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Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altensteig-Ltadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und Freudenstadt.

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Nr. 278

Altensteig. Dienstag de« 23 November.

i Jahrgang »924

^ Reichsaußenminister Dr. Stresemann hat in den letzten Tagen in Neustadt a. H., Worms, Freiburg, Karlsruhe, Stuttgart und München gesprochen, jeweils in überfüllten Versammlungen. Seine Ausführungen, die sich im allgemei­nen überall decken, gingen dahin:

Der Minister setzte sich zuerst mit seinen Kritikern, na­mentlich auf deutschnationaler Seite auseinander und be» zeichnete zunächst als einen Wendepunkt unserer Entwick­lung den 15. November v. Zs., mit dem die Rentenmark Zahlungsmittel wurde. Dieses Kind fand zuerst eine uner­freuliche Begrüßung, denn alles, was von der Regierung kam, war ohne weiteres verdächtig. Als das Kind aber dann gut gedieh, da meldeten sich so viele Väter, wie es sonst nicht üblich ist. Es handelte sich darum, die Finanzen des Reichs in Ordnung zu bringen, den Etat zu balancieren und zu zeigen, daß wir aus eigener Kraft bestehen können. Ohne die rigorosen Maßnahmen in Bezug auf Arbeitszeit, Gehälter und Steuern wäre es nicht gelungen, Kredit in der Welt zu finden und doch ist die Staatspolitik und Völ­kerpolitik vielfach nichts anderes als eine Kreditfrage. Erst nachdem diese Dinge in Ordnung gebracht und sogar lieber« schösse erzielt worden waren, konnte ein Problem praktisch angepackt werden, das die Menschen mit Recht bewegt, die Aufwertungsfrage. Das Schlimmste in dieser Frage war nicht die bisherige Zurückhaltung der Regierung, sondern die Rechtsprechung, die viel zu lange an dem Begriff der Mündelsicherheit und dem Grundsatz, daß Mark gleich Marl sei, festgehalten hatte. Das Reich muß in einem Ausmaß, das in seiner Fähigkeit liegt, die Verzinsung der vor Frie densschluß gezeichneten Kriegsanleihe anerkennen und auck dm Hypothekengläubigern Gerechtigkeit widerfahren las­sen. Hinsichtlich der Besoldungsordnung darf es nicht so wei, kommen, daß'wir alle führenden Köpfe in den Ministerien an die Privatwirtschaft verlieren und daß die unteren uni mittleren Beamten unter dem Existenzminimum bleiben Zu den Fragen der Außenpolitik übergehend, wandte fick der Minister gegen den Vorwurf, daß es feiner Politik an Schneid gefehlt habe. Die materielle Macht, Heer und Ma­rine, fehlen uns, und es wäre unverantwortlich gewesen; wenn ich mich als Außenminister über das Fehlen dieser Macht getäuscht hätte. Weiter rechtfertigte der Redner die Annahme der Einladung zur Sachverständigenkonferenz nach London und schilderte die Vorgänge Lei den dortigen Verhandlungen sowie deren Ergebnisse. Die Londoner AK machungen waren eine Folge der Erkenntnis, daß Deutsche land in der Weltwirtschaft nicht ausgeschaltet werden kann. Die Bedeutung Londons liegt darin, daß die Frage Deutsch­land aus der Sphäre der reinen Machtpolitik herausgehoben und in die Sphäre der reinen Wirtschaftspolitik gebrachi wurde. Es ist falsch, von einer Schuldknechtschaft Deutsch­lands zu reden, man muß es vielmehr begrüßen, daß es ge­lungen ist, durch die Anleihe Zehntausende von' Menschen an den künftigen Geschicken des Reiches zu interessieren und daß wir einer Sanktionspolitik nicht mehr allein Segenüberstehen. So waren die Londoner Verhandlungen ein Schritt vorwärts, der Anfang, der einmal gemacht wer­den mußte, und dieser Schritt war der wichtigste, weil ihm die anderen automatisch Nachfolgen. Besonders aktuell war, was der Minister zum Fall Nathustus sagte, wobei er sich unter lebhaften Pfuirufen der Versammlung gegen die fran- Mche Methode wandte. Das Auswärtige Amt hat dem weneral von erster Stunde an zur Seite gestanden und ihm einen Vertreter beigegeben, mit dem ich am nächsten Mon- «8 in Berlin beraten werde. Inzwischen war der deutsche Botschafter beim französischen Ministerpräsidenten und ich habe Grund zu der Annahme, daß sich ein Weg finden wird, durch den sich das Unrecht beseitigen läßt. Frankreich tüte 8ut daran, diejenige Entspannung der Beziehungen, auf dis ^ selbst bei den Londoner Verhandlungen Wert gelegt, Wcht zu belasten durch eine Justiz, die diesen Namen nicht verdient. (Stürmischer Beifall.)

Begeisterung weckte der Minister auch, als er sich mit dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold beschäftigte. Wenn ich als alter Burschenschafter gelegentlich das schwarz-rot-goldene Band trage, so ist es nicht das des Reichsbanners und wenn ^s. Reichsbanner darauf beruft, daß auch die Lützow« Wen Jäger die schwarz-rot-goldene Farbe führten, so ist zu kwidern, daß diese Jäger niemals einen Professor Basch us Paris zu sich eingeladen hätten. Die alten Demokraten aren national bis in die Knochen und schwärmten für? a großes und starkes Deutschland. Das Reichsbanner hat * die Farben, aber nicht den Geist übernommen. Endlich "oidigte der Minister noch seine Haltung zu den Deutsch­

nationalen, zu denen ihn zwar nicht sein Herz hinzieHe,^ge­gen die er sich aber grundsätzlich ebensowenig ablehnend verhalte, wie gegen die Sozialdemokratie. In einem parla­mentarisch regierten Lnnd" ist es notwendig, daß alle Par­teien einmal zur Veranrworrung herangezogen werden; ob man es dann ans Liebe oder Bosheit tut, ist eine andere Frage. (Heiterkeit.) Die Demokratie, die mir reaktionäre Einstellung vorwirft, treibt eine Politik mit doppeltem Bo­den, denn ihre Vertreter im Reichskabinett haben in der Frage der Beteiligung der Teutschnationalen an der Re­gierung keine andere Stellung eingenommen als ich.

Zum Schluß seiner temperamentvollen Rede bezeichnete der Minister noch vier Dinge als notwendig für das deutsche Volk; Den nationalen Gedanken, der unter Achtung vor dem Großen in Deutschlands Vergangenheit sich nicht über­hebt, aber auch sich nichts vergibt, daß die Parteien sich nicht als Selbstzweck, sondern sich nur als Mittel ansehen, um dem Staate zu dienen, die Erziehung zu der Erkenntnis, daß nur befehlen kann, wer gehorchen gelernt hat, und end­lich die Aufgabe des Klassenkampfes und die Achtung jedes Mensche«, der sich und die Sernigen in ehrlicher Arbeit vor­wärts gebracht hat. Daraus muß sich die deutsche Zukunft aufbauen. Wir selbst sind nur Wegbereiter für Söhne und Enkel, denen wir hoffentlich ein Deutschland hinterlassen, das aufsteigt zu der Macht und der Stellung unter den Völ­kern, auf die wir ein Recht haben nach unseren Leistungen in der Geschichte.

Wahlrede des Reichskanzlers.

Köln, 23. Nov. In der Messehalle sprach Reichskanzler iDr. Marx. Gleichzeitig fand im Ehrenhof der Messe eine -Parallel-Versammlung statt, der die Ausführungen des Reichskanzlers mittels Lautsprechers übermittelt wurden. Der Reichskanzler führte u. a. aus: Wer eine Politik der Verständigung beginnt, der muß sie auch zu Ende führen. Wir find dazu bereit, lind wir hoffen, daß nunmehr Frank­sreich und die französische Regierung auch im Hinblick auf Die kommenden Entscheidungen von dem gleichen Gedanken sbeseelt sind, der allein zu einer Befriedung Europas führen -kann. Ich bedauere es außerordentlich, daß m die Zeit der sin London emgeleiteten und seither doch sichtbar fortgeschrit­tenen Entspannung der deutsch-französischen Beziehungen die Verhaftung und Verurteilung des Generals von Nathu- sius gefallen ist. Ter beklagenswerte Zwischenfall hat uns leider allzu lebhaft wieder die Erinnerung an frühere ge­fährliche Tendenzen nach dem Weltkriege wachgerufen. Ich kann aber einstweilen die Hoffnung nicht aufgeben, daß die bisherig Behandlung des Falles in Frankreich doch nicht als ein wirkliches Wiederaufleben solcher Tendenzen, son­dern nur als Einzelsall angesehen zu werden braucht, bei dessen weiterer Behandlung die französische Regierung dem ^berechtigte« Empfinden des deutschen Volkes und dem bei­derseitigen Streben nach Beseitigung der Kriegspsychose Rechnung tragen wird.

^ Zur Aufwertung gab der Kanzler die Versicherung ab, haß die Regierung keinen Augenblick die Frage aus dem kAuae verloren bat. wie die durck Kriea und Inflation eis« getretene Vermögenseinbuße so weit wie irgend möglich ver­mindert und erleichtert werden könnte. Sobald der Reichs­tag zusammentritt, sollen ihm Vorschläge von der Reichs­regierung vorgelegt werden, die über die im Anfwertungs- ausschuß des Reichstags von Dr. Luther gezogenen Grenzen hinausgehen. Aber keinesfalls kann eine Regelung vorge­nommen werden, die den jetzt vielfach in demagogischer Form sich bemerkbar machenden Ansprüchen gerecht wird. Sonst erscheint drohend die ungeheure Gefahr der wieder­kommenden Inflation am Horizonte und ein Zusammen­bruch unserer Sanierungsversuche. Auch nach dem 7: Dezem­ber hat jede praktische Politik zur Voraussetzung, daß wir alle arbeitswilligen Kräfte des Parlaments zusammen­fassen. Der Kern dieser Arbeitsgemeinschaft wird und mutz die Mitte bleiben: Zentrum, Deutsche Volkspartei und De­mokraten; ihre im alten Reichstag erprobte Zusammen­arbeit wird sich, das hoffe ich bestimmt, auch im neuen be­währen. Die Führung muß in der Mitte bleiben und die Parole muß heißen: Durch Arbeit zu; Freiheit! Wer diese Politik chrlich unterstützen will, der ist «ns willkommen» einerlei, ob er rechts oder links von uns steht. Wen es aber zur Regierung drängt, um diese Politik der Prüfung im Rahmen des Möglichen, diese Politik der Verständigung zll sabotieren und sie ins Gegenteil zu verkehren, dem rufen wir heute schon zu, daß wir mit ihm keine Gemeinschaft nrachen.

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Neues vom Tage.

Die Lohnbewegung.

Berlin, 24. Nov. Mit den am Tarifvertrag für die Ar-' beiter der Deutschen Reichspost beteiligten Arbeitnehmer­oereinigungen ist am Samstag in Berlin nach äußerst schwierigen Verhandlungen ein «euer Lohntarif abgeschlos­sen worden. Hiernach erhalten die Arbeiter ab 15. Novem­ber ds. Js. eine Lohnerhöhung von im Durchschnitt 5 v. H. mit der Maßgabe, daß ein 24jähriger Arbeiter in allen Lohngruppen und Ortsklassen eine Zulage von mindestens vier Pfennig für die Stunde erhält.

Die Deutsche Reichsbahnzesellschaft wird sich in der Er­höhung der Beamtengehälter dem Vorgehen des Reiches an­schließen. Die Lohnerhöhung für Arbeiter beträgt durch­schnittlich 9 Prozent. Für die Arbeiter wird ebenso wie für die Beamten der Gruppen 16 die Erhöhung der Bezüge mit Wirkung vom 16. November ab vorgenommen.

Berlin, 24. Nov. Die Spitzenverbände der Beamtenschaft sind am Samstag Leim Neichsfinanzminister vorstellig ge­worden, sie gaben eine Erklärung ab, die insbesondere für die unteren Eehaltsklasseu Aufbesserungen über den Um­fang der gewährten hinaus fordert. Der Reichsfinanzmini­ster erklärte, daß den Wünschen der Beamtenschaft nur in­soweit Rechnung getragen werden könnte, als die vorge­sehene Erhöhung für die Veamtengruppen 16 bereits ab 16. November gewährt werden sonne. Das sei die äußerste Belastung, die vom Reich und von den Ländern, vor allem von der Reichsbahngesellschaft, übernommen werden könne.

Ansprache Hindenburgs.

Göttingen, 24. Nov. An einer Denkmalsweihefeier für die gefallenen Lehrer und Studenten der Göttinger Uni­versität nahm auch Eeneralfeldmarschall v. Hindenburg teil. Nach der Weiherede hielt Hindenburg fogende kurze An­sprache:Die Gefallenen haben im Glauben an Deutsch­lands Größe ihr Leben hergegeben. Ihr Blut kann und darf icht vergebens vergossen sein. Werbe jeder an seiner Stelle dafür, daß der Geist von 1914, der Geist der Treue, der Einigkeit, der selbstlosen Hingabe an das Vaterland des nationalen Stolzes wiederkehre. Dann werden wir mit Got­tes Hilfe unser geknechtetes Vaterland wieder zu Ehren Dringen, und damit ehren wir am besten unsere gefallenen Brüder."

Die Handelsvertragsverhandlungen.

Berlin» 24. Nov. Am Montag wurden hier die deutsch­japanischen Handelsvertragsverhandlungen begonnen. Auf deutscher Seite werden sie von Ministerialdi- ektor Knipping; auf japanischer Seite von dem Berliner Botschafter geführt Werden.

Paris, 24. Nov. Die deutsch-französischen Handelsvertrags» Verhandlungen wurden am Montag mit den Einzelfragen fortgesetzt, und zwar werden zuerst die Angelegenheiten der Metallindustrie erörtert werden.

London, 24. Nov. Zu den deutsch-englischen Handelsver» tragsverhandlungen ist die deutsche Abordnung unter Füh­rung des Ministerialdirektors v. Schubert hier eingetroffen^ Bei den Verhandlungen in Berlin ist eine vorläufige Eini­gung auf Grundlage gegenseitiger Meistbegünstigung er­reicht worden.

Englands letztes Wort.

Kairo, 24. Nov. Einige Stunden «ach Erhalt der ägypti­schen Antwort hat Lord Allenby seinerseits eine neue äußerst scharfe Rote an das ägyptische Kabinett gerichtet. Darin heißt es, daß er selbst die Regierung des Sudan an­gewiesen habe, den Rückzug der ägyptischen Offiziere und der ägyptischen Truppen aus dem Sudan zu veranlassen und das Gebiet bei Eezira nach Gutdünken zu bewässern. Die englische Note lautet dann weiter: Euer Exzellenz werden ini gegebenen Augenblick erfahren, welche Maßnahmen er­griffen werden angesichts ihrer Weigerung, der Forderung betreffend den Schutz fremder Interessen stattzugeben. Lord Allby verlangt, daß die Zahlung der 500 MO Pfund bis Montag mittag geleistet ist.

Britische Flottendemoustration.

- Kai», 24. Nov. Britische Truppen und 500 Matrosen vom SchlachtschiffValiant" werden in Alexandria eine Demon­stration unternehmen.

London, 24. Nov.Daily Mail" meldet aus Kairo um 11.30 Uhr nachts . Man erwartet, daß Zaglnl Pascha zurück­treten wird. Die Minister beraten seit mehreren Stunden. Für Montag wird eine bedeutsame Entwicklung erwartet.