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Samstag,
Kinderwohltätigkeit.
Die Tage werden jetzt immer kürzer und draußen ist's unwirtlich rauh. Eisige Winde und Regenschauer machen es alt und jung unmöglich, sich lange im Freien aufzuhalten und herumzutummeln. Infolgedessen macht sich die Behaglichkeit des eigenen Heims wohliger und köstlicher bemerkbar denn je, und schon in den frühen Nachmittagsstunden erleuchtet die Lampe mit mildem Schein das trauliche Zimmer. Nur die Kinder zu beschäftigen, daß sie fröhlich und zufrieden bleiben, ohne die Erwachsenen oder gar die Nachbarschaft zu stören, ist jetzt doppelt schwer. Gewiß hält man sie gerne an, kleine Weihnachtsarbeiten für ihre Lieben anzufertigen und Freude daran zu finden. Man könnte aber die langen Stunden der vorweihnachtlichen Winternachmittage viel besser ausfüllen, wenn man den Wohltätigkeitssinn der Kinder anzuregen versuchte. Es gibt wohl überall in der Nachbarschaft, bei Reinmache- oder Botenfrauen oder auch durch Nachweis der Schulen arme Kinder, denen helfende Liebe not tut, denen eine gütige Hand ein wenig Freude ins dürftige Stübchen tragen könnte, in dem Krankheit und Armut wohnen. Ich erzählte einmal den Kindern eines wohlhabenden Hauses von solchem Leid, und schnell war bei ihnen und den gerade anwesenden Spielgefährten der Wunsch, zu helfen, erwacht. Sie wollten die Eltern um Gaben «kitten und wußten, daß es nicht umsonst sein würde.
„Ja, das ist sehr schön, aber würde es euch denn nicht viel mehr Freude machen, selber etwas zu tun für diese Aermsten, als nur den mildee Sinn anderer dafür in Anspruch zu nehmen?" fragte ich.
„Ja, gewiß, Tante, aber natürlich! Aber wenn wir nur wüßten wie? Wie sollen wir's ansangen? Sag' uns doch, wie wir's machen sollen!" So schwirrte es um mich her. Die Augen glänzten erwartuegsvoll, die jungen weichen Herzen waren offen und zur helfenden Liebe bereit.
Lächelnd sah ich mir die blonden und braunen Köpfe der Mädels und Knaben an, die mich umringten.
„Wie ihr's machen sollt? Das will ich euch sagen, ihr sollt die Mittel für die Gaben nicht mühelos erbitten, sondern sie selbst erwerben. Dann erst werden sie für euch und die Beschenkten den richtigen Wert haben.
Ihr könnt doch alle schon kleine Arbeiten machen, nicht wahr? Ja gewiß, ich weiß. Du, Heinz, fertigst Laubsäge- und Schnitzarbeiten, Grete kann hübsch zeichnen, Karl macht nette Liebhaberbilder, Lotte kann sticken und selbst unsere ganz kleine Maus, die Ema, kann schon ein Seifläppchen stricken und einen Zwiebelbeutel häkeln."
„Ja, Tante, das können wir, und das machen wir auch oft, aber was sollen denn damit die armen Kinder? So was kann ihnen doch nichts nützen?"
Ich streichelte das blühende Gesichtchen meiner verständigen Lotte, deren praktischer Sinn sich schon regte.
„Freilich nicht, mein Liebling. Aber ihr sollt nun jedes eine Anzahl von den Dingen, die ihr Herstellen könnt, anfertigen, und euch rechte Mühe geben, damit alles recht schön wird. Wenn dann die Sachen fertig sind, laden wir die Tanten, Onkels und guten Freunde ein, bauen alles auf einer weißgedeckten Tafel, die wir mit Tannen schmücken, hübsch auf, stecken an jedes Stück ein Zettelchen mit einer Nummer und veranstalten eine Verlosung. Es nimmt euch wohl jeder einige Lose ab. Dann habt ihr einen Erlös eurer Arbeit und könnt aus eigenen Mitteln und eigener Kraft zwei oder drei armen Kindern eine Weihnachtsfreude machen."
Heller Jubel umbrauste mich, jedes stürmte auf mich ein mir voller Eifer seine Pläne mitzuteilen. Meine Anregung war auf fruchtbaren Boden gefallen, daß ich der Fülle des rasch emporblühenden Segens mich endlich durch die Flucht entziehen mußte. In den folgenden Wochen hatte ich oft Gelegenheit, zu sehen, mit welchem Fleiß und welcher Freude meine jungen Freunde am Werke waren. So vergingen die langen Winternachmittage im Fluge, und Unlust, Langeweile, Unarten und Unzufriedenheiten waren aus dem traulichen Zimmer verbannt. Drei Wochen vor dem lieben Weihnachtsfest wurde ich eines Tages strahlend empfangen mit der Botschaft: „Nun sind wir fertig." — Dann kam der Tag der Verlosung. Jeder der Erwachsenen gab gern sein Scherflein her und freute sich an den Werken von Kinderhand, die er dafür gewann. Steckten doch soviel Fleiß, soviel Eifer und gütige Gedanken darin. Die Kinder hatten sich bei der Verlosung nicht etwa aufgeputzt, wie es die Großen auf den Basaren so gerne tun. O nein, schlicht und einfach mit sauberen
Zweites Blatt zu Nr. 27H.
Schürzchen walteten sie ihres Amtes am Verlosungstisch und mußten sich prüfende Augen und offene Urteile für ihre Arbeiten gefallen lassen. Dann durften sie aber auch selber Vorschläge machen, wie ihre Einnahme am besten und nützlichsten zu verwenden sei, durften mit den Erwachsenen in die Geschäfte gehen und unter ihrer Anleitung selber Ankäufen für ihre Schutzbefohlenen. Dabei' hatten die Kinder auch einen Begriff davon bekommen, daß es Mühe macht, Geld zu erwerben, und daß man es daher nicht leichtsinnig für überflüssigen Tand hinwerfen soll. Außerdem lernten sie verstehen, daß erst die Wohltätigkeit, für die man sich selber einsetzt mit aller Kraft, den rechten Wert hat, am meisten für uns selber, aber auch für die Nehmenden, denn die Gaben werden dann in der rechten Art und mit der rechten Gesinnung gegeben, und das fühlt der Beschenkte wohl.
Als dann die heilige Christnacht leise sich herniedersenkte, durften die Kinder unter dem schönen, kerzengeschmückten Baum aus weißer Tafel ihre Gaben selber aufbauen. Erst mußten ihre Armen ihre Freude haben, eher hätten sie für sich selbst und die eigene Erwartung gar keinen Sinn und keine Ruhe gehabt. Die Kleinen standen am Klavier und sangen zur Begleitung der Mutter die lieben Weihnachtslieder. Beim Klang der jungen Stimmen führte ich die Kinder herein, die ihre Festfreude haben sollten. Es waren nun doch sechs geworden, der Fleiß und Eifer war ja groß gewesen. Unsere Kinder waren glückselig. Alle Scheu der Fremden hatten sie bald überwunden, sie zeigten ihnen ihre Sachen, probierten an, ließen kosten, fragten nach „zu Hause" und spielten mit ihnen. Da kam in die verschüchterten, gedrückten Gesichter die Freude und in die blassen Wangen ein Helles Rot. Erst ein eindringliches Glockenzeichen rief zur eigenen Bescherung ab, die ganz vergessen worden war über dem beglückenden Wohltun.
G. H. Witte im „Häuslichen Ratgeber".
Scotts Tod am Südpol.
Durch die Presse geht die Nachricht, daß Scott und seine Gefährten freiwillig den Tod gesucht haben, als sie am Südpol die norwegische Fahne aufgepflanzt fanden. Diese aus London verbreitete Notiz beruft sich auf eine „aktenmäßige Darstellung". Es gibt aber, wie der Verlag F. A. Brockhaus in Leipzig schreibt, keine andere beglaubigte Darstellung des erschütternden Endes der Scottschen Südpolarexpedition, als das Tagebuch Scotts selbst, das neben den Berichten seiner Gefährten in vierzehn Tagen in dem genannten Verlag erscheinen wird. Nach diesem Tagebuch stellt sich der Tatbestand völlig anders dar. Am 16. Jan. 1912 fanden die englischen Forscher Amundsens Flagge und am 18. sein Zelt, ungefähr 3 vom Südpol entfernt. Selbstverständlich war es nach den übermenschlichen Anstrengungen des Marsches für sie eine niederschmetternde Enttäuschung, in diesem Wettlauf nach dem Südpol unterlegen zu sein, und das quälende Bewußtsein des „Zu spät" kommt in Scotts Tagebuch ergreifend zum Ausdruck. Gewiß ist auch dieses Bewußtsein von lähmender Wirkung auf die Ausdauer der fünf Männer gewesen. Aber kein Wort des Tagebuchs deutet auch nur den Gedanken an, nunmehr aus gekränktem Ehrgeiz in den Tod gehen zu wollen'. Noch waren sie bei Kräften und ihr Selbsterhaltungstrieb stark genug, den Rückweg anzutreten. Einen vollen Monat hielten sie aus: da brach der stärkste von ihnen als erster zusammen: Deckoffizier Evans starb am 17. Febr. an den Folgen einer Gehirner- schüterung. Vierzehn Tage später ging es mit Rittmeister Oates zu Ende,' noch einige Tage schleppte er sich auf erfrorenen Füßen mit fort — dann opferte er sich für die Kameraden, indem er in einem Schneesturm verschwand. Erst angesichts der furchtbaren Gewißheit, daß jeder die anderen ins Verderben reißen müsse, wenn seine Kräfte versagten, und er zur hemmenden Last wurde, ließ Scott die im Arzneikasten enthaltenen Gifte verteilen, „damit jeder wisse, was er (im Notfall) zu tun habe". Dann setzten die drei letzten deck verzweifelten Kampf um das Leben, den sie schon zwei Monate lang führten, fort, bis sie — 20 Kilom. vor dem rettenden Depot — nicht mehr weiter konnten. Wer noch angesichts des sicheren Todes schreibt Scott in sein Tagebuch: „Wir haben beschlossen, eines natürlichen To
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des zu sterben — wir wollen mit unseren Sachen oder auch ohne sie zum Depot marschieren und auf unserer Spur zusammenbrechen." Rasende Orkane machten die Ausführung dieser Absicht unmöglich, verzögerten sie mindestens, und dann war die Kraft der drei zu Ende. Mit einer letzten Eintragung vom 29. März schließt das Tagebuch: „Wer wir werden bis zum Ende aushalten; freilich werden wir schwächer, und der Tod kann nicht mehr fern sein." Und ebenso bieten die zahlreichen Abschiedsbriefe, die bei Scotts Leiche gefunden wurden, für die Behauptung eines Selbstmordes keinerlei Anhaltspunkts. Daß für die letzten dunklen Stünden die Möglichkeit eines Selbstmordes trotzdem übrig bleibt, soll nicht bestritten werden, aber man weiß darüber nichts, u. schwerlich wird dies Geheimnis jemals gelüftet werden. Keinesfalls aber kann davon die Rede sein, daß Scott mit seinen Gefährten aus gekränktem Ehrgeiz den Tod gesucht habe. Sie haben mit Heldenmut gekämpft bis zum letzten Augenblick. Die wirklichen Ursachen ihres Zusammenbruchs sind in ganz anderen Umständen zu suchen und werden sich aus Scotts Tagebuch mit unzweideutiger Klarheit ergeben.
Um eine Millionenerbschast.
Mannheim, 21. Nov. Die Rheinhardtsche Mil- lionenerbschafts-Angelegenheit, die schon viele Familien im Odenwald und der Pfalz als angebliche Erbberechtigte in Aufregung versetzt hat, gab Veranlassung zu einer Privatbeleidigungsklage der Schriftstellerin Lina Martin-Heidelberg gegen den Chefredakteur der „Bayr. Landesztg.", Dr. August Memminger-Würzburg, die vor dem Würzburger Schöffengericht verhandelt wurde. Der indische General Johann Walter Reinhardt, ging bekanntlich als Metzgerbursche nach Paris, wurde als französischer Soldat nach Indien geschickt und ist dort vom Schah von Delhi mit großen Ehren bedacht worden. U. a. soll ihm die Herrschaft Batschabori zu Eigentum gegeben worden sein. Frau Martin hat sich, veranlaßt durch eine Verwandte aus dem Geschlechte der Rheinhardts, seit einigen Jahren der Leute angenommen, die ein Anrecht auf die Erbschaft zu haben glauben. Unter Mithilfe des Londoner Anwalts Herbert Oppenheimer, hat Frau Martin die Londoner Archive und Gerichtsregistraturen durchstöbert und will genaue Beweise gefunden haben, daß tatsächlich das große Besitztum noch von der englischindischen Regierung verwaltet wird, bis sich die rechtmäßigen Erben finden. Das französische Kolonialministerium soll ihr diesen Sachverhalt bestätigt haben. Chefredakteur Dr. Memminger hat in Zeitungsartikeln die ganze Geschichte als Schwindel bezeichnet, durch die sich Frau Martin beleidigt fühlte und die Klage anstrengte. Nach einer Verhandlungsdauer von morgens 10^ bis abends 7 Uhr wurde der Angeklagte Dr. Memminger zu einer Geldstrafe von 50 Mark und Publikation des Urteils in dem „Würzb. Een.-Anz." und der „Bayr. Landes- Ztg." verurteilt. (Bad. Presse.)
An dieser Millionenerbschafts-Angelegenheit beteiligt ist auch ein aus Altheng st ett stammender Bürgerssohn, der schon seit Jahren nach London Prozeßkosten bezahlt, wo die maßgebenden Urkunden auf prozessualem Wege herbeigeschasst werden sollen.
Aus Höhen und Tiefen.
Frühling im Wald.
Und treten mich an im Haine,
Schön silbrig im Frühlingsscheine, Windröslein mit wildem Grüßen,
So ist mir immer, als müssen All meine durch Schuld verlornen,
Nun wieder durch's Lied gebornen,
Süßen, frommen
Glückstage auch wieder kommen.
Christian Wagner.
(Aus „Gedichte", Auswahl von H. Hesse.
Verlag Georg Müller-München.)