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Preisgabe der StMoffverfabrens.
Das im November 1919 abgeschlossene, aber erst jetzt von der französischen Kammer ratifizierte Abkommen der Badischen Anilin- und Sodafabrik mit der französischen Regierung, das das Verfahren Haber-Bosch für die Herstellung von synthetischem Stickstoff einer zu bildenden französischen Gesellschaft zur Verfügung stellt, hat in der deutschen Öffentlichkeit eine ziemliche Unruhe hervorgerufen. Nach einer Mitteilung eines chemischen Grost- industriellen an die „Franks. Ztg." handelt es sich um folgendes:
„Die Verhandlungen mit Frankreich begannen sofort nach dem Inkrafttreten der Bestimmungen über Kontrolle und Zerstörung der Kriegsbet rieb e. Gefordert wurde auch die Zerstörung der Stickstoffanlagen, weil Ammoniak zur Herstellung von Salpeter benutzt werden kann. Ein Eingehen auf diese Forderung würde die Landwirtschaft ruiniert und die Ernährung des deutschen Volkes unmöglich gemacht haben. Es wurde daher unter Zustimmung der Regierung der Weg der Verhandlungen beschritten. Dabei wurde von den Vertretern der Entente darauf hingewiesen, daß es sich doch jedenfalls um einen Kriegsbetrieb handle und daß nach den geltenden Bestimmungen alle Verfahren -ur Herstellung von Kriegsmaterial rückhaltlos auszuhändiacir! seim und daher auch das Ammoniakverfahren. Dieser Standpunkt wurde von deutscher Seite nachdrücklich be- kämpft. Den Ententevertretern kam jedoch zugute, daß. die Fabrik militärisch besetzt war und die fremden Ingenieure und Chemiker, die als Kontrolloffiziere oder -Mannschaften, verwendet wurden, alle Einzelheiten der Apparatur aufzeichnen konnten. Schließlich gelang es den' Ausländern noch, von Individuen, denen es damals wohl weniger auf das Bestechungsgeld als darauf ankam, Deutschland völlig zu ruinieren, um die Diktatur des Bro-! letariats zu errichten, die Einzelheiten des Verfahrens! zu erhalten. So war die deutsche Regierung und Industrie vor die Alternative gestellt, daß die Drohungen wahr gemacht und damit nicht nur für Tausende von Arbeiterfamilien Arbeitslosigkeit, sondern für ganz Deutschland der Hunger verewigt werden sollte, oder ein Vergleich auf einer Basis gefunden werden könne, der Deutschland nicht schädigen durfte. Es wurde der! letztere Weg beschritten, und er führte zu einem Vertrag, der für beide Länder und besonders auch für Deutsch-! land von großer Bedeutung war und es heute! noch ist. j
Inzwischen hatte ein französischer Gelehrter Claudeij eine Modifikation des Haber-Bosch-Verfahrens gesunden,! und aus patriotischen Motiven beschloß man in Frankreich, das deutsche Verfahren nicht aufzunehmen und das Claude-Verfahren auszubauen. Daß dies ein Fehl sch'mg war, hat man bisher nicht zugeben wollen. Zweifellos aus Politisch-taktischen Gründen hat man jetzt dettj Vertrag von 1919 wieder hervorgezogen und die Presse- mit Nachrichten darüber gefüllt. Daß damals Regierung und Industrie ihre Pflicht getan haben, wird nach Kenntnis der dargelegten Tatsachen niemand bezweifeln können."
Daß die Franzosen dieses vor mehr als drei Jahren geschlossene Abkommen gerade jetzt vor die Kammer und damit in die Oeffentlichkeit gebracht haben, hat ganz zweifellos politisch-taktische Gründe. Wie die ganze .Haltung der Franzosen immer wieder die Absicht erkennen! läßt, das Mißtrauen vor allem zwischen Arbeiterschaft und Unternehmertum zu verschärfen, so ist auch hier der Zweck deutlich, Verwirrung zu stiften und dadurch die deutsche Abwehr zu schwächen. Um so mehr hat die deutsche Oeffentlichkeit Anlaß zu sachlich-ruhiger Prüfung. Die obige Darstellung von beteiligter Seite gibt Anhaltspunkte für die Vorgeschichte des Abkommens und seine Motive. Im übrigen verweisen wir darauf, daß die Verwertung und Zurverfügungstellung von Patenten und technischen Verfahren an das Ausland, ja nichts Ungewöhnliches ist, sondern auch vor dem Krieg ihr häufig, stattfand. Die deutsche Stickstvffindustrie sit bekanntlich trotz ihrem gewaltigen- nur durch die Notwendigkeiten des Krieges möglich gewesenen Ausbau auch heute noch nicht in der Lage, die Stickstoff-Ansprüche der deutschen Landwirtschaft voll zu befriedigen. Daß sie durch eine Monopolisierung des Verfahrens einen großen Export mit synthetischem Stickstoff hätte erzielen wnnen, den sie durch die Ermöglichung der Fabrikation wi-Auslande nun pxeisaeaeben habe, kommt aber auch
nickst irr Betracht. Monistl rmttdestl^s sich offenbar um stnc geschäftliche Transaktion, deren privatwirtschaftlichen Wert die Beteiligten untersuchen mögen, die aber zu einer volkswirtschaftlichen oder politischen Stellungnahme schwerlich herausfordert und die jedenfalls mit der Heuligen politischen Lage Deutschlands und seiner Stellung zu Frankreich in keinerlei Beziehungen steht.
Ein Holländer schreibt der „Köln. Ztg ":
Was den Deutschen in den Kriegsiahren trotz aller Propaganda nicht geglückt ist, haben die Franzosen in wenigen Tagen fertiggebracht. Sie haben Hol land aus die deutsche Seite gebracht, und genau so, wie man die Deutschen angriss, als sie in Belgien einmarschierten, so ist jetzt die Mgcmeiue Stimmung gegen die Franzosen, und zwar noch schärfer, nicht allein weil sie das Ruhrgebiet besetzt haben, sondern auch wegen der Art ihres Vorgehens. Leute, die im Kriege ausgesprochene Gegner der Deutschen waren, aber die letzten Jahre viel in Deutschland mit offenen Augen gereist sind, vor allem auch im besetzten Gebiet, die gesehen haben, wie heute noch, mehr als ner Jahre nach dem Waffenstillstand, die große Masse des deutschen Volkes m Armut und Elend leven must, sie sind die letzten Monate ausgesprochene Gegner der Franzosen geworden und machen gar kein Hehl daraus. Die Hoffnung aus ein Scheitern der französischen Gewaltpolitik ist hier ganz allgemein, und man erwartet, daß die feste Haltung der deutschen Grubenarbeiter in diesem Krieg im Frieden den Sieg davoutragen werde. Der „Telegraf" niag freilich wüten und schimpfen, das Blatt hat keinen Menschen hinter sich, und alle Welt spricht abfällig über seine ohnmächtigen Ausfälle und krampfhaften Versuche, Frankreichs Vorgehen zu beschönigen. Man mag dem kaiserlichen Deutschland mit einem gewissen Recht den Vorwurf gemacht haben, es besitze keine Diplomaten, jedoch ist die diplomatische Kunst zurzeit bei den Franzosen, welche sich immer von alters her hierauf etwas zugute taten, noch viel weniger vorhanden. Würden sie sonst Torheiten gegen Holland begeben wie im Ruhrbecken, wo sie die Wagen mit Kohlen für Holland festhalten, und auf dem Rhein, wo sie versucht haben, nicht nur Schiffe für Holland, sondern selbst holländische Schiffe zu beschlagnahmen. Man hat der Mißstimmung hierüber, um mich mal gelinde auszudrücken, in der Oeffentlichkeit unzweideutig Ausdruck gegeben. Frankreich hätte kein besseres Mittel erfinden können, sich die Sympathie breiter holländischer Kreise zu rauben, und je länger es mit seiner Gewaltpolitik fortfährt, desto größer wird zweifellos die Gegnerschaft werden auch bei ein geschworenen Franzosenfreunden. Man hätte im Rheinland das Lob der nüchternen Holländer hören müssen über die Entschlossenheit, mit welcher im ganzen besetzten Gebiet die Beamten sich den französischen Maßregeln widersetzen. Es sind doch Kerle! war die allge- seine Meinung. lind als di" Nachricht aus Essen kam von der Beschl »nahm!' der Krankenhäuser, wo kleine, von ansteckenden Kränksten befallene Kinder heraus mußten: als man las. nF- die französischen Truppen überreichlich mit Milch v"rsarqs würden, während die kleinen Kinder keinen Tropfen heknrn"'en könnten, sind solche scharfen, aufribtig gem insin Wart» manchem Munde entflohen, daß der französisch" Botschafter glücklich sein kann, nicht wie vor einigen Monaten eine große Reise durch Holland machen zu müssen, denn ohne Zweifel würde er noch viel weniger Freude als das vorige Mal erlebt und mancherorts einen ganz anderen Emvf ng genossen haben. Wirklich, es gibt zurzeit in Holland keinen bessern Propagandisten für Deutschland als Frankreich.
uno Damit ckltlMrsüsinng Isis ans Anl ip ver Vinkerbünb's- versammlung im Jahre 1920 dem Schweizer Volk gegebenen Versvrechens zu verzichten.
Bundesrat Motta, der Vorsteher des politischen Departements, führte in Beantwortung der Interpellation aus: Der Bundesrat hat von sich aus und ohne erst eine Anregung abzuwarten, die Frage einer Intervention geprüft. Die Resolution der Völkerbundsversammlung, auf die der Interpellant Bezug nimmt, hat aber ausdrücklich zur Voraussetzung, daß die Intervention nur auf den Wunsch eines der Beteiligten stattsinden darf. Im vorliegenden Falle trifft das nicht zu. Unter diesen Umständen lag für die Schweiz keine Veranlassung zu einem Vorgehen vor, um so weniger, als sie auf Unterstützung von dritter Seite nicht rechnen konnte Man wußte außerdem, daß Branting einen ähnlichen Gedanken ausgegeben hatte. Auch innerhalb der Schweiz waren die Meinungen über die Opportunität eines solchen Schrittes geteilt. Der Bundesrat behält sich für später volle Handlugsfreiheit vor.
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Die Schweiz und der Ruhreinbruch.
schweizerischen Natioualrat brachte Grimm (Soz.) folgende Interpellation ein: Der Bundesrat wird aufgefordert, mitzuteilen, wie er die aus der gegenwärtigen schwierigen Wirtschaftslage Europas für die Schweiz entstehenden Folgen zu bekämpfen gedenkt. Der Bundesrat wird insbesondere ersucht, die Gründe bekanntzugehen, die ihn veranlaßt haben, angesichts der die europäische Wirtschaft und den Weltfrieden in so unheilvoller Weise bedrohenden Ruhrbcsetzung auf die Einhaltung der Bestimmungen des B ö l k e rb u n d s p a k te s und der von der dritten Völkerlmudsversammluua gefaßten Beschlüsse
Der Reichspräsident in Buden.
Karlsruhe,. 12. p-ebr. Reichspräsident Ebert ist in Beglertung des Reich-Ministers Oessr und des Reichs- Alp ert am Montag vormittag ? ..llhv hrer eingetroffsn. Jur Begrüßung war Staats- prasrdent Rammele am Bahnhof erschienen. In der Bahnhofshalle wie vor dem Bahnhof hatte sich sehr zahlrerches Publikum ?-nr Begrüßung des -Reichspräsidenten eingefunden. Tie Herren fuhren im Kraft- Wagen zum Staatsministerium, wo alsbald in Anwesenheit sämtlicher Mitglieder der badischen Regie- rung eine Besprechung über die durch die Besetzung wsfenburgs und Umgebung geschaffene Lage stattckand. Taran anschließend wird nach 12 Uhr ein Empfang der Vertreter der Karlsruher Presse stattfinden.
Karlsruhe, 12. Febr. Um Isi/g' Uhr empfing der Reichspräsident Ebert im Staatsministerium die Vertreter der Presse. Der Vorsitzende des Vereins Karlsruher Presse. Chefredakteur Dees, begrüßte den Reichspräsidenten und dankte für den Empfang.
Reichspräsident Ebert führte aus, daß er mit dem Reichsminister des Innern Oeser und mit dem Reichsschatzminister Dr. Alber nicht wegen der Haltung Badens nach denk Einbruch der Franzosen nach Karlsruhe gekommen sei, sondern um sich über die neu geschaffenen Verhältnisse zi, informieren. Den Einbruch der Französin in Baden könne man nur im Zusammenhang mit dem Einbruch in die Ruhr beurteilen. Auch hier'handle es sich wenia-r um wirtschaftliche, als um politische Mv-> 'mente. Denn wir sehen erneut die jahrhundertelangen französischen Anstrengungen um die Herrschaft am Rhein auftauchen. An der Ruhr liegen Deutschlands wirtschaftliche Werte und Möglichkeiten und die Ruhr preiszu geben, heiße Deutschland unmöglichmach e n. Wir stehen an der Ruhr in einem wirtschaftlichen Kampf um unser Dasein, wie es die Weltgeschichte nach nicht gesehen hat. Die Stimmung an der Ruhr und am Rhein ist eine durchaus einheitliche und fest entschlossene und zwar in allen Kreisen der Bevölkerung. Was wir tun können, nm diesen Widerstand in seinem ruhigen und besonnenen Fortgang zu stärken, das tun wir. In der gleichen Weis? begegnen wir dem Einbruch der Französin iu Baden. Ob die Welt zur Intervention' reif ist. kann noch nicht entschieden werden. Mer auf jeden Fall erwartet man von uns. daß wir unseren bisherigen Kamvf weitersühren und sortsetzen. Die Auslassungen der Weltpresse geben uns dafür den besten Beweis. Regier» ng und Volk stehen auch geschlossen hinter dem badischen Volk und alle unsere Kräfte wollen wir auch dem badischen Voll zur Ver-> sügnng stellen. Wie der Kampf endet und welche weiteren' Entwicklnngsm'sillchikeiten er bringen wird, darüber läßt sich heute nichts Bestimmtes sagen. Wir können uns . nickst unterwerfen, wenn wir nicht unser Land völlig pr"isa"ben wollen.
In seinen weiteren Ausführungen betonte der Reichs-' Präsident, daß die soeben mit den Mitgliedern der ba- disiben Regieruna gepflogenen Ülnterredungen ern Bild vollkommener Einmütigkeit ergeben hätten. Gewiß fände die Auffassung der Reichsleitung wie ihre Haltung gegenüber den französischen Einbrüchen auch die Zustimmung des badischen Volkes. Wir hoffen, daß diese Phase unseres Daseinskampfes uns dem Ziek näherführt, das der Knechtschaft und Unterdrückung ein Ende bereitet, um unser Volk in eine besser« Zeit Lineinzuführen.