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Wteußeig, DorrrreesLkg de« 11. Oktober.
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s In schwerster Not.
Jedes Wort fehlt, um den Grad der Verarmung uud des finanziellen Ruins in Deutschland, die in diesen Tagen sich mit Riesenschritten vollziehen, zu Kennzeichnen. Die völlige Entwertung unseres Papiergeldes treibt Blüten des Elends, wie sie in tausend Jahren deutscher Geschichte und in der Welt kaum je gesehen wurden. Bon Tag zu Tag torkeln wir weiter in den Abgrund. Mit dem Besitze von „Scheinmilliarden" und „Scheinmillionen" vermag das deutsche Voll in seiner -Gesamtheit nicht mehr seine Existenz, sein nacktes Leben W erhalten. Ein Dollarstand von rund 3 Milliarden bedeutet, daß 1 Goldmark 700 Millionen, 1 früherer Mennig gleich 7 Millionen Papiermark ist. Die unheilvolle Goldmarkrechnung, die die Regierung im August Mlieh, hat dem Faß den Boden vollends ausgeschlagen. Jeder Tag bringt neue Ueberraschungen und führt zu der Kurve, die den Absturz in namenloses Elend bringt. Wie lange die Wirtschaft, Handel und Verkehr noch weitermachen können, angesichts dieser Entwickelung ist jetzt nicht mehr eine Frage von Monaten, sondern von Wochen und Tagen. Und die zermalmenden Räder der Teuerung und Geldentwertung drücken jetzt schon Tausende zu Boden. Nirgends Rettung, nirgends sicheres Land!, Die Macht der Regierung kann nicht Hilfe bringen. Auch nicht das Ermächtigungsgesetz, das der Reichstag am Donnerstag verabschieden wird. Worte und Gesetze, sie mögen noch so gut und schön sein, helfen nicht mehr, jauch wenn sie der Regierung die Vollmacht zu einem „Diktat der Verständigung", wie dieses Ermächtigungsgesetz im Reichstag genannt wurde, geben. Wir unterstehen dem Diktat Frankreichs. Und das heißt Vernichtung. Frankreich will trotz der Aufgabe des passiven Widerstands mit Deutschland nicht verhandeln. Das ist die äußere Ursache des Mark- zerfalls dieser Tage. Und dazu kommen noch die inneren Ursachen: der politische Parteistreit, die Regierungskrise, die innerpolitische Entwicklung und schließlich noch die tpolitisch-wirtschaftlichen Vorgänge an der Ruhr.
Ml diese Fragen standen im Reichstag zur Erörterung und alle die vielen Reden waren gestimmt auf den Don, daß in höchster Not des Vaterlandes eine rettende Tat notwendig sei. Zugleich aber waren sie durchdrungen von unheilvollem Parteizwist und Egoismus, von einer Krisenstimmung, die schon die vergangene Woche beherrschte, als Stresemann durch die Schwierigkeiten in der Koalition zum Rücktritt gezwungen wurde. Der demokratischen Reichstagsfraktion gelang es, nochmals die Krise zu überkleistern. Aber die Gegensätze der Parteien, der politischen Ansichten und Weltanschauungsfragen bestehen fort. „Das Vaterland über dix Partei! Alles für das Reich!" so klingt es aus dem Chvrus der Redeschlachten im Wallotbau und zu gleicher Zeit vollziehen sich die nüchternen Tatsachen, die die Geschicke eines Volkes bestimmen. Auch das „Ermächtigungsgesetz" ist mit politischen Belangen belastet, M nur Geltung haben für die jetzige Regierungs- koalitivn und für die Zeit bis 31. März 1924. Seine unzweifelhafte Annahme gegen die Rechte und die Kommunisten wird die innerpolitische Atmosphäre aus diesen Gründen nur weiter vergiften. Und doch ist es notwendig, denn es soll der Regierung diktatorische Vollmachten geben. Unter dem Druck der politischen Linken hat mau I<Äoch die wesentlichste Frage der Pvoduktionssteigerung, die der Arbeitszeit, ausgeschaltet und noch weitere Anhängsel hineingedoktert, so daß die Regierung in ihrer Vollmacht an die Parteien der Koalition gebunden ist. Scharf hat der Reichskanzler mit den Deutschnationasen ^gerechnet und der Weg, der zur Verständigung zwischen Deutsch«: Volkspartei und Teutschnationalen durch den Vorstoß des Führers Dr. Scholz (T. .V) angebahnt war, P wieder verriegelt. Und doch ist angesichts der Bildung eines Sowjet-Sachsens und eines Sowjet-Thüringens jene Brücke der bürgerlichen Parteien eines Tages wieder aufzubauen. Und' daneben schwebt die große inner- politisch-e Frage Bayern und das Reich. So will es scheinen, daß die alte neue Koalition nicht allzulange halten will, und daß es ohne Diktatur nicht geht.
Wie schon gesagt, die nüchternen Tatsachen der Wirtschaft und des Diktats von außen, gehen unbekümmert Au die innerpolitisch c Entwicklung ihren Weg. Im Ruhrgebiet ist das wirtschaftliche Ringen entbrannt. Nicht nur zwischen Frankreich und Deutschland wird dort gekämpft, auch zwischen Großkapital und Staat, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Ruhrin'dustrrel'le Hallen mit Frankreich Verhandlungen angeknüpft, bevor sie die Reichsregierung genau unterrichteten. Daß die Regierung gerade in einer Krise stand, ist kein Entschuldigungsgrund. Solange hätte das Verhandeln mit den Franzosen schon Aufschub erlitten. Es waren zudem verschiedene Gruppen, die mit Degvutte verhandelten, also nicht im gemeinsamem deutschen Interesse vorgingen, sondern im Bemühen sich gegenseitig Vorteile abzujagen. Die Otto Wolf- oder Phönix-Gruppe hat sogar mit Frankreich bereits ein Abkommen getroffen über Kohlen und Metalle, das Poincare so deutet, daß es die Reichsregierung nichts angeht, sondern nur der Rheinlandkommission zur Prüfung vorgelegt ist. Aus der andern Seite hat der bergbauliche Verein unter Führung der Industriellen Stinnes, Vögler, Klöckner Vorschläge und Wünsche den Franzosen unterbreitet, in denen Eingriffe in das Arbeitsrecht verlangt wurden. Es wurde gefordert, daß die Bergarbeiter 8Hz Stunden im Tag im unterirdischen Betrieb, im Betrieb über Tage 10 Stunden arbeiten sollten. Darob ist nun die ganze Arbeitnehmerschaft entrüstet, da die Arbeitgeber eine Art Diktat für die Arbeitszeit erlassen haben, das aber wieder zurückgenommen wurde. Gesetzliche Verordnungen und Tarifverträge können nicht einfach durch Unternehmer sabotiert werden.
Wenn man diese Vorgänge im Zusammenhang mit der unbedingt notwendigen produktiven Arbeitsaufnahme an der Ruhr betrachtet, verlieren sie etwas von der Schärfe. Es muß eben eine Verständigung erzielt werden. Daß ober diese nicht durch die Reichsregierung erreicht wer-, den kann, zeigen die neuesten Nachrichten. Danach ist der Schritt der Reichsregierung in Paris und Brüssel, um Verhandlungen über die Arbeitsauftrahme au der Ruhr ohne Erfolg geblieben. Poincare lehnt auch Verhandlungen dieser Art mit Berliner Stellen ab. Sv bleibt nichts anderes, als das Verhandeln der Unternehmer. Das ist schwer und auch vom deutschen Gesichtspunkt aus bedauerlich Aber es geht nicht an, dafür die Grubenbesitzer als Landesverräter zu brandmarken. Das Reich stellt die Unterstützungskredite an der Ruhr allmählich ein, die Arbeitgeber müssen für die Arbeitnehmer sorgen und schließlich den bitteren Weg zu Degvutte gehen, um die Produktion in Gang zu bringen. Mit politischen Schlagtvvrten ist nichts zu machen, mag man sich auch im unbesetzten Deutschland noch so sehr damit toll gebärden. So hat denn der Reichstag auch sich am Dienstag weniger mit dem Ermächtigungsgesetz beschäftigt, als mit den Jndustriellenverhandlungen. Ganz zu Unrecht, denn sichere Nachrichten lagen nicht vor. Und die Regierung konnte nicht Stellung nehmen. Aber es ist kein Zweifel, daß uns noch manche harte Nuß an der Ruhr zu knacken bleibt.
In schwerster Not ringt das deutsche Voll um sei» nacktes Leben. Werden die kommende Währungsreform und das Ermächtigungsgesetz den Sturz in den Abgrund noch aufhalten können? Die nächsten Tage und Wochen müssen darüber schon Gewißheit bringen.
Amerikanische Kredite für Deutschland.
Berlin, 10. Okt. Der „Lokalanz." berichtet: „Wie wir erfahren, ist dem Reiche ein ausländischer Kredit gewährt worden, der zwar nicht übermäßig hoch, trotzdem aber nicht so unbeträchtlich ist, daß man daraus den Schluß auf Deutschlands steigende Ktedit- würdigkeit zu ziehen geneigt ist. Von hervorragenden Amerikanern ist an die deutsche Regierung die Anregung weitergegeben worden, von deutscher Seite möchte die Entsendung von Sachverständigen in die Wege geleitet werden, die mit amerikanischen Vertretern über finanzielle Fragen verdandeln könnten.
Coolidge bleibt passiv.
Panis, 10. Okt. Nach einem Privattelegramm des „Neuyork Herald" hat Präsident Coolidge es abgelehnt, den Vermittler für die Reparationsverhandlungen zu spielen. Die Anregung, daß die Vorschläge des Senators Hughes Deutschland und Frankreich aufgenötigt werden sollen, weil dies der einzige Weg sei, es den Lärmern zu erlauben, einen ehrenvollen Rückzug vom Ruhrgebiet zu bewerkstelligen, sei von einem Vertreter des Weißen Hauses abgelehnt worden. Bestätigend meldet „Reuter" aus Washington, Coolidge glaube, bei der gegenwärtigen Geistesverfassung Europas würde wenig oder nichts gewonnen werden durch die Veranstaltung einer Weltwirts chastskonserenz. Die amerikanische Regierung schlug den europäischen Nationen die Bildung einer internationalen Kommission vor zur Feststellung der deutschen Fähigkeit, Reparationszahlungen zu leisten. Einen weiteren Schritt beabsichtige sie nicht in dieser Angelegenheit.
T«s Treibe» der Sonderbündler.
Paris, 10. Okt. Der Sonderberichterstatter der „Daily Mail" meldek aus dem Ruhrgebiet, daß die Führer der Abfallbswegung sich die Ausweisung der 400 Schupobeamten im gegenwärtigen Augenblick sehr zu Nutze machen. Sie seien damit beschäftigt, diejenigen ihrer Anhänger, die Polizeidienste verrichten, wollen, in die Liste einzutragen. Der Berichterstatter nimmt an, daß die neue städtische Polizei zur Hälfte, aus Sonderbündlern zusammengesetzt sein wird. .
Neues vom Tage.
Ein Aufruf der Sozialdemokraten.
Berlin, 10. Okt. Der „Vorwärts" veröffentlicht einen Aufruf der Reichstagsfraktion der V.S.P.D. Es wird darin u. a. die Auffassung der Mehrheit über die Teilnahme der Sozialdemokratie an dem zweiten Kabinett Stresemann verteidigt und die Mahnung ausgedrückt, treu zur Partei zu halten.
Tie Nachrichtenzensur aufgehoben.
Berlin, 10. Okt. Reichswehrminister Dr. Geßler hat an die Wehrkreisbesehlshaber folgenden Befehl erlassen: Die Verordnung vom 1. Oktober über die Verbreitung von Nachrichten wird aufgehoben. Gegen Zeitungen, Nachrichtenbüros usw., die durch Verbreitung ungeprüfter Gerüchte die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährden, ist auf Grund des 8 17 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. September einzuschreiten.
Wiederaufnahme der Sachliefernngen.
Berlin, 10. Okt. Halbamtlich wird mitgeteilt, daß der deutsche Geschäftsträger in Brüssel dem belgischen Minister des Aeußern, Jaspar, die Bereitschaft der deutschen Regierung zur Wiederaufnahme der Sachliefernngen mitgeteilt hat.
Deutscher Reichstag.
Um das Ermächtignngsgcsetz.
Berlin, 10. Okt.
Zm Reichstag gab am Menstag Reichsminister deS Innern Sollmann im Name» der Reichsrcgiernng foj. gende Erklärung ab:
Die Herren Stinnes, Bögler und Klöckner havas im Auftrag des Bergbaulichen Vereins und in Wahrung ihrer eigenen Interessen Verhandlungen mit General Degvutte ausgenommen. Ihre Absicht, vor der Abreise zu diesen Verhandlungen mit dem Reichskanzler Rücksprache zu nehmen, kam nicht zur Ausführung, weil der Reichskanzler wegen der Regierungskrise und den damit verbundenen Besprechungen die Herren nicht empfangen konnte, als sie in der Reichskanzlei erschienen. Nach ihrer Rückkehr von den Verhandlungen berichteten die Herren an den Reichskanzler unverzüglich über das Ergebnis. Die heute in der Presse veröffentlichten zehn Fragen sind am Sonntag in Verbindung mit zahlreichem anderem Material übergeben worden und konnten bis zur Stunde weder von den beteiligten Aemtern noch von dem Gesamtkabinett durchberaten oder gar zur Unterlage von Entscheidungen gemacht werden. Die Reichsregierung konnte bisher zu den aufgeworfenen schwerwiegenden Fragen auch aus diesem Grunde keine Stellung nehmen, weil die diplomatischen Vertreter des Reichs in Paris und Brüssel Anweisung erhalten haben, eine Meinungsäußerung der dortigen Regierungen über die mit der Arbeitsaufnahme an Rhein und Ruhr zusammenhängenden Fragen herbeizuführen und die Berichterstattung . hierüber zunächst abgewartet werden muß.
Die Abgg. Alpers (Deutfchhannov.), Fehr (Bayer. Bauernbund) und Ledebour (Unabh.) lehnen das Ermächtigungsgesetz ab.
Abg. Wulle (D.Völk.) weist die Angriffe des Ministers Sollmann zurück. Die Bevölkerung der Insel Borkum habe sich über kommunistischen Terror beklagt und in einem Telegramm erklärt, wenn kein Wandel eintrete, werde man sich unter holländische» Schntz stellen. (Große Unruhe.) Als Abgeordneter sei L" aeweien. dieses 7 -»-——