Nr. 2H7.

Amts- und Anzeigeblatt für den Gberamtsbezirk (Lalw.

Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts­bezirk Eaiw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg-> außerhalb desselben 12 Pfg-, Reklamen LS Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon S.

Mittwoch, den 22. Oktober IMS.

Bezugspreis: In der Stadt mtt Trägerlohn Mk. 1.28 vierteljährlich. Post- bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.. Bestellgeld in Württemberg M Pfg.. in Bayern und Reich 12 Pfg

Kronprinz und Welfenfrage.

Vor einigen Tagen richtete der deutsche Kronprinz ein Schreiben an den Kanzler, das in der Hauptsache darauf hinausläust, daß man sich mit den dem Kronprinzen bezeich­nten Bürgschaften des Hauses Cumberland nicht begnügen, sondern die Thronbesteigung des Prinzen Ernst August nur nach einem ausdrücklichen Verzicht auf Hannover genehmigen solle. Der Kronprinz steht in der ganzen braunschweigischen Frage auf dem Standpunkt, daß sie nicht eine dynastische ist, die zwischen den Häusern Hohenzollern und Welf schwebt, sondern eine staatsrechtliche, die ihre Lösung daher nur durch einen staatsrechtlich einwandfreien Verzicht finden könne. Es wurde auch bestimmt behauptet, daß der Kronprinz die Er­ledigung der Welfenfrage der Hochzeit der Prinzessin mit dem Prinzen Ernst August vorangehen sehen wollte und für diese Ansicht entschieden eingetreten ist. Dieser Brief hat den Zeitungen verschiedenster Richtungen Anlaß zu zustimmenden oder ablehnenden Erörterungen gegeben und es war da­von die Rede, daß zwischen Kaiser und Thronfolger Zer­würfnisse eingetreten seien, da der Kaiser im Gegensatz zum Kronprinzen und weiter nationaler Kreise in dem vom welfischen Prinzen Ernst August geleisteten Fahneneid, seinein Eintritt ins preußische Heer und seiner Verheiratung mit der Kaisertochter genügend Bürgschaften erblicke, die Preußen gegen Ansprüche des kaiserlichen Schwiegersohns auf den hannoverschen Königsthron sichern. Der Brief des Kronprin­zen an den Reichskanzler war persönlicher Natur, desgl. die Antwort des Reichskanzlers, in der er dem Kronprinzen über die Lage der Dinge aufklärte und seine und der Reichs­regierung Gründe zu der von der kronprinzlichen abweichenden Haltung auseinandersetzte. Der Kronprinzenbrief geriet in die Öffentlichkeit und mußte dort, wie erwähnt, das Kreuzfeuer begrüßender und absprechender Kritik durchlaufen. Jetzt b e - schwert sich der Kronprinz über die Veröffent­lichung seines Briefes. DieNordd. Allgemeine Zeitung" schreibt unterm 20 d. Mts. aus Berlin: Auf das Schreiben des Reichskanzlers an den Kronprinzen in Sachen der braun­schweigischen Thronfolge hat der Kronprinz in einem Brief aus Hopfreben vom 17. d. Mts. sein lebhaftes Bedauern darüber ausgesprochen, daß sein Privatbrief an den Reichs­kanzler öffentlich erwähnt worden ist. Völlig falsch sei die Auslegung eines Teiles der Presse, als stelle er sich in Oppo­sition zum Kaiser. In der Sache selbst hat der Kronprinz dem Reichskanzler erwidert, daß dessen Schreiben für ihn zur Klärung der Angelegenheit wesentlich beigetragen habe.

Das Ergebnis der Landtagswahlen in Baden.

Das siegreiche Zentrum.

Karlsruhe, 21. Okt. Amtliches Ergebnis. Es wurden gewählt: 29 Zentrum, 9 Nationalliberale, 1 Fortschrittler, 3 Konservative, 9 Sozialdemokraten. 21 Stichwahlen haben stattzufinden. 1 Wahlkreis fehlt noch.

Die Hoffnungen der Blockfreunde sind völlig vernich­tet. Das Zentrum ist schon nach dem ersten Anhieb mit drei Mandaten weiter, als es im alten Landtag besaß, aus dem Kampf hervorgegangen und hat damit die Linksparteien um drei Vertreter geschwächt. Die Linksparteien zogen mit der Parole:Für die Zweidrittelmehrheit" in den Wahlkampf. Sie mußten zu diesem Zweck zu ihren 44 Sitzen fünf neu ge­winnen. Man hoffte, daß mit dieser Zweidrittelmehrheit vom Landtag die Verhältniswahl durchgesetzt werden könnte, wo­durch der Großblock, der von den Nationalliberalen bis zur Sozialdemokratie geht, überflüssig geworden wäre ein Ziel, das in den Kreisen der Nationalliberalen namentlich mit allen Mitteln erstrebt wird. Dem Ausfall entsprechend nun bleibt zwar das Uebergewicht des Blocks im Landtag, aber von der erhoftten Zweidrittelmehrheit ist er noch weiter als im alten Landtag entfernt. Das Zentrum hat seinen Be­stand von 26 auf 29 Sitze vermehren können, die Zahl der Konservativen (3) blieb auf der seitherigen Höhe. Auf welcher Partei Kosten der Verlust geht, werden die Stichwahlen erst ergeben, die unter einer sozialdemokratisch-fortschrittlich-na­tionalliberalen Front gegen rechts geführt werden. U. a. wurden wiedergewählt der Führer der Nationalliberalen Par­tei Badens Rebmann in Karlsruhe und die Führer der ba­dischen Sozialdemokraten Dr. Frank-Mannheim und Kolb- Karlsruhe.

Das Wahlergebnis in Pforzheim.

Im 47. Wahlkreis Pforzheim-Stadt I wurden abgegeben: Odenwald (Liberal) 2416 Stimmen, Freyhold (Kons.) 455 Stimmen, Harter (Soz.) 1708 Stimmen. Gewählt istOden - Wald, der den Wahlkreis seither inne hatte. Im 48. Wahl­kreis Pforzheim-Stadt II wurde wieder gewählt Geck (Soz.) mit 2827 Stimmen. Suedes (Liberal) erhielt 2030 Stimmen, Freyhold (Kons.) 358 Stimmen. Im 49. Wahlkreis Pforz- Heim-Land behauptete der Sozialdemokrat Stockinger mit 2685 Stimmen seinen Sitz. Wolf (Freisinnig) erhielt 1405, Dr. Bertsch (Zentrum) 447 Stimmen. Die drei Pforz- heimer Wahlkreise verblieben nach diesem Ergebnis in den Händen der Parteien, die bisher die Vertreter gestellt hatten. Bemerkenswert an dem Wahlergebnis ist, daß die bürger­lichen Stimmen, alle drei Wahlkreise zusammengenommen, um 1700 zugenommen haben, während die der Sozialdemokratie nur um etwa 300, sodaß man sagen kann, daß die Sozial­demokratie Pforzheims auf einem Stillstand angelangt ist.

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.

Calw, den 22. Oktober 1913.

Stiftungen für das neue Vezirkskrankenhaus.

Calw darf sich des Vorzugs vor vielen anderen Städten des Landes rühmen, daß es immer reich­lich mit Stiftungen aus der Bürgerschaft heraus versehen wurde, deren Zwecke Schulen und Schülern u. a., ein gut Stück auch dem Gemeindesäckel zu­gute kamen. Zu der bevorstehenden Eröffnung des neuen Vezirkskrankenhauses mag an dieser Stelle aufgeführt sein, was freundliche Geber zur Vervoll­kommnung der Ausstattung des neuen Kranken­hauses spendeten. Vis zum 20. Oktober verzeichnet die Geberliste: Herr Gustav Heinrich Wagner hier Einrichtung für 3 Krankenzimmer 1. Kl., Wert 3600 -R, Herr Kommerzienrat Georg Wagner hier 1 Krankenwagen, Wert. 1700 -/st, Vereinigte Decken- fabriken Calw 140 Decken, Wert 2000 -st, Herr Georg Baumann hier 1000 -st, Herr Fabrikant Sannwald hier 500 -st, Baumwollspinnerei Calw 500 -st, Fär­berstiftspflege Calw 1 Harmonium, Wert 600 -st, Vereinsbuchhandlung Calw Bücher für die Kranken­hausbibliothek 150 -st, Württ. Vibelanstalt in Stutt­gart 60 Bibeln und neue Testamente 100 -st. Ihnen allen herzlichen Dank!

Wer ist am 1. Januar krankenversicherungs­pflichtig? 1) Alle Arbeiter und Arbeiterinnen, auch die in Land- und Forstwirtschaft beschäftigten. 2) Heimarbeiter und Heimarbeiterinnen. 3) Alle Ge­hilfen, Gesellen, Lehrlinge, Kassenboten, Kellner, Sakristane, Hausbeamtinnen, Wochen- und Kranken­pflegerinnen. 4) Alle Dienstboten, Dienstmädchen, Knechte, Mägde, Köche, Köchinnen, Hausburschen, Näherinnen, Wäscherinnen, Büglerinnen, Stunden- und Monatsfrauen, Austrägerinnen. 5) Betriebs­beamte, Werkmeister und andere Angestellte (Tech­niker) in ähnlich gehobener Stellung, wenn ihr re­gelmäßiger Jahresarbeitsverdienst 2500 -st nicht übersteigt. 6) Handlungsgehilfen und -Lehrlinge, männliche und weibliche, bis zu einem Jahresver- dienst von 2500 -st. 7) Bühnen- und Orchestermit­glieder, Schauspieler, Artisten, Sänger, Musiker, Choristen, Choristinnen, bis zu 2500 -st Einkommen, ohne Rücksicht auf den Kunstwert ihrer Leistungen. 8) Privatlehrer und Erzieher, Privatlehrerinnen, Handarbeitslehrerinnen, Kindergärtnerinnen, bis zu einem Jahresverdienst von 2500 -st. 9) Hausge­werbetreibende, d. h. diejenigen selbständigen Ge­werbetreibenden, die in eigenen Betriebswerkstätten im Auftrag und für Rechnung anderer arbeiten. 10) Unständig Beschäftigte, d.'h. solche, deren Be­schäftigung auf weniger als eine Woche beschränkt zu sein pflegt (Au.-glfe, Abernten eines bestimmten Grundstücks usw.). 11) Die im Wandergewerbe Be­schäftigten.

Lotterieertrag. Der Reinertrag der Gesellschafts­lotterie des Würrt. Kriegerbundes beträgt 31150 Mark 83 Pfg. Je 2000 -st werden der'Witwen-

und Waisenkasse und der allgemeinen Vundeskasse überwiesen. 21000 -st bilden den Grundstock der Ehrenpräsident von Wöllwarth-Spende" zu Wohl­fahrtszwecken.

Jubiläumstaler. Die aus Anlaß der Einweihung des Völkerschlachtdenkmals geprägten Jubiläumsdreimarkstücke tra­gen auf der Vorderseite die Aufschrift18. Oktober 1813- 1913". Die Rückseite zeigt den Reichsadler mit der Umschrift Deutsches Reich 1913. Drei Mark." Der Rand trägt den SpruchGott mit uns". Das Münzzeichen istE".

Schwäbische Gedenktage. Am 8. Oktober 1480 wurde der Leichnam des Grafen Ulrich des Vielgeliebten in Stutt­gart bcigesetzt. Am 9. Oktober 1620 ereignete sich in Leut- kirch ein Aufstand der Weberzunft, weil die Weber nicht dulden wollten, daß Leinwand aus fremden Orten in die Stadt ge­führt werden dürfe. Die Weberzunft setzte ihren Willen durch. Am 10. Oktober 1600 erstach in Geradstetten der Schorn- dorfer Obervogt Jakob von Gültlingen seinen Vetter und Freund Konrad von Degenfeld in der Nacht nach einem Ge­lage, da er ihn für ein Gespenst hielt. Für diese unselige Tat wurde er am 14. Oktober auf Kabinettsordre Herzog Friedrichs I. in Waiblingen hingerichtet. Am 11. Oktober 1629 wurde in Tübingen Burkhard Bardili geboren; nach­mals Professor der Rechte und ein vorzüglicher Rechtsgelehr- tcr. Er starb am 10. April 1692. Am 12. Oktober 1748 ist in Buttenhausen O. A. Münsingen Fr. Klemens Aug. Werthcs geboren. Er war Professor für italienische Literatur an der Hohen Karlsschule von 17811783 und später Redak­teur des Württ. Regierungsblattes; er starb 1817. Am 13. Oktober 1614 wurde in Tübingen geboren Georg Wil- hetni Bidembach von Frauenfels. Er diente in Württemberg als treuer Diener vornehmlich auf Kreis-, Reichs- und Dele­gationstagen und starb am 23. August 1677. Am 14. Ok­tober 1805 bemächtigte sich der französische General Marmont der Brücke über die Iller bei Ober- und Unterkirchberg O. A. Laupheim. Am 13. Oktober 1288 weilte Kaiser Rudolf i. in Biberach, er verlieh damals der Stadt Saulgau das Stadt­recht. Am 16. Oktober 1733 starb in Tübingen der Pro­fessor der Elequenz Eberh. Rößler, er war im Jahre 1668 in Lorch geboren. -

Mutmaßliches Wetter. Für Donnerstast und Freitag ist weiterhin zeitweilig nebliges, aber meist trockenes, nachts rauhes und tagsüber mildes Wetter zu erwarten.

Nachtrag. Mit den in Nr. 245 ds. Bl. auf­geführten Darstellern der Hauptrollen in dem Jahr­hundertfestspielDeutsch und Frei" sei nachträglich noch Herr Hermann Zahn genannt.

Feiern im Bezirk.

() Hirsau, 21. Okt. Auch Hirsau hat eine, wenn auch be­scheine Feier des Gedenkens der 100jährigen Wiederkehr der Tage der befreienden Leipziger Völkerschlacht hinter sich. Mit Rücksicht auf die Veranstaltungen in Calw mußte von einer öffentlichen Feier am Samstag Abstand genommen werden, jedoch ließ es sich unsere Jugend nicht nehmne, durch einen festlichen Umzug durch den Ort und durch Deklamationen und Gesangsvorträge in der Wandelhalle der Königin-Charlotte- Anlagen sich des Tages und seiner Erinnerungen zu freuen. Am Sonntag früh sammelten sich die Mitglieder des Militär­vereins und des Liederkranzes um gemeinschaftlich mit den Beamten und unter Vorantritt der Oberklassen der Hirsauer Schüler in festlichem Zuge zur Kirche zu gehen. Hier wurde die Erinnerungsfeier eingeleitet durch den stimmungsvollen Vortrag des Niederländischen Dankgebets durch einen Kinder­chor. Eine musikalische Glanzleistung, für die dem Dirigenten und den Schülern Anerkennung und Dank gebührt. Der Ortsgeistliche wies in packender Rede auf die Bedeu­tung des Tages hin. Nach vollendetem Gottesdienst gings zum Rathausplah zurück, hier hielt Hauptlehrer Hinderer eine Ansprache und gedachte der Taten der Väter vor 100 Jahren. Auch beim Frühschoppen, zu dem sich die Mitglieder des Mili­tärvereins zusammengefunden hatten, feierte Vorstand Wag - n e r-Ernstmühl die Befreiung des deutschen Vaterlandes von französischer Fremdherrschaft und die Einigung desselben zum heutigen deutschen Reiche, das 1813 vergeblich angestrebt, erst 1870-71 erreicht wurde. Am Montag nachmittag wurden auf Wunsch der Einwohnerschaft die Vorträge der Schüler in