Grund der erst noch zu erlassenden Wahlordnung neu gewählt werden. Mit Rücksicht hierauf müssen aus Gründen der Zweckmäßigkeit die demnächst stattfin­denden Neuwahlen der Arbeitervertreter im Beirat der Verkehrsanstalten noch einmal nach dem bisheri­gen Wahlverfahren eingeleitet werden.

Die Kinderlähmung. Während die celebrale und spinale Kinderlähmung in Deutschland früher nur in vereinzelten Fällen beobachtet wurde, ist sie in neue­rer Zeit an verschiedenen Orten, so auch in Württem- brg in epidemischer Form aufgetreten. Da die Krank­heit meist beklagenswerte Folgeerscheinungen in Ge­stalt von andauernden Lähmungen hinterläßt, auch häufiger, als man bisher annahm, mit dem Tode endet, so hat das Medizinalkollegium unter Be­nützung der Ratschläge des Kaiser!. Gesundheits­amts in einem im Med. Korrespondenzblatt des Württbg. Aerztlichen Landesvereins veröffentlichten Artikel in Kürze das zusammengefaßt, was sich nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen For­schung und praktischen Erfahrung über die Krankheit und ihre Bekämpfung sagen läßt. Insbesondere wer­den den Aerzten auch Ratschläge gegeben über die Absonderung der Kranken, die Verkehrsbeschränkung für schulpflichtige Personen, sowie für die Des­infettion.

IV, Althengstett, 24. Nov. Die Feier der Ein­weihung unserer neuhergestellten Kirche hat einen schönen, erhebenden Verlauf genommen. Der Fest­zug, voran der Posaunenchor des Jünglingsvereins von Marbach a. N., sammelte sich vor dem Rathaus und stimmte, auf dem Kirchplatz angelangt, den Vers an: Tut mir auf die schöne Pforte. Der Architekt, Prof. Schuster-Stuttgart, übergab mit einigen Worten den Schlüssel zur Kirche dem Ortspfarrer, Dekan Wunderlich, worauf dieser dankend er­widerte und die Kirche öffnete, die alsbald bis auf den letzten Platz gefüllt war. Weiherede, Schluß­wort und Gebet sprach im Auftrag des Konsistoriums an Stelle des erkrankten Dekans Roos, Prälat von F r o h n m e y e r - Stuttgart, die Festpredigt hielt der Ortsgeistliche. Beim Mittagsmahl, das in der Traube" eingenommen wurde und an welchem etwa 50 Personen, darunter auch auswärtige Gäste teil- nahmen, widmete Prälat von Frohnmeyer dem König Worte ehrerbietiger, treuer Gesinnung. De­kan Wunderlich brachte einen Trinkinruch auf das Konsistorium aus, welches dem Bauwesen schätzenswerte Teilnahme und Unterstützung ent­gegengebracht habe. Schultheiß Braun sprach der Bauleitung und allen, die mitgearbeitet haben, Dank und Anerkennung aus, worauf Prof. Schuster mit freundlichen Worten der Kirchengemeinde als der Bauherrin und besonders ihrer Vertreter, des Orts­geistlichen und des Ortsvorstehers, gedachte. Beim Nachmittagsgottesdienst war die Kirche wiederum gedrängt voll. Den liturgischen Teil hatte Stadtpfarrer M e z g e r - Haiterbach übernommen, welcher, vor 21 Jahren hier Pfarrverweser, bei der Gemeinde noch in gutem Andenken steht. Zwischen den Schriftverlesungen wechselten Gemeindegesang, Darbietungen des Posaunenchors, Gesänge eines Kinderchors und des Liederkranzes sowie Lieder eines gemischten Quartetts (Pfarrer Jlg, Rechtsan-

Hßolera.

Erzählung aus Nordfriesland von Jngeborg Andresen.

Es war im Cholerajahr 1892. Hamburg war als ver­seucht erklärt; nun suchte man im Lande alles, was von dort kam, abzusperren und unschädlich zu machen.

Auch in Siethwende, einem Marschdorf im süßlichen Schleswig, nistete sich allmählich die Unruhe und die Angst vor dieser tückischen Seuche ein. Wietjen Graff, die Armen­haus-Mutter, kriegte den kleinen Toms Semp dazu, die Pflan­zenbäume zu schütteln und die reifen, saftigen Früchte auf den Düngerhaufen zu werfen. Gottlob hatten Hanne Schütt und Fite Carstens ihn mittels Kautabak vorher so weit be­stochen, daß er vorsorglich reines Stroh unterdeckte. So be­quem hatten die Jungen noch nie das Pflaumeneffen gehabt. Bei Mars Olsen gab s von Anfang August ab einen Tag um den andern steinharte Klöße mit Sirup, ohne Speck und ohne Butter; und als Sievert Markuffen, der Großknecht, eines Sonntags dagegen revoltierte, erklärte Tille, die Haus­frau:Von all 'annere krigt man de Cholera, un so Wat lie ick nicht op Hoff!" Jann Frey, der Postbote, konnte seine Hamburger Zeitungen nicht los werden; nur der alte Lehrer Haase nahm ihm sein Exemplar ab, allerdings mit der Feuer­zange. Und dann trug er s so schnell wie möglich in die Küche, steckte es am Spieß eine Viertelstunde in den heißen Bratofen und las es dann gemütlich in der Frühstückspause, selbstver­ständlich auch mittels Feuerzange.

Ende August ging eines Nachmittags Frie Sierks, der Maurer, in seinem Sonntagsanzug durch die Dorfstraße. Im Frühjahr hatten die Handwerker und kleinen Gewerbetreiben­den, die da in den zwei Reihen niedriger Häuser wohnten, welche sich um die Kirche und den Friedhof scharen, ihn in die Gemeindevertretung gewählt:Dormit dar doch een sttt, de mal op de Disch haut!"

walt Rheinwald, Frl. Weitbrecht, Eidenbenz und Roos) miteinander ab. Besonders die letzteren wa­ren von tiefgehender Wirkung. Nach dem Gottes­dienst war noch eine gesellige Vereinigung in derTraube", die so zahlreich besucht war, daß manche kaum ein bescheidenes Plätzlein fanden. Es ging ein Ton festlicher Freude durch die Versamm­lung, der noch manches Schöne in Gesängen, Dekla­mationen, in ernstem und heiterem Wort, geboten wurde. Mit besonderem Beifall wurde ein Ge­spräch ausgenommen, in welchem 2 Bäuerinnen in gutem Althengstetter Dialekt sich über die neu- hergestellte Kirche aussprachen. Auch eine Anzahl schriftliche Festgrüße, die von auswärts eingelaufen waren, konnte der Vorsitzende Mitteilen. Den größ­ten Eindruck machte eine längere Ansprache, welche der Herr Prälat an seineMitbürger und Mitbür­gerinnen" richtete. Er sprach von seinem Großvater, einemblutarmen, aber hochbegabten" Altheng st etterBllrger und von seinem Va­ter, der durch des Königs Gnade in ein Seminar ausgenommen, zuerst Provisor in Althengstett war, später aber Präzeptor und Pfarrer wurde", in einer solch feinen und pietätvollen Weise, daß man der Versammlung, die in lautloser Stille zuhörte, eine tiefe, innere Bewegung anspüren konnte. Es war der Höhepunkt des Abends, und der Leiter konnte nun den Schluß machen, indem er dem letzten Redner und allen andern, welche zu dem Gelingen des Festes etwas beigetragen hatten, den Dank aussprach.

Alles in allem war es eine schöne, würdige, auch vom Wetter begünstigte Feier, welche gewiß bei allen Teilnehmern in gutem, gesegnetem Andenken blei­ben wird. Die Bauleitung, Th. Dolmetsch und Prof. Schuster-Stuttgart, hat es unter Mitwir­kung des Kunstmalers R e i l e - Stuttgart verstan­den, der Kirche eine Gestalt zu geben, die in ihrer edlen Einfachheit und harmonischen Farbengebung einen stimmungsvollen Eindruck macht, und die Ge­meinde wird sicher in der Freude über ihr neues Gotteshaus auch gerne die Opfer bringen, welche das Bauwesen, dessen Kosten auf 12 000 >4l angeschlagen sind, ihr eine Reihe von Jahren hindurch auferlegen wird.

st. Wildberg, 24. Nov. Stadtpfarrer Dieterich hier ist die Pfarrei Weilheim, Dek. Tübingen, über­tragen worden.

8t. Altensteig, 24. Nov. Finanzsekretär Wid- maier beim Kameralamt Neuffen ist seinem An­suchen entsprechend in gleicher Eigenschaft hierher versetzt worden._

Württemberg.

Der württ. Militäretat.

(Vergl. gestr. Nr.)

In den einzelnen Standorten sind Neu- und größere Umbauten vorgesehen:

Stuttgart-Cannstatt: 1 Mannschafts­gebäude für die Maschinengewehrkompagnie und 1 Unteroffiziergebäude in der Bergkaserne, 1 Dienst- und Kammergebäude für das neue Vezirkskommando II, 1 Kaserne und 1 Offizierspeiseanstalt für 1 Feld­artillerieabteilung mit Regimentsstab, 1 Artillerie­wagenhaus, 1 Geschoßmagazin, 1 Rauhfutterscheune und Erweiterung des Körnermagazins des Proviant-

Seine Frau stand auf der Treppe vor ihrem Haus unl^ sah ihm stolz nach. Einen Augenblick später riß in dem gegen­überliegenden Haus Jann Dirk sche die Tür auf und trat ebenfalls auf die Treppe hinaus. Eifrig strickend stieg sie lang­sam eine Stufe nach der andern hinab; als sie auf der unter­sten war, hielt sie's nicht mehr aus:Wo woll Frie denn hen, Nasche de wär je grui fein!?" Frie Sierk'sche strich sich geschmeichelt lächelnd über ihre gestärkte Schürze und sagte dann gleichgültig:De Lehnsmann hätt schickt he schult mal henkam." Die Andere tat ihr den Gefallen, sich zu ver­wundern:Int beste Tüg tot't Arbeiden, Nasche?" Langsam stieg jetzt auch Stine Sierks von ihrer Höhe herab; sie trafen sich in der Mitte des Fahrwegs:, Nasche, deHerrn" häbbt Sitzung, un Frie hört doch nun dorto! Un weet Nasche wat.?"

Jann Dirk'sche erfuhr als Erste von dem Schreiben des Landrats: die Gemeinde solle an einem abgelegenen Platz eine Baracke errichten für etwaige Cholerakranke, auch für ge­eignetes Pflegepersonal sorgen, und durch Ueberwachung der ankommenden Züge auf der kleinen Station den Zuzug et­waiger Hamburger Flüchtlinge verhindern.

Un Ratmann Hennings sin Kathrine un ehr Kinner sind de letzten wän, de hier von Hamburg rinkam sind Ketel Discher und Jann Ramaker möt erm Besök astelegrafeern, de Lehnsmann hätt glieks sin Knech henschickt." Da aber wallte in Jann Dirk'sche das Klassenbewußtsein auf; sie schlang in der Wut den Wollfaden vier- bis fünfmal um den Finger und sagte giftig:Süh so de grot Buurn häbbt ehr Kinner to Hus, un unsereen ward det verbadn na, wenn Din Frie dor nich bi op de Disch schleit, kann he mit stahln warm! Ick will na Ketel Discher'sche un mal mit ehr snacken; ick in ehr Städ woll mi dor den Neuwel an kehm! Wollt mit?"

Aber Stine Sierks wollte nicht; sie sagte kurzadjüs" und ging etwas bedrückt ins Haus: eigentlich war doch Jann Dirk'sche kein paffender Umgang mehr für sie.

amts. Eßlingen: 1 Kaserne und 1 Offizier­speiseanstalt für ein Bataillon Infanterie. Ulm: Je 1 Doppelkompagniegebäude auf der Wilhelms­burg und bei der Kaserne an der Karlsstraße, 1 Kom­pagniegebäude bei der Kienlesbergkaserne, Anbau­ten an das Kasernement des Jnf.Reg. 127 auf der Wilhelmsburg, 1 Stabsgebäude bei der Gaisberg- kaserne, Ausbau der Kaserne des Ulanenreg. 19 zur Aufnahme der bisher in Wiblingen stehenden 2 Es­kadronen und Neubau einer Offizierspeiseanstalt für dieses Regiment, Unterkunft für die Bespannungs­abteilung des, künftig württ., Fußartilleriebatail­lons 13 und für die Scheinwerferabteilung des Pio­nierbat. 13. Stallungen mit Reithaus und Ge­schützschuppen bei der oberen Donaukaserne für 2 Batterien Feldartillerie, Erweiterungsbauten für das Garnisonlazarett. 1 Rauhfutterscheune und 1 Körnermagazin für das Proviantamt. Unter­bringungsräume für das neu hinzutretende Fuß­artillerie- und das vermehrte Feldartilleriegerät. Munitionsmagazine für Fußartillerie. Lud- wigsburg: Ausbau der Kaserne des Drag.Reg. 25 zur Aufnahme des ganzen Regiments und Neu­bau einer Offizierspeiseanstalt für dieses Regiment,

2 Wohngebäude für verheiratete Unteroffiziere, 1 Schuppen für Feldküchen, 1 Körnermagazin und 2 Rauhfutterscheunen für das Proviantamt. Wein­garten: 1 Doppelkompagnie-, 1 Wirtschafts- und 2 Familiengebäude, 1 Rauhfutterscheune und 1 Kör­nermagazin für das Proviantamt. Tübingen:

1 Kaserne für das neue, 3., Bataillon, 1 Kompagnie­gebäude für das 1. Bat. Jnf.Regts. 180, Neubau eines Earnisonlazaretts. Heilbronn: Er­weiterungsbauten in der Kaserne und Neubau eines Wohngebäudes für verheiratete Unteroffiziere. Mergentheim: ein Kompagniegebäude. Friedrichshafen: Kaserne für die Luftschiffer­kompagnie. 1 Hallenanlage für Lenkluftschiffe mit Anschlußgleis an die Eisenbahn. Ellwangen: Neubauten für die Unteroffizier-Bildungsanstalt. Münsingen: Erweiterung des Lagers, 1 Dampf­waschanstalt, 1 Wohngebäude für Beamte und Unter­offiziere, Erweiterung der Magazinanlagen für das Proviantamt. Vreithülen: 1 Remontestall für 63 Pferde und 1 Wohngebäude für Dienstleute.

Die Krankenunterstützungskasse des Verbands Würt- tembergischer Gewerbevereine und Handwerkerver­einigungen.

Man schreibt uns:

Die Ellwanger Beschlüsse im September d. I. bilden für den Verband aus mehr als einem Grund einen Wendepunkt in seiner Geschichte. Die da­malige Tagesordnung beherrschte die Frage der Schaffung von Einrichtungen und Maßregeln zur unmittelbaren Förderung des Wohls der Verbands­mitglieder. Zu den bedeutungsvollsten dieser Maß­regeln gehört unstreitig die Gründung einer eigenen Krankenunterstützungskasse, die am 1. April 1914 ihre Tätigkeit eröffnen soll. Der Kasse können alle nicht über 50 Jahre alten Mitglieder eines dem Ver­band angeschlossenen Vereines beitreten, welche ihre körperliche und geistige Gesundheit durch ein ärzt­liches Zeugnis Nachweisen. Bei der Aufnahme wird ein Eintrittsgeld erhoben, welches je nach Alter und

Als Lehnsmann Wallichs die Herren der Gemeindever­tretung entließ, war alles in schönster Ordnung. Als Baracke hatte die Gemeinde Müller Gertz' alte baufällige Kate am Mehlbüdelsdiek" für schweres Geld erworben. Der Müller schnalzte heimlich mit dem Daumen in der Hosentasche vor Freude: das war ein Geschäft! Ja, ja,wat den een sin

Uhl.". Nur eins war noch nicht geregelt: den Pfleger

und Aufpaffer hatten sie noch nicht. Als der Lehnsmann nach langem ratlosem Hin- und Herreden dem schweigsamen Frie .Sierks den Vorschlag machte, er, als Hauptmann der stet- willigen Feuerwehr, möchte doch das Amt übernehmen, recht­fertigte der zum ersten- und einzigenmal das Vertrauen seiner Wählerschaft: er schlug mit der Faust schwer auf den Tisch, daß dieHerren" von den Stühlen hoch flogen und Pastor Zacharias der Kneifer von der Nase rutschte, und schrie:Ick schall mi wohrn! Dat do de Herr Lehnsmann man sülm!" Volkert Wallichs aber lehnte sich gemächlich im Stuhl zurück, faltete die fetten Hände über dem Magen, sah den Unbot­mäßigen verwundert an und sagte:Na denn nicht, Frie Sierks. Wenn He vun 't Abenreinmaken lewen kann, is 't je gud."

Nun ging der Sünder mit etwas schlotternden Knien nach Hause: der Lehnsmann würde ihn gewiß nicht wieder zum Ofenreinigen holen lassen. So mußte er dem Wohl seiner Mitbürger persönliche Opfer bringen! Und das Schlimmste stand ihm noch bevor: Stine würde ausführlicher mit ihm reden als der Lehnsmann.

Nach einigen Tagen war auch der letzten Anfordemng des Landrats Genüge getan: ein fremder, arbeitsuchender Schmiedegesell hatte sich freiwillig zu dem Amt gemeldet: der Verdienst war bester und leichter als in Mieke Jürns Werk­statt.

(Fortsetzung folgt.)