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Donnerstag de« 1. Sebrnar.
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Frankreich und England.
Dre Londoner Zeitschrift „The New Statesman", die hu den besten englischen politischen Revuen gehört, bringt rn ihrer Ausgabe vom 20. Januar einen Aufsatz „Frankreich und England", den die „D. A. Ztg." wie folgt wiedergibt:
„Die wahre Stellungnahme dieses Landes gegenüber der französischen Ruhrinvasron hat noch nicht ihren öffentlichen Ausdruck gefunden. Als Nation haben wir uns bis jetzt damit begnügt, als mehr oder weniger uninteressierte Zuschauer eines Experiments zu erscheinen, von dessen Fehlschlag wir überzeugt waren. Aber es ist klar, daß wir nicht auf die Dauer uninteressiert bleiben können. Frankreichhat einen neuen Krieg begonnen und ist anscheinend bereit, sein Heer selbst bis nach Berlin zu schicken. Es ist auch durchaus nicht klar, wie es weniger tun könnte, um sein eingestandenes Ziel zu erreichen: die deutschen Industriellen zu völliger Unterwerfung zu bringen.
- Endlich sieht die ganze Welt ein, was von Anfang an 8ar war: daß der leitende Beweggrund der französischen Regierung nicht der ist, „Reparationen" zu erlangen, sondern Deutschland zu vernichten und die militärische Oberherrschaft über Europa zu sichern. Viele Leute in England sind über den Schritt Frankreichs ehrlich entsetzt. Sie denken, daß die Franzosen doch sehr töricht sein müssen, da sie des falschen Glaubens sind, sie könnten Eier erlangen, indem sie der Gans die Haut ab- ziehen. Es ist indessen selbstverständlich nicht wahr, daß die Franzosen so töricht sind. Sie wollen die Eier, aber was sie noch mehr wollen, ist: die Gans töten. Sie wissen ganz genau, was sie tun. Sie hoffen, die deutsche Industrie lähmen und womöglich vernichten zu können, ohne Rücksicht auf die Folgen für Frankreich und die übrige Welt.
Daß dies wirklich die französische Auffassung, d. h. die der französischen Regierung ist, hätte man in England längst erkennen Müssen. Aber man hat diejenige, die eS erkannten und versuchten, darüber zu reden, gewöhnlich als „deutschfreundlich" oder wenigstens als voreingenommene Gegner Frankreichs hingestellt. Nunmehr ist die Situation jedoch für federmann klar. Die französische Armee ist ins Ruhrgebiet gezogen, um den wirtschaft - lichen Untergang Deutschla nds endgültig herbeizuführen. Der französische Frank fällt. Aber diese Folge hat Dian in Paris wie in London vorhergesehen, und Paris ist offenbar bereit, sie hinzunehmen, vorausgesetzt, daß die deutsche Mark zugrunde geht. Die Psychologie der französischen Ruhrinvasion ist nicht die der Finanz, sondern die des Krieges. Die Aussicht auf Reparationen mag, soweir es Herrn Poincare angeht, über Bord gehen. Ihm liegt, wie es scheint, nichts daran, daß Frankreich leidet, wenn nur seinen Todfeind der neue Schlag trifft.
Die entscheidende Frage ist, wie lange Großbritannien unter diesen Umständen eine wohlwollende Neutralität aufrecht erhalten kann. Daß wir auf immer dabei verbleiben, ist unmöglich. Es handelt sich hier nicht um die Ansichten oder Sympathien einer franzosenfreundlichen oder franzosenfeindlichen britischen Regierung.
Frankreich, das zuerst der tolle Hund Europas war, hat sich auch jetzt wieder als solcher enthüllt. Irgend jemand wird es an die Kette legen müssen, und diese Aufgabe wird früher oder später unvermeidlich Großbritannien zufallen. Britische Lebensinteressen stehen auf dem Spiel, die keine britische Regierung lange außer acht lassen kann.
Es ist nicht unsere Absicht, sensationell zu schreiben. Wir wollen nur den Ereignissen zuvorkommen und jetzt sagen, was ganz England unbedingt in zwei oder drei Monaten sagen wird, wenn der Marsch der französischen Armee nach Deutschland sortdauert. In dieser Frage cheht Girvßb ritannien auf der Seite Deutschlands gegen Frankreich. Daran ist nicht im mindesten zu zweifeln. Läßt sich die französische öffentliche Meinung durch! die winzige Minderheit der Franzosen- sreunde täuschen, die in völligem Mißverhältnis zu ihrer Zahl es noch fertig bringen, ihre Ansichten in der britischen Presse zum Ausdruck zu bringen, so geht es einer baldigen schweren Enttäuschung entgegen. In England herrscht heute keinerlei Sympathie mit Frankreich. Die Ansichten, die in der City, in den Klubs von Pall Mall, auf dem Omnibus oder im Wirtshaus aus- oewrocken werden, stimmen im Kern völlia überein. Die
, Franzosen srnv wiever unsere Fein de, wie sie es tausend Jahre lang gewesen sind.
Die politische Voraussicht besteht in der Einschätzung dauernder und grundlegender Tendenzen, und hier ist eine Tendenz festzustellen, die nur ein Dor übersehen kann. Wir werden nicht gestatten, daß Frankreich Deutschland zerstört. Es ist nur noch unbestimmt, wie bald uns die Notwendigkeit des Eingreifens klar wird. In dm englisch-französischen Beziehungen steht zweifellos eine Krisis bevor, eine ernstere Krisis, als sie irgend jemand von der gegenwärtigen Generation in beiden Ländern erlebt hat. Sie kann nur dadurch abgewendet werdm, daß die! Regierung Poincares gestürzt und die gesamte Politik, für die diese Regierung eintritt, aufgegeben wird. Die Hoffnung darauf rst gering.
Es ist nicht nötig, zu drohen. Die Ereignisse wer- ! den zeigen, ob Frankreich es sich gestatten kann, der öffentlichen Meinung Europas und der Welt Trotz zu bieten. Wenn es glaubt, dies zu können, dann kann das Schlimmste eintreten, dann muß es früher oder später eintreten. Jedoch, wenn man sich frei ausspricht, kann das Aeußerste vielleicht vermieden werden. Die Franzosen sind, wir wiederholen es, keine Narren. Sie werden hinnehmen, w^ sie als unvermeidlich erkennen, aber ^ sie müssen sich üb— die Lage klar werden. Bei ihrem Unternehmen stehen sie allein, trotz der nominellen Mitwirkung der italienischen und belgischen Regierung. Bald wird ihnen ein Europa gegenüberstehm, das noch enger geeinigt ist, als dasjenige, welches die militärischen Bestrebungen Deutschlands 1914 bekämpfte. Was sie jetzt unternehmen, ist unerträglich. Dem französischen Poilu kann nicht gestattet, werden, Europa seine Bedingungen, zu diktieren. Großbritannien wird Widerstand leisten, nicht weil es will, sondern weil es muß. Möge Frankreich dies bedenken."
Man wird in Deutschland von solchen tapferen und vernünftigen Worten mit Gmugtuung Kenntnis nehmen, wird sich jedoch hüten, irgend welche praktischen Hoffnungen daran zu knüpfen. Wir stehen allein.
Da« „FkiedcnMei" in Lausanne.
Bruch zwischen England und Frankreich?
Tie Alliierten haben in Lausanne die Türken vor die Annahme oder Ablehnung eines Friedensvertrages gestellt, ohne sie an der Redaktion teilnehmen zu lassen. Es ist also ganz ein Diktat nach der Art von Versailles oder dem Friedensvertrag von Sevres, das einst die Türken mundtot machen sollte, nur mit dem Unterschied, daß man den Türken erlaubt, nach Europa zurückzukehren. Tie Einzelheiten des Friedensdiktats vor Lausanne sind vorerst ohne erheblichen Belang, da sich dort die Lage derart verschärft, daß es auf ein« Spannung zwischen England und Frank- reich hinausläuft.
Es war vorauszusehen, daß die Türken den von den Alliierten diktierten Friedensvertrag ablehnen würden. Die türkische Friedensabordnung hat denn auch für Donnerstag ihre Abreise angemeldet, was einem Scheitern der mehrmonatlichen Konferenz gleichkäme. Wenn die Alliierten, England und Frankreich, einig gewesen wären, hätten sie den Türken diese Temonstrationsgeste austreiben können. Nun aber hat Frankreich durch seinen Delegierten Bompard, der den Türken schon länger den Rücken steifte, einen Sch ach - zug gegen England unternommen und der Türkei versichert, daß der vorgelegte Friedensvertrag vorläufiger Art und Frankreich bereit sei, einen Sondervertrag abzuschließen. Das hat in London wie eine Bombe gewirkt. Das vielgerühmte Einverständnis ist dahin. Frankreich will sich durch dieses Vorgehen von England freie Hand im Ruhr- y.ebiet erkaufen. Für England ist damit die Lanze Orientfrage neu aufgerollt, denn schon bereiten die Türken einen Angriff auf Mossul vor, das in der englischen Interessensphäre liegt. Aus Lausanne wird über diesen Zwischenfall berichtet:
Die französischen Jntriauen auf der Orientkonferenz, die Türken heimlich zum Widerstand gegen England aufzufordern und ihnen ein Sonderabkommen mit Frankreich zu versprechen, haben nunmehr zu einer offenen Drohung Englands an Frankreich man kann sogar sagen, zum offenen Bruch zwischen beiden Alliierten in Lausanne geführt. Eine Pariser HavaSmeldung besagt, daß die französische Regierung der Angoraregierung mitgeteilt habe, daß der Text des Friedensvertrags, der von den Alliierten der türkischen Delegation vorgelegt worden sei, nur eine Reihe von Vorschlägen darstelle und dak die fran
zösische Delegation vereir ,ei, vre Verhandlungen In Lausanne allein fortzuführen. Darauf läßt die englische Delegation eine Meldung verbreiten, in der sie sagt, daß die Pariser HavaSmeldung bei der englischen Delegation keinen Glauben finden könne. Ihr Verhalten bedeute, so fährt die Reutermeldung fort, eine eklatante Verletzung des Abkommens, das über ein einheitliches Vorgehen gegenüber den Türken zwischen den Alliierten abgeschlossen worden ist.
Zwischen Jsmet Pascha und VenizeloS sind zwei Perträge unterzeichnet worden und zwar einer wegen des Austausches der Zivil- und Kriegsgefangenen, der andere wegen des Austausche- der Bevölkerung. Der erste Vertrag tritt sofort in Kraft, der zweite nach dem Friedensschluß.
2)ie Lage im Ruhrgebiet.
Berlin, 31. Jan. Wie die Blätter melden, führen die französischen und belgischen Besatzungsbehörden sowohl im Ruhrbezirk wie auch im altbesetzten Gebiet planmäßig die Militarisierung der Eisenbahner durch. Die Hauptzufahrtsstraße nach Hamburg ist durch das Eingreifen der französischen und belgischen Eisenbahner für deutsche Transporte gesperrt. Ferner müssen die Lebensmitteltransporte aus Holland umgeleitet werden, um in das Industriegebiet zu gelangen.
Berlin, 31. Jan. Nach einer Meldung des „Vorwärts" will die Besatzungsbehörde, sobald alle führenden Amtspersonen über die Grenze des besetzten Gebiets gebracht worden sind, das gleiche System gegen die Gewerkschaftler anwenden, wenn die Arbeiterschaft weiter in ihrer passiven Resistenz verharrt.
Paris, 31. Jan. Die Havas-Agentur meldet aus Düsseldorf, daß die deutschen Behörden mitgeteilt hätten, sie könnten den int er nationalen Zug Paris —Dresden und den Orientexpreß über Appenweiher infolge Kohlenmangels nicht mehr über deutsches Gebiet führen.
Bochum, 31. Jan. Am Montag wurde ein junges Mädchen von drei Franzosen überfallen, ihre Bluse und Unterkleidung zerriss m. Die Handtasche wurde geraubt und das Mädchen — rletzt.
Frankfurt, 31. Jan. Wegen Arbeitsniederlegung ist der Bahnverkehr Frankfurt a. M. —Köln seit Dienstag abend gesperrt. Weder links- noch rechtsrheinisch fahren Schnellzüge.
Ludwigshafen, 31. Jan. Im Eisenbahndirektionsbezirk Ludwigshasen ist der Eisenbahndirektionspräsident verhaftet worden. Die im Eisenbahndirektionsgebäude befindlichen Personen ließ man in das Dienstgebäude hinein aber nicht mehr heraus, so daß sie dort interniert sind. Ein französischer General hat den Befehl herausgegeben, daß er das pfälzische Eisenbahnnetz übernommen habe. Das Personal soll sich durch Unterschrift verpflichten^ nur seinen Anordnungen Folge zu leisten. Ferner wurde an die pfälzischen Eisenbahner die Aufforderung gerichtet, sich binnen einer Stunde zu entscheiden, ob sie sich den Franzosen zur Verfügung stellen oder nicht. Die Eisenbahner traten hierauf in den Ausstand.
Erfolg des deutschen Widerstands.
^ Ludwigshafey, 31. Jan. Die Besatzungsbehörde hat Herr Forderungen der in den Ausstand getretenen Eisen- Vcchner nach gegeben, die französischen Pbsten von den Bahnhöfen zurückgezogen und den entsetzten Präsidenten der Reichsbahn wieder unter Zurücknahme der Befehle des französischen Generals in Dienst ge», 'etzt. — Dagegen ruht in Bingen und Wiesbaden noch- -er Verkehr. Die Eisenbahner haben die Arbeit etn-i Mellt, weil die Bahnhöfe von den Franzosen deck sind. —
Zwischenfall in Elberfeld. ,
'Elberfeld, 31. Jan. Auf Grund einer von fran» Mischer Seite ergangenen Aufforderung waren Pole« aus dem früher preußischen Gebiet, die deutsch sprechen und schreiben, auf dem Elberfelder Bahnhof an» gekommen um den Franzosen im Einbruchsgebiet bei der Durchführung des Bahn- und Postver- kehrs Hilfe zu leisten. Die Leute befanden sich unter Führung eines in Zivil reisenden Franzosen, der, als er bekannt wurde, sich nur mit Hilfe der Schutzpolizei vor dem Gelhnchtwerden retten konnte. Die eingetroffenen Polen wurden sofort per ,Bahn wie«, der an die deutsche Ostgrenze abgeschoben. . ,
«Sntereie» »er Frnnzase«.
WTB. verlt«, 31. Jan. Ja Noch«« würbe«, de» Blättern zufolge, den BerwaltungSbeamten der Schatzpolizet sämtliche SÄd»», die znr AuSzahlnvz der Februacbesold nng bestimmt waren, von den Brfatzn»gStr«ppen abgraomme«.