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Am Sonntag sind die Franzosen in Offenburg und Appenweier in Baden eingefallen mit Truppen aus der besetzten Pssi.z, rechtswidrig und untt Verletzung des Friedensvertrags. Sie haben die angeblich „friedliche Maßnahme" durch die Rheinlandkom- missiou in Koblenz bei dem Reichskommissar für das besetzte Gebiet angezeigt mit der Begründung, daß der Einsall deshalb erfolge, weil die deutsche Regierung den internationalen Zug Paris—' Karlsruhe — Stuttgar t—P rag eingestellt habe. Das verstoße gegen den Friedensvertrag. Die Einstellungg ist bekanntlich deshalb erfolgt, weil Deutschland unter Kohlennsd leidet. Dieser internationale Zug diente in letzter Zeit dazu, um Tschechen nach Paris und Frankreich zu bringen, die dann wiederum gegen Deutschland verwendet wurden. Es ist ganz klar, daß die deutsche Regierung hiefür keine Züge und keine Kohlen hat, um Feinde Deutschlands zu befördern.
Der Borwand für die Besetzung ist geradezu lächerlich. Es ist hier in Baden wie drunten an der Ruhr einfach eine militärisch-krieg erische Handlung, die auch ein Pariser Advokatemniff nicht wegdisputieren kann. Diese „Sanktion" (Strafmaßnahme), wie sie von .Poincare genannt wird, paßt in das System der franzö- sisi,u Gewaltpolitik, gegen die wir leider machtlos sind. Die badische Regierung hat sofort Verwahrung eingeglegt und die Beamten und Behörden angewiesen, den französischen Befehlen keine Folge zu leisten. Man wird nun in Baden mit denselben moralischen Mitteln wie an der Rühr den Abwehrkampf führen und sich standhaft erweisen gegen welsche Bedrückung. Frankreich verfolgt mit dieser neuen Besetzung das Ziel, die Kohlenzüge nach Süden abzusangen, um sie ins Elsaß zu leiten, vor allem aber um zwischen dem deutschen Norden und Süden einen Keil zu treiben. Die Besetzung war übrigens ursprünglich in Richtung des Kinzigtales weiter geplant, vorerst aber noch nicht zur Ausführung gekommen. Die französische Politik wird durch diese neue Gewalttat keine Lorbeeren ernten. Die Welt wird letzten Endes doch erkennen müssen, daß das Ziel Frankreichs nicht dem Frieden dient. Freilich ist bis dahin noch ein weiter Weg, denn nirgends, weder in Amerika noch in England, ist man gesonnen, dem französischen Rechtsbruch ernstlich entgegenzu treten.
Es paßt auch ganz dazu, daß die Franzoseck gleichzeitig »nt dem Einfall in Baden i.n Rhein Hessen den Bahnhof Goddelau, den wichtigen Eisenbahnknotenpunkt, besetzten und zugleich den von Höchst a. M, still legten, bisher ohne Angabe eines „Sanklionsgrundcs". Damit haben die Franzosen die wichtigsten Verkehrszentren von Basel bis Holland in der Hand.
Der Sonntag brachte im Zusammenhang mit dem Franzoseneinfall bei der Schwarzwaldbevölkerung bis herein in das Württembergische (Schramberg und Freudenstadt) größere Beunruhigung, da anfänglich nicht ersichtlich war, wie weit der neue Einfall sich ausdehnen sollte. Es gilt in diesen furchtbar ernsten Stunden, die Nerven nicht zu verlieren und gegenüber Gewalt und Rechtsbruch in deutscher Treue zu den Belangen des Vaterlandes zu stehen. Auch'gegenüber den immer noch umgehenden Gerüchten, die nur Erregung und Kräftezer- splitterung verursachen. ^ ^
Einzelheiten über den Einmarsch in Osfenbnrg.
Aus Offenburg wird der „Franks. Ztg." gemeldet:
Kurz vor 9 Uhr rückten an der Spitze uiio am Ende durch Tanks gesicherte französische Infanterie-, Kavallerie- und Maschinengewehr-Abteilungen, insgesamt 50 Offiziere und 1700 Mann mit 1000 Pferden ein. Französische Offiziere begaben sich sofort zum Oberbürgermeister und erklärten unter milder Umschreibung des Wortes Besetzung, daß die Stadt jetzt unter der Kontrolle der verbändlerischen Rheinlandkommisjion stehe. Sofort wurden der Stadtrat, die übrigen städtischen Behörden, sowie die Vertreter der staatlichen Behörden, des Handels, der Gewerkschafren zu einer Sitzung zusammenberufen. Der das Platzkommando führende Oberst erklärte, daß die Stadt dem französischen Kommando unterstellt sti. Angeschlagene Befehle, die sich ungefähr mit den bisherigen Befehlen in den übrigen besetzten Gebieter^ decken,. sprechen von dem neubesetzten Gebiet. Es Ms- in diesem neubeiekten Gebiet die Verord
nungeil der verbändlerischen Rheilandskommissiou sofort in Kraft treten.' Verschiedene Strafmaßregeln sind angeordnete. Der Tagesverkehr zwischen dem neubesetzten Gebiet und dem unbesetzten Gebiet wird einer Kontrolle unterzogen. Jeder Verkehr muß begründet werden. Waf- senablieferung, Unterstellung der deutschen Polizei und Gendarmerie unter die französische Militärbehörde usw. sind die weiteren Bestimmungen dieser Befehle. Der Olberbürg erm ei ster legte Einspruch gegen den Uebersall einer friedlichen Bevölkerung ein, und der Oberamtmann erklärte im Namen sämtlicher Behörden, daß sie alle nur den Weisungen ihrer Regierung Nachkommen werden. Die Franzosen erklärten, in öffentliche Betriebe nicht eingreifen zu wollen, was sie aber von der Teleson- und Telegraphensperre nicht abhielt. Man verlangte, daß den Franzosen alle Telefonleitungen zur Benützung über-' lassen werden. Diesem Befehl leistete die Postbehörde keine Folge. Offensichtlich versuchen die Franzosen, selbst neue Leitungen nach Kehl herzustellen. Für den Nachmittag hatte der französische Platzkommandant die Redakteure der Offenburger Zeitungen zu sich geladen und ihnen ganz ähnliche Weisungen erteilt, wie den Blättern im übrigen besetzten Gebiet. Die sonst sehr ruhige Bevölkerung ist natürlich entrüstet und empört. Die französischen Mannschaften wurden alle in Sälen lmter- gebracht, die Offiziere in Hotels. Privatquartier wurde l jetzt nur für einen Oi'izrer verlangt. Schwierigkeiten macht die Unterbringung der Pferde, da die Besatzung die zur Verfügung gestellte Landwirtschaftshalle, ablehnte. Am Nachmittag weilten in Offenburg der Finanzminister Köhler und Justizminister Trunk zur Rücksprache mit den Behörden. Die Arbeiterschaft ist entschlossen, jede Arbeit ruhen zu lassen, wenn nicht die bisherigen Bestimmungen, vor allem wegen des Nachtverkehrs gemildert werden.
Wortlaut der französischen Baden-Note.
Berlin, 5. Febr. Die von der französischen Regierung dem deutschen Geschäftsträger in Paris über den Einfall in Baden übergebene Note hat folgendeit Wortlaut: Die deutsche Regierung hat die internationalen Züge Paris—Bukarest und Paris—München- Prag vom 30. Januar ab eingestellt und nicht die notwendigen Anordnungen getroffen, um den Durchgang der an diese internationalen Züge angehängten alliierten Wag : durch das deutsche Gebiet zu sichern. Diese Tatsache stellt eine Verletzung des Art. 367 des Vertrages von Versailles dar (!). Uebrigens ist die französische Regierst ng verpflichtet, jeden Tag eine neue Verfehlung Deutschlands und eine neue Verletzung des Friedensvertrages fest zu stellen. So ist der Präsident' der interalliierten Schiffahrtskommission durch den Reichskommissar offiziell in Kenntnis gesetzt worden, daß alle Lieferungen für Frankreich und Belgien eingestellt sind, einschließlich der, die zur Ausführung des Protokolls von Skapa Flow gehören. Dieser Akt stellt eine formelle Verletzung des von Deutschland' am 10. Januar '1920 Unterzeichneten Protokolls dar. Die französische Regierung protestiert gegen diese Verletzungen und Versäumnisse, von denen sie für alle Fälle Kenntnis nimmt und hat beschlossen, die Grenze des Brückenkopfes von Kehl als Sanktion bis LU den Ortschaften von Appenweier und Offenburg auszudehnen.
Eine ähnliche Note wurde durch die interalliierte Rheinlandkommission in Koblenz dem deutschen Reichskommissar für das besetzte Gebiet überwiesen. Die deutsche Regierung erblickt in dem französischen Vorgehen einen erneuten Rechtsbruch größter Art, gegen den sie in energischster Weise zunächst Protest erheben wird. In unterrichteten Kreisen hält man die schlecht motivierte Besitzung der genannten Orte lediglich für einen Vorwand. Ten wahren Grund sieht man darin, daß die Franzosen versuchen wollen, gewissermaßen durch Errichtung einer neuen Kontrollstelle, sich die für das Ausland, besonders für die Schweiz bestimmten Kohlensendungen zu sichern. In politischen Kreisen glaubt man überdies, den Gewaltakt für einen Versuch halten zu müssen, einen Keil zwischen Nord und Süd zu treiben.
Osfenburg, S. Fevr. Ter Oberbürgermeister der Stadt erließ folgenden Aufruf an die Bevölkerung : Mit bewaffneter Hand sind die Franzosen in Offenburg eingerückt. Es bleibt uns nichts übrig, als uns der Gewalt zu beugen. Wir ersuchen die Bürgerschaft, ihre Würde und Ruhe zu bewahren und keinen Widerstand zu leisten. VrivatmtHrtiere sind ?rerst nicht beabsichtigt.
Karlsruhe, 5. Febr. Die Besetzung von Offenburg und Umgebung ist von den Franzosen bisher nicht weiter ausgedehnt worden. Außer den schon genannten Orten Offenburg, Windschläg und Appenweier ist noch das kleine Torf Bühl besetzt, was zu der Verwechslung mit der Stadt Bühl Anlaß gegeben hat. Auch Ortenberg ist nicht besetzt. In Windschläg liegen 120 Mann französische Kavallerie, in dem Dörfchen Bühl 3 Bataillone eines Feldartillerieregiments. In Appenweier liegen 800 Franzosen, in Osfenburg 1700 Mann, sowie 60 Offiziere mit 1000 Pferden. Im Karlsruher Rheinbasen hak ein französisches Motorboot einige Strohsäcke gelandet, aber sonst ist nichts Bemerkenswertes Port vorgesallen. Die Besatzung in Maximiliansau (gegenüber Maxau bei Karlsruhe) ist von 20' Marokkanern auf 60 verstärkt worden. In den Brückenkisisin im badischen Oberland ist alles ruhig. Die Sperre des Eisenbahnverkehrs zwischen Appenweier und Offen- mrg ist am Montag abend in Kraft getreten. Die Lisenbahnverwaltung hat bereits Vorkehrungen getroffen, um die Milchversorgung der Städte Karlsruhe, Mannheim und anderer die einen großen Teil ihres Milchbedarfs aus dem Schwarzwald beziehen, sicher zu stellen.
Karlsruhe, 5. Febr. Die badische Landesregierung die Reichsregierung telegraphisch ersucht, gegen das unerhörte völkerrechtswidrige französische Vorgehen schärfsten Protest zu erheben.
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Die Lage im Nuhrgebiet.
Erst Räumung, dann Verhandlungen.
Essen, 5. Febr. In seiner Essener Konferenz erklärte der Reichskanzler u. a.: Zu Verhandlungen sei die deutsche Regierung nur bereit, wenn die widerrechtliche Besetzung des Ruh-rgebietS rückgängig gemacht werde, nicht aber unter der französischen Bedingung, wonach das Ruhrgebiet 6 Jahre als Pfand von französischen und belgischen Trudhen besetzt bleiben soll.
Essen, 5. Febr. Ter Polizeipräsident von Essen. Melcher, ist am Montag vormittag von den Franzosen verhaftet worden.
Schwere Artillerie.
Bochum, 5. Febr. In Stiepal bei Bochum haben die Franzosen schwere Artillerie eingebaut.
? Vandalismus der Franzosen in Koblenz,
s Koblenz, 5. Febr. Die Franzosen haben in der j Eisenbahnbetriebswerkstätte des Koblenzer Hauptbahn- Hofs fürchterlich gehaust. Alle Kisten und sonstigen Behältnisse der Eisenbahner wurden mit Gewalt erbrochen, die Kleider der Beamten herausgerissen und in den Dreck getreten, die Stiefel mit Kohlen gefüllt und angezündet, die Werkzeuge herausgeworfen und die Geschäftsbücher zerrissen, das Bettzeug zerschnitten und die Oelbehülter zum Auslaufen gebracht. Der ganze Raum ist vollständig mit Kot beschmutzt. Tie Lokomotiven stehen ohne Feuerung und sind zum Teil auf lange Wochen unbrauchbar gemacht. Der Schaden geht in die Millionen. — Als die Eisenbahner erfuhren, daß die Arbeit unter der Bedingung wieder ausgenommen werden sollte, daß die französischen und belgischen Eisenbahner auf den Bahnhöfen bleiben, bemächtigte sich ihrer äußerste Erregung. Einmütig erklärten sie, daß sie die Arbeit nicht eher wie- - der aufnehmen würden, bis die Franzosen und die Belgier aus den Betrieben zurückgezogen worden seien. Der Streik geht heute noch weiter.
Düsseldorf, 5. Febr. Ein französischer Körper al schoß in der Vorhalle des Bahnhofs Bilk ohne jeden erkennbaren Anlaß in eine Anzahl! Kinder hinein, wobei ein Kind schwer verletzt, ein anderes leicht verwundet wurde. Das schwerverletzte Kind ist kurz darauf gestorben. Der kommandierende General der Besatzungstruppen teilte mit, daß der Korperal vor ein Kriegsgericht gestellt werden würde, und bot den Eltern des erschossenen Kindes als Entschädigung 100 000 Papiermark ank Der Regierungspräsident hat die Besatzungsbehörde daraus hingewiesen, daß das Angebot einer solchen Entschädigung ungehörig sei.
Esse«, 5. Febr. Aus Wesel wird gemeldet, daß ein für Holland bestimmter Kohlenzug mit 45 Wagen von oen Franzosen nicht durchgelassen wurde. Ter Zug mußte wieder zurückgeleitet werden.
Ausgewr eie n wuroen neuerdings von der Reichsbahndirektion Mainz: Geh. Regierungsrat Schneider, Oberregierungsrat GroSpietsch, Regierungsrat v. Beck und Regierungsbaumeister Zisiel, ferner der Direktor der Oberrealschule in Mainz, Lr. Kalbfleisch, und vom Polizeiamt Mainz Polizeikommissar Hausierer.