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Die Forderung des Tages.
Unter dem äußeren Druck wurde der vergangene Sonntag zu einem Tag innerer Erhebung und vaterländischer Einkehr. Trauer und Protest — Glocken- g-läute und Fahnen auf Halbmast bildeten die äußeren Symbole — bewegte die deutschen Herzen in Stadt und Land und mächtige Kundgebungen durchzitterten den Sonntag. Für deutsches Lebensrecht und deutsche Frei- .heit! Die Rrichsregieruug hat mit ihrer Note au Frankreich und der Rede des Reichskanzlers im Reichstag dem französischen Räuber gegenüber Haltung gezeigt und ist festgeblieben. Und der Reichstag hat sich in seltener Einheitsfront hinter die Regierung gestellt und feierlichen Protest gegen die Vergewaltigung durch Frankreich eingelegt. Was nun weiter? >
Frankreich hat mit der Besetzung des Ruhrgebiets am 11. Januar jener Politik freie Bahn geschaffen, die raubt und nimmt, die an die Zeiten Ludwigs XVI. erinnert, der in Deutschland durch Melac u. a. brandschatzen ließ, an Napoleon I., der sein Weltreich aufrrchtete und Deutschland zum Kriegsschauplatz der Völker machte. Diese' Entwicklung hat Frankreich jetzt eingeleitet. Verhandlungen der deutschen Regierung mit Frankreich sind völlig aussichtslos. Frankreich kann nicht mehr zurück vom Weg der Gewalt und des Rechtsbruchs, ohne daß das französische Volk den Bankerott der französischen Politik erkennt. Das ist zunächst nicht zu erwarten, wird doch jedem Franzosenkind, schon ehe es Vater und Mutter sagen kann, der Haß gegen die „Boches" eingehaucht. Und so fällt auf diese unerhörte Tat des 11. Januar ein Stück französischen Naiionalcharakters eines irregeleiteten Volkes. Was uns Helsen kann, ist nicht Gewalt, dazu sind wir entwaffnet und nicht in der Lage, nicht Verhandlung en, die Frankreich ablehnt, sondern der nationale Willen, die Verteidigung des deutschen Volkstums, die Schicksals ge mein schuft eines Volkes. Frankreich muß gezwungen werden-, den rechtsbrecherischen Charakter seiner Politik mit jedem Tage,neu zu enthüllen, einen Gewaltakt an den andern zu reihen und doch! nie zum Ziele zu kommen, sich selber hingegen wirtschaftlich arm und politisch verhaßt zu machen in Deutschland wie in der ganzen Welt. Im! Saargebiet und Rheinalnd hat sich oie französische Fremdherrschaft bereits als ein prächtiger Zuchtmeister zum deutschen Nationalstolz bewährt. Dort werden auch in sozialdemokratischen Arbeiterversammlungen nationale Lieder gesungen und Redner, die die „internationale Brüderlichkeit" betonen, 'lammen sicher nicht cmö dem besetzten Gebieten. Jetzt will der französische Militarismus seine Eisenkur an dem Herzstück des deutschen Wirtschaftslebens, das zugleich die Hochburg der Arbeiterbewegung ist, beginnen, und wir haben die gute Hoffnung, daß auch hier sein Erfolg nicht geringer sein wird.
„Erfüllet aufrechten Sinnes und klaren Kopses die Förderung des Tages! Keine Handlung darf geschehen, die unsere gerechte Sache schädigt." Wird sie überall verstanden werden, diese Mahnung aus dem Aufruf des Reichspräsidenten und der Reichsregierung? Zu keiner Zeit war die Forderung nach „untrennbarer Einheit" des Volksganzen berechtigter, zu keiner Z.eit ihre Erfüllung notwendiger als heute, da „alle Herzen erfüllt sind von der ungeheuren Bitterkeit dieser Stunde, wo über weite Teile unseres Vaterlandes das Schicksal hereinbricht, die Leiden der Fremdherrschaft ertragen zu müssen." Geht auch dieser Augenblick vorüber, ohne daß wir Deutsche über alles Trennende hinweg uns die Hände reichen, ohne daß wir bei aller grundsätzlichen Verschiedenheit der Weltanschauungen in erster Linie einmal deutsch. nur deutsch denken u.id fühlen, io werden wir
uns in der Wett rne nneoer vre Achtung erringen, deren wir gerade heute bedürfen. Nur aus der Einigkeit kann uns die Kraft werden zur Abwehr unerhörtester Vergewaltigung, schamlosesten Rechtsbruchs. Das Bewußtsein unzerstörbarer Zusammengehörigkeit mit den Brüdern am Rhein muß jedem von uns die Muskeln straffen. Was denen jetzt angetan wird, erleiden wir alle mit. Wer anders empfindet, stellt sich außerhalb des Volksganzen., Das ganze deutsche Volk muß eine Notgemeinschaft werden, die uns alle umschließt, auf Gedeih und Verderb. Das ist die vornehmste Forderung des Tages: seid einig!
„Jetzt mehr als jemals leuchte uns das Beispiel der Würde und moralischen Kraft voran, das die Rheinlande in den Jahren des Leidens gegeben haben." Wie steht es mit der Würde? Hat da nicht Gedankenlosigkeit und gesinnungstüchtige Prinzipienreiterei viel gesündigt bisher? Zur Würde im jetzigen Augenblick gehört vor allem betonte Abkehr von allem, was französisch ist. Auch auf dem Gebiet der Kunst. Gegenüber einem von Haß und Rachgier verblendeten, mit den Mitteln brutalster Gewalt vorgehenden Gegner bedeutet Großmut Schwäche. In dieser Stunde ist sie Schlimmeres: Charakterlosigkeit. Weg mit dem Einwand, daß Unschuldige nicht leiden sollen. Das deutsche -Volk in seiner überwiegenden Mehrheit hat den Krieg nicht gewollt. Ten übermütigen Siegern ist das gleichgültig. Sie haben im Kriege mit ihrer Hungerblockade auch unsere Kinder, die Frauen und Greise bekämpft; sie unterscheiden jetzt ebensowenig zwischen schuldig und unschuldig. Der Pazifismus ist eine -schöne Idee; der Weltfriede ein Ziel, aufs innigste zu wünschen. Ist der Gedanke zukunftsträchtig, so wird er° auch siegen. Die Gegenwart sieht vorläufig noch anders aus. Schon einmal ist unser gläubiges Vertrauen schändlich betrogen Morden. Damals, als wir freiwillig unser Schwert zerbrachen. Kein Volk der Erde hätte ähnlich gehandelt. Dafür speit man uns heute ins Gesicht.' Niemandem, außer dem Deutschen, der seine besten Eigenschaften auch in anderen vermutet, wird es einfallen, einen rohen Fußtritt mit einer vornehmen Geste zu beantworten. Was wir als Objektivität kennen, erscheint nach außen hin als'' Mangel an Würde, als Schwäche. Schwach aber darf uns der Franzose gerade in diesen Tagen nicht sehen. Gewiß, es gibt ein geistiges Frankreich, das die Gewaltpolitik seiner Machthaber verurteilt. Heute ist es noch ohne Einfluß. Unser Boykott alles Französischen kann vielleicht bewirken, daß man drüben aktiver wird, daß die Macht der Geistigen wächst. Und noch ein anderes: wer in diesem Augenblick seinen Internationalismus allzu bietout zlur Schau stellt, fordert auf der anderen Seite die extremsten nationalistischen Instinkte heraus. Wollen wir dem Feinde ein solches Schauspiel geben? Wer will die Verantwortung dafür übernehmen, wenn Aaraus neue Repressalien entstehen? „Keine Handlung darf geschehen, die unsere gerechte Sache schädigt!"
In einem Augenblick, wo weitere Teile unseres Vaterlandes der Willkür eines rücksichtslosen Feindes ausgeliefert sind, ziemt es uns, die wir nicht davon betroffen werden, um so weniger geräuschvolle Feste zu feiern. Jetzt ist auch keine Zeit mehr für übertriebenen Luxus und verantwortungsloses Schlemmen. Niemand weiß, was uns noch bevorsteht. Schon heute entbehren wir die höchsten Güter eines Volkes: die Freiheit und das Recht. Laßt uns die Scham darüber mit Ernst und Würde tragen! Dies ist das andere Gebot der Stunde.
Neues vom Tage.
Tie Berliner Protestkundgebung.
Berlin, 15. Jan. Vor dem Reichstagsgebäude fand am Sonntag die Protestkundgebung gegen die Ruhrbesetzung statt, zu der sämtliche bürgerlichen Parteien aufgerufen hatten. Eine nach Tausenden zählende Menschenmenge füllte den Platz vor dem Reichstag. Die einzelnen Redner, besonders auch der Reichskanzler, wurden mit stürmischen und unaufhaltsamen Hochrufen empfangen. Mit unbedecktem Haupte sang die Menge vaterländische und religiöse Lieder, die von den Musikkapellen begleitet wurden. Ter allgemeine Eindruck war nicht der einer Trauerstimmung, sondern einer tiefgehenden Erregung und Empörung über die Schmach der Ruhrbesetzung. Ter Pariser Vlak war von einer berittenen Hundertschaft
der Schutzpo.tzer uno wcann;cyasr zu Fuß abgesperrt. Vor der dort befindlichen französischen Botschaft war eine weitere Hundertschaft zu Pferde aufgestellt.
Nach Abschluß der Kundgebung begaben sich die Redner zum Reichskanzler. Freiherr von Lerchner hielt eine Ansprache und verlas sodann den Wortlaut der von der Massenversammlung angenommenen Entschließung. Der Reichskanzler dankte in herzlichen und bewegten Worten. Er sagte: Was Reichsregierung und Reichstag forderten, will auch das deutsche Volk. Jetzt kommt es darauf an, daß unser Volk sich hinter die Regierung, ja ich möchte sagen, daß es mit seinem Willen und Entschluß sich in die Regierung stellt. Es gibt Zeiten, in denen es für das Schicksal der Völker auf das Volk selbst noch mehr ankommt, als auf die Regierungen. Eine solche Zeit erleben wir jetzt. Das will nicht sagen, daß die Regierung nicht alles tun muß um die Lage zu entwirren, nicht alles, um zu führen. Sie will und wird den Weg einer ehrlichen, offenen einfachen deutschen Politik gehen, den sie bisher ging. Dieser Weg ist auch weiterhin zu beschreiten. Aber ,es wird beschwerlich sein, noch beschwerlicher als bisher. Wir alle müssen ikn gemeinsam gehen. Wir reichen uns die Hände, um eine echte Gemeinschaft durch unser ganzes Volk zu bilden in dem ruhigen Entschluß, diesen schweren Pfad zu gehen, den Pfad der Ehre und Würde der Nation, dessen Ziel die Freiheit ist.
Zwischenfälle.
Essen, 15. Jan. In dem neubesetzten Buer wurden - französischen Truppenquartiere mit Steinen beworfen, ' so daß den Truppen im Wiederholungsfall bereit- Waffengebrauch anempfohlen worden ist. Außerdem fordert der französische Befehlshaber die Bestrafung des Polizeidirektors von Buer.
In einigen Orten des neubesetzten Gebiets ist es bereits zu Zwischenfällen gekommen. In einem Vorort Essens entspann sich eine Auseinandersetzung mit den deutschen Polizeibeamten und französischen Offizieren wegen der Polizeistunde. General Laiguelot, der Befehlshaber der 47. französischen Infanteriedivision, hat an den Oberbürgermeister der Stadt Essen den Befehl gerichtet, zur Entgegennahme von Befehlen Vertreter in die Nähe seines Wohnsitzes zu entsenden.
Weiterer Bormarsch der Franzosen.
Gelsenkirchen, 15. Jan. Im Laufe des Sonntag- zogen die Truppen, die Buer und die Vororte besetzt hatten, ihre Bagage nach. Die Franzosen besetzten weiter sämtliche Ortschaften westlich von Hattingen, so daß dieser bedeutsame Jn^ustrieort genau wie Gelsenkirchen eingekreist ist. Eine völlige Besetzung ve» Gelsenkirchen, Böckum und Hattingen ist bis heute noch nicht erfolgt. Im Landkreis Essen sind die dortigen Truppen durch neue Truppen verstärkt worden. In, der Bürgermeisterei Stoppenberg, einer Ortschaft, die fast nur aus Bergleuten besteht, liegen etwa 7000 Franzosen nebst 4 Stäben.
Tie Ausdehnung der Besetzung beschlossen.
Paris, 15. Jan. Ein neuer Kriegsrat unter dem Vorsitz Poincares hat die Ausdehnung der Besetzung aus den größten Teil des Industriegebiets beschlossen.
Bo m von den Franzosen besetzt.
Dortmund, 15. Jan. Die Franzosen sind am Montag «m V-1 Uhr in Bochum eingernckt.
Bochum, 15. Jan. Starke Kavallerieabteilungen sind mit zahlreichen Panzerautomobtlen ins Stadtinnere eingedrungen. Der Hauptbahnhof wurde besetzt. Während des Einmarsches der Truppen fand im Rathaus eine außerordentliche Sitzung der städtischen Körperschaften statt.
Nachmittags setzten sich französische Truppen in der Richtung nach Witten in Bewegung. Die Truppen^, die den Hauptbahnbof besetzt halten, bestehen aus Belgiern, die aus der Richtung Linden kamen.
Auch Dortmund und Barmen soll besetzt werden.
Paris, 15. Jan. Das „Journal" erklärt, wegen de- Verhaltens des Kohlenshndikats würde die militärische Besetzung bis in die Gegend von Dortmund und Barmen ausgedehnt. Es sei sogar wahrscheinlich, daß auch diese zwei Städte besetzt werden. Ein weiteres Moment, das zu Gunsten Frankreichs benutzt werden könnte, findet das Blatt in der möglichen Ersetzung der deutschen Währung durch eine andere. Tie französische Finanzverwal'ung studiere augenblicksich die Frage der Ausgabe eines neuen Geldes, das" man wahrscheinlich Taler nennen werde und dessen Kaufkraft zwar nicht die des französischen Franken erreichen, aber doch die der deutschen Mark wesentlich übersteigen werde.