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mtsblatt für -sn Bezirk NagolS und für Atterrsteig-Staöt. Allgemeiner Anzeiger für -ie Bezirke Nagol-, Lalw und Keudenstadt.
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Jahrgang ivr»
Ein Jahr des Unheils.
Deutschlands wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung hat sich im Jahre 1922 schnell und schneller auf der abwärts gerichteten Bahn fortbewegt, auf die sie bereits im Vorjahre bei dem Bemühen, unerfüllbaren Verpflich-- tungen unter Darbringung äußerster Opfer gerecht zu werden, geraten war. Beginn und Ende des Jahres schei-j neu im Spiegel einiger weniger kennzeichnender Zahlen betrachtet zwei voneinander weltverschiedenen Wirt- schastsepochen anziig.chören. Eine eindrucksvolle Zusammenstellung solcher Wahlen enthält der soeben erscheinende Jahresbericht des Zen tralverbands des deutschen Bank- und Bankiergewerbes. Dort seißt es:
Der Kurs des Dollars an der Berliner Börse belief sich im Januar 1922 im Durchschnitt auf 191,81, cm Juni auf 317,44, im November auf 7188,10. Die Großhandelsindev^'s r betrug im Januar 36,65, im Juni 70,30, im Oktober 566,01, am 5. Dezcmber1495,07. Bon etwa 450 Mark zu Anfang des Jahres stieg der Donnenpreis der Fettförderkohle bis Anfang Dezember 1922 auf 22 763 Mark, der des Roheisens in der gleichen Zeit von etwa 3300 Mark auf etwa 110000 Mark. Der Passivsaldo der H andelsbil anz, im Januar noch auf 5,8 Millionen ^oldmark beziffert, bev im Juni 148, im Oktober 24l Millionen Goldmac. Tie schwebend Schuld .es Reichs ist von etwa 270 Milliarden Mark im Januar aus etwa 311,6 im Juni und 1166 im November gestiegen. Ihre Zunahme hat in den letzten Monaten den jeweiligen Gesamtheit der Einnahmen des Reichs nahezu erreicht, im September sogar um 59 Milliarden überschritten. Die Verzinsung schwebenden Schuld koste.e dem Reich im Januar 19-_ etwa 1 Milliarde Mark, im Oktober etwa 4i/s Milliarden, im November über 8hs Milliarden Mark. Der Bestand des Reichsbank an diskontierten Schatzanweisungen stellte sich im Januar 1922 auf 126,16 Milliarden, also 49,3 o. H. des gesamten Umlaufs, Ende November aber auf 672,2 Milliarden gleich 80,2 v.H. des Gesamtumlaufs. Der N otenumlauf der Reichsbank stieg von etwa 115,4 Milliarden im Januar auf 169,3 Milliarden im Juni, auf 754 Milliarden Ende November.
Die unermeßlichen Lasten des Versailler Vertrags wären auch für das Deutschland von 1913 nicht tragbar gewesen, sie belasten aber jetzt ein durch vierjährigen Krieg erschöpftes, durch Gebietsabtretungen um den zehnten Teil seiner Bevölkerung vermindertes und wichtigster wirtschaftlicher Hilfsquellen beraubtes Volk. Auf die abgetretenen Gebiete entfällt mehr als 14 v. H. von Deutschlands landwirtschaftlich benutzter Fläche und über 10 v. H. des Viehbestandes. Mehr als 26 v. H. der Steinkohlen, 9 v. H. an Koks, mehr als 74 v. H. der Produktion an Eisendrz, 68,2 v. H. derjenigen an Zinkerz, 26,4 v. H. der an Bleierz, 34 v. H. der an Roheisen, 7,4 v.H. an Gußeisen, 31,4 v. H. an Flußeisen, 27,4 v. H. an gewalztem Eisen, 60,2 v. H. an Zink, 22,8 V.H. an Blei, 2,9 V.H. an Kali sind Deutschland teils durch die Mißachtung des oberschlesischen Abstimmungsergebnisses, teils durch die Abtrennung des Saarbeckengebietes verloren gegangen. Dieses durch den Krieg verarmte und geschwächte, durch den Frieden verkleinerte und verstümmelte Deutschland hat gleichwohl in Anrechnung auf seine vertraglichen Verpflichtungen allein bis zum 31. Juni 1922 an Leistungen aus vorhandenen Beständen und Abtretung von Eigentum dre Summe von 36 610450 000 Goldmark, also über 8,7 Milliarden Dollar, entrichtet (darunter 11,7 Milliarden Goldmark Wert des im Ausland liquidierten deutschen Eigentums, 7,3 Milliarden Goldmark Wert der ausgelieferten Handelsflotte, 7 Milliarden Gvldmark Abtretung der Ansprüche Deutschlands an seine ehemaligen Kriegsverbündeten, 4,7 Milliarden Goldmark Reichs- und Staatseigentum in den abgetretenen Gebieten und Kolonien,
3 Milliarden Goldmark Rücklaßgüter in den von den veutschen Truppen geräumten Gebieten, 1,1 Milliarde Wert der Saargruben). Hierzu treten an sonstigen periodischen Sachleistungen 1847 000000 Goldmari gleich 440 Millionen Dollar (darunter 884 Millionen Goldmark für Lieferung von Kohlen, Koks und Nebenprodukten, 533,5 Millionen Goldmark für Lieferung von Eisenbahnfahrzeugen, Fahrzeugersatzteilen, Binnenschiffen, 190,5 Millionen Goldmart sür Vieh, 67 Millionen Goldmark für Farbstosie und chemische Erzeugnisse und 130
Millionen MNdmarr sur Wleoerausvamreserungen verschiedener Art), sowie an Barzahlungen 1498950000 Goldmark gleich 356,9 Millionen Dollar.
Der Gesamtbetrag stellt eine Leistung von nahezu 40 Milliarden Goldmark dar, also den 10- fachen Betrag der Kriegsentschädigung Frankreichs aus Grund des Frankfurter Friedens von 1871. Hierzu treten allein bis zum 31. Juli 1922 noch weitere Leistungen zur Erfüllung des Versailler Vertrages in Höhe von 56 282 000000 Papiermark, darunter 22 Mil- liarden 411000000 Mark Zahlungen aus dem Ausgleichsverfahren, 14 000000 000 Mark Besetzungskosten,
2 900000 000 Mark Ausgaben für Kommissionen der Verbündeten. Für laufende Ausgaben zur Erfüllung ! '»es Friedensvertrags wurden 186 Milliarden Papiermart ausgenommen, davon in der Zeit vom 1. Mai 1921 bis 31. Juli 1922 allein 151 Milliarden Mark, von denen 16 Milliarden aus laufenden Einnahmen, 135 Milliarden durch Ausnahme schwebender Schulden, gedeckt worden sind, der Art, daß die gesamte Vermehrung der schwe- ! benden Schuld vom 1. Mai 1921 bis zum 31. Juli 1922 durch die Wiederherstellungsleistungen entstanden ist. Vom
1. August 1922 bis 30. November 1922 sind zur Be- ! schafsung ausländischer Zahlungsmittel für die Erfüllung des Friedensvcrtrags 139,1 Milliarden Mark an schwebenden Schulden ausgenommen worden. Dre Kvy-, lenlieserungen Deutschlands aus Grund des Versailler Vertrags und die durch diesen Aussuhrzwang anderseits erzwungene Einsuhr ausländischer Kohle belasten die deut>- lungsbilanz mit einem Passivbetrag von 525 Millionen Goldmark, gegenüber einem Aktivsaldo der deutschen Kohlenbilanz von 432,6 Millirnen Goldmar? aus der Zeit vor dem Kriege. Gesetzliche Einfuhrbeschränkungen deutscher Waren im Ausland und das im Friedensvertrag begründete Verbot entsprechender deutscher Einfuhrabwehr verhindern künstlich eine Verbesserung der deutschen Zahlungsbilanz. Nicht genug mit allem dem folgten in kaum unterbrochener Reihe politische Drohungen und Reden aggressiven Inhalts, die, wenn nicht bestimmt, so doch in hervorragendem Maße geeignet waren, den letzten Rest des Vertrauens in Deutschlands Zukunft und in Deutsch! ,,os Währung im Auslande und im Jnlande zu untergraben.
Das Ergebnis aus allen diesen Tatsachen und Vorgängen haben die Herren Brand, Cassel, Jenks und Key- nes in ihrem der deutschen Regierung erstatteten Gutachten mit klassischer Kürze in dem einen Satz gezogen: „Auf die Frage, ob eine Stabilisierung unter den heutigen Bedingungen möglich ist, antworten wir: Nein."
Und die Schlußfolgerung hieraus? Sie drängt uns, so führte in der Generalversammlung des Bankierverbandes nach Erstattung des Jahresberichts der Vorsitzende, Geheimrat Riesscr, aus, unabweislich folgende vier Forderungen aus, ohne die nicht einmal die vom Finanzminister kürzlich in Aussicht gestellte „Zwischenlösung" möglich erscheint:
1. Herabsetzung der Verpflichtungen aus dem Vertrag von Versailles. Eine sehr erhebliche Zurückschraubung der Forderungen aus diesem Bei g ist die Vorbedingung, wenn überhaupt künftig irgendwelche „Wieder- yerstellungsleistungen" (die man besser „Kontribullons- leistungen" nennen würde) erstattet werden sollen;
2. Verminderung der Kohlenlieserungen;
3. Ausdehnung der Meistbegünstigung, die bisher nur von uns den andern Staaten gewährt werden mußte, auch auf Deutschland;
4. Beseitigung der hohen Besetzungskosten. Die hierfür von uns aufgewandten Milliarden würden allein zum Wiederaufbau Nordfrankreichs ausgereicht haben.
Der Redner sprach die Hoffnung aus, daß sich bei den kommenden Verhandlungen das Ausland, namentlich! Amerika, diese Vorbedingungen-für eine Gesundung der Welttwirtschaft zu eigen machen möge.
Neues vom Tage.
Warnung vor Ausschreitungen gegen Ausländer.
Berlin, 20. Dez. Amtlich wird mitgeteilt: In letzter Zeit häufen sich die Beschwerden der hiesigen Ver- fteter fremder Staaten über eine unfreundliche oder gar feindselige Haltung einzelner Personen gegenüber den bei uns weilenden Ausländern. Dies gibt Veranlassung, auf die Folgen hinzuweisen, die Ausschreitungen gegen bipsic,«» Ausländer kür Deutschland zeitigen können.
Frankreichs Widerstand.
London, 20. Dez. Nach einer Meldung des „Daily Chronicle" sei das Schweigen des Weißen Hauses in Bezug auf die Jnterventionsabsichten Amerikas nicht als schlechtes Zeichen, sondern nur dahin zu deuten, daß die Regierung die Volksmeinung sondieren wolle. Ferner macht das Blatt darauf aufmerksam, daß der amerikanische Botschafter in London, Lord Harveh, der englische Schatzkanzler Baldwin und der Direktor oer Bank von England, Norman, gleichzeitig in Washington eintrefsen und ihre Unterredungen mit der amerikanischen Regierung gerade im Augenblick des Zusammentretens der Pariser Konferenz beginnen werden. Amerikanische Blätter sprechen von der Ernennung einer unvoreingenommenen internationalen Finanzkommission, die die Grenzen der deutschen Zahlungsfähigkeit zu prüfen haben würde. In Frankreich wendet man sich aber bereits gegen diesen Plan.
Erst Regelung der Reparationsfrage, dann Reparationen.
Paris, 20. Dez. Aus London meldet der „Temps", die in englischen Finanzkreisen von Anfang an geäußerten Zweifel über den angeblichen amerikanischen Plärr einer Reparationsanleihe haben sich nunmehr bestätigt. Die Regierung von Washington hat ebenso wie die Finanzgrößen der Neuyorker Banken nicht die geringste Absicht, Deutschland unter den jetzigen Umständen eine offizielle oder private Anleihe zu gewähren. Tie deutschen Großindustriellen haben ihr Möglichstes getan, um eine private Anleihe zustande zu bringen und sie haben sogar, wie behauptet wird, die Einnahmen aus der Eisenbahn und Reichspostverwaltung als Sicherheit für die amerikanische Anleihe angeboren. Man wifle allerd. nqS nicht, ob Herr Wiedseldt, der deutsche Botschafter irr- Washington, in seiner Konferenz mit Herrn Morgan: am letzten Samstag dieses Anerbieten offiziell überreicht hat. Jedenfalls aber ist die Idee einer Anleihe in Amerika abgelehnt worden. Die Leiter des Bankhauses Morgan haben den Botschafter davon verständigt, daß sie eine Anleihe nicht ins Auge fassen könnten. solange das Problem der Wiedergutmachungen nicht geregelt ist.
Amerika wartet auf Antwort.
London, 20. Dez. Nach hier vorliegenden Meldungen aus Washington erwartet die amerikanische Regierung immer noch eine Antwort Frankreichs auf' die Anregung daß ein internationales
Bankierkomitee die Höhe der deutschen Reparationsschuld feslsetzen müsse.
London, 20. Dez. Der Korrespondent der „Zentral News" in Washington behauptet, aus guter Quelle versichern zu können, daß die von Morgan dem deutschen Vo . gemachten Erklärungen, wonach Ame
rika die Möglichkeit einer Anleihe erst ins" Auge fassen könne, wenn die Reparationsfrage geregelt sei, durchaus der Ansicht der amerikanischen Regierung encsprrchr.
Eine Mission des Bankiers Melchior?
Paris, 20. Dez. In hiesigen parlamentarischen Kreisen verlautet, daß der Hamburger Bankier Melchior in den letzten Tagen in Paris gewesen sei, um Vorschläge zur Lösung des Reparations- Problems zu unterbreiten. Er habe einen Vorschlag überreicht, worin als Gesamtsumme der Reparationszahlungen 20 '^cllllarden Evldmark genannt würden.
Geheimhaltung der Pläne Poincares.
Paris, 20. Dez. An französischer amtlicher Stelle wurde erklärt, die Pläne Poincares über die Schaffung produrrrver Pfänder sollen streu geheim gehalten werden. Alles was bisher hierüber verarmtet wurde, beruhe auf Vermutungen. Als authentisch hätten lediglich die Erklärungen zu gelten, die Poincare am Freitag in der Kammer gemacht habe, , Eine neue Abrüstungskonferenz.
Nenhork, 20. Dez. Das Repräsentantenhaus bat vas Flottengesetz angenommen, dessen eine Bestimmunc den Präsidenten Harding zur Einberufung einer im ^nationalen Konferenz ermächtigt, die die Frage der Beschränkung der kleinen Schiffseinheiten prüfen soll
Der amerikanische Plan.
London, 20. Dez. Aus Washington wird gemeldet, daß nach Berichten aus absolut zuverlässiger Quelle der amerikanische Plan bezüglich der Re«, Parationen folgende Form habe: 1. Die Vereinigten Staaten würden sich in einer Kommission vertrete«, lassen, die über die Existenzbedingungen rn Deutschlands eine Untersuchung einleiten und die deutsche Zahlungsfähigkeit prüfen und festsetzen würde. 2. Im Falle, daß über diesen Betrag zwischen den Mächten ein Abkommen zustande käme, würden die Vereinigten Staaten die Zusicherung aeben. dak die amerikanischen