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Ue. 139. !

Ser sozialdemokratische Parteitag.

Auf der roten Heerschau in Berlin, dem sozialdemokrati­schen Parteitag, ging es in den letzten Tagen recht lebhaft zu. Eine starke Opposition gegen die Parteileitung machte Pch geltend, die jedes Zusammengehen mit bürgerlichen Parteien ablehnt und einen unentwegten Klassenkampf mit dem Ziele der Sozialisierung führen will. Den Auftakt bildete die Beschwerde eines der Allerradikalsten, des ' Frankfurter Redakteurs Markwald, darüber» daß die - Frankfurter Anträge aus Ausschluß Eberts aus der Par- ; tei und auf Einziehung der Ermächtigung des Parteivor­standes, selbständig eine neue Kandidatur zur Reichspriifi- dentschaft aufzustellen, von der Tagesordnung abgesetzt wor­den sind. Der Parteivorfitzende Wels wies darauf hin, daß : nach den Satzungen die Veröffentlichung und Verhandlung dieser Anträge unzulässig sei. Dem Antragsteller wurde - jedoch anheimgegeben, die Anträge ^von neuem einzu- - bringen. !

Der Gewerkschaftsführer Ditzmanu, Frankfurt betonte die starken Gegensätze innerhalb der Partei und fuhr fort: Sie - heute auszutragen, ist nicht die Zeit. Um eine Regierung > zu bilden, müssen wir auch heute noch mit bürgerlichen ' Parteien zusammengehen. Dabei mutz aber der höchste r Preis gefordert werden, der für das Proletariat in solcher s Zwangslage zu erreichen ist. Wogegen wir von der Min- ^ derheit besonders Einspruch erheben, das ist die Veteili- - gung an einer Sammelregierung bloß aus dem Antrieb, - dabei zu sein, mitregieren zu wollen. Die Bourgeoisie hat s für die arbeitende Klasse nichts übrig gehabt. Die Grohe r Koalition hat nicht daran gedacht, die Last der breiten ' Volksmassen zu erleichtern. Zm Laufe der letzten drei : Vierteljahre haben wir es glücklich wirtschaftlich und po- s litisch zur Diktatur der Bourgeoisie gebracht. s

Aus den zahlreichen weiteren Debatten heben wir fol- s gende Ausführungen hervor, da sie charakteristisch für die - ganze Einstellung der Sozialdemokratie zur deutschen Po« « litik find: s

Scheidemann führte u. a. aus: Eine gewisse unerfreuliche Stimmung in der Sozialdemokratie erklärt sich daraus, datz die Fraktion vielfach eine Politik hat treiben müssen, die s nach außen hin nicht durchsichtig war. Ein gewisser Teil der Parteipresse glaubt allerdings die Weisheit mit Löf- . sein gefressen zu haben und fick- - neurasthenischen Kraft- ' Miertum gefallen zu können. (Heitere Zustimmung.) Haben denn die Genossen, die den Antrag gestellt haben, ; Ebert aus der Partei auszuschlietzen, gar kein bitzchen ^ Scham gefühl? (Minutenlanger stürmischer Beifall.) Ge- , Witz find auch wir nicht mit allem einverstanden, was Ebert , gemacht hat, was er, nach den Bestimmungen der Berfas- . sung mit seinem guten Namen hat decken müssen. Man soll mit diesen Anträgen aber nicht die Partei vor der ganzen ; Weltblamieren. Die Kernfrage ist die: Wie steht die So- ; zialdemokratie zu dem deutschen Staat, zur deutschen Repn- ,, blik? Die Republik mutz von der Arbeiterschaft geschützt . werden, wenn nötig, auch auf der Stratze. Für eine Koa- i litionspolitik mutz ein Mindestprogramm gegenüber den ^ übrigen Koalitionsparteien gefordert werden. Es darf ; nicht wieder so kommen, datz drei bürgerliche Parteien i über die Regierungsbildung verhandeln und so tun, als ob die Sozialdemokratie nicht da wäre. (Lebhafte Zustim- ; mung.) Es ist falsch, zu sagen, die Sozialdemokratie müsse ' dieselbe Politik treiben, ob sie innerhalb oder außerhalb s der Regierung sei. Man mutz auf alle Fälle dahin arbei« ; ken, daß bei den Gesetzen auf Grund des Sachverständigen- ! Gutachtens die proletarischen Belange wahrgenommen wer- s den. Die Republik mutz verteidigt werden, koste es, was ! es wolle mit Leib und Leben. (Stürmischer Beifall und > Händeklatschen.) ;

Folgender Antrag Hsrmann Müller ist eingegangen: ^ »Koalitionspolitik ist keine Frage des Prinzips, sondern j «r Taktik. Das Vielparteiensystem hat seit der Revolution j die Sozialdemokratie im Reich und in den Ländern viel- j fach gezwungen, mit bürgerlichen Parteien an der Regie- f keilzunehmen. Maßgebend waren dafür erstens , außen politische, zweitens innenpolitische Gründe. Das In- ? koreße der Arbeiterklasse erfordert autzenpokitisch die Be- Wedung Europas, innenpolitisch die Sicherung der Repu- s k'k gegen den Ansturm der Reaktion. Rur auf dem Bo­den der R-publik kann seit dem Verlust des Krieges eine ' sur Deutsiylcmd erfolgreiche Außenpolitik getrieben werden, eichzektrg ist die Republik der gegebene Boden für de« amp, »m das soziale Endziel. Die Teilnahme an der Re- merung mutz die Durchsetzung der Demokratie und die Er-

Altenstrig, Montag Len 16. Juni.

füllung der bürgerlichen Republik mit sozialem Inhalt zum Ziele haben. Sie darf deshalb nur nuter Abwägung aller Vor- und Nachteile für die Interessen der Minderbemit­telten erfolgen, damit die Sicherheit gegeben ist, daß die Arbeiterklasse nicht einseitig Opfer zu bringen hat."

Her rann Müller beschäftigt sich in seinem Schlußwort mit den eingebrachten Anträgen und charakterisiert die Re­solution Ditzmann als ein Mißtrauensvotum für die Frak­tion. Zur Demokratie gehörte allerdings der Schutz der Minderheit, aber noch mehr der Mehrheit, damit sie ihren Willen durchsetzen kann. Wir sind stets nur aus außen­politischen Gründen in die Regierung eingetreten. Ob man seine Ziele durchsetzen kann, hängt in erster Linie da­von ab, wie weit die Parteien die Sozialdemokratie für die Durchführung dieser Ziele brauchen. Die Bedingun­gen für den Eintritt in die Regierung können sich nur aus der politischen Situation ergeben. Stinnes haben ich Ge­rechtigkeit willfahren lassen, aber niemals verhehlt, datz er es verstanden hat, seine privatkapitalistischen Interesse« wahrzunehmen. Das zeigte sich auch bei seinem Tode; denn er hat seinen ganzen Besitz seiner Frau vermacht, die Kin­der haben zugunsten der Mutter auf ihren Anteil verzich­tet, und so kommt es, datz das Reich von dem riesigen Besitz keine Erbschaftssteuer erhält. Datz die Bourgeoisie in ihrer Mehrheit die Inflation absichtlich herbeigeführt habe, die dem ganzen Mittelstand vernichtet hat, ist eine absurde Be» ihauptung. Es ist auch anzuerkennen, datz in der November­krise und auch in der letzten Krise die Deutsche Demokra­tische Partei sich alle Mühe gegeben hat, den Eintritt der Deutschnationalen in die Regierung zu verhindern. Das Zustandekommen eines Vürgerblocks haben wir nicht zu wünschen. Kommt es dennoch dazu, so dürfen wir uns nicht mit der einfachen Opposition begnügen, sondern wir wer­den nach dem Beispiel der französischen und englischen Ge­nossen praktisch zu arbeiten haben, damit diese Mehrheit wieder beseitigt wird. Hätten wir die Politik der Genossin Sender getrieben, so bestünde das Deutsche Reich längst nicht mehr. Die Erzbergersche Steuerpolitik war an sich gut, sie ist aber durch die Inflation vereitelt worden. Was die Verhältnisse in Thüringen und Sachsen anlangt, so ist nicht zu vergessen, datz die K.P.D. sich selbst als Todfeindin der Sozialdemokratie bezeichnet. Wir haben das nie an­ders gesehen, und danach müssen wir uns richten. Datz wir als Partei nicht alles billigen können, was ein Reichs­präsident auf sich nehmen mutz, ist selbstverständlich. Aber die unparteiische Geschichte wird einst feststellen, mit wie viel Einsicht und Takt Ebsrt sein Amt verwaltet hat, und es wird ewig ein Ruhmesblatt der Sozialdemokratie blei­ben, datz sie in der Lage gewesen ist, für dieses Amt einen Kandidaten wie Ebert zu stellen. Jetzt über die Neuwahl des Reichspräsidenten zu reden, hat keinen Zweck. Jeden­falls werden die Parteien der Rechten versuchen, einen General oder Admiral an die Spitze zu stellen, und ich hoffe, datz demgegenüber alle Republikaner zusammenstehen werden. In der jetzigen Lage Deutschlands können wir keine isolierte, sondern nur internationale Politik treiben; nur diese wird uns den Sieg bringen.

Es folgt eine Flut von persönlichen Bemerkungen. Da­bei stellt der Abg. Crifpien die Haltung des Parteivorstan­des zu dem Zwiespalt bei der Aufstellung der Kandidaten richtig und bemerkt unter stürmischem Beifall, datz die Op­position fich um allen redit bringe, wenn sie jeden, der seine Uederzeugung ausspreche, politisch meuchle und miß­achte.

In namentlicher Abstimmung wird dann die Resolu­tion Müller über die Frage der Koalitionspolitik ange­nommen.

Berlin, 13. Juni. Der sozialdemokratische Parteitag nahm eine Resolution an, welche die Zugehörigkeit zur in- ternationalen Arbeiterhilfe als unvereinbar mit der Mit­gliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei erklärt.

Ein Stimmungsbild.

Leber den Verlauf der Wahlhandlung in Versailles gibt d« Pariser Korrespondent desStuttg. Tagbl." folgendes hübsche Stimmungsbild:

Zn langen Reihen wandelten die Gäste dem Versailler Schloß zu. Von den Tausenden, welche sich aus der Stratze dem Zuge angeschlossen hatten, dursten aber einige Hun­dert nur den Park betrete«, wo die Auffahrt stattfand. Man konnte dann die Kongressisten einzeln und in Grup­pen einziehe« setzen. Wie auf Kommando wurde geklatscht

I Jahrgang 1924

und gepfiffen. Poincare war wieder die Zielscheibe von Demonstrationen. Er schien bei der besten Laune und ließ sich als der sogenanntePräsidentenmacher" in verschiede-

- nen Stellungen photographieren. Gleich hinter ihm kam ! der kleine beleibte Herr Doumergue in einem grauen

Leberzieher. Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinem vol­len Gesichte. Seine Augen strahlten, als ein Hoch aus der ^ Menge erscholl. Er dankte mit leichtem Kopfnicken.

? Lm 1.30 Uhr begann die Sitzung im Kongretzsaal. Auf

> den Galerien herrschte ein wildes Getümmel und das Pu- ; blikum, welches unten noch von den Gendarmen im Zaum s gehalten werden konnte, durchbrach den Kordon und er-

- stürmte die Galerie, wobei es zu Szenen von unerhörter ! Brutalität kam. Der elegante Pariser führte sich apachen- ' mäßig auf. 2000 Menschen kämpften um 650 Sitzplätze.

! Im Saal dauerten die Beratungen fort. Herriots breit«

- Gestalt bildete das Zentrum einer erregten Gruppe. Poin- : care hielt sich abseits. Vriand ging noch von Mann zu ! Mann, um die Situation zu retten. Obwohl Doumergues j Wahl so gut wie gesichert war, hoffte man noch für Pain- ? leve bis zum letzten Augenblick. Ein kurzes Elockensignal ! snd der Wahlakt beginnt. Doumergue verliest mit süd- : französischem Akzent das Dekret. Dann wird ein Buchstabe ' gHogen. Die Wähler des Präsidenten erheben sich der s Reihe nach von ihren Sitzen, gehen zur Urne und gehen ! «ms ihre Sitze wieder zurück. Das Publikum vereinigt sich ? während dieser Vorgänge mit den Volksvertretern im Saal < zn.'Demonstrationen. Je nach ihrer politischen Gesinnung ! klatschen und pfeifen die Wähler im Saal und die Zu- j schauer auf den Galerien. Bei Poincare ruft jemand von s der Galerie:Es lebe die Ruhr" und unten im Saal s wird applaudiert. Die Nationalisten bereiten sich gegen- ! feitig große Huldigungen, welche von den Parisern auf der ! Galerie kräftig unterstützt werden. Man merkt deutlich, s datz die Hauptstadt Frankreichs nationalistisch ist. Anders ^ klingen die Beifallsrufe beim Erscheinen der Linksrepubli-

> kamschen Wähler. Vriand erhält sogar Schmährufe. Die

- Kommunisten benehmen sich so geräuschvoll wie nur irgend ! möglich. Für ihren Kameraden setzen sie sich stürmisch ein, j fo datz Doumergue mehrmals die Glocke ertönen läßt. Das ! Publikum johlt, so oft ein Kommunist an der Urne er- ! scheint.

j Fast eineinhalb Stunden dauert der Gang zur Urne.

's Dann verstreicht eine weitere Stunde, während der es im s Saal und unter den Zuschauern sehr lebhaft zuging. Auf i Wetten verzichtet man. Denn die Wahl Doumergues ist ^ ohne Zweifel. Bei der Proklamation geht eine stürmische ; Beifallssalve durch den Saal. Die Rechte klatschte begei- ! stert. Aber auch unter den 309 Mitgliedern, die für Pain- s leve gestimmt haben, wird applaudiert. Das Stimmen- i Verhältnis wird sofort auf feine politische Tragweite hin ! geprüft «ad die Opxofition stellt fest, datz sich ein Teil der , Linksrepublikaner mit des Gemäßigten und der Rechtere vereinigt hat. Die Anzahl der Linksrepublikansr, die sich , streng an die Weisungen der Kartellführer hielten, erlitt

> eine Verminderung. Ungefähr 100 Mitglieder des Kar»

; teils stimmten entgegen den getroffenen Vereinbarungen l für Doumergue. Den Ausschlag gab dabei, datz die Sena- ! toren diesmal einen über den Parteien stehenden Republi- ! kaner ins Elysee bringen wollten. Nach der Wahl gingen , die Demonstrationen auf der Stratze los. Die Kommuni»

- sten und Royalisten veranstalteten Kundgebungen. Präsi­dent Doumergue wurde enthusiastisch begrüßt."

- Am 4.50 Uhr verkündete der Präsident Doumergue das offizielle Ergebnis der Wahl. Danach haben an der Ab»

: stimmung teilgenommen 860 Mitglieder der Ratio nalver«

' fammlung. Gültig von den abgegebene« Stimmen finds ' 883, so datz die absolute Mehrheit 427 beträgt. Es haben

- erhalten der Präsident des Senats, Doumergue, 818 Stim­me«, der Präsident der Kammer, Painleve, 888 Stimme«,

z auf den kommunistischen Kandidaten Cameliant entfielen

> 21 Stimmen, während acht Stimmen zersplittert waren, s Bei der Verkündung des Ergebnisses stimmte« die Kom«

munisten die Internationale an, worauf die ganze übrige s Nationalversammlung die Marsaillsise zu fingen begann.

> In den Gesang hinein riefen die Kommunisten:Es lebe

! die Kommune?"Wo bleibt die Amnestie?" Das anwe-

' sende Publikum erhob sich und sang die Nationalhymne ^ mit. Der leitende Präsident Henry Martin hob die Sit»

^ zung unter großem Tumult auf. ^ -