt wieder im Ausland, während in der schlimmsten Inflationszeit die gesamten Gaden der deutschen Missionsfreunde nicht ausreichte«, um auch nur einen einzigen Missionar über See zu unter­halten. Und für die deutschen Glaudensboten Hape« sich im letzten Jahr die britischen Kolonien wie' er geöffnet, aus denen sie seit dem Krieg ausgewiesen waren. Ueber ein Drittel ihres Vorkriegsstandes, 34 Arbeitsfelder mit 230 000 Heidenchriften und gegen 100 000 Schülern, hatte die deutsche evangelische Mis­sion durch die politischen Weltereignisse verloren, dis mit Württemberg eng verknüpfte Basler Mission sogar über vier Fünftel.. Jetzt kehren deutsche Missionare zurück nach Ostafrika, Aegypten Britisch-Kamerun, der Goldküste, Norddorneo, Ostindien; überall werden sie mit Jubel ausgenommen, und auf den alten Arbeits­feldern, so namentlich in China, schreitet die Ausbrei­tung des Christentums durch unsere Landsleute trotz aller Unruhe der Zeit unermüdlich fort.

Freilich, die Zeiten und die Menschen haben fkchi da draußen auch geändert. In den Augen der far­bigen Rassen hat durch den Weltkrieg, in den sie ;ü selbst hin ein gerissen wurden, die Kultur der Weißen ihren Heiligenschein verloren, und das Schlagwvrt v"m vom Selbstbestimmungsrecht des Völker, das gegsq Deutschland und seine Verbündeten gemünzt war, hat bei den Eingeborenen der Kolonialläuder sehr auf­merksame Hörer gefunden und kehrt sich nun gegen! seine Urheber. Für die Missirmsarbeit bedeutet dies in mancher Hinsicht eine neue Lage und jedenfalls eine Prüfung aus ihren innersten Gehalt. Ist das Christentum nur ein Stück, vielleicht auch das Herz­stück, europäisch-amerikanischer Kultur, das boden­ständigen Völkern aufgeredet werden soll, oder ist es wirklich eine göttliche Botschaft, die Menschen aller Zonen im Innersten erfaßt? Angesichts dieser Frage­stellung haben die ausländischen Missionare mit gu­tem Grund nach ihren einstigen deutschen Mitarbeitern gerufen. Ter deutsche Glaubensbote ist Heute nach jeder Seite freier als je vom Verdacht politische Nebenabsichten; deutsche Gabe ist es in besonderen^ Maß, sich liebevoll einzufühlen in ein fremdes Volks­tum bezeichnend dafür ist der Löwenanteil der deut­schen Missionare an der Erforschung überseeischer Sprachen und Religionen; und das Erde der Refor­mation ist ein besonderer Tiefblick in die allgemein: menschliche Seelennot und in die christliche Botschaft bedingungsloser Gnade, wie auch ein ehrliches gei­stiges Ringen mit außerchristlichen Weltanschauungen. Diese deutschen Gaben sind Aufgaben, und die neuen Aufgaben sind Gaben. , i

Tie deutsche Christenheit wird es nicht zu bereuen haben, wenn sie Opfer wagt, um dem Ruse zu fol­gen, der aus der weiten Welt an sie ergeht. Der Strom, der nicht ins Weltmeer münden will, muß ver­sumpfen; aber der Strom, der die Schiffe hinausträgt in den Weltverkehr, wird Lebensader seines Hei-, matlandes. L». Vfilteren

Die Regierungsbildung

KeineparlamentarischeRegierung verlin, 4. Za«. Reichskanzler Marx hatte am Samst tag vormittag die in Aussicht genommene Anssprache mit den Führern der Reichstagssraktioneu des Zentrums, der Deutschen Volkspartei und der Demokraten. Der Verlauf der eingehenden Besprechung ergab, daß die drei Fraktionen bei den von ihnen aus Anlaß der Regierungsbildung ge­faßten Beschlüssen verharre« und daß somit die Möglichkeit der Bildung einer auf tragfahi. ger parlamentarischer Mehrheit beruhen­den Regierung nicht gegeben ist.

Eine bürgerliche, überparteiliche Regierung?

Berlin, 4. Jan. Die Regierungsbildung geht aus das Zu­standekommen eines sogenannten überparteilichen Kabinetts, d. h. einer Regierung aus Nichtparlamentariern oder aus Parlamentariern, die nicht als Vertreter ihrer Fraktionen erscheinen.

Nach der ,Leit", dem Organ des Außenministers Dr. Stresemann, würde es sich um ein überparteiliches, aber bürgerliches Kabinett handeln, in dem die freiwerdendeu Posten mit Persönlichkeiten besetzt werden, die auch den Deutschnationalen die jetzige Lösung annehmbar erscheinen lasten. DieZeit" erwähnt dann einige Ausführungen der »Germania", u.a. diese:Das neue Kabinett wird also wie. der unter der Führung von Marx mit Stresemann als

Außenminister stehen." DieZeit" stimmt der Auffassung derGermania", daß sich dann im Laufe der Zeit die Rück­bildung zur Arbeitsgemeinschaft der Mitte von selbst erge­ben dürfte, und daß auf alle Fälle im Augenblick keine un­nütze Zeit mehr verschwendet werden dürfe, unbedingt zu und erklärt dann weiter:Im übrigen handelt es sich zur­zeit nicht darum, die Koalition der Mitte wieder herzustel­len, sondern vielmehr um die Bildung eines überpartei­lichen bürgerlichen Kabinetts, in dem selbstverständlich auch alle bürgerlichen Parteien durch ihnen nahestehende Persön­lichkeiten vertreten sein müssen.

Reichskanzler Dr. Marx mit der Bildung einer überpartei­lichen Regierung beauftragt.

WTB. Berlin, 3. Jan. (Amtlich.) Nach den Bespre­chungen mit den Führern der Reichstagsfraktionen hat der Reichskanzler dem Reichspräsidenten über das Ergeb­nis der Aussprache Bericht erstattet. Da nach der von den Fraktionen eingenommenen Haltung die Bildung einer aus parlamentarischer Mehrheit beruhenden Regierung nicht möglich ist, hat der Reichspräsident den Reichs­kanzler Dr. Marx beauftragt, eine dieser parlamentari­schen Lage Rechnung tragende Reichsregierung zu bilden. Reichskanzler Dr. Marx hat den Auftrag angenommen.

Bemühungen des Reichskanzlers zur Bildung einer überparteilichen Regierung.

- Berlin, 5. Jan. Reichskanzler Dr. Marx führte gestern, derZeit" zufolge, im Sinne des ihm erteilten Auftrags zur Bildung einer überparteilichen Regierung Verhandlungen mit verschiedenen der Deutschnationalen Volkspartei nahestehenden Persönlichkeiten. . Wie verlau­tet, soll es sich dabei um die Neubesetzung des Reichs­ministeriums des Innern und des Reichswirtschaftsmini­steriums handeln. Wie die Blätter bemerken, wird der Stand der Verhandlungen nicht als ungünstig bezeichnet. Im Laufe des heutigen Nachmittags wird es sich zeigen, ob die Besprechungen zu einem positiven Ergebnis führen. DerMontag" will wissen, daß für die Besetzung des Wirtschaftsministeriums Ministerialdirektor a. D. Neuhaus und für den Posten des Innenministers Vizepräsident v. Kries in Frage kämen. Die genannten hätten sich ihre Entscheidung bis heute Vorbehalten. Wie das Blatt weiter schreibt, hat man in parlamentarischen Kreisen den Eindruck, daß die Deutschnationalen eine derart umgeän­derte Rei'chsregierung unterstützen würden, allerdings unter der Voraussetzung, daß die Deutsche Volkspartei in Preußen alle Anstrengungen macht, um auch dort eine auf dem gleichen Prinzip aufgebaute Regierung herbei­zuführen.

Ernste Lage in Italien.

Rom, 4. Jan. Die Kammer wurde aus un­bestimmte Zeit vertagt. Es wird mit ungewöhn­lichen Maßnahmen der Regierung in den nächsten Tagen gerechnet.

In seiner gestrigen Kammerrede sagte Mussolini der Opposition Krieg bis aufs äußerste an und stellte sich in Anknüpfung an seine alte Biwakrede auf den antiparlamentarischen Boden. Er forderte die Oppo­sition auf, Strafklage gegen ihn nach Art. 47 der Ver­fassung vor der Kammer zu stellen. Jedenfalls übernehme er als Führer der historischen Bewegung jede Verant­wortung für alle geschehenen Gewalttaten. Mit Liebe oder Gewalt werde er Italien den Frieden geben. Jedenfalls müsse sich binnen 48 Stunden die Lage klären. Die Regierung sei nicht gewillt, die Fortsetzung des bis­herigen Zustands zu dulden, sondern werde nötigenfalls die Faszistenscharen loslassen.

Mailand, 4. Jan. Der italienische Innenminister hat im Einverständnis mit Mussolini alle faszistischen Ver­sammlungen verboten.

WTB. Rom, 5. Jan. In politischen Kreisen verlautet, daß die beiden rechtsliberalen Minister des Kabinetts ihre Demission eingereicht hätten. Der Minister­präsident habe sich Vorbehalten, über die Rücktrittsgesuche zu entscheiden.

In der vorgestrigen Besprechung des Ministerpräsiden­ten, des Ministers des Innern, des Arbeitsministers, des Oberbefehlshabers der Earabinieri und des Eeneral- polizeipräsidenten wurde beschlossen, die faszistische Eisen­bahnmiliz teilweise zu mobilisieren, um die Bahn­strecken und die Bahnhöfe bewachen zu lassen. Alle poli­tisch anrüchigen Lokale sollen geschlossen werden. Die Prä­fekten haben Vollmacht erhalten, die Nationalmiliz zu mobilisieren.

Sämtliche Oppositionsparteien sind auf nächsten Donnerstag vormittag 11 Uhr zu einer Vollsitzung einberufen worden.

Schweres SturmweLter.

Mn Sturmwirbel von seltener Stärke hat sich über den nordwesteuropäischen Meeresgebietsn gebildet. Seit 2. Januar wehen über Nordfrankreich und England« zum Teil schwere SüdweMürme: auch in Deutschland hat die Windstärke im Laufe des Freitags vielfach Stärke 68 nach der 13teiligen Beaufortskäla erreicht. Da das Druckgefälle weit nach Süden bis an den Rand der Subtropen ausgreift, werden warme, aus niederen Breiten stammende Luftmassen herangeführt. Tie Tem­peraturen liegen daher bet etwa 10 Grad, im Süden teilweise dis 16 Grad wie mitten im Früb'ing. Auch die Rheinebene brachte es auf 11 Grad Wärme, so daß selbst im höchsten Schwarzwals Tauwetter ein­getreten ist. Neue Sturmwellen branden fortgesetzt vom westlichen Meere heran und dringen immer tie­fer in die festländischen Lufträume ein. Es muß daher in den kommenden Tagen auch in Süddeutschland mit warmen Südweststürmen und starken Regenfällen gerechnet werden.

Bei raschem Barometerfall ist die Temperatur im Hochfchwarzwald bereits am Freitag und Samstag rapid gestiegen. Infolge des Sturmes und der war­men Luftwellen, die über das Gebirge hinstreichen, ist der Neuschnee wieder abgefchmolzen. Im Gebirge hat der Sturm mehrfach Schäden in den Hochwal­dungen angerichtet.

In Norddeutschland wütete die ganze Nacht ein hef­tiger Sturm, der gegen 2 Uhr nachts die größte Stärke erreichte. Zu dieser Zeit gingen Windstöße in einer Geschwindigkeit von 28 Sekundenmetern über Ham­burg hinweg. Nach Mitteilung der deutschen See­warte ist eine wesentliche Aenderung des Wetters nicht zu erwarten, da ein neues Tief über dem Ozean anzieht, das bereits die irische Küste erreicht hat.

WTB. Essen, 4. Jan. Der Sturm, der seit Neujahr hier tobt, hält mit unverminderter Heftigkeit an und steigerte sich nachts noch zu großer Stärke. Der Regen setzt nur vorübergehend aus. Die Temperatur ist dau­ernd außergewöhnlich milde und betrug heute 10 Grad Wärme. Durch den Sturm wurden mehrfach bedeutende Schäden verursacht. Auch sind die Flüsse ununterbrochen im Steigen begriffen. Die Ruhr und die Wupper führen Hochwasser und überschwemmten bereits weite Strecken.

- Berlin, 3. Jan. Nach Meldungen der Blätter aus Frankfurt a. M. wütete dort gestern ein heftiger Sturm, wodurch der Telephon- und der Telegraphenverkehr unter­brochen wurde. Der Eisenbahnverkehr zwischen Frankfurt und Hanau erlitt durch stürzende Bäume eine Störung.

WTB. Düsseldorf, 5. Jan. Infolge der starken Regen­fälle der letzten Tage führt die Düffel Hochwasser, das über die Üfer des südlichen Düsselarmes trat und die Keller der anliegenden Gebäude überschwemmte. Wie aus Elberfeld gemeldet wird, ist das Hochwasser der Wup­per im langsamen Fallen begriffen. Auch aus Solingen und Burg, wo die Ueberschwemmung der Wupper grö­ßeren Schaden angerichtet hat, und wo die Straßen 50 cm hoch unter Wasser standen, ist dieses im Fallen begriffen.

WTB. Essen, 5. Jan. Die Ruhr ist über ihre Ufer getreten. Durch die Fluten sind viele Häuser vom Verkehr abgeschnitten. Die Bewohner und ihr Eigentum mußten durch Boote in Sicherheit gebracht werden. Auch in Mühlheim sind viele in der Nähe der Ruhr liegende Straßen vom Hochwasser überschwemmt. Der Verkehr in den Straßen kann nur durch Kähne auf­rechterhalten werden. Das Steigen des Wassers scheint jedoch zum Stillstand gekommen zu sein. Soweit bisher bekannt geworden ist, sind Menschenleben nicht zu beklagen.

Gescheitert.

WTB. Lorient, 5. Jan. Der DampferDahomp" ist gestern nachmittag an der bretanischen Küste gescheitert. Ein Schlepper ging zur Hilfeleistung ab. An Bord be­finden sich 70 Mann Besatzung, über deren Schicksal man noch im Ungewissen ist.

Eturmswave« in England.

De» Blättern zufolge wurde in ganz England durch den Sturm und die riesigen Regengüsse ungeheurer Schaden angerichtet. Weite Strecken des Landes stehen unter Wasser. Zahlreiche Familien sind in ihren Häu­sern durch die Fluten abgeschnitten. Fünf Personen find ums Leben gekommen. An manchen Stellen mußte der Eisenbahn- und Straßenbahnverkehr eingestellt werden. In Südwales sind Tausende von Bergarbei­tern erwerbslos geworden. Ter Telephondienst wurde ernstlich gestört und die Verbindung mit einer Anzahl von Städten ist unterbrochen. Ter Flugdienst von Crohdon und der Schiffsverkehr von den: Hafen New- Castle und Moppe ist eingestellt.