» Althengstett, 31. Okt. Auf Veranlassung der hiesigen Ortsgruppe des Flottenvereins hielt Oberst­leutnant Wochinger gestern abend im Gasthaus zur Traube hier einen lehrreichen Lichtbilder-Vortrag über Deutschlands Flotte. Die zahlreiche Versamm­lung brachte dem Vortrag des gewandten Redners großes Interesse entgegen, das durch lebhaften Bei­fall bekundet wurde. Schultheiß Braun dankte dem Herrn Oberstleutnant und die Versammlung stimmte patriotische Lieder an.

Neuenbürg, 31. Okt. Bezüglich der gewünschten normal- spurigen Nebenbahn Neuenbürg-Marxzell 15,7 Kilometer lang, wovon 9,4 Km. in Württemberg liegen hat das Komitee einen jährlichen Betriebsüberschuß von 43 300 angenommen, wogegen die Generaldirektion nur einen solchen von 13 000 .//. berechnet. Keine der Berechnungen wird stim­men. Die Bahn wird vielmehr zu einer der besten unseres Landes gezählt werden können, denn sie wird für den Frem­denverkehr eine gewaltige Bedeutung erlangen, Hinterland er­schließen und für die Holzabfuhr eine wichtige Rolle spielen. Da aber nurErwägung" beschlossen wurde, werden wieder Jahre über dem Projekt ins württembergische und badische Land gehen, zumal da die Haltung von Baden zu dem Pro­jekt ohnehin noch nicht bekannt ist.

Pforzheim, 3. Nov. In der Vorstadt Brötzingen war gestern nacht schon wieder Feuer ausgebrochen, das vierte Mal in zwei Jahren. Diesmal brannten zwischenRebstock" undBären" vier Wohnhäuser und drei Scheunen im Werte von ca. 60 000 ab. Binnen zwei Jahren sind zusammen in Brötzingen rund 30 Gebäude abgebrannt. Auf dem Brand­platz verunglückte beim Aufräumen der 30jährige Eugen Staib und erlitt durch einen herabfallenden Balken lebensgefährliche Herz- und Nierenquetsch­ungen.

Württemberg.

Ständisches.

Der nunmehr im Druck vorliegende Entwurf eines Ge­setzes betreffend einen Nachtrag zu dem Finanzgesetz für die Finanzperiode 1. April 1913 bis 31. März 1915 enthält, als einzigen Artikel folgende Forderung: Zu dem durch Art. 1 des Finanzgesetzes festgesetzten Staatsbedarf für den ordent­lichen Dienst treten hinzu: bei dem Departement des Innern, Etatkapitel 23 s, Landes-Polizeizentralstelle, für das Etats­jahr 1913 15 055 für das Etatsjahr 1914 36 220 Zur Deckung dieser Beiträge ist der etatmäßige Ueberschuß der Finanzperiode 1. April 1913 bis 31. März 1915 zu verwenden.

Der neue Kandidat.

Wie heute bekannt gegeben wird, hat die Bezirks­vertrauensmännerversammlung der Fortschrittlichen Volkspartei Tuttlingen mit großer Einmütigkeit die Kandidatur für die bevorstehende Landtagsnachwahl dem Bürgerausschußmitglied Schützenwirt Sten­ge l i n ängetragen. Dieser hat sich Bedenkzeit aus­gebeten, jedoch nimmt man allgemein an, daß er zu- sagen wird. An der Unterstützung durch die Natio- nälliberale Partei wird hier nicht gezweifelt. Fer­ner wurde mitgeteilt, daß die Wahl nicht vor Ende Januar stattfindet.

Zum Fall Burger.

Heilbronn, 1. November. Mit der Dienstentlassung Bur­gers soll es, wie das Neckar-Echo schreibt, einen Haken haben. Er war von der Kreisregierung öffentlich aufgefordert wor­den, bis zum 15. Oktober in sein Amt zurückzukehren. Er wurde aber vor diesem Zeitpunkt in Athen verhaftet. Die Kreisregierung stellt sich nun auf den Standpunkt, daß diese

Aufforderung durch die Verhaftung rechtsunwirksam werde, denn es lag nicht mehr im freien Willen Burgers, ihr Folge zu leisten. Danach bleibe nur übrig, die Verurteilung vor dem Gericht abzuwarten und dann beim Disziplinarhof für Körperschaftsbeamte die Dienstentlassung zu beantragen. Es sei, sagt das genannte Blatt, vor Bekanntsein des strafrichter­lichen Erkenntnisses eine durchaus offene Frage, ob der Dis­ziplinarhof auf Amtsverlust erkennen werde, weil Burger amt­lich nicht viel vorzuwerfen sei. Natürlich sei damit kein Weg für Burger offen, wieder Stadtpfleger zu bleiben, denn das sei eine völlige moralische Unmöglichkeit. Nur die Art, wie er endgültig sein Amt verlassen werde, ob durch Entlassung, Pen­sionierung oder Verzicht, sei heute noch nicht anzugeben.

Zur Notlage des Weingärtnerstandes.

Bietigheim, 2. Nov. Heute nachmittag fand hier in der Krone eine öffentliche Versammlung statt zur Besprechung der großen Notlage des Weingärtnerstandes im ganzen Lande. Der Saal war bis auf den letzten Platz dicht besetzt. Von der Staatsregierung waren anwesend: Regierungsrat Spind- ler vom Ministerium des Innern, Ministerialdirektor Dr. v. Pistorium vom Finanzministerium, Oberregierungsrat Falch von der Zentralleitung des Wohltätigkeitsvereins, Regie­rungsdirektor Sting von der Zentralstelle für die Landwirt­schaft, ferner Oekonomierat Warth, der Vorstand vom württ. Obstbauverein. Weinbauinspektor Mährlen, dann die volks­parteilichen Landtagsabgeordneten Betz, Löchner, Groß-Reut- lingen, Dr. Eisele; von der natir.,alliberalen Partei: Dr. v. Mülberger, Tr. v. Hieber, Schmidt-Besigheim; vom Bauern­bund und Konservativen: Dr. Wolfs, Karges, Frh. Pergler von Perglas, Karle, Korner, Vogt-Weinsberg, Haag, Stroh Zreh; vom Zentrum Hauser und von der sozialdemokratischen Partei die Abgeordneten Heymann, Reichel, Hornung und Mattutat, zahlreiche Bezirksvorstände, Ortsvorsteher uno Ver­treter der in Betracht kommenden Gemeinden. Den Vorsitz führte Stadtschultheiß M e z g e r - Bietigheim. Bereits am Sonntag, den 19. Oktober hat in Heilbronn eine von ea. 600 Vorstehern von weinbautreibenden Gemeinden des mittleren und unteren Neckartales mit den angrenzenöen Ooer- ämtern besuchte Versammlung stattgefunden, in der in ver­traulicher Weise über die Maßnahmen zur Linderung des Weingärtnerstandes beraten wurde. Schultheiß Man lick Mundelsheim gab in seinem heutigen Referat ein überaus Haariges Bild von der Notlage der Weingärtner des Neckar- Äems- und Taubertales mit all den sich daraus ergebenden Folgen: Auf die Rundschreiben seien 200 Antworten ein- gelaufcn, in denen überall die gleiche Not, derselbe Jammer und dasselbe Elend zuin Ausdruck komme. 132 Gemeinden mit i,0 314 Hektar Land hätten einen Verlust von ungefähr 12 Millionen Mark zu beklagen. Etwa der 4. Teil des Landes sei rn der größten Bedrängnis. Dem Weingactner- stand drohe der Untergang. In der sich daran an­schließenden Diskussion kamen die einzelnen Punkte der Ein­gabe die an die Landesstände gerichtet werden soll, zur Sprache: Die Vorkehrungsmaßregeln, die zur Linde­rung der Not von der Versammlung vorgeschlagen und einstim­mig angenommen wurden, sind folgende: 1.) Uebernahme des ganzen Betrages für die Schädlingsbekämpfung für die Jahre 1913 und 1914, womöglich unter der Voraussetzung gemein­samer Bekämpfung durch die Gemeinden oder die örtlichen Vereinigungen. 2.) Erhöhung des Staatskredits für die Zen­tralkasse des Verbandes der landwirtschaftlichen Genossenschaf­ten, jedenfalls Verwilligung eines vorübergehenden Staats­beitrags zur Erhaltung eines angemessenen Zinsfußes.

3. ) Nachlaß der Staatssteuern für Weinberge und Erhöhung des Abzugs der Steuerkatastergrundlage von 60 auf 70 Proz.

4. ) Weitere Stundung der seither gewährten Notstandsdar­lehen. 5.) Gewährung weiterer Notstandsdarlehen in der

Weise, daß sie zunächst 35 Jahre zinsfrei gegeben werden und hierauf Rückzahlung in Jahresraten erfolgt. 6.) Er­höhung des Staatsbeitrags an notleidende weinbautreibende Gemeinden bei Schulhausbauten und bei Schulgehaltsbeiträ­gen. 7.) Rasche und weitgehende Vorbereitung und Ein­schätzung von Notstandsarbeiten unter Erhöhung der Staats­beiträge. 8.) Beratung bei Einbestockung der Weinberge und Einführung anderer Kulturen durch die staatlichen Sachver­ständigen für Wein-, Obst- und Gartenbau. Die Einleitung einer Geldsammlung im ganzen deutschen Reich wurde aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Es wurde dann noch an­geregt, in dieser Eingabe die Bitte auszudrücken, daß die Landstände möglichst bald zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen werden sollen.

Leonberg, 1. Nov. Die 37 Jahre alte Frau des Glasers Knecht in Gerlingen wurde beim Dungfüh­ren vom eigenen Fuhrwerk überfahren und so schwer verletzt, daß. man wenig Hoffnung hat, sie am Leben zu erhalten. Sie ist Mutter von sieben unmündigen Kindern.

Zuffenhausen, 2. Nov. Die Strecke der ersten heurigen Hofjagd auf Zuffenhausener Revier ergab 41 Hasen, 5 Rehe und 15 Fasanen. Der König und die Königin waren zu die­ser Jagd nicht erschienen; sie Pflegen jeweils erst zu den späte­ren Jagden zu kommen.

Ludwigsburg, 2. Nov. Zur Feier des lOOjähr. Bestehens des Dragonerregiments Königin Olga Nr. 25 ist folgendes Programm festgesetzt worden: Freitag 5. Dez.: abends zwang­loses Zusammensein der eingetroffenen Festteilnehmer mit Konzert im Exerzierhaus; Samstag 6. Dez.: Wecken durch das Trompeterkorps im vorderen Schloßgarten, 8 Uhr Samm­lung der Festteilnehmer und Aufstellung der ehemaligen Regi­mentsangehörigen. Begrüßung durch den Regimentskomman­deur, 10 Uhr 30 Min. Eintreffen des Kaisers und des Kö­nigs, dann Feldgottesdienst beider Konfessionen, Parade­marsch im vorderen Schloßgarten, Reiterfestspiele, Festessen.

Stuttgart, 2. Nov. Die Feier des 50jährigen Bestehens des Landesvereins vom Roten Kreuz und insbesondere den Gesellschaftsabend im K. Kunstgebäude am Samstag den 8. November werden die Helferinnen vom Roten Kreuz umrah­men; denn zu dem Gesellschaftsabend haben die Mitglieder des Württ. Landesvereins und eingeladene Gäste, sowie die Mit­wirkenden und die Helferinnen gegen Vorzeigung der Aus- .weise freien Eintritt. Auch die Frauenausschüsse der ver­schiedenen Städte werden sich in großer Zahl zum Feste ein­finden. Für die Festvorstellung im K. Hoftheater am Freitag den 7. Nov. werden vom 4. November einschließlich ab von der Depositenkasse Königsstraße 40 (vorm. E. Hummel u. Co.) der Stahl und Federer A. G. an Nichtmitglieder Karten ab­gegeben. Für die Plätze sind die mittleren Preise des Hof­theaters ausgesetzt.

Stuttgart, 1. November. Am letzten Mittwoch vormittag fiel ein 514 Jahre altes Mädchen in einem Hause der Schreinerstraße in Cannstatt in ein Gefäß mit heißem Wasser. Das Kind ist anderen Tags an den erlittenen Brandwunden gestorben. Gestern vormittag 10iU Uhr fiel ein 11- Jahre alter Knabe vom Treppenhausfenster des 3. Stocks eines Hauses in der Schwabstraße in den Hof hinab. Das Kind er­litt einen Schädelbruch und war sofort tot.

Gmünd, 1. November. Die 46 Jahre alte Ehefrau des Zeichners Liegle, die am Donnerstag abend 7 Uhr in oer Buchstraße einen Brief in den Brieflasten werfen wollte, wurde von zwei durch die Straß: rennende Hunde niederge­worfen und in bewußtlosem Zustande aufgehoben. Die Frau ist gestern nachmittag, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben, an einer Gehirnerschüttung gestorben.

Das Zlngtücks-aus.

30 Roman von Georg Türk

Nein!" erwiderte der Pfarrer.Ich habe um acht Uhr eine Sitzung."

Schade!"

Hans Ringer verabschiedete sich und ging.

Auf der Treppe kehrte er wieder um.

Wie lange dauert die Sitzung?"

Bis neun Uhr!"

Und wo wird sie abgehalten?"

Hier im Pfarrhaus!"

Danke! Nochmals: Guten Abend!"

Zwölftes Kapitel.

Der Assessor stand unter der Tür seines Zim­mers und wartete auf Maria. Er hatte im Vorbei­gehen gesehen, daß sie unten in der Küche beschäftigt war. Bald kam sie, ein Lied summend, die Treppe herauf . . .

Guten Abend, Fräulein Hellmuth"

Guten Abend, Herr Assessor! Sie machen aber ein vergnügtes Gesicht heut!"

Ja, ich bin heute sehr gut aufgelegt. Und: in allen Fingern juckt es mich nach meiner Geige! Darf ich Sie einladen?"

Geht nicht!" sagte sie lachend.Sie wissen unsere Abmachung: Ich sitze nicht mehr allein bei Ihnen im Zimmer. Das ist zu gefährlich!"

O! Das Gewitter ist ja vorübergezogen . . . Wo ist Anna?"

Anna hat durchaus keine Zeit. Sie muß büf­feln für die Probearbeiten in ihrer Schule!"

Armes Ding! Sie kann also nicht die Earde- dame spielen. Wenn aber mein Freund, der Pfarrer käme: Dann ginge es wohl?"

Dann ginge es! Dann hätten wir eine Earde- dame!"

Er kommt heut nicht! Er sagte, er habe heute keine Lust!"

Er merkte wohl das große Erstaunen, das seine Worte in ihr hervorriefen und sah sofort, daß dieses Erstaunen ein schmerzliches war.

Er wiederholte noch einmal, ganz kalt:Er hat keine Lust!"

So hat er das gesagt? Gute Nacht Herr Assessor!"

Wie traurig sie das sagte!

Der Assessor hielt die Hand, die sie ihm reichte, und lachte lustig:Halt! Nicht so rasch! War alles Schwindel! Er möchte schon kommen, aber er kann nicht! Er hat eine Sitzung um acht Uhr! Sehen Sie, nun schauen Sie wieder ganz munter in die Welt! Und warum werden Sie denn so über und über rot?-Sie haben sich schon verraten!"

Sie sind ein ganz abscheulicher Mensch!" rief sie und wollte ihre Hand seiner entziehen. Aber er ließ nicht los.

Nur nicht böse sein!-Kommen Sie lieber

ein wenig zu mir herein! Zum Geigenspielen habe ich jetzt auf einmal gar keine Lust mehr, aber zum Plaudern! Sie dürfen ruhig herein! Es ist ganz ungefährlich!"

Er hatte ihre andere Hand auch noch ersaht, zog die Widerstrebende ins Zimmer und drückte sie auf einen Stuhl.

Dann schloß er die Türe.

So! Das wäre gelungen!" sagte er aufatmend.

Er öffnete die Fensterflügel weit, daß die warme Abendluft hereinfließen konnte.

Nach einer Weile begann er:Ja, ja Sie haben sich schön verraten! Sie sind in die Falle gegangen. Nun bin ich noch viel besser aufgelegt als vorhin. Und nun hören Sie, was ich Ihnen sage: Ich komme eben von Pfarrer Meinhart. Ich traf ihn in Gedanken versunken. Er dachte nicht an seine Predigt, er dachte nicht an alte Chroniken, er dachte an ein altes Haus. Und er dachte an jemand, der in diesem Haus wohnt. Er dachte an Sie!"

Maria erhob sich rasch.

Bleiben Sie!" bat er.Sie sagten damals, Sie wollten mir eine Freundin sein! Darf ein Freund nicht auch Mitwisser von Heimlichkeiten sein?"

Maria setzte sich wieder und sagte einfach:Sie haben recht. Warum soll ich es vor Ihnen ver­bergen! Ihr Freund ist mir nicht gleichgültig ge­blieben!"

So ist es recht! So ist es Ihre Art: Frei

und offen und ohne Verstellung!-O, wie ich

mich freue! Meinhart hat seine Eigenheiten, aber im Grund seines Herzens ist er ein guter Mensch, der es ehrlich und redlich meint! Wenn er nur nicht so gräßlich schüchtern wäre?"

(Fortsetzung folgt.)