die Gedanken zu machen, die sie sich seit den ältesten! Zeiten gemacht haben. Ein Einzelner, eine Gruppe,! unter besonderen geistigen Verhältnissen eine ganze Generation kann es fertig bringen, diese Gedanken abzuschaffen, aber die nächste Generation beginnt wieder die Umkehr, und da rächt es sich dann, daß man es versäumt hat, die geistige Provinz abzustecken, auf die der Glauben logischen Anspruch hat.
Es ist eine Lebensfrage für den Liberalismus, daß er in der Angelegenheit des Glaubens die richtige Linie einhalte. Er lehnt es, mit Recht, grundsätzlich ab, sich in die Fragen der Religionen (die nicht die Fragen der Kirchenpolitik sind) einzumischen. Aber dieses negative Verhalten muß doch in einem Punkte durch ein positives ergänzt werden: es darf kein Zweifel darüber bestehen, daß er Religion überhaupt, und zwar das, was man bisher unter Religion verstanden hat, nicht für eine Art von Blödsinn hält. Man spricht so viel von Aufklärung. Zur Aufklärung gehört es aber auch, daß man jedem geistigen Gebiet das läßt, was ihm natürlicher Weise zukommt. Man kann ja der Ansicht sein, daß es unglaublich sei, was alles diese oder jene Religion zu glauben verlange, aber man könnte nachgerade schon wissen, daß es Dinge gibt, die nur sterben, wenn man von ihnen nicht redet. Vor allem muß die Ueberzeugung bestehen, daß bei aller Anfechtbarkeit historisch gewordener Formen dennoch in der Republik Glauben nicht etwa als armer Teufel geduldet ist, sondern ein Recht hat, da zu sein, wenn nun einmal sein Träger glauben will. Das ist gerade das Gegenteil dessen, was die Monisten tun, die von der Höhe ihrer Erkenntnis auf die Zurückgebliebenen herabsehen. Der Liberalismus könnte sehr froh sein, wenn es recht viel Personen gäbe, die jene Ueberzeugung verbreiteten. _
Die Hagelfälle im Jahre 1913.
47 Tage brachten Heuer unserem Lande Hagel, im Februar 1, im April 5, im Mai und Juni je 11, im Juli 5, im August 10 und im September 4. Unter diesen Tagen steht hinsichtlich der Anzahl der betroffenen Gemeindemarkungen der 4. Juni (Tag des zweiten Wirbelsturmes) weitaus an der Spitze, nämlich nach der Statistik bis jetzt 174 Markungen, davon 47 schwer betroffen. Am Tag des ersten Wir- belsturmes, am 1. Juni, wurden laut Staatsanzeiger 51 Markungen betroffen, davon 5 schwer. Nächst dem 4. Juni ist der 1. Mai der hagelreichste Tag mit 76 überhaupt und 28 schwer betroffenen Gemeinde-Markungen. Hieran reihen sich als Tage mit viel Hagel an: der 3. Juni (46 geschädigte Markungen; davon 6 schwer), der 16. Mai (34, davon 6 schwer), der 5. Juni (34, davon 15 schwer) und der 5. August (30, davon 7 schwer). — Der Monat Juni brachte Heuer die meisten Hagelfälle, nämlich 361 Markungen sind betroffen worden, davon 83 schwer. Der Mai stand ihm nicht viel nach: 226 betroffene Markungen, davon 45 schwer. Während es voriges Jahr im Juli mehr hagelte, als im August, ist Heuer der umgekehrte Fall festzustellen: im August 1913 Hagelfälle auf 68 Markungen, davon 17 schwere, im Juli 1913 nur 34, davon 6 schwere. Der diesjährige April und September waren sich in Bezug auf Hagelfälle ziemlich gleich, im April 16 betr. Markungen, davon eine schwer betroffen, im September 15, davon eine schwer betroffen. Vom 30. April an beginnen die schweren Hagelfälle (zu schwe
rem Hagel rechnet man Schlossen in Größe von Welschnüssen, Tauben- und Hühnereiern). — Von den Kreisen wurde der Schwarzwaldkreis am meisten geschädigt, 264 betr. Markungen, davon 60 schwer betroffene; dann folgt der Donau- kreis, unter 226 betr. Markungen 64 schwer betr. Der Neckarkreis (117, davon 14 schwer betr. Mark.) und der Jagstkreis (114, davon 14 schwer betr. Mark.) sind sich in der Anzahl der betroffenen Markungen ziemlich gleich. — Innerhalb des Neckarkreises sind die Oberämter Böblingen (26, davon 2 schwer), Stuttgart-Amt (16, davon 3 schw.) und Eßlingen (13, davon 2 schw.), am meisten geschädigt. Im Schwarzwaldkreis ist dies der Fall in den Oberämtern Horb (44, davon 12 schw.), Freudenstadt (29, davon 8 schw.), Nürtingen (24, davon 7 schw.), Her- renberg (23,' davon 3 schw.), Oberndorf (19, davon 2 schw.); im Jagstkreis: Schorndorf (28, davon 6 schw.), Gaildorf (12, davon 2 schw.), Welzheim (11, davon 0 schw.); im Donaukreis: Ehingen (31, davowll schw.), Waldsee (24, davon 7 scbw.), Kirch- heim^(>23, davon 15 schw.), Münsingen (23, davon 6 schw?), Laupheim (21, davon 1 schw.), Biberach (19, davon 8 schw.), Saulgau (15, kein schw.), Göppingen (13, davon 4 schw.), Riedlingen (13, kein schw.), 1 llmff^ 3 , davon 2 schw.). _
« Familien-Nachrichten.
Neburten. Neuffen: Apotheker Valet 1 T. Verlobungen. Elisabeth Müller, Hermann Zeller, Stadtpfarrer, Stuttgart-Aalen. Todesfälle. Eßlingen: Hermann Wagner, Fabrikant, 51 I. — Oßweil: Anna Fleischhauer geb. Schwend- ner. — Stuttgart: Gustav Wähler, 75 I. Johanna Seufert geb. Jeremias, 68 I. Marie Waitzmann Witwe, geb. Reichert, 70 I. — Hoheneck: Gottlieb Nagel. 75 I._
Büchertisch.
Das Schwabenland in Farbenphotographie. Heft 10—13. Es ist wieder Zeit, daß wir von dem guten Fortgang des Unternehmens berichten. Was die moderne Farbenphotographie an Klarheit der Wirkung, an Plastik, an der Möglichkeit, abzutönen ge
wann und bietet, das ist in diesen Heften verwertet. Jedes einzelne Heft enthält zwei Tafeln mit farbenphotographischen Aufnahmen aus der schwäbischen Landschaft (Heft 12 eine solche aus unsrem an landschaftlich schönen Ansichten so reichen Lalw) und in fortlaufendem Text auf Kunstdruckpapier in deutlichen Typen die Darstellung des Schwabenlandes in Geographie, Kultur und Geschichte aus den Federn bestbekannter Heimatkenner: Ströhmfeld, Dr. Egel- haaf, Pfarrer Dr. Engel, Ludwig Finckh, Fraas, Eradmann usw. Ein Heft kostet 1.25 .kl. In 20 Heften abgeschlossen, bildet dieses Werk eine moderne, flüssig geschriebene Abhandlung über unsere engere Heimat, die von unvergänglichem Wert für die Heutigen und für ihre Nachfahren sein wird. Den Verlag für Württemberg hat die bekannte Stuttgarter Buchhändlerfirma Holland u. Josenhans.
Frauenarbeit und Fraueneinfluß sind heutzutage gewichtige Faktoren zur Lösung der sozialen Frage. Unsere moderne Hausfrau soll auch Teil haben an den großen Bestrebungen unserer Zeit, wenn sie auch Haus und Herd nicht darüber vernachlässigen darf. Als Führer und zuverlässiger Berater kann ihr da nichts Besseres empfohlen werden als eine gute Zeitschrift — keine Tageszeitung mit verwirrender Stoffülle, sondern ein echtes und wahres ..Frauenblatt". Das ist die Illustrierte Familien- und Modenzeitung „Häuslicher Ratgeber". (Hermann Hill- ger Verlag, Berlin IV 9 und Leipzig) Heft 3 des „Häuslichen Ratgebers", das soeben erschien, ist für 15 F in jeder Buchhandlung zu haben. Probenummern versendet Hermann Hillger Verlag, Berlin IV 9 portofrei und kostenlos. _
Konkurse in Württemberg. K. Amtsgericht Leutkirch. Nachlaß des am 29. Juni 1913 gestorbenen Josef Durach, led. Oekonomen und Metzgers in Rimpach, Gde. Friedhofen. — K. Amtsgericht Münsingen. Wörner, Lorenz, Bierbrauereibesitzer in En- nabeuren. — K. Amtsgericht Spaichingen. Honer, Josef, Bierbrauereibesitzer zur Sonne in Hofen- Spaichingen._
Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.
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Es war eine beträchtliche Summe in Gold und Silber.
„Und hier ein Sparkassenbuch. Ich werde dir das Geld schicken nach der neuen Welt, wenn du mir geschrieben haben wirst, wo du weilst."
Verwundert sahen alle auf die Frau. Heinrich weinte, daß sein ganzer Körper in heftiger Erschütterung bebte.
Pfarrer Meinhart sprang auf und faßte die Hand der Frau.
Sie aber entzog sie ihm und sagte weiter: „In dieser Nacht noch mußt du fort! — Ich stoße dich nicht von mir. Aber du mußt fort! Du wirst es begreifen! Und wenn du ein ordentlicher Mensch geworden bist, Heinrich, dann komme wieder! Ich werde auf dich warten! — Oder" — sie wandte sich an die anderen — „wißt ihr besseren Rat?"
Alle schwiegen.
Da sprach sie leise: „Leb wohl!"
Heinrich fühlte, wie seine Mutter rasch den Arm um ihn legte und ihren Mund auf seine Stirne preßte.
Und als er aufblickte, sah er die Mutter nicht mehr. Sie hatte die Stube verlassen.
„Mutter!" schrie er auf.
Da ging der Pfarrer auf ihn zu: „Tun Sie, wie Ihre Mutter Ihnen riet! . . . Sagen Sie noch Lebewohl Ihren Geschwistern! Es ist um Ihretwillen gut, wenn Sie gehen!"
Da wankte Heinrich zum Bruder und zu seinen Schwestern: „Geht!" sagte er. „Geht! Ihr sollt mich
erst Wiedersehen, wenn ihr euch meiner nicht mehr schämen müßt!"
E.Karl und Hedwig und Anna reichten ihm die Hand und verließen still das Zimmer.
Heinrich saß allein bei Friedrich Meinhart und Hays Ringer.
' „Wißt ihr," fragte er mit stockender Stimme,
. .wißt ihr . . . von dem . . . was ich getan?"
Sie schüttelten den Kopf. Man hatte nie davon gesprochen.
«Ihr sollt es hören. Eine Frau war die Ursache . . . eine Frau! Ich war Student und führte ein lustiges Leben. Da war ein alter Professor. Der lebte nur seinen Büchern. Aber seine Frau war jung und schön und lebenslustig. Es ist das alte Lied . . . Mein Herz entbrannte zu ihr. Der Alte war uns im Weg. Sie war reich, unendlich reich. Wenn der Alte nicht wäre, wir könnten zusammen leben von ihrem Geld. Und sie lächelte mich an wie eine Schlange. Sie haßte ihren Mann. Da raunte mir der Teufel ins Ohr: „Befrei sie von ihm und mach' sie glücklich . . ." Wahnsinnig muß ich gewesen sein, ich kann es mir nicht anders denken . . . Ich faßte denPlan, ihn zu töten und dann mit ihr zu fliehen."
Schaudernd hielt der Erzähler inne.
Dann fuhr erfort: „Ich war bei ihr gewesen. Wild loderte die Leidenschaft in mir. Den Revolver in der Hand, rannte ich nach dem Studierzimmer ihres Mannes. Er saß über seinen Büchern. „Geben Sie Ihre Frau frei!" schrie ich ihn an. Er stchr
erschrocken in die Höhe. Ein hitziger Wortwechsel entstand. Ich war in höchster Wut. Und dann — dann krachte der Schuß. Er stürzte zu Boden. Ich rannte davon. Die Nacht irrte ich im Walde umher. Am Morgen stellte ich mich selbst der Polizei. Das Weitere will ich nicht erzählen von der Verhandlung, von der Verurteilung, vom Leben im Zuchthaus ... Ich glaube, ich hätte es nicht ertragen, wenn ich nicht das eine gewußt hätte: der Mann, auf den du geschossen, lebt! Du bist doch kein Mörder! Aber blind war er geworden durch mich, blind!"
Mit beiden Händen raufte der Erzähler sein Haar.
Da redete ihm der Pfarrer zu: „Schwer haben Sie gefehlt, furchtbar schwer! Und schwer haben Sie gebüßt . . Und nun stehen Sie auf und machen Sie sich bereit zur Abreise. Und kommen Sie heim, wenn Sie die Schmach getilgt, den Flecken aus ihrem Leben beseitigt haben, wenn Sie den Leuten wieder ins Auge sehen können! Machen Sie gut, was Sie gefehlt, durch ein Leben in redlicher Arbeit! Denken Sie immer daran: Ihre Schwester hat für Sie gebeten und Ihre Mutter wartet auf Ihre Heimkehr!"
Als Erlenstadt am nächsten Morgen aus dem Schlaf erwachte, da hatte der fremde Mann schon längst die Stadt verlassen. Die rollenden Räder trugen ihn weiter und weiter — der neuen Welt entgegen.
(Fortsetzung folgt.)