Neuenbürg, 22. Nov. In den letzten Tagen weilte der Untersuchungsrichter vom K. Landgericht Tübingen, Landrichter Gebhardt, hier um in der Un­tersuchungssache gegen die bei der Schlägerei am 2. November in Haft genommenen jungen Leute die nötigen Erhebungen anzustellen._

Württemberg.

Schlechte Konjunktur.

Aus Heilbronn wird geschrieben: Nicht nur der traurige Herbstausfall, der überaus lähmend auf al­len Eewerbekreisen des württembergischen Unter­landes liegt, sondern auch die allgemein sinkende Ge- schüftskonjunktur macht sich in unserer Jndustrie- und Handelsstadt recht fühlbar. Besonders in den Industrien, die sich der Herstellung von Luxusgegen­ständen widmen (wie Silber- und Schmuckwaren, Automobile) wird hier allgemein über geringe Kauf­lust und fehlende Ordres geklagt. Wenn auch unsere hiesige große Silberwarenfabrik von P. Bruckmann u. Söhne einen Weltruf besitzt und viel für den Aus­landsbedarf arbeiten lassen kann, so spürt sie doch auch die infolge der in der ganzen Welt herrschen­den Teuerung eingetretene Ausgabeneinschränkung ganz bedeutend, so daß sie zu Kündigungen schreiten mutzte, von denen nicht nur ungelernte, sondern auch langjährige gelernte Qualitätsarbeiter betroffen wurden, und voraussichtlich wird sie nach Weihnach­ten noch weitere Betriebseinschränkungen vorneh­men müssen. Ganz auffällig ist der Rückgang der Beschäftigung in den Karosseriefabriken hier und in der Umgegend, die ihre Arbeiter zum Teil bis auf ringe Prozentsätze ihres früheren Bestandes wegen Mängel an Aufträgen entlassen mutzten. Hier ist der Grund der fehlenden Kauflust ganz offenbar im Inland zu suchen und wenn man die im Januar 1914 fällige Quote des Wehrbeitrags als die Schul­dige bezeichnet, so wird man nicht fehlgehen. Die außerordentliche Ausgabe des Wehrbeitrags veran­laßt die Vermöglichen, die sich etwa ein Automobil leisten könnten, noch zuzuwarten, bis die Ausgabe wieder einigermaßen verschmerzt und das Eleichae- wicht im Budget wieder hergestellt ist. So trifft der Wehrbeilrag nicht nur ^ie Reichen und Vermögen­den. sondern in seinen Folgeerscheinungen auch die Arbeiter.

Die Stadtschultheitzenwahl.

Oberndorf, 22. Nov. Die Zahl der Bewerber um die Stadtschultheißenstelle hat sich durch die neuer­dings eingereichte Bewerbung des Polizeikommifsärs Mangold aus Ravensburg von 8 auf 9 erhöht. Es heißt.' zugunsten des Steuerratsschreibers Heckeler aus Schramberg bahne sich eine Einigung unter den Par­teien an. Heckeler ist katholischer Konfession und Mitglied der Volkspartei. Die Vorstellung der Be­werber findet morgen imSchützen" statt.

Bezichtigungen.

Schorndorf, 21. Nov. Die Göppinger Freie Volkszei­tung berichtet, der hiesige Stadtpfleger Wöhrle sei heute von seinem Amt suspendiert worden. Es schwebe gegen ihn ein Verfahren wegen Unterschlagung im Amt. Wie auf Erkun­digungen beim Stadtschultheißenamt in Erfahrung gebracht wird, ist allerdings gegen den Stadtpfleger bei der Staats­anwaltschaft eine auf Unterschlagung lautende Denunziation eingelausen. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin ein Ver­fahren eingeleitet. Der Untersuchungsrichter wird in der näch­sten Woche hierher kommen. Auf dem Schorndorfer Rathaus ist von Unterschlagungen des Stadtpflegers jedoch nicht das Geringste bekannt. Seine Kaste wurde in Ordnung befunden und niemand glaubt, daß Wöhrle auch nur einen Pfennig veruntreut habe. Auch kgnn keine Rede davon sein, daß er vom Amt suspendiert wurde, vielmehr hat er freiwillig und sofort nach Bekanntwerden der Bezichtigung die Kaste dem Stadtschultheißen zur Verfügung gestellt und, um jede Ver­mutung, daß er nachträglich an der Kaste etwas ordnen oder ändern wolle, fernzuhalten, um Urlaub nachgesucht. In der hiesigen Bürgerschaft herrscht große Erregung über die Denun­ziation.

Bürgerliche Sammlung.

Wie verlautet, hat die Nationalliberale Partei Groß- Stuttgarts wie auch früher stets die übrigen bürger­lichen Parteien zu einem geschlossenen gemeinsamen Zusam­mengehen bei den bevorstehenden Gemeinderatswahlen ein­geladen.

Die Wahlen zur Eisenbahnbetriebskrankenkasse.

Stuttgart, 21. Nov. Bei der Wahl zur Eisen­bahnbetriebskrankenkasse erhielt der neue Eisenbah­nerverband 13, der alte 18, derSüddeutsche" 19 Vertreter in den Ausschuß. Den beiden letzten Ver­bänden ist ihr Zusammengehen und die Verbindung der Wahlvorschläge sehr zu Nutzen gekommen.

Wurstvergiftung in der Kaserne.

Weingarten, 22. Nov. Wie derOberschw. Anz." erfährt, sollen beim hiesigen Regiment 70 Mann an Wurstvergiftung erkr ankt sein.

Untertiirkheim, 21. Nov. Einem 22 Jahre alten Schmied in der Daimlerschen Fabrik drang ein glü­hender Eisensplitter so unglücklich ins rechte Auge, daß seine Sehkraft verloren ging. Der Mann ist nun vollends erblindet, da er vor längerer Zeit das linke Auge auf ähnliche Weise verlor.

Heilbronn, 21. Nov. Es liegt nunmehr die amt­liche Bestätigung dafür vor, daß die griechische Re­gierung die Auslieferung des nach Athen geflüch­teten früheren Stadtpflegers Burger genehmigt hat.

Metzingen, 22. Nov. Der 22 Jahre alte Bahn­arbeiter Aug. Schmidt wurde heute früh beim Ueber- schreiten der Geleise von einer Lokomotive angefah­ren und so heftig zur Seite geschleudert, daß er so­fort tot war.

Bad Mergentheim, 21. Nov. Joseph Röser, der unter dem Verdacht von Unterschlagung und Untreue in Würzburg verhaftete ehemalige Direktor der Süd­deutschen Volksbank, ist gestern beim hiesigen Amts­gericht eingeliefert und von dort in das Unter­suchungsgefängnis des Landgerichts Hall abgeschoben worden.

Buchau, 21. Nov. Der Prozeß der Aktien-Spinnerei in Chemnitz gegen die Stadtgemeinde Buchau wegen des für Louis Einstein erteilten Vermögenszeugnisses ist durch Ver­gleich beigelegt. Für die Stadtgemeinde ist das Resultat be­friedigend, da sie in keiner Weise zu einer Zahlung herange­zogen wird.

Friedrichshafen, 22. Nov. Das neue Luftschiff Z 6 ist heute früh 8 Uhr zu seiner Fahrt nach Gotha aufgestiegen. An Bord befinden sich einige Mit­glieder der Abnahmekommission und die Besatzung.

»«s Welt «n- Seit.

Gegen den Reichskanzler.

Freiherr von Wangenheim, ein Führer des Bundes der Landwirte, hat jüngst in Köln eine Auf­sehen erregende Rede gegen den Reichskanzler gehal­ten, in der er sagte: Herr von Vethmann Hollweg hat meines Erachtens den Ruf nicht verstanden, der durch die Reihen unserer besten Leute geht, den Ruf nach einer kraftvollen Führung, die uns in nationale Bahnen lenkt. Daß wir uns gefallen lassen mutzten, daß von der Sozialdemokratie alles in den Schmutz gezogen wurde, was uns heilig ist, ohne daß die Regierung die Kraft dazu gefunden hat, dieBude aufzuräumen, das war tief beschämend. (Stür­mische, wiederholte Zustimmung.) . . . Wie seiner­zeit Graf Caprivi, ohne es zu wollen, der Gründer des Bundes der Landwirte geworden ist, so wird Herr v. Vethmann, wenn er mit seiner Politik, wie es den Anschein hat, fortfährt, gegen seinen Willen Gründer des Zusammenschlusses aller werteschaffen­den Stände werden . . . Der gesamte Mittelstand im Deutschen Reiche, der noch einen Gott im Him­mel und einen König auf dem Thron haben will, wird sich besinnen uni, wird sich zusammenfinden. Unter dem Zusammenschluß aller werteschaffenden Stände versteht Herr von Wangenheim das soge­nannteLeipziger Kartell", eine neue politische Or­ganisation, die schon eine Weile besteht, aber bisher abgeleugnet wurde, nämlich die Vereinigung des Zentralverbandes der Industriellen, des Bundes der Landwirte und der Mittelstandsvereinigung. Nach Angaben soll der Redner mit seinem Werben für die­ses Kartell bei seinen Zuhörern viel Erfolg gehabt haben. Es wird sogar von einemspontanen Massen­beitritt industrieller und mittelständlerischer Teil­nehmer zum Bund der Landwirte" gesprochen.

Die Zivilliste im Landtag.

München, 21. Nov. Die Kammer der Abgeordneten be­gann heute die Beratung des Etats des Königlichen Hauses und Hofes und in Verbindung damit des Antrags der Re­gierung, die Zivilliste des Königs auf 5 400 000 .^. zu er­höhen. Der Gesamtbetrag der Ausgaben für diesen Etat be­trägt mit den Apanagen usw. 6 865 734 ..M, das ist gegen den vorjährigen Etat eine Erhöhung von 1643 259 ^.. Abg. Dr. Müller-Hof (liberal) brachte mit Unterstützung von 24 Libe­ralen, Demokraten und Deutschen Bauernbündlern einen Kom­promißantrag ein, statt 5 400 000 ^ nur 4 800 000 als Zivilliste für den König einzusehen. In der Abendsitzung wurde in namentlicher Abstimmung mit knapper Mehrheit (es war eine Mehrheit notwendig) die Vorlage der Regierung, wonach die permanente Zivilliste auf 5 400 000 erhöht wird mit 110 gegen 50 Stimmen angenommen. Dafür stimmten geschlossen das Zentrum, 9 Liberale, die freie Ver­einigung und die Bauernbündler mit einer Ausnahme. Abg. Gebhart (Fr. Vgg.) enthielt sich der Abstimmung. Die Ver­kündigung des Abstimmungsresultates wurde vom Zentrum mit lebhaften Bravorufen ausgenommen und darauf der Rest des Etats ohne Debatte erledigt.

Abmangel.

Leipzig, 21. Nov. Das finanzielle Ergebnis des allgemeinen deutschen Turnfestes läßt einen Fehlbe­trag von 11 681 -R verbleiben. Er wird durch die Earantiefondszeichnung der Stadt gedeckt. Die üb­rigen Garantiefondszeichner werden nicht in An­spruch genommen.

Die Tragödie von Zabern".

Das Straßburger Blatt, derElsässer", bringt an der Spitze der letzten Nummer mit der in Fettdruck hervorgehobe­nen AdresseSr. Exzellenz dem komm. General von Deim­ling" einen vierspaltigen ArtikelDie Tragödie von Zabern", in dem er vor allem feststellt, daß der beurlaubt gewesene Oberst von Reutter das Kommando des 99. Infanterie-Regi­ments wieder übernommen und Leutnant von Forstner im Dienst geblieben sei. Femer wird mitgeteilt, daß die elsäs-

stschen Soldaten des Regiments, darunter 31 Rekruten, den Garnisonen Neubreisach, Kolmar und Straßburg zugeteilt worden seien. DerElsässer" veröffentlicht dann unter Auf­rechterhaltung seiner bisherigen Behauptungen folgendes Schriftstück von Rekruten:Auf Ehre und Gewissen erkläre ich, daß ich und jeder der Unterzeichneten mit eigenen Ohren gehört habe, wie Herr Leutnant Freiherr von Forstner am 14. November 1913, morgens zwischen 7 und 8 Uhr in der Jn- struktionsstube, Zimmer Nr. 141, bei einer Unterweisung über die Fremdenlegion die Worte gebraucht hat:Die Leute (die Fahnenflüchtigen) haben keine andere Ehre, als unter der französischen Fahne zu dienen. Auf die französische Fahne

könnt Ihr meinetwegen sch.!" (Unterschriften.) Der

.Elsässer" schreibt, indem er die Hoffnung ausspricht, daß der Kaiserdie Stimmung des Volles doch noch einmal genau kennen lerne. Zum Kaiser haben wir das Vertrauen, daß er unparteiisch das Wohl aller zusammen fördert. Dazu gehören auch die Elsässer."

Die Entscheidung.

Der Washingtoner Berichterstatter derKöln. Ztg." er­fährt von wohlunterrichteter Seite, daß das Vorgehen der amerikanischen Armee gegen Mexiko mit Waffengewalt nun beschlossene Sache sei. Das Einschreiten wird nicht nur von einer großen Jnteressentengruppe, sondern auch von anderer Seite als das einzige Mittel angesehen, um aus der hoff­nungslosen Lage herauszukommen. Der Geschäftsträger wird abberusen werden und das Waffeneinfuhrverbot für die Leute Carranzas wird aufgehoben werden. Nach einer andern Meldung legt Präsident Wilson die Lage in der Stadt Mexiko dahin aus, daß die Regierung Huertas in der Zersetzung be­griffen sei, und daß, obwohl die Dinge sich nur langsam ent­wickeln, die schließliche Abdankung Huertas sicher sei.

Berlin, 21. Nov. Zur Beilegung des Streites zwischen den Krankenkassen und den Äerzten hat am Dienstag im Reichstagsgebäude eine Konferenz un­ter dem Vorsitz des Staatssekretärs im Reichsamt des Innern stattgefunden. Die Auslieferung des Generaldirektors Lindner aus Steglitz, der nach Un­terschlagung von 200 000 Mark in die Vereinigten Staaten von Amerika geflohen war, ist lautVerl. Lokalanz." vom Bundeskommissr beschlossen worden. Der im Februar entflohene und im Oktober in New- york verhaftete Lindner wird wahrscheinlich seiner Auslieferung Schwierigkeiten bereiten.

Berlin, 21. Nov. Vor einiger Zeit wurde darauf hinge­wiesen, daß die jetzt in Kraft befindliche Verfügung, wonach die Offiziere des Beurlaubtenstandes bei den Kontrollver- sammlungen anwesend sein müssen, für sie eine schwere Be­lastung bedeute, ohne für ihre weitere Ausbildung besondern Nutzen zu bringen. Nunmehr werden nach der Korrespondenz Piper Erhebungen angestellt, inwieweit Erleichterungen durch Befreiung möglich sind.

kan-rvirtfÄyast «n- Märkte.

v. e. Viehmarkt-Wochenbericht (15. bis 21. Nov ). Wie meist aus den württ. Rindviehmärkten im Lande so ergab sich auch auf dem Stuttgarter und Berliner Schlachtviehmarkt gegen Ende der Woche ein teilweises Abflauen der Preise für Großvieh und der Handel verlief etwas matt,- dagegen zogen die Preise für Kälber, in denen der Handel lebhaft war, an (in Stuttgart Kälber 1. u. 2. Kl. von 95107 .//(. auf 98110 pro Ztr. Schlachtgewicht). Die Schweine­preise hielten sich im allgemeinen bei regem Handel auf der Höhe, auf dem Stuttgarter Schlachtviehmarkt trat ein kleiner Preisrückgang ein (1. u, 2. Kl. zuletzt 7276 .//. pro Ztr. Schlachtgewicht). Auf den S ch a f m är k t e n in Heilbronn, Mergentheim und Nürtingen blieben trotz verhältnismäßig billiger Preise (Hämmel 7684 Lämmer 5972 Brackschafe 5080 ^.) erhebliche Tiermengen unverkauft. Gute Preise wurden auf dem Ulmer Pferdemarkt be­zahlt, wenn der Handel auch schleppend war; mittelschwere, norddeutsche und französische Arbeitspferde kosteten 1100 bis 1400 ->/(., rheinische und belgische schwere Pferde 14001600 Mark; Schlachtpferde zu 50140 fanden meist nach der

Schweiz Absatz.

Rectztsxflege.

Ist das Brüllen einer Kuh ruhestörender Lärm?

Diese interessante Frage, die wohl ab und zu und besonders bei Leuten, die landwirtschaftliche Betriebe in der Nähe haben, brennend wird, wurde von der Heilbronner Strafkammer in verneinendem Sinne entschieden. Ein Handelsmann hatte in Heilbronn in der Weststraße einen Viehstall. Nun sind Kühe nachts nicht immer ruhig und so hatte eine in der Nacht vom 19. auf den 20. Mai öfter gebrüllt, wo­durch die Nachbarn in ihrer Ruhe gestört wurden. Das Stadtpolizeiamt belegte den Handelsmann da­für mit einem Strafbefehl von 10 -R, gegen den der Mann gerichtliche Entscheidung beantragte. Vom Schöffengericht wurde er freigesprochen und nun legte die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch Be­rufung ein. Aber auch die Strafkammer kam zu der gleichen Ansicht wie das Schöffengericht und verwarf die Berufung, weil der Handelsmann kein Mittel habe, um das Brüllen eines Stückes Vieh zu ver­hindern. Man darf also nicht nurdem Ochsen, der da drischt, das Maul nicht verbinden," sondern muß ihn auch noch ungestört brüllen lasten.

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.