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Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altensteig-Ltadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und Freudenstaöt.

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Nr. 277 ? Attensteig. Montag de« 24. November. _ j Jahrgang l924

England und Ägypten.

Die ägyptische Kugel, die den höchsten britischen Offizier im Lande getroffen hat, reißt mehr als eine körperliche Wunde auf. Als England 1882 militärisch in Aegypten ein­schritt, sagte Bismarck:England hat Aegypten so nörkg wie das liebe Brot." In Aegypten wird das britische Welt­reich an seiner verwundbarsten Stelle getroffen. Es muß den Suezkanal als die nächste Passage nach Indien in sei­ner Hand behalten, und es kann den Sudan nicht aufgeben, wenn es Afrika von Kairo bis zum Kap beherrschen will. Beides aber ist nötig, um die kompakte Landmasse zusam­menzuschließen, die den Indischen Ozean zu einem britischen Binnengewässer macht. Das Dreieck Kap-Käiro-Kalkutta umschließt die Basis, auf der das britische Weltreich ruht. Aegypten ist sein Scheitelpunkt. Hier stößt die asiatische Sphäre Großbritanniens mit der afrikanischen zusammen. Niemals wird England von dort weichen, es sei denn durch Zwang.

Für solchen Zwang genügt die Kugel, die ein ägyptischer Nationalist auf den britischen Befehlshaber geschossen hat, nicht. Sie kann vielmehr leicht die entgegengesetzte Wirkung erzielen. Denn sie muß in England die Tendenz verstärken, die Aufhebung des englischen Protektorats in Aegypten, die am 28. Februar 1922 erfolgte, rückgängig zu machen. Die Londoner Presse nimmt bereits eine sehr energische Stellung ein, und auch diejenigen Blätter, die noch nicht bis zu dieser Forderung gehen, benutzen das Attentat doch zur Rechtfertigung des Rufes nach schärfsten Maßnahmen >ind zu der'Ekklärung, daß nach dem Attentat auch die letz­ten Aussichten der ägyptischen Politik auf Einverleibung des Sudans verschwunden seien. . >

In der Tat sind sie niemals vorhanden gewesen. Nach dem, was England für die Eroberung des Sudans durch Kitchener 1896 bis 1898 an militärischer Kraft und mehr noch an politischem Risiko eingesetzt hat, als es bei Faschoda aus Frankreich stieß, dessen Ansprüche, ein großes französi­sches Kolonialreich in Afrika zu gründen, gegen die briti­schen Interessen anlief, vor allem aber aus den oben dar­gelegten Zukunftsgründen kann England auf den Sudan nicht verzichten. Es müßte eine folgerichtig seit Jahrzehnten verfolgte Linie abbrechen, wenn es das täte. Und das tut es gewiß nicht.

Die grundsätzliche Unabhängigkeit, die Aegypten seit 1922 besitzt, ist kein Grund, der auch nur im geringsten dazu drän­gen konnte. Wenn England vor zwei Jahren zuließ, daß Aegypten wieder einen eigenen König erhielt und sich eine Verfassung schuf, so geschah das nicht, um mehr als einen Schein des Rechts aufkommen zu lassen. Militärisch blieb es gm Kanal und im Lande. DieTimes" schrieb, daß es besser sei, der jetzige Ministerpräsident Zaglul Pascha, der, kaum zurückgetreten, seinen Rücktritt auch schon wieder rück­gängig gemacht hat, behalte die Macht, als daß sie in andere Hände käme. Zaglul Paschas Programm enthält als einen de: Hauptpunkte, daß der Sudan als ein integrierender Be­standteil Aegyptens zu betrachten sei. England kann Zaglul Pascha das gut sagen lassen. Er bändigt durch dieses Wort die Ausschweifungen des extremen ägyptischen Nationalis­mus, indem er ihm Hoffnungen vorspiegelt, aber verwirkli­chen wird er diesen Programmpunkt Nicht.'Darum hat die Times" vom britischen Standpunkt aus recht, wenn sie die konstitutionelle Macht des Landes lieber in Zagluls Hän­den sieht, als in den Händen der Kreise, die noch nationali- lüscher sind als er.

Hegen sie wird sich England jetzt mit verdoppelter Schärfe wenden. Das Attentat bietet ihm die Handhabe dazu. Von dieser schärferen Politik wird aber alles, was in Aegypten unabhängig denkt, betroffen werden. Es ist' darum erklär­lich, daß sowohl der König Füad, als aüch sein Ministerprä­sident Zaglul Pascha ihren Abscheu über den Anschlag aus­sprechen. So stark die Gegensätze zwischen ihnen auch-sind, uwil dem König absolutistische, ja vielleicht, gar orientalisch­despotische Neigungen nachgesagt werden, die dem konsti-' iutionellen Ministerpräsidenten nicht genehm sein können, u> dieser Frage fallen ihre Interessen zusammen.'Sowohl England gegenüber, als auch dem extremen Nationalismus im Innern des Landes gegenüber, denen Zaglul Pascha ver- bachtig ist, England mehr Konzessionen machen zu wollen,

, ihren Absichten entspricht, müssen beide die gleichen Auf­gaben vor sich sehen- ' i

Auf die große, Politik werden diese Kundgebungen keinen ..uislnß haben. England wird ein schärferes Eingreifen der Optischen Sicherung gegen die Nationalisten'durchsetzen

und zugleich gegen die auf den Sudan abzielende Politik des Landes einen schweren Schlag führen.

London, 22. Nov. DieTimes" melden heute morgen aus Kairo, daß die Mörder des Sirdars verhaftet sind. Der Wa­genführer, der den Wagen der Mörder auf der Flucht ge­führt hat, und dann sofort festgenommen worden war, legte ein vollkommenes Geständnis ab, seine Angaben machten es möglich, die Mörder sofort festzunehmen.

Englische Maßnahmen gegen Aegypten.

London, 23. Nov. Der amtliche englische Funkdienst be­tont zu der durch die Ermordung Sir Lee Stacks zwischen England und Aegypten geschaffenen Lage die Möglichkeit,

. die Regelung der im Vertrag von 1922 offen gelasse­nen vier Fragen erheblich erschwert, in mancher Hinsicht sogar unmöglich gemacht würde. Schon der Ausgang der Londoner Verhandlungen mit Zaglul Pascha und die fort­währenden aufreizenden Reden ägyptischer Politiker hät­ten bewiesen, daß die englisch-ägyptischen Beziehungen nicht auf dem Wege der Aussprache geregelt werden könnten, son­dern daß England zur Aufstellung bestimmter Grundsätze gezwungen sei. Die Annahme sei durch den Vorfall in Kairo voll bestätigt worden. Es sei anzunehmen, daß die während der nächsten Tage erwartete englische Note an. die ägyptische Regierung feste und bestimmte Forderungen stellen wird.

WTB. Kairo, 22. Nov. Der britische Oberkommissar Lord Allendy begab sich heute nachmittag 5 Uhr, eskor­tiert vone in emKavallerieregiment, zum ägyp­tischen Premierminister Zaglul Pascha und übergab ihm die englische Note. Der Besuch dauerte 5 Minuten.

Neues vom Tage.

Nachtragsetat zum Reichshaushalt.

' Berlin, 23. Nov. Aus dem Nachtragsetat zum Reichshaus­halt für 1924 ist im einzelnen zu erwähnen, daß die Dienst­aufwandsgelder des Reichskanzlers und der Reichsminister erhöht werden soll und daß an einmaligen Ausgaben u. a. Zuschüsse gefordert werden zu den Kosten der Kaiser Wil­helmsgesellschaft, für Zwecke der studentischen Wirtschafts­hilfe für Notstandsbeihilfen, für das Wohn- und Siedlungs­wesen, für die Beteiligung des Reichs an der Neckar A. G. und an der Rhein-Main-Donau A. E., für die Fortsetzung von Kanalbauten, sowie für die Erweiterung von Beteili­gungen an Kraftverkehrsgesellschaften. Der Berichterstatter des Reichsrats hob hervor, daß in Zukunft infolge der Re- Parationslasten nach dem Dawesplan 1247 Millionen Mark zur Bestreitung der allgemeinen Reichsausgaben fehlen und daß diese anderweit aufgebracht werden müssen. Mit einer Wählbaren Linderung des Steuerdrucks werde also lange Jahre nicht zu rechnen sein. Der Reichsrat genehmigte ferner ein provisorisches Handelsabkommen zwischen Deutsch­land und Griechenland, wonach beide Staaten sich gegen­seitig de facto die Meistbegünstigung einräumen.

Der Fall Nathusius.

Berlin, 23. Nov. Im Aufträge der Reichsregierung hat der Botschaftssekretär v. Rintelen an der Kriegsgerichts- Verhandlung gegen den General v. Nathusius in Lille teil­genommen. Er wird in allernächster Zeit in Berlin zur Be­richterstattung eintreffen. Die Reichsregier.mg erwartet mit Recht den Bericht ihres Vertreters über das ganze Verfah­ren in Lille ab, bevor sie sich über etwaige weitere Schritte in der Angelegenheit schlüssig wird: Die Erregung über die Verurteilung des Herrn v. Nathusius ist oegreiflicherwcise groß, da man es wirklich keinem Unbefangenen zumuten kann, sich durch die Art der Verhandlungsfüh.rung, die in Lille beliebt wurde, vond er Schuld des deutschen Generals überzeugen zu lassen. So ist es gar nicht anders möglich, als haß der Spruch des Liller Kriegsgerichts als ein Ten­denzurteil aufgefaßt wird. Daß die Regierung alles tun wird, daß sie. alle Rechtsbehelfe - ergreifen wird, um' die Freilassung und Rehabilitierung des Generals v. Näthu- sius zu erwirken, hat sie bereits versichern lassen. Was im einzelnen geschehen kann, wird erst dann festzustellen sein, wenn der Bericht über den Prozeß in Berlin vorliegt.

London» 23. Nov. Der Berliner Berichterstatter des Daily Telegraph" bemerkt zu dem Urteil gegen General Nathusius, vo: neuem .erreichte die-französische Nation das Wunder, die deutsche Nation zu einigen. Unter allen Par­teien und Klassen Deutschlands herrsche die allge'n.'ne und unbedingte Ueberzeugung, daf-'Nathnstus nicht hätte vor'sin Gericht gebracht werden dürfen.

! Paris, 23. Nov. Havas meldet aus Lille, Rechtsanwalt ! Nicolai habe sich in das Gefängnis begeben, wo er sich mit s Nathusius unterhielt. Dieser hat auf seinen Rat ein Nevi- ; sionsgesuch unterzeichnet, welches sich auf gewisse prozessuale : Unregelmäßigkeiten des Verfahrens stützt. Der Gefangene, r der wahrscheinlich noch so lange Erleichterungen genießen uürd, bis seine Revision erledigt ist, erhob wiederum gegen seine Verurteilung Protest und erklärte, daß er unschuldig sei.

Dr. Eckeners Empfang.

Hamburg, 23. Nov. Dr. Eckener ist an Bord des Dampfers Columbus" am Sonntag in Vremerhafen eingetroffen. Die Vertreter der Reichs- und Staatsregierung, der Stadt Bremerhafen, der Zeppelingesellschaft u. a. sind demEo- lumbus entgegengefahren und haben Dr. Eckener auf hoher See begrüßt.

Die Parteizersplitterung in Bayern.

München, 23. Nov. Bei dem Wahlleiter für den Reichs­tagswahlkreis Oberbayern-Schwaben sind nicht weniger als 15 Wahlkreisvorschläge eingereicht worden. Außer hen be­reits bekannten neun politischen Parteien sind unter den Wahlvorschlägen vertreten: der Starkbund, die Aufwer­tungspartei, der Freiwirtschaftsbund, die Wirtschaftspartei des deutschen Mittelstandes, der Häußerbund und die Auf- wertungs- und Sparerpartei.

Das Genfer Protokoll.

Paris, 23. Nov. Unter dem Vorsitz Herriots hielten die französischen Delegierten beim Völkerbund eine Beratung ab, worin sie sich mit der Frage beschäftigten, welchen Stand­punkt, man angesichts der^Tatsache eiynehwey wolle» daß die englische Negierung sich vorerst nicht mit dem Genfer Pro­tokoll befassen will. Die französische Regierung, so wird offi­ziös erklärt, begreife wohl die Notwendigkeit des englischen Kabinetts, sich mit den Dominions zu verständigen, bevor es eine Entscheidung treffe. Die Aufschiebung der Prüfung des Protokolls gestatte ein tiefgründigeres Studium der aufgeworfenen Friedensprobleme als es in Genf möglich war. Die augenblickliche Vertagung könnte aber Frankreich in keiner Weise dazu veranlassen, seine Unterschrift, die es in Genf gab, zu verleugnen. Die schließliche Ratifizierung des Dokuments hänge von einer Reihe von neuen Unter­schriften ab, die man wohl bis Mitte des kommenden Jah­res erreichen könnte.

Frankreichs neue Morgananleihe.

Paris, 23. Nov. Finanzminister Clementel hat zu Be­ginn der Freitag-Nachmittagssitzung der Kammer einen Ge­setzentwurf vorgelegt, der die Eröffnung eines neuen Kre­dits in Höhe von 100 Millionen Dollar vorsieht, den die Bank Morgan der französischen Regierung gewährt. Die Anleihe wird zyu einem Zinssatz von 7 Prozent aufgelegt und soll innerhalb 25 Jahren getilgt werden. Die Verrech­nung geschieht auf Grund eines Dollarkurses von 5,18 Gold- franken. Der Anleihebetrag fließt in die Kasse der Bank von Frankreich für dem Staate gewährte Vorschüsse. - Neuyork, 23. Nov. Das Haus Morgan teilt mit, daß die französische Anleihe am Montag zur Zeichnung aufgelegt wird. Dies ist die zweite große Regierungsanleihe,, die in der Wallstreet als Ergebnis des Dawesplanes aufgelegt wird.

, : (der Geldgeber Europas.)

Defensivbiindnis zwischen Serbien und Griechenland.

Belgrad, 2ss. Nov. Wie von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, haben die Besprechungen, die den Abschluß eines neuen Vertrages zwischen Griechenland und Jugoslawien zum Gegenständ haben, zwischen Athen und Belgrad bereits begonnen. Es wird die Frage erörtert, ob die Verhandlun­gen auf der Grundlage des Höheren serbisch-griechischen Vertrag!- oder auf neuer Grundlage geführt werden sollen. 'Uebereinstimmnng.-eln bereits darüber, däß das zukünf­tige-Bündnis deu-Ehr, rauer eines Defensivbündnisses er­halten soll.