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Skr. 187.
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Altensteig, Montag de« s Juli.
Jahrgang isrs
Frankreichs Krieg gegen Kinder.
Je mehr England auf eine amtliche Erklärung der Käufer Machthaber drängt, um so mehr verstärkt sich der Truck der französischen Schinderknechte auf die wehrlose Ruhrbevölkerung. Zwischenfälle, wie der auf der Tuisburger Rheinbrücke, mit dem belgischen Zuge, sind den zivilen und militärischen Drahtziehern des glorreichen Unternehmens natürlich hochwillkommen. Sie geben der alten Sadistin Marianne — auf dem bekannten Bilde des Pariser ,Journal" — den Vorwand, den Strick um den Hals eines Wehrlosen noch einmal scher anzuziehen. Frankreich verfolgt die klare Absicht, wenn es schon weichen muß, eine Wüste zurückzulassen, vorher aber das Aeußerste an Brutalität aufzn- bieten, um Deutschland zur Unterwerfung zu bringen. Es sieht ganz so aus, als hätte man sich in Paris in die Anschauung verrannt, den englischen Widerstand am einfachsten dadurch brechen zu können, daß man ihn vor eine vollendete Tatsache stellt. Was sich als eine Selbsttäuschung schwersten Kalibers erweisen könnte. Tenn England kämpft ja nicht für Deutschland, sondern gegen seine eigene Abdrängung vom Festland, durch Ausdehnung der französischen Vorherrschaft über den Rhein und sein Mündungsgebiet, einschließlich Hollands.
Irgendwelche Gefühlsanwandlungen sind dabei nicht im Spiele. Tie Deutschenmorde, die Räubereien, die Vertreibung Unschuldiger von Haus und Hof, die ganze ausgeklügelte Schinderei einer schutzlosen Bevölkerung bringen England an und für sich noch weniger aus seiner Gemütsruhe als die übrige Welt. Anders ist es schon, wenn von den Ruhrpiraten einer oder der andere das Opfer der Zustände wird, die sie selbst geschaffen haben. Tann ist die Welt schon eher geneigt, sich wieder einmal einen Entrüstungsrummel auf deutsche Kosten zu leisten, wie so manches liebe Mal im Kriege. Als die deutsche Militärverwaltung in Belgien — mitten im Kriege — die Unklugheit beging, belgische Arbeitslose zwangsweise nach Deutschland zu verpflanzen — wie tobte da die Welt in sittlicher Entrüstung! Wenn jetzt — mitten in dem von der Entente diktierten Frieden — der französische „Sieger" tausende von deutschen Arbeitern und Beamten vor sich hertreibt, wie der afrikanische Sklavenjager die Sklavenhorden, so weiß sich die Welt zu fassen. Es ist eben der „Sieger"! Oder wenn nicht der Sieger, so doch der Gewinner. Wenn der einen Tobsuchtsanfall bekommt, so betrachtet eine vorsichtige Welt das.Phänomen mit scheuer Zurückhaltung.
Sie wird sich daher wohl auch nicht aus ihrer Ruhe bringen lassen durch die Nachricht vom neuesten „Siege" des ruhmgekrönten Generals Tegotte, den er über 600 deutsche.— Kinder errungen hat. Tie Armen sollten der Quälerei, dem Hunger und der freudlosen Unfreiheit des besetztes Gebietes auf Zeit entrissen werden durch Verschickung ins unbesetzte Gebiet. Aber mit seiner weltbekannten Entschlossenheit warf sich der Militarismus der grande Nation dem gefährlichen Ansturm entgegen und tvies ihn in die Schranken — des großen Ruhrkäfigs Ulrück. Wenn wieder einmal das Verzeichnis französischer Heldentaten aufgerollt wird, soll man auch diese nicht vergessen. Wie sagte doch Clemenceau mit seiner, mitunter so schätzenswerten Offenheit? „20 Millionen Deutscher zuvrel!" Melac-Tegoutte hat sich überlegt, ob suan nicht mit dem Angenehmen des Plünderns und Geldschrankknackens das Nützliche der-. Verminderung der benschen Rasse verbinden könnte. Wenn man die Millionen der Ruhrbevölkerung, wie in einen Käfig zusammengepfercht, hungern und in Krankheit und Not verkommen läßt, dann wäre seiner Meinung nach schon ein ganz hübsches Ergebnis zu erzielen, bis — dre englische ^taatskunst eine „Lösung" aller Schwierigkeiten gefunden hat.
Die Märtyrer an der Ruhr.
... und was tust du?!
Neulich war ich mit Menschen zusammen, die mir beredten Worten den passiven Widerstand der Westfalen priesen. Sie freuten sich über die geringe Wirtschast- "che Ausbeute des Feindes im Ruhrgebiet, sie nickten rrlü den Köpfen und meinten dann: „So rst's recht. Mit Gewalt können wir ja nicht. Aber der Pas-
>roe Widerstand_! Laßt die Franzosen sich nur
wt besehen" Während sie aber so sprachen, War nur s wvNL. als Üebe um uns eine negier hafte, unsichtbare
Schar: die Seelen der Ermordeten, die Gespenster aus den einsamen Stunden zum Tode Verurteilter, die Weheschreie der Gequälten, die unzähligen Tränen und Seufzer der Verwaisten und Vertriebenen. Tie sahen jeden von uns um großen todesernsten Augen an und fragten leise: Und was tust du?— Ta wandte ich mich ab und ging hinaus. Ich stand am Fenster, ich sah den Mond über den Dächern und die Bäume auf der Straße im zarten Grün und dachte daran, wie man sich noch voriges Jahr über die neue Sonne hatte freuwl kön- nnen_aber seitdem ist soviel tapferes edles Mut ge
flossen so viele tausend Herzen sind zerrissen und gebrochen. Und die Besten unseres Volkes sitzen hinter Zuchthausmauern! Schlageter siel, Görges wartet.... und sieben andere— und mehr —
Ach, wir alle, die noch ein sicheres, freundliches Heim unser eigen nennen — haben wir denn ein Recht, so über den passiven Widerstand zu sprechen?,
Wenn wir es tun, müssen wir dann nicht zu gleichen Opfern bereit sein?, l
Bilder, Gestalten tauchen vor mir aus— ^
' Bor einigen Tagen hörte ich eine junge Frau sich! heftig über die Franzosen im Ruhrgebiet entrüsten und' ereifern. Irgendeiner, der finster und stumm neben ihr stand, brach in den grimmigen Wunsch einer handgreislicken Empörung gegen die Feinde aus. k Wer da schrie die junge Frau beinahe: ^,Um Gottes- willen, was denken Sie! Tie Franzosen haben ja eine -so große Luftflotte. Tie sind in wenig Stunden Hier und zerMagen alle Städte." ä
Ja, ja reden ist leicht. — ' ^
Ich kenne eine Dame in gut bezahlter Stellung, die !m Nebenerwerb einer Anzahl Jndenkindern Privatunterricht gibt — um Geld für eine So mm errege nach Berchtesgaden zu sparen.
Muß sie nicht erröten vor den deutschen Menschen au der Ruhr?
Kürzlich erzählte ein junges Mädchen, sie- brauche für ihre Tanzstunde ein seidenes Kleid. Vom mir auf den Ernst der Zeit aufmerksam gemacht, rief sie aus: „Ja, das geht aber nicht. Tie anderen haben alle seidene Kleider, da kann ich mich doch nicht ausschließen."
llnd wenn diese jungen Mädchen auch treulich ihr „Scherflein" zur Ruhrhrlfe geben — so versündigen sie sich doch am Vaterlande.
Wissen sie denn nicht, woher die seidenen Kleider stammen? Daß Seide ein Ausfuhrartikel Frankreichs ist? Besonders auch die breiten, bunten Seidenbänder! Es werden noch soviele französische Weine, französische Seifen und Parfümerien in Deutschland gekauft. Wie ist das möglich?'
Ach, sage doch keiner: „Auf mich kommt's nicht an. Ich kann nichts tun."
Jeder, auch der Aermste, kann etwas un.
Vielleicht besitzest du Verwandte oder Freunde, irgendwo im Ausland. Hast du ihnen geschrieen? Die entsetzlichen Leiden und Bedrückungen unserer Brüder im Ruhrgebiet geschildert und um recht weite Verbreitung gebeten? Ach, es gibt soviel zu tun! Not und Liebe macht erfindensch. Wer nichts weiß, der hat eben keine Liebe, dem geht die deutsche Not nicht ans Herz.
Durch die Straßen, die Häuser, durch ganz Deutschland geistern die bangen Stunden derer, die ein Schandurteil zum Tode bestimmte, gehen unsichtbar die Seelen der Toten, die Weheschrere, die Tränen und Seufzer der Gequälten,_und was tust du?.! — — W.
Poineare un- der Papst.
Paris, 7. Juli.
Tie französische Kammer verhandelte über die Interpellationen, die sich mit dem Papstbrief und der Entschädigungsfrage beschäftigten. Ministerpräsident Poin- care erwiderte auf eine sozialistische Interpellation: Ter päpstliche Brief habe zu sofortigen Bemerkungen des französischen Botschafters an den Kardinalstaatssekretär Gasparri Veranlassung gegeben. Ter französische Botschafter habe bemerkt, daß die Besetzung des Ruhrgebiets dem fast einstimmigen Wunsche Frankreichs entspreche. Ter französische Botschafter habe das Erstaunen über die kaum verhüllte Kritik an der Politik Frankreichs zum Ausdruck gebracht und eine Audienz beim Nnvß verlangt. Ter Heilige Vater, so fuhr Poin- ca c cut, nab innerem Botschafter die Veriickieruna. daß
er nur den Geist der Gerechtigkeit und der Charitas im gegenwärtigen Augenblick habe anrusen wollen. Er sei von den Katholiken der ganzen Welt ersucht worden, seine Stimme zu erheben. Ter französische Botschafter habe die Rechte Frankreichs betont und auf die Gefahren der deutschen Propaganda im Ruhrgebiet und im Rheinland hingewiesen. Pius XI. habe erklärt, daß er diesen verbrecherischen Widerstand förmlich und tatsächlich nicht billige und er habe hinzugefügt, daß, wenn das Reich sich nicht bald das Vertrauen seiner Gläubiger zu gewinnen suche, sein Widerstand reine Daseinsberechtigung habe. Gasparri habe die Erklärung des Papstes bestätigt. Ter Papstbrief bestreite übrigens nicht die Rechtmäßigkeit der Ruhrbesetzung, sondern stelle nur fest, daß sie für Teutschland Lasten schaffe, und rate Frankreich an, sie zu erleichtern. Tiefer Brief sei in Frankreich nicht günstig ausgenommen worden, während man in Teutschland ihn als Ermutigung aufgefaßt habe. Aber der Schritt des Nuntius wegen der verbrecherischen Handlungen des Widerstands habe die durch den Papstbrief hervorgerufene Ermutigung erkalten lassen. Trotzdem bleibe aber bestehen, daß der Papst geglaubt habe, Frankreich politische Ratschläge geben zu müssen. Sie könnten aber keinen wirkenden Einfluß ausüben. Es handle sich- dabei nicht um die Freiheit der katholischen Gläubigen, noch um die Freiheit des Episkopats. Der Papst habe keine Autorität in weltlichen Dingen. Die einzige Haltung, die Frankreich einzunehmen habe, sei, stark und einig zu bleiben, denn es gebe keine Macht in der Welt, die chm die Rechte entreißen könne, die ihm der- Versailler Vertrag zubillige. Teutschland habe es in der^ Hand, die Besetzung abzukürzen, denn je schneller es bezahle, desto eher werde Frankreich sich zurückzieh-en.
Die von der Regierung verlangte einfache Tagesordnung wurde mit 388 gegen 90 Stimmen angenommen.
Französisch-belgischeVorstellungen.
Berlin, 7. Juli.
Nach Abschluß der Unterredungen zwischen dem Reichskanzler und dem apostolischen Nuntius über die Sabotageakte haben der belgische Gesandte und nach ihm der französische Botschafter beim Auswärtigen Amt den Vorfall auf der Rheinbrücke mündlich zur Sprache gebracht. Beide Missionschefs haben alsdann die Auffassung ihrer Regierungen dargelegt, daß sich die Reichsregierung durch ihre Verordnungen für den passiven Widerstand und durch Beileidstelegramme für die aktivistischen Erscheinungen des Widerstands verantwortlich gemacht habe. Aus diesem Grunde müßten die belgische und die französische Regierung fordern, daß die Reichsregierung das Attentat auf die Duisburger Brücke mißbillige und alles unternehme, um die Täter zu ermitteln und zur Verantwortung zu ziehen. — Zum Beweise für die Beteiligung von Deutschen hat der belgische Gesandte mitgeteilt, daß aus der Brücke Bruchteile einer Explosivbombe gefunden worden seien.
Ter Reichsminister des Auswärtigen hat in folgendem Sinne geantwortet:
Ter Vorfall bei Duisburg ist der deutschen Regierung bisher nur aus Zeitungsmeldungen bekannt. Ihre Versuche, sich ein klares Bild zu verschaffen, sind gescheitert, was nicht zu verwundern ist, da die deutschen Lokalbehörden keinerlei Möglichkeit hatten, den Sachverhalt an Ort und Stelle nachzuprüfen. Aber, selbst wenn an dem Vorfall Deutsche beteiligt gewesen sein sollten, kann nicht zugegeben werden, daß die deutsche Regierung irgend eine Verantwortung dafür trügt oder in irgend einer Weise zu derartigen Aktionen ermutigt hat. Die von der deutschen Regierung nach Beginn der Ruhraktion erlassenen Verordnungen sind nicht die Ursache, sondern die Folge des spontan aus der Seele der Bevölkerung emporgewachsenen Widerstandes. Tie Beileidstelegramme im Falle Schlageter sind eine durchaus natürliche und selbstverständliche Kundgebung, nachdem ein deutscher Mann von fremden Kriegsgerichten auf deutschem Boden für eine wahrlich nicht aus ehrlosen Beweggründen begangene Handlung widerrechtlich verurteilt und hingerichtet worden ist. Es steht doch außer Zweifel, daß seine Absicht nicht auf Blutvergießen, sondern darauf gerichtet war, den Besatzungstruppen die unrechtmäßige Benützung deutscher Verkehrsmittel unmöglich zu machen. Eine Umdrehung der Begriffe sei es, wenn sich jetzt Frankreich und Belgien für berechtigt hielten, Deutschland für die Folgen ihres rechtswidrigen Einbruches in das Ruhrgebiet und für die Folgen des maßlosen Terrors der Besatzungstruppen verantwortlich zu machen. Man darf nicht vergessen, daß bevor iraend einem Belgier oder FranLvse im besetzten Ge-