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Gegen die Gerichtsreform.

Die vom Reichsjustizministerium auf Grund des Er­mächtigungsgesetzes vorgenommene Reform des Gerichts­wesens man spricht von einer Unmasse von Ver­ordnungen hat bei den verschiedenen politischen Par­teien stärkste Bedenken und Widerstände ansgelö't, denn die ganze deutsche Rechtspflege wurde in ihren Grund­sätzen erschüttert. Daß auch die Juristen selbst ge>-wn diese Reform sind, hat man in Berlin überhaupt nicht beachtet. Der Stuttgarter Anwaltsverein hat schärfste Verwah­rung bei den zuständigen Stellen erhoben in einer Ent- fthlicßung, die, alle die Gesichtspunkte zusammenträgt, die gegen diesenAbbau" sprechen. Es heißt darin:

Im Hinblick auf dieNot von Volk und Reich" ist durch Gesetz vom 8. Dezember 1923 die Ncichsrcgierung ermächtigt worden, im Wege der Verordnung solche Maß­nahmen zu ergreifen, die wegen besonderer Dringlich­keit die Einhaltung des durch die Reichsverfassung vor- geschriebenen ordentlichen Weges der Gesetzgebung nicht als gangbar erscheinen lassen. Die Reichsregierung hat diese Befugnis überschritten. Sie hat die Grundlagen unserer ganzen Gerichtsverfassung und das Verfahren in Strafsachen und nun in letzter Stunde, am 13. Februar 1924 also einen Tag vor Ablauf des Ermächtigungsgesetzes auch das Verfahren in bür­gerlichen Rechtsstreitigkeiten durch neue Bestimmungen ersetzt, die weder dringlich sind, noch eine bessere, einfachere und billigere Rechts­pflege gewährleisten. Die vermöge ihrer Sach­kunde und Erfahrung zur Vorberatung und Mitt-Rrknng -berufenen Kreise der deuhchen Juristen, die Rechtslehrer der Hochschulen, die Richter und Rechtsanwälte haben von den Entwürfen der Regierung entiveder gar nicht oder so spät Kenntnis erhalten, daß eine wirksame Mitarbeit unmöglich war.Vertraulich" ist einigen wenigen Organisationen der Entwurf einer Verordnung mitge­teilt worden, zu spät, um eine nur einigermaßen gründ­liche Prüfung vorzunehmen. Das deutsche Volk als Gan­zes ist nicht gehört worden. Man wollte keine Kritik der Oeffentlichkeit.

Die vom Vertrauen des Volkes getragenen Schwur­gerichte sind beseitigt. Sie tragen ihren alten Namen zu Unrecht. Der Wahrspruch der Geschworenen über Schuldig oder Nichtschuldig ist gefallen. An ihre Stelle sind große Schöffengerichte getreten. Die überwiegende Zahl aller Straffälle ist dem Amtsrichter und dem kleinen 'Schöffengericht überwiesen. Vorüber­gehend sind die Laienrichter ganz beseitigt. Bis jetzt damit gemachte Erfahrungen lassen für die Zu­kunft Schlimmes befürchten. Die Strafkammern des Landgerichts sind Berufungsgerichte geworden. Das Ver­fahren in Strafsachen ist seiner wichtigsten Bestimmun­gen, die dem Schutz des Angeklagten dienten, entkleidet.

W ist angeblich billiger, sicher aber schlechter geworden. Aie Grundgedanken der Zivilprozeßordnung sind zer­stört. Nicht mehr die Parteien, um deren Rechte und Interessen es sich handelt, bestimmen das Verfahren, »sondern der Richter. Die deutsche Rechtspflege, das letzte »roch aufrecht gebliebene Gebilde unseres staatlichen Le­bens, ist in seinen Grundfesten erschüttert.

Getragen von der Ueberzeugung, daß vor allem anderen die Rechtspflege eines Volkes gegen überstürzte Maßnah­men geschützt sein muß, erhebt die deutsche Anwaltschaft feierliche Verwährung dagegen, daß die Reichsregie- rung mit einem Federstrich beseitigt, für was unsere Väter gekämpft, was Wissenschaft und Praxis in stetiger und gewissenhafter Arbeit ge­schaffen haben. Schon sind die Aenderungen der Gerichts­verfassung und der Strafrechtspflege wirksam geworden. Die Aenderung des Verfahrens in bürgerlichen Rechts- jstreitigkeiten soll am 1. Juni 1924 in Kraft treten und hat weitgehende Veränderungen in der Zusammensetzung der Gerichte zur Voraussetzung, die alsbald in Angriff genommen werden mußten. Es ist also Gefahr im Verzug. Noch ist es Zeit, diese abzuwenden. Wirt­schaftliche Nöte aller Art haben unser Volk allmählich h istumpf gemacht und sein Interesse abgelenkt von den 8 Fragen der Gestaltung des gorichtlichen Verfahrens. Der ^ Stuttgarter Anwaltsverein hält es dal-er für seine Pflicht,- S die Oeffentlichkeit anfzuklären, was die Reichsregierung i unter Berufung aus das Ermächtigungsgesetz unternvm- j men hat. Weitgehende Kreise unserer Bevölkerung sind Z der überhasteten Gesetzesveränderungen durch sogenannte^ i Notverordnung«: gründlich überdrüssig. .. - - l

Wellungen ausunsereZeitüng

werden fortgesetzt von der Geschäftsstelle un­seres Blattes, sowie von den Agenturen und

Austrägern unserer Zeitung eutgegengenommen.

Die KredrLnot.

Nachdem jetzt eine Produktionserhöhung eingeleitet ist,! ist die deutsche Wirtschaft vor die Frage gestellt, wie sie! das notwendige Produktionskapital beschaffen soll. Der! Reichsbank stehen beschränkte Rentenmarkkredite zur Ver-i fügung, welche mit einem gewissen Zinsaufschlag an die! Interessenten weiter gegeben werden. Der Zinssatz fürs Leihgeld ist zurzeit so hoch (etwa 2024 Prozent), daß -lur die wenigsten Unternehmungen die Gewähr haben, die Kredite und die Zinsen durch entsprechende Produk­tionserlöse abzutragen. Besonders gefährlich hat sich dis Kreditnot in der Landwirtschaft herausgebildet. Dass Preis-Niveau für wichtige Agrar-Produkte (besonders) Brotgetreide) ist so niedrig, daß die Produktionskosten, nicht gedeckt werden. Die Landwirtschaft beklagt sich dar-- über, daß von ber Reichsbank nur beschränkte Renten-i markkredite und diese auch nur zu hohen Zinssätzen ge-» geben werden. Nun hat sich in den letzten Wochen her- ausgestellt, daß die 4prozentige hypothekarische Gold-Be­lastung der deutschen Wirtschaft (auf welcher bekannt­lich die Rentenmark aufgebaut ist) erheblich mehr als die ursprünglich veranschlagten 3,2 Milliarden Rentenmark ergibt. Rein formal wäre dainit die Rentenbank in der» Lage, eme größere Summe Nentemnarkgeld in IkiA- -lauf zu bringen, ohne daß die Deckung unzureichend iwürde. Gegen ein solches Verfahren sprechen jedoch ge- »wichtige Gründe. Eine Vermehrung des Rentenmark- Umlaufes würde den Eindruck Hervorrufen, als beginne in Deutschland aufs neue jene verhängnisvolle Jnfla- tionswrrtschaft, die in den letzten Jahren unsere Wäh- »rung vernichtet hat: » Darum muß, solange, wir noch 'keine endgültig gesicherten Währrmgsverhältnisse 'haben, her Hedanke an eine Vermehrung des Rentenmark-Um- lausH 'und an eine 'starke Erhöhung 'der fRentenmark- Krcdite zurückgewiesen werden. Das einzige wirklich er­folgreiche Mittel zur Linderung ber deutschen Kreditnot ist die Belebung der Rapitalbildung in Deutschland. Die Inhaber von Sparkassen- und Bank-Konten haben durch die Geldentwertung zu furchtbare Verluste erlitten-, als baß sie henke geneigt wären, sich' ein neues 'Geldkonto !anzulegen. Wer verfügbares Geld hat, sucht die Anschaf­fungen zu machen, die jahrelang ganz unterblieben sind Mid doch stark eingeschränkt wurden. Ein wichtiger An­reiz zur Belebung der Spartätigkeit wäre die Verhei­ßung höherer Kreditzinsen,-als sie zurzeit gewährt wer­den. Wie große Spanne, welche zwischen dem Zinssatz der Rentenmarkbank und dem privater Geldinstutete be­steht, muß eingeengt werden; eine Verteuerung des Kre­dits auf das Doppelte und darüber ist auf die Dauer unerträglich. Für 7 Prozent Jahreszinsen, soviel wird den Besitzern von Guthaben durch die Bank gcwährt >- sind nur wenige bereit, ein Risiko für das 'Vermögen zu übernehmen. Letzten Endes wird erst nach llebergang zur Goldwährung und nach Erledigung des Reparaüoics- pwblemes die geirügende Sicherheit für den Sparer vor­handen sein, daß er nicht abermals den grössten Teil seines Vermögens verliert. Alle anderen Mittel, die Krc- ditnot in Deutschland zu mildern, können nur mäßige und vorübergehende Bedeutung haben.

Dr. Crvll.

München, 4. März.

Der 7. Verhandlungstag am Dienstag begann mit der Zeugenvernehmung von 11 Herren der Jnfanterie- schule mit General Tischowitz und Oberst Leupold an der Spitze. Im Namen der Gesamtverteidig,mg gab Rechtsanwalt Rover eine Erklärung ab, die besagt, daß bei diesen, Prozeß in ganz außergewöhnlicher Weise die Zeugen vorb-r beeinflußt worden sind. Es sei die Wahrheit geknebelt worden, dadurch, daß Zeitungen- cmgewiesw- wurden, von der anderen Seite Erklärun­gen überhaupt nicht zu bringen. Es sei ferner dis lluwahrheit ins Volk getragen worden, durch soge­nannte amtliche Darstellungen der Ereignisse und es seien Mitteilungen an einzelne Personen hinausgegan­gen, die in dem Prozeß ihr Zeugnis abgeben sollen. So sei von General Lossow eine so-,-nannte amtliche DariteüNMl Ln.4VV.ELömviaren. an böbere OikiLieve»

Truppenkommandeure usw. verschickt worden und die ganze Aufmachung sei dazu angetan, den Prozeß zu beeinflussen.

Rechtsanwalt Roder erklärte weiter, die Herren Kahr, Lossow und Seisser seien sogar so weit gegangen, daß sie unter sich die Aussagen in der Voruntersuchung gemeinsam gemacht haben. Es habe den Anschein, als ob ihnen das gesamte Material erst zugänglich gemacht worden sei und daß jeder dieser Herren, bevor er seine Aussagen machte, die Aussagen der anderen hernahm und sich darauf einstellte. Der Verteidiger beantragte ebenso wie mehrere andere Verteidiger, daß der Bericht Lossows verlesen werde, um zu zeigen, wie hier die Zeugen geradezu im Sinne der Fälschung der Wahrheit beeinflußt wurden. Dabei betonte Rechts­anwalt Holl, er möchte nicht den Eindruck erwecken, daß dieser Prozeß geführt werde, um die Herren Kahr, Lossow und Seisser des Hochverrats zu über­führen. Er führe die Verteidigung, um den Frei­spruch seines Mandanten zu erwirken und ihn dadurch der völkischen Bewegung wieder zurückzugeben. Wenn Kardinal Schulte in Köln wirklich gegen die Rede Ludendorfss von der Kanzel aus Stellung nehmen lassen wollte, so wäre das ein Verbrechen. Der Vor­sitzende erklärte sich bereit, den Bericht verlesen zn lassen, hielt dies aber im jetzigen Zeitpunkt nicht für angängig, da ja zunächst die Vernehmung der Zeugen aus der Jnfanterieschule in Aussicht stehe. Die Ver­teidigung hielt aber ihren Antrag aufrecht.

Staatsanwalt Dr. Stenglein erklärte, daß die Staats­anwaltschaft mit dem Bericht Lossows in keinem Zu­sammenhang stehe. Die Staatsawvaltschaft habe auch, kein Material geliefert. Er bestreite, daß irgendwie von der Anklagebehörde in unzulässiger Weise versah-- reu worden und etwas geschehen sei, das die Ob­jektivität der Ermittlungen beeinträchtigt hätte. Ein Verteidiger wies darauf hin, daß der Vorsitzende einer Münchener Ofsiziersversinigung ei» Schriftstück ans den Gerichtsakte» in die Hand bekommen habe. Fer­ner wird mitgeteilt, daß die Denkschrift am 24. No­vember an die Standortsältesten und Kommandeure der Reichswehr, dann am 12. Dezember an die Chefs der Landesvolizei und endlich am 10. Januar an eine Reihe Offiziersvereinigungen verschickt worden sei mit dem Bemerken, daß sie den unwahren Gerüchten entgegentreten und zur Aufklärung den Offizieren bekannt gegeben werden solle.

Weiter teilte der Gerichtsvorsitzende auf Anfrage- mit, daß die Vernehmung von Kahr, Lossow und Seist, ser in den ersten Dezembertagen erfolgte. Das Gericht zieht sich zur Beratung über den Antrag auf sofortige» Verlesung der geheimen Denkschrift Lossows zurück und nimmt nach kurzer Pause die Verhandlung wie­der aus mit der Verkündung, baß die Verlesung der Denkschrift einem später vom Vorsitzenden zu bestim­menden Zeitpunkt Vorbehalten wird.

Der erste Staatsanwalt beantragte nun mit Rück­sicht darauf, daß jetzt bei der Zeugenvernehmung dich gleichen Fragen zur Behandlung kommen werden, dich am Montag zum Ausschluß der Oeffentlichkeit führ­ten, den generellen Ausschluß der Oeffentlichkeit aus- Lusvrechen. Die Verteidigung verlangt, daß die Verch Kreter der Reichsw und des Wehrkreiskommandos- jedenfalls den Saal verlassen müßten, weil die Zeugen' durch ihre Anwesenheit beeinflußt werden könnten und) weil zu befürchten sei, daß ihnen in ihrer Existenz , »aus ihrer Aussage Schwierigkeiten entstehen. Es) ffchon vorgekommen, daß verschiedene junge Offizierej ,im Zusammenhang mit dem Prozeß ziemlich plötzlich ihrer Existenz beraubt wurden. Er möchte nicht, daß» die jungen Offiziere in den schweren seelischen. Kon-j slikt verwickelt werden, entweder die Wahrheit zu sa-j gen und im nächsten Militärverordnungsblatt zu er-s fahren, daß ihre weitere Verwendung als Offizier nichv in Betracht komme. Schon sei der Fall eingetreten, daß! sich ein Militär verabschiedet gesehen habe. s

Der Staatsanwalt bemerkte, daß sich die Staaksän-» Waltschaft seitens der beiden Herren des Reichswehr-) Ministeriums und des Wehrkreiskommandos nicht Habs beeinflussen lassen. Er habe auch keinerlei Wahrneh-- mnng gemacht, daß ein solcher Versuch seitens der beiden Herren selbst gemacht worden wäre. Der Ge­richtshof verkündete, nachdem er sich zur Beratung zurückgezogen hatte, folgenden Beschluß: 1. Während der Vernehmurig der Zeugen ans -er Jnfanterieschule wird- die Oeffentlichkeit ausgeschlossen wegen Gefähr­dung der Staatssicherheit. 2. Die Anwesenheit wird gestattet den Vertretern der Reichs- und Staatsbehör­den mit Ausnahme des Vertreters des Reichswehrmini­steriums und des Wehrkreiskommandos.

Darauf wird der Saal geräumt und die 11 Zeugen von der Jnfanterieschule treten zur geheimen Ver­nehmung nach, 10 Uhr in den Sitzungssaal.