Amts- und Anzeigeblatt für den Vberamtsbezirk Lalw.

88. Jahrgang.

Nr. 258.

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Erscheinungsweise: 6inal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts* bezirk Talw für die einspaltige Borgiszeile IO Pfg., außerhalb desfelben 12 Pfg., Reklamen LL Pfg. Schluß für Jnseralannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Vienstag, den 4 Navember 1915.

Bezugspreis: In der Stadt mit TrLgerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mr. 1.N). Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Einzug des braunschweigischen Herzogspaares.

Rathenow, 3. Nov. Heute vormittag 9 Uhr 58 Min. ha­ben Herzog und Herzogin Ernst August zu Braunschweig uns Lüneburg im Sonderzug Rathenow verlassen. Gegen 9)4 Uhr fuhren sie von der Villa durch die reichgeflaggte Bahnhos- straße zum Bahnhof. In den Straßen hatten Zietenhusaren Ausstellung genommen, und eine große Menschenmenge brachte dem Paare herzliche Abschiedsgrüße dar.

Braunschweig, 3. Nov. Das Herzogspaar Ernst August ist heute mittag 12 Uhr 37 Min. auf dem hiesigen Hauptbahn­hof eingetroffen. Die Mitglieder des Staatsministeriums wa­ren ihm bis an die Landesgrenze bei Velpke entgegengefahren. Auf dem Bahnhof waren die Vertreter der staatlichen Behör­den, die Hofstaaten usw. zur Aufwartung erschienen. Der Herzog und die Herzogin traten sodann unter dem Jubel der Bevölkerung ihren Einzug in die neue Residenz Braunschweig an, auf dem Friedrich-Wilhelms-Platz wurden sie von den städtischen Körperschaften empfangen.

Um 12^ Uhr begannen die Glocken nicht nur in der Stadt Braunschweig, sondern im ganzen Lande zu läuten, um anzuzeigen, daß das Herzogspaar sich seiner Residenz näherte. Hinter den spalierbildenden Vereinen, die aus allen Teilen des braunschweigischen Landes hierher gekommen wa­ren, drängte sich nunmehr die dichte Menge des Volkes. Alle Fenster, alle Bäume und Masten, vielfach sogar die Dächer der Häuser waren mit Schaulustigen besetzt. Die Absper­rung war aufs denkbar mindeste beschränkt, so daß-im letzte»! Augenblick nur mit Mühe die Straße für die herrschaftlichen Wagen freigemacht werden konnte. Dicht am Bahnhof standen Hunderte Kriegervereine mit ihren Fahnen. Im Spalier stan­den u. a. die Studentenschaft mit ihren Bannern und Pe- keschen, die Innungen, Beamten- und Bürgervereine, die braunschweigischen Bergleute in ihrer Knappenuniform, kur­zum Vereine jeder Art. In der Nähe der Welfenburg hatten auch die welfischen Vereine Aufstellung genommen, sowohl die milder gerichteten, die sogar die preußische Fahne an ihrem Hause ausgezogen hatten, als auch die braunschweigische Rechtspartei. Unter der Ehrenpforte versammelten sich Bürger­meister und Magistrat im Schmuck der goldenen Amtsketten und die braunschweigischen Stadtverordneten. Ihnen gegen­über waren die Ehrenjungfrauen aufgestellt, und hinter ih-

Lsthers Wiederermchen im Geiste der Freiheitskriege.!

G Hirsau, 3. November.

Ter vom hiesigen Zweigverein des Evangelischen Bundes gestern veranstaltete Lutherabend war aus allen Schich­ten der Bevölkerung zahlreich besucht, so daß der Saal im Gasthof zumRößle" voll besetzt war.

Nach einleitenden Begrüßungsworten des Vorstands, Herrn Forstmeisters Dr. H ar s ch, und nach dem gemeinsamen Gesang des 1. Verses des Lutherliedes erfreute uns der Vor­sitzende des Württ. Hauptvereins des Evang. Bundes, Herr- Schulrat Dr. Mosapp aus Stuttgart, mit einem gehalt­vollen Vortrag überLuthers Wiedererwachen im Geiste der! Freiheitskriege". Der verehrte Hauptredner führte aus, wie die nationale Erhebung zur Zeit der Befreiungskriege befruch­tet und durchdrungen war von religiösen Gedanken und wie andererseits die Zeit der Freiheitskriege eine Zeit religiöser Erweckung und Erneuerung gewesen ist und die religiöse Dich­tung beeinflußt hat. Tie rationalistische Einseitigkeit des 18. Jahrhunderts, unter der viele schöne Kirchenlieder verwässert wurden, ist an sich selbst zu Grunde gegangen. Tie schweren Schläge bei Jena und Auerstädt, die unerhörte Not der Zeit, der ungeheure Druck, den Napoleons Tyrannei ausübte, ha­ben das Volk aufgerüttelt und ein Sehnen nach Befreiung aus den Ketten des fremden Eroberers wachgerufen. Der Kampf gegen den Unterdrücker wurde durch die Lieder der Helden der Freiheitskriege zu einem religiös geweihten Kampf gegen welsche Eroberungssucht und Zügellosigkeit. Die Rot lehrte kämpfen und beten. Der alte Gottesglaube und das Vertrauen auf Gottes Gerechtigkeit erwachte wieder. Der Red­ner ließ sodann an unserem geistigen Auge die Männer nor- überziehen, welche die inneren Reformen in Preußen und Deutschland angebahnt haben und die Luthers Geist wieder erweckt haben. Freiherr von Stein: Aufhebung der Leibeigenschaft und Einführung der Selbstverwaltung in den Gemeinden und größeren Kommunalverbänden. Scharn-

nen auf erhöhten Stufen, in feierlichem Kontrast zu dieser jugendlichen rosengeschmückten Anmut, versammelte sich die Geistlichkeit in schwarzen Tataren und weißen Halskrausen. Kurz vor 12 Uhr tönten vom Bahnhof die Klänge des Präsenüermarsches herüber und zeigten an, daß das Herzog- Paar in Vraunschweig angekommen sei. Gleichzeitig setzte ein ziemlich heftiger Regen ein, der von der begeisterten Volks­menge ohne Murren ertragen wurde. Bald darauf passierte die Ehrencskorte der Braunschweiger Husaren die Ehrenpforte, und von brausenden Hochrufen begrüßt, erschien der von sechs blauweißen Reitern vom Sattel aus gefahrene Wagen mit dem Herzogpaar. Der Herzog trug die Uniform seines Braunschwei­gischen Husarenregiments, die Herzogin über einem weißen Kleide einen blauen Sammetmantel und weißen Federhut. Der Bürgermeister Retmeyer widmete dem Herzog herzliche Worte der Begrüßung. Der Herzog war sichtlich bewegt und konnte nur mit Mühe die Rührung zurückhalten, als er mit leiser Stimme fast im Flüsterton seinen Dank für den herz­lichen. warmen Empfang aussprach. Ter Herzogin, die außerordentlich leidend und blaß aussah, wurde von der Toch­ter des Zweiten Bürgermeisters Meyer mit einem kleinen Ge­dicht ein Strauß weißer und roter Nelken überreicht, den sie mit herzlichen Worten des Dankes enlgegennahm. Alsdann setzte sich der Zug wieder in Bewegung. Dem Wagen des Herzogpaarcs folgte ein Wagen mit dem Hofstaat und ein Wagen mit dem Ministerium. Eine Abteilung Husaren bil­dete den Schluß. Unter lautem und lebhaftem Jubel des Vol­kes fuhr der Wagen des Herzogpaares in langsamem Schritt durch die Straßen der neuen Residenz, auf den Hagenmarkt, noch einmal begrüßt durch Lieder der dort versammelten Schul­kinder. Gegen 2 Uhr langte der Zug vor dem Schloß an, wo der Hofstaat vorgestellt wurde, und wo alsdann die Thron­rede des Herzogs verlesen wurde. Darin betrachtet das junge Paar den Jubel der Bevölkerung bei seinem Einzug in das Land und in die Residenz als ein sichtbares Zeichen der Liebe und des Vertrauens, welches ihm die gesamte Einwoh­nerschaft des Landes entgegenbringt.Es wird mein stän­diges Bestreben sein, die Regierung so zu führen, daß jeder ohne Unterschied der Person die Ueberzeugung gewinnen wird, tatkräftige Fürsorge für das Gedeihen des Landes und das Glück der Braunschweigcr sei der Leitstern alles meines Han­

delns und Tuns. Dazu, meine Herren, bedarf es insbesondere Ihres vollen Vertrauens und Ihrer treuen Mitarbeit, wie Sie solche auch meinen Vorgängern an der Regierung allezeit er­wiesen haben und um die ich Sie damit herzlichst bitte. Der Herzogin, meiner Gemahlin, wird es eine große Freude und eine ihr zu lebhafter Befriedigung gereichende Aufgabe sein, alle auf dem Gebiet der Frau und Fürstin liegenden Bestrebungen zu fördern und zu unterstützen." Der Herzog spricht die zuversichtliche Hoffnung aus, daß das Band zwischen Fürst und Volk ein immer festeres und innigeres werden wird.

Vraunschweig, 3. Nov. Nach der Verlesung der Thron­rede hielt der Präsident der Landesversammlung, Kreisdirek­tor Krüger-Wolfenbüttel, eine Ansprache. Heute nachmit­tag fand im Weißen Saal des Schlosses Galatafel statt. Herzog Ernst August hat, um ein bleibendes Andenken an sei­nen Regierungsantritt zu schaffen, unter dem Namen Herzog Ernst August-Stiftung eine milde Stiftung errichtet und dieser Stiftung als Grundstock aus der herzoglichen Schatulle den Betrag von 50 000 überwiesen.

Stadt, Bezirk «ad Nachbarschaft.

Calw, den 3. November 1913.

Die schönen Herbsttage mit ihren lang anhalten­den Föhn-Luftströmungen haben nicht nur, wie man liest, in der Bodenseegegend wunderbare Fernsicht mit sich gebracht, auch bei uns zeigte sich vom D o - ma türme aus. besonders am Sonntagabend, die ganze Albkette vom Lemberg bis in die Gegend des Hohenstaufen mit den anschließenden Schurwaldber­gen in zauberhafter Beleuchtung. Wir begrüßten den neuen Roßbergturm und weit im Osten den beson­ders markanten Messelberg. Die Strahlen der unter­gehenden Sonne zeigten uns im fernsten Südwesten über der Gegend des Feldbergs ein gewaltiges Hoch- gebirgs-Massiv, das leider die Abenddämmerung uns bald wieder verhüllte. Allen Naturfreunden möch­ten wir daher raten, sich den Genuß einer solchen Doma-Rundschau zu verschaffen, solange die milde Witterung noch anhält. IV.

Horst: gründliche Umgestaltung des Heereswesens, Einfüh­rung der allgemeinen Wehrpflicht, Beseitigung der Vorrechte des Adels im Offizierkorps. Fichte fordert zur Wieder­geburt der deutschen Nation eine tiefe Innerlichkeit, Glaubens­treue und Glaubenstiefe, einem Schleiermacher ist das Christentum nicht nur Sache des Gefühls, sondern des Han­delns:Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert". Auch in den Schriften des Ernst Moritz Arndt weht echter Luthergeist:Wer ist ein Mann? wer beten kann"; die deutschen Männer ruft er zum Gottvertrauen auf und nachdem der Sieg glücklich errungen war, hieß es:Gebt unserem Gott die Ehre" undWem soll der erste Dank erschallen? Dem Gott, der groß und wunderbar!" Auch die Leyer eines Theodor Körner hat neben vaterländischen auch tief reli­giöse Klänge angeschlagen, denken wir an das Lied zur Ein­segnung des Freikorps in der Kirche zu Rogau oder an das Gebet während der Schlacht:Vater, ich rufe Dich". Anzu­führen ist hier auch das Soldatenmorgenlied des Max von Schenkendorf:Tu reicher Gott in Gnaden" und das Tedeum nach der Leipziger Schlacht:Herr Gott, Dich loben wir". Die nationale Erhebung und die religiöse Er­weckung waren besonders aus den Hochschulen von dauernder Wirkung. Der Zudrang zum theologischen Studium war nie so stark wie damals. Die Werke der inneren Mission (Wichernj nahmen ihren Anfang in der Zeit nach den Freiheitskriegen; auch die Anfänge des Diakonissenwesens fallen in jene Zeit. Der Redner schloß mit dem Hinweis darauf, daß, wvenn auch heute wieder die Mächte sich geltend machen wollen, welche die nationalen Interessen in den Vordergrund und über die all­gemeinen nationalen Interessen des Vaterlandes stellen, der Protestantismus es immer gewesen ist, welcher um das Evan­gelium und das Volkstum ein einigendes Band geschlungen hat und daß heute der evang. Bund es ist, der die Wahmng der deutsch-protestantischen Interessen sich zur Aufgabe gemacht hat.

Herr Forstmeister Dr. Harsch dankte hierauf dem Red­ner für seinen ausgezeichneten Vortrag und zeigte, wie der Rationalismus das Unglück Preußens war und wie der Ge­danke an Gott und das Vertrauen auf Gott Preußen und Deutschland zum Siege verholfen hat, daß dieser Geist jenes Rationalismus aber auch jetzt wieder im deutschen Volke um­zugehen scheine und unser Volk in das Nichts herunterzu­ziehen drohe und daß es den Anschein habe, daß bei vielen in unserem Volk die Erinnerung an die heißen Kämpfe um die idealen Güter verloren gehen wolle. Der Evang. Bund will in seinem Teil dazu Mitwirken, daß die Vaterlandsliebe dem deutschen Volke erhalten bleibt und daß Gottes Wort in Fa­milie und Staat wieder mehr zu Ehren kommt. Hierauf wurde noch an den Beschluß des Reichstags auf Rückberu­fung der Jesuiten, der geschworenen Feinde des Pro­testantismus und protestantischer Lebensauffassung, erinnert und insbesondere noch hervorgehoben, daß wir die religiöse Ueberzeugung anderer achten, ebenso wie wir Anspruch darauf erheben, daß unsere religiöse Ueberzeugung geachtet wird, und daß der Evang. Bund lediglich den Standpunkt der Ver­teidigung, nicht den des Angriffs einnimmt, und daß es uns um einen ehrenvollen konfessionellen Frieden zu tun ist. Zum Schluß wurde der letzte Vers des Lutherliedes gesungen und mit dem Wunsche, daß die Anwesenden bleibende Ein­drücke mit nach Hause nehmen möchten, schloß der Herr Vor­stand die Versammlung.

Auch dieser Abend hat wieder großen Anklang gefunden und weitere Mitglieder dem Zweigverein zugeführt. Es sei daher unserem verehrten Vorstand, Herrn Forstmeister Dr. Harsch, für die Veranstaltung des genußreichen Abends und für seine Bemühungen, ebenso dem Herrn Hauptlehrer Hin- derer für seine freundliche musikalische Mitwirkung der wärmste Dank ausgesprochen.