Nr. 27^.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk (Lalw.

88. Jahrgang.

WrschelnungSweis«: Smal wöchentlich, «nzeigenprei«: Im Oberamts- »,,trk «alw für di« einspaltige BorgiSzetle 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., II «Hamen 2S Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon g.

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-tadt, Bezirk i»«b Nachbarschaft

Die heutige Nummer ist sechsseitig.

Die Schuld aa Bulgariens Unglück.

In einer öffentlichen Versammlung in Sofia führte, nach­dem der Ministerpräsident das Regierungsprogramm für die Zukunft verlesen hatte, Finanzminister Tonischem aus, die Ursache des schweren Mißgeschicks Bulgariens sei das Bündnis mit Serbien gewesen, welches in seinen Grund­lagen verfehlt gewesen sei. Sodann sprach der Minister des Aeußern Ghenadiew in dreistündiger Mede über die Ursache des nationalen Unglücks.

Er sagte u. a.: Als im Sept. 1912 die Türkei mobili­sierte, erklärte der Generalstab trotz der Mängel, welche die Armee zeigte, er verbürge sich für den Sieg, der Krieg müsse aber kurz sein. Nachdem der Krieg ausgebrochen war, achtete die Regierung dieser Warnung nicht, sondern ließ die Frie­densverhandlungen in London in die Länge ziehen. Die Re­gierung, die vor und nach dem Kriege von vielen Seiten vor den treulosen Absichten der Verbündeten, gewarnt worden war, hätte rasch unter den von der Türkei nach der Schlacht bei Lüleburgas angebotenen Bedingungen Frieden schließen müssen. Die Türkei verlangte damals nur, daß sie im Besitz der Dardanellen und Konstantinopels belassen werde. Nach der Schlacht von Tschataldscha waren die Bedingungen schon weniger vorteilhaft, aber immer noch ausgezeichnet, und der Friede hätte geschloffen werden können. Damals war ich im Lager von Tschataldscha und habe Danew geraten, Frieden zu schließen, indem ich ihm die Gefahr eines Angriffs von serbischer, griechischer und türkischer Seite vor Augen führte. Die Regierung aber weigerte sich, den Frieden zu schließen, und erst auf einen neuen Bericht des Generals Savow und Jitschew hin, die die Notwendigkeit eines Waffenstillstandes begründeten, wurde dieser geschloffen. In diesem Au­genblick beganndasUnglückBulgariens. Die Regierung wußte aus der glänzenden Lage, die die Bulgaren sich geschaffen hatten, keinen Nutzen zu ziehen und verstand es nicht, durch einen Friedensschluß mit der Türkei die Kräfte des Landes zu schonen, und so weitere Verwicklungen zu vermeiden. Nichtsdestoweniger bot sich eine neue Aussicht. Der Bankier Kaltschew war vom Hauptquartier nach Konstanti­nopel gesandt worden und setzte dort die Uebergabe Adria­nopels durch. Darüber zeigte sich der Ministerpräsident Ge- schow verletzt und drohte mit seinem Rücktritt, da er sich nicht allein mit der Türkei verständigen wollte. Als am orthodoxen Weihnachtsfeste General Savow auf Einladung Nasim Pa­schas mit diesem und dem Minister des Aeußern Noradung- hian eine Unterredung hatte, worin die beiden türkischen Mi­nister in die Abtretung Adrianopels einwilligten, ließ Gc- schow den Bericht Savows über diese Unterredung unbeant­wortet. Beim Abbruch der Londoner Verhandlungen hatte Bulgarien Vorteile eingebüßt, die es vor Tschataldscha er­langt hatte. So begann Bulgarien den zweiten Krieg gegen die Türkei, obwohl die Generale davon abrieten. Nach dem Falle Adrianopels hätte der Friede sofort unterzeichnet wer­den können, die Regierung ließ sich jedoch durch Schachzüge der Serben und der Griechen Hinhalten, die Vorbehalte mach­ten zu dem einzigen Zweck, Bulgarien zu erschöpfen. Ohne die Intervention Greys hätten die Verhandlungen ewig dauern können. Ghenadiew schloß: Der Krieg mit Serbien und Griechenland ist nicht die Ursache des Unglücks Bul­gariens gewesen. Das Unglück ist eine Folge der Art, wie der Krieg gegen die Türkei fortgesührt wurde. Volk und Heer Bulgariens haben ihre Pflicht getan, seine Diplomatie war es, die alle Fehler begangen hat. Die jetzige Regierung ist in einem Augenblick ans Ruder gelangt, wo alles gefährdet war. Sie hat die Hauptstadt vor der Besetzung bewahrt. Sie hat die Ehre des Heeres gerettet und von den Früchten seiner Siege, was zu retten war. Die Regierung erbittet das Ver­trauen der Wähler, um dem Lande seine Kraft wieder geben zu können.

Die Rede Ghenadiews hat in den politischen Kreisen einen starken und nachhaltigen Eindruck gemacht. Im Publi­kum herrscht große Erregung gegen die früheren Regierungs­parteien.

Calw, den 19. November 1913.

Das ABC des jungen Geschäftsmannes.

Der Präsident der Newyorker Lincoln National Bank, Charles Elliot Warren, der einst als junger Mensch ohne Vermögen und Beziehungen mit einem Wochengehalt von 20 -4t seine kaufmännische Lauf­bahn begann und heute als vielfacher Millionär und einflußreicher Finanzmann in Amerika großes An­sehen genießt, hat vor kurzem zu Nutz und Frommen aller angehenden jungen Geschäftsleute eine Art Katechismus des modernen Geschäftsmannes aufge­stellt. Wir entnehmen diesen interessanten Rat­schlägen für die junge Generation nachstehende cha­rakteristisch amerikanischen Maximen: Strebe in dei­nem Berufe stets nach dem höchsten Posten. Jeder Lehrling und jeder Bürojunge soll entschlossen sein, Präsident der Gesellschaft oder Inhaber des Geschäfts zu werden, in dem er arbeitet. Es gibt nur wenige Menschen, die das nicht erreichen, was sie ernstlich und mit aller Kraft wirklich wollen. Kümmere dich nicht um Beziehungen. Leistung und Arbeitskraft werden dein Gehalt schneller erhöhen, als die Pro­tektion der ganzen Welt. Halte dich nie zurück und warte nie auf die Hilfe anderer. Die andern sind stets zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich mit dir abgeben zu können. Halte dir stets vor Augen, daß du tüchtiger sein mußt als dein Kollege, wenn du die Spitze der Leiter erreichen und behaupten willst. Nie können zwei Männer die gleiche Stel­lung bekleiden. Pünktlichkeit entartet nur zu oft zur Durchschnittlichkeit. Wenn du Erfolg haben willst, mußt du die Pünktlichkeit überwinden kön­nen. llhrenaufzieher besitzen keine Automobile. Laß dich nicht ablenken. Neid, Eifersucht und persönliche Gegnerschaft mögen dich bis zur Grenze des Erträg­lichen peinigen: aber laß dich nicht ablenken. Be­ginne alles mit Selbstvertrauen. Fürchte dich nicht, Mißerfolg haben zu können. Selbst wenn du Miß­erfolg hast, wirst du unendlich viel daraus lernen. Spezialisiere dich. Der Spezialist ist zehnfach mehr begehrt als der Mann, der alles versteht und Hand­langer bleibt. Der Spezialist bezieht ein Einkom­men, der andere eine Löhnung.

Neue Zwanzigmarkstücke. Die neuen Doppel­kronen zu 20 Mark sind zur Ausgabe gelangt. Die Vorderseite zeigt das Brustbild des deutschen Kaisers in Eeneralsuniform mit der Inschrift:Wilhelm II Deutscher Kaiser, König von Preußen", auf der Rück­seite ist der Reichsadler mit der Inschrift:Deut­sches Reich 1913, 20 Mark" eingeprägt.

Schwäbische Gedenktage. Am 17. November 1722 ist in Leonberg geboren der Sprachlehrer Johann Nast, zuletzt Pfarrer in Plochingen, gestorben 1807. Am 21. November 1496 kam Kaiser Maximilian I. nach Oehringen, logierte im Schloß und ritt an­dern Tags nach Hall weiter. Am 22. November 1635 wurde die Festung Hohen Neuffen an die Kai­serlichen übergeben, die Rückgabe an den Herzog Eberhard von Württemberg erfolgte am 18. Febr. 1639. Am 24. November 1634 wurde Schorndorf von den Kaiserlichen in Brand geschossen; innerhalb 18 Stunden verheerte der Brand die ganze Stadt mit Ausnahme des Schlosses und zweier Häuser.

Schiffsliste für billige Briefe nach den Vereinig­ten Staaten von Amerika (10 für je 20 Gr ) : Die Portoermäßigung erstreckt sich nur auf die Briefe, nicht auch auf Postkarten, Drucksachen usw., und gilt nur für Briefe nach den Vereinigten Staa­ten von Nordamerika, nicht auch nach anderen Ge­bieten Amerikas, z. B. Canada.Kaiserin Auguste Viktoria", ab Hamburg 22. Nov.,Prinz Friedrich Wilhelm" ab Bremen Ä. Nov., Kaiser Wilhelm II" ab Bremen 2. Dez.,Bremen" ab Bremen 6. Dez., Amerika", ab Hamburg 11. Dez.,George Washing­

ton", ab Bremen 13. Dez. Postschluß nach Ankunft der Frllhzüge. Alle diese Schiffe sind Schnelldampfer oder solche, die für eine bestimmte Zeit vor dem Ab­gänge die schnellste Beförderungsgelegenheit bieten. Es empfiehlt sich, die Briefe mit einem Leitver­merke wiedirekter Weg" oderüber Bremen oder Hamburg" zu versehen.

Bad Liebenzell, 17. Nov. Der älteste Be­wohner und Ehrenbürger der Stadt Liebenzell, A. Veutelspacher, Lehrer a. D., wurde gestern in einem Alter von 89 Jahren 4 Monat, zu Grabe getragen. Mehr als 30 Jahre hat er seine Kraft der hiesigen Schule gewidmet und beinahe 20 Jahre hat er hier im Ruhestand gelebt. In einem Nach­ruf wurden die Verdienste des Verstorbenen von dem Stadtvorstand in gebührender Weise gewürdigt. Im Gasthof z. Ochsen fand gestern der erste Ee- meindeabend statt. Der Abend galt dem Ge­dächtnis Luthers. In ausführlichem Vortrage schil­derte Stadtpfarrer Sandberger Luther als Ehemann und Familienvater. Der Kirchenchor erfreute die Anwesenden durch den Vortrag einiger Chöre; als ein Meister auf der Violine erwies sich Pfarrer Jlg von Unterreichenbach. Von Mitgliedern des Jüng­lingsvereins wurden passende Gedichte vorgetragen. Das Schlußwort wurde von Stadtpfarrer Marquardt gesprochen.

Höfen a. Enz, 18. Nov. Der 16jährige Hilfs­arbeiter Otto Mast hier spielte in seiner elterlichen Wohnung mit einer Teschingpistole und schoß zum Fenster hinaus. Die Kugel traf die zehnjährige Tochter der Spezereihändlerin Witwe Mettler in den Rücken. Die Kugel sitzt dicht neben der Lunge. Der leichtsinnige Bursche wurde verhaftet.

Herrenalb, 18. Nov. Mitten in der Nacht ist das Wohnhaus des Holzhauers Maulbetsch und die daran anstoßende gemeinsame Scheuer nebst der Wohnung der G. Roth in Dobel abgebrannt. Auch die Fahrnis ist zugrunde gegangen.

Berneck, 18. Nov. Als Reinertrag seines Lieder­abends in Stuttgart am 13. Novbr. konnte Stadt­pfarrer Werner dem Kirchenerneuerungsfonds Bern­eck 1400 -ft überweisen.

Württemberg.

Umgeld und Auslandsweine.

Der Stuttgarter Wirtsverein und der Vezirks- wirtsverein Cannstatt hielten im Schwabenbräu in Cannstatt eine gemeinsame Versammlung, in welcher nach einem Referat des Verbandssekretärs Kromer folgende Erklärung einstimmig beschlossen wurde: Angesichts der Tatsache, daß der Umgeldertrag stetig sinkt, so daß er in absehbarer Zeit kaum mehr die Verwaltungskosten decken wird, halten es die Wirte Groß-Stuttgarts für die Pflicht der Staatsregierung und Volksvertretung, endlich einmal das unzeitge­mäße und ungerechte Wirtschaftsabgabengesetz, das dem Staat keinerlei Vorteil mehr brinat, in tun­lichster Bälde aufzuheben. Ferner richtet die Versammlung an die Kgl. Staatsregierung das Er­suchen, den in Gemeinschaft mit den Regierungen Bayerns, Badens und Elsaß-Lothringens gestellten Antrag auf Unterwerfung der ausländischen Weine unter die inländischen Steuern zurückzu­ziehen, da diese Maßnahme keineswegs qeeignet ist, ihren Zweck, den einheimischen Weinbau geaen die Konkurrenz der ausländischen Weine zu schützen, zu erfüllen." Bei der Debatte über diese Angelegen­heit wurde vom Vorsitzenden Sämann u. a. mitge­teilt, daß, wie man vielfach beobachten könne, auch die Weingärtner den spanischen Weinen nicht gar so feindlich gegenllberstehen, so sei besonders in Heil­bronn die Tatsache konstatiert, daß dort Weingärtner die spanischen Weinhallen besuchen und den verruch­ten Wein trinken. Weiter wurden noch Beschwerden der Volksfestwirte über rigoroses Vorgehen bei Platz­versteigerungen, über die Höhe der Lustbarkeitssteuer