MLM
RWZM-
SW0
WWW
mEL
KGM
UM
Nr. 2D. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk (Lalw.88 . Jahrgang.
Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im OberamtS- tezirk Calw sür die einspaltige Borgiszcile WPsg., außerhalb desselben 12 Pfg., keklamen 2S Pfg. Schluß sür Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Teleson 9.
Frsitag, den 2^. Oktober ifyifS.
S ezugSpretS: Zn der Stadt mit Trägerlohn Mk. I.2S viertelsährltch. Post. bezugSprei« für den Orts- und Nachbarortsverkekr Mk. I.M. im Fernverkehr Mk. I.so. Bestellgeld IN Württemberg M Pfg.. IN Bayern und Reich 42 Pfg
Amtliche Vekanntinaehringen.
An öie Orksschulräte!
Seine Königliche Majestät haben vermöge Allerhöchster Entschließung vom 3. Oktober d. I. allergnädigst geruht, den Oberamtsarzt Dr. Härlin in Neuenbürg für den zusammengesetzten Oberamtsbezirk Calw-Neuenbürg mit dem Dienstsitz in Neuenbürg als vollbesoldet anzustellen.
Die Ortsschulräte werden hievon höherem Auftrag zufolge in Kenntnis gesetzt.
Calw-Nag ol d- - ^ 2l. Okt. 1913.
Neuenbürg - Stuttgart.
K. gem. Oberamt in Schulsachen:
Binder. Schott. Baumann.
Ein Auswanderer-Skandal.
Oesterreich ist durch die „Lanadian Pacific Company" um ein ganzes Heer betrogen worden. Insgesamt 500 000 junge Leute haben sich in den letzten 8 Jahren mit Hilfe dieser Auswanderungsgesellschaft der Gestellungspflicht entzogen. In der ersten Hälfte dieses Jahres, als der Krieg drohte, haben sich allein 117 980 Mann gedrückt, sodaß, als mobilisiert wurde, die Militärbehörden mit Schrecken sahen, welch gewaltige Lücken in die Reihen des Heeres gerissen waren und daß Oesterreich durch die Auswcmde^ rungsgesellschaft schlimmere Verluste erlitten hatte, als durch einen Krieg. Die Canadian Pacific Company ist eine große amerikanische Eisenbahngesellschaft, die aber zugleich auch eine Schiffsgesellschaft und eine riesenhafte Erundstücksgesellschaft ist, deren Gebiet in Kanada auf 9 Millionen Hektar geschätzt wird. Sie hatte sich seit einiger Zeit, um ihre meist noch in vollkommenem Urzustand befindlichen Grundstücke rasch zu besiedeln, in verschiedenen Ländern um Genehmigung zum Betriebe des Auswanderungsgeschäftes beworben. Die Canadian Pacific wendete ihr Augenmerk auf Oesterreich, wo sie im Jahre 1908 Genehmigung zum Betriebe eines Reisebüros erhalten hatte. Die Bemühungen der kanadischen Gesellschaft um Erlangung einer Schiffahrts- und Auswanderungskonzession waren anfangs erfolglos. Da kam die Gesellschaft auf die geniale Idee, Äussichtswagen auf den Linien der österreichischen Staatsbahnen einzuführen, um, wie sie erklärte, den Fremdenverkehr aus Amerika statt nach der Schweiz nach den österreichischen Alpenländern zu lenken. Der Verführer hatte die österreichischen leitenden Kreise richtig bei ihrer schwachen Seite gefaßt, und unter der Losung „Zur Hebung des Fremdenverkehrs" mußten alle noch so berechtigten Bedenken verstummen. In Oesterreich ging sofort die Jagd nach weißem Menschenfleisch in größtem Stile los. Der Herr „Generalvertreter" Samuel Altmann und sein „Generalagent" David Kapeller überschwemmten das ganze Land, besonders die galizischen und südslawischen Landesteile mit einem Heer von Agenten, auch vor Bestechung der Ortsbehörden und selbst der Geistlichkeit schreckte man nicht zurück, und das Geschäft nahm in kürzster Zeit einen Umfang an, daß ganzeOrt- schaften förmlich entvölkert wurden. Mit welchem Nutzen gearbeitet wurde, geht daraus hervor, daß selbst die untersten Zutreiber für den Kopf ihrer Auswandererherde 4—20 Gulden und mehr Provision erhielten. Die Canadian Pacific eröffnete gleichzeitig gegen die anderen Schiffahrts- gejellschaften einen unlauteren Wettbewerb schlimmster Art, indem sie den Ueberfahrtspreis nach Amerika immer weiter herabsetzte, so daß man schließlich für 100 Kronen einschließlich der vollen Verpflegung von Lemberg nach Kanada gelangen konnte Die Lanadian Pacific verstand es, mit'Hilfe einer Massenfabrikation falscher Pässe alle Hindernisse zu überspringen. Auch im Auto wurden Auswanderer, die man durch Staubmäntel in „vornehme Reisende"' verwandelt hatte, über die Grenze gebracht. An
dere verkleidete man als russische Bauern. Während die nicht militärpflichtigen Auswanderer ruhig über Trieft befördert wurden, wurden die Militärpflichtigen heimlich über Feldkirch—Basel nach Amsterdam geleitet. Der Durchzug durch Deutschland wurde vermieden, da die deutschen Behörden dem Transporte Schwierigkeiten in den Weg gelegt und Militärpflichtige aufgehalten hätten. Zu spät bemerkten die österreichischen Behörden zu ihrem Schrecken, als die Balkanvorgänge zu einer teilweisen Mobilmachung des österreichisch-ungarischen Heeres nötigten, welche Verheerung der Menschenhandel der Canadian Pacific unter der Wehrkraft des Reiches angerichtet hatte. Der Herr Generaldirektor Altmann wurde mit 500 seiner Agenten festgenommen. Auf Grund der bei der Canadian Pacific beschlagnahmten Papiere erscheinen 4 hohe Beamte, eine Anzahl Abgeordneter und sehr viele galizi- sche Polizei- und Eendarmeriebeamte belastet.
Stadt, Bezirk ««d Nachbarschaft.
Calw, den 24. Oktober 1913.
Vom Rathaus.
Oeffentliche Sitzung des Gemeinderats unter dem Vorsitz von Stadtschultheiß Conz vvn Donnerstag nachmittag 4 Uhr .ftb. Anwesend waren 1A. Gemeinderäte. — In Sachen der Winterschafweide-Verpachtung, über die in der letzten Sitzung die Beschlußfassung ausgesetzt wurde, kam der Gemeinderat überein, die Weide unter den seitherigen Bedingungen an di^Metzgermeister Ziegler sen. und Essig auf die Dauer vom 15r^o6. 1913 —15. März 1914 zum Preise von 600 zu verpachten,"Die Sommerschafweide wird den Genannten ohne Muckberg für 80 .v/k. überlassen. — Als Ersatz für Fuhrmann Beck, der die Beifuhr von Kohlen und Gasreinigungsmaterial im Akkord für die Stadt zu besorgen hatte, wurde Fuhrmann Vögele, der den Akkord unter den gleichen Bedingungen wie sein Vorgänger übernimmt, bestellt. — Eine Reihe sonstiger weniger wichtiger, d. h. z. T. für die Oeffentlichkeit nicht bestimmter Angelegenheiten fanden glatte Erledigung.
v. Steuerdienst. Durch Verfügung des Steuerkollegiums wurde der probeweise angestellte Steueraufseher Mayer in Calw nach abgelaufener Probezeit in die Steuerwache ausgenommen. Dem Steueraufseher Güthner in Neuweiler wurde das silberne Portepee am Offizierseitengewehr verliehen.
Landmanns Herbstschau. Es ist Herbst geworden. Recht deutlich kann man dies bereits in der Natur wahrnehmen, wo unaufhaltsam bei anhaltendem Nebel das fahle Laub von den Bäumen fällt und den Wanderer mit leiser Wehmut erfüllt. Vorbei ist's mit dem Blumenflor auf Aeckern und Wiesen, wo man bald nur noch das ausdauernde schlichte Gänseblümchen vereinsamt stehen sieht, das, obwohl oft vom Herbstwind zerzaust und von kalten Regen unansehnlich gemacht, den Blumenfreund noch erfreut, bis der erste Schnee die Erde deckt. Auch in der Tierwelt ist es schon viel einförmiger geworden Die Störche haben schon längst Abschied genommen. Auch der lustige Kuckucksruf ist verklungen; ebenso sind die Schwalben und viele andere muntere Sänger den ersten Abreisenden gefolgt zum großen Fluge nach dem Süden, und die Stare streifen in dichten Scharen über die Felder, bereit zum Abflug. Heiserer Rabenschrei ertönt aus den Wipfeln der immer kahler werdenden Bäume. Nur die Feldhühner und Hasen beleben das beinahe geleerte Feld, aber wenn erst hinter ihnen her die Flinte knallt, so ist auch das nur ein neues Zeichen dafür, daß es Spätherbst geworden ist. — Während dieser Zeit hat der Landmann noch alle Hände voll zu tun. Gilt es doch, alle die verschiedenen Feldfrüchte noch rechtzeitig einzuheimsen, die Aecker zu bestellen und die Wintersaat auszustreuen. Dank der anhaltend günstigen Witterung konnten die vielen Arbeiten doch soweit gefördert werden, daß in wenigen Tagen das Feld vollends geräumt sein wird, trotzdem wir Heuer eine verspätete Ernte hatten. Man darf dem Landmann wohl die Ruhezeit gönnen, die bald seiner wartet, nachdem er nichts versäumte, um gar oft im Schweiße seines Angesichts seinen Beruf getreulich auszuführen. Bei einem Rückblick muß man
sagen: Das Jahr 1913 zählt, alles in allem genommen, zu den guten Jahrgängen. Wohl fehlt der Wein und fehlt uns das Obst, aus welchem der Bauer seinen Haustrank bereitet. Jedoch, etwas bleibt ja in jedem Jahr zu wünschen übrig. Im allgemeinen hört man Stimmen der Zufriedenheit über den Segen der diesjährigen Ernte, umsomehr, nachdem die beiden vorhergegangenen Jahrgänge manche Enttäuschungen brachten. Wo vielleicht die Menge der Ernte hinter den gehegten Erwartungen zurückblieb, da schuf die Güte einen Ausgleich. Somit haben sich die Besorgnisse, die manch Einer zu Anfang des Jahres wegen der Zahl „13" hegen mochte, als grundlos erwiesen.
Kompaßrichtung im Jahre 1914. Die Richtung der Kompaßnadel weicht bekanntlich von der genauen Nordrichtung gegen Westen zu um Beträge ab, die fortwährenden kleinen Schwankungen und langsamen Aenderungen unterworfen sind. Für das Jahr 1914 gelten folgende mittlere Abweichungen von der Nordrichtung in Graden: Backnang 10,1, Balingen 10,3, Biberach 9,9, Bopfingen 9,6, Calw 10,5, Crailsheim 9 8, Freudenstadt 10,6, Geislingen 9,8, Gmünd 9,9, Hall 10,0, Heilbronn 10,2, Jsny, 9,7, Kirchheim a. T. 10,1, Maulbronn 10,4, Mergentheim 10,0, Oehringen 10,2, Ravensburg 10,0, Riedlingen 10,1, Rottweil 10,4, Stuttgart 10,2, Tübingen 10,3, Tuttlingen 10,3, Ulm 9,8, Urach 10,1. Für die Feldmesser (Geometer usw.) unseres Landes sind diese Zahlen besonders wichtig, ebenso sür Luftfahrer, wenn sw zur Orientierung bei Nebel oder über den Wolken auf den Kompaß angewiesen sind.
8ck>. Mutmaßliches Wetter. Für Samstag und Sonntag ist morgens nebliges, auch zeitweilig bewölktes, aber vorwiegend trockenes und ziemlich mildes Wetter zu erwarten.
Sommenhardt, 23. Ott. Unser sonst so stilles Oertchen war heute nachmittag der Schauplatz eines aufregenden Vorkommnisses. Am Mittwoch entfernte sich aus Pforzheim ein lediger vierundzwanzig Jahre alter, aus Wien stammender Emaillje - Maler, der in Pforzheim in Arbeit stand, mit einer noch nicht sechzehn Jahre alten Kontoristin. In Liebenzell schrieben beide an Verwandte und Bekannte Abschiedsbriefe. Die Nacht hindurch wanderten sie, bis sie in die Gegend von Zavelstein kamen, von wo aus sie sich dann hieher in das Gasthaus zum Löwen begaben. Der Vater des Mädchens, der die Liebelei schon längst nicht leiden wollte, kam durch eine Mitteilung von Bekannten des Entführers auf die Spur des Paares und erfuhr durch Zufall in Teinach von einem Handwerksmeister, daß sich in Sommenhardt ein unbekanntes Paar aufhalte. Der Vater nahm in Teinach den Landjäger Lebherz mit und ging mit diesem in den „Löwen". Dort bat er den Wirt, das Zimmer, in das sich das Paar eingeschlossen hatte, zu öffnen. Gutwillig ließen die beiden die vor der Türe Haltenden nicht ein, so daß die Türe aufgesprengt werden mußte. Beim Betreten des Zimmers griff der Entführer des Mädchens nach einem auf dem Tische liegenden Revolver, in der Absicht, sich s el b st z u t ö t e n. Der Landjäger versuchte das zu verhindern und es entspann sich ein Handgemenge, wobei Landjäger Lebherz durch einen Schuß in die linke Hand verletzt wurde. Ter Täter gab zwei Kugeln auf sich ab, wovon ihm eine hinter dem Ohr in den Kopf orang. Etwa um i47 Uhr wurde die Ealwer Sanitätskolonne gerufen, welche sofort mit drei Mann mit dem neuen Sanitätswagen an den Schauplatz der Tat fuhr, dort dem Verletzten den ersten Verband anlegte und ihn dann ins neue Bezirks- krankenhaus verbrachte. Der verletzte Landjäger Lebherz begab sich nach Teinach, um den Arzt aufzusuchen, da dieser aber nicht am Platze war, wurde er mit dem Auto zu einem Calwer Arzt verbracht. Das entführte Mädchen nahm der Vater wieder mit sich zurück nach Pforzheim. — Der Zustand des jungen Menschen ist vorläufig nicht lebensgefährlich.
G Simmozheim, 23. Okt. Ein gefürchteter Gast ist bei uns eingekehrt und wir wünschen und hoffen, daß er bald wieder verschwinden möge. Während wir im vorigen Jahr Masern und bis in den heurigen Sommer herein Keuchhusten hatten, tritt jetzt Diphtheritis auf und hat schon ein Opfer gefordert. Hoffentlich greift die gefährliche Krankheit nicht allzusehr um sich, unser Ort hat schon einmal eine schwere Diphtheritis-Epidemie durchgemacht.
8t. Weildcrstadt, 23. Okt. Die hiesige Landjägerstelle ist an das Fernsprechnetz angeschloffen worden.