Nr. 233.

Amts- und Anzeigeblatt für den Gberamtsbezirk Lalw.

88 . Jahrgang.

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Msntag, den 6. Oktober MS.

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Der Balkankrieg

im Lichte der internationalen Verständigung.

Von Professor Or. Robert Piloty. '

I.

Das Morden und Wortbrechen auf dem Balkan mußte von Anfang bis zum Ende nicht nur jedem Denkenden als ein Hohn auf die Bestrebungen nach internationaler Verstän­digung, sondern mehr noch als ein Hohn auf die Bestrebungen derer erscheinen, die von kriegerischen Mitteln eine endgültige Lösung der Balkanwirren und eine dauernde Ordnung der politischen Verhältnisse auf dem Balkan erwarteten. Man frug sich das eine Mal:Ist dort ein sicherer, ehrlicher und dauern­der Friede nur zu erwarten, wenn alle Teile bis zur völligen Ohnmacht geschwächt sein werden?" Ein anderes Mal lautete die Frage:Wird erst dann Ordnung werden, wenn eine weit berlegene Kriegsmacht, etwa eine Balkankoalition oder eine Jnterventionsmacht auf dem Felde durch Unterwerfung aller Kampflustigen den Frieden diktiert?" Der tatsächliche Aus­gang ist, wenn man den gegenwärtigen Zustand als ein Ende" betrachten darf, der gewesen: Beendigung des Krieges durch die Tatsache der allgemeinen Ohnmacht und kraft der einmütigen diplo­matischen Intervention der Großmächte. Für jeden Vernünftigen ist damit über diese Kriege das ge­schichtliche Urteil gesprochen. Kann es ein sinnloseres Kriegs­ziel geben als die allgemeine Ohnmacht? Und kann es einen strikteren Beweis der mangelnden Kriegslegitimation geben als den der Notwendigkeit einer Intervention der gesamten europäischen Großmächte? Völker, die nur durch ihre Ohn­macht den Frieden erhalten, Regierungen, die nicht weise und stark genug sind, ihn zu erlangen ohne fremde Intervention? Es ist ohne Zweifel das denkbar erbärmlichste Ende eines Krieges: unzählige Opfer und kein Gewinn, nicht einmal ein Heldentum! Dem Weitblickenden war dieser Ausgang von Anfang an der wahrscheinliche; denn es fehlte diesen Schlächtereien von Anfang an der große, leitende Gedanke. Ein leitender Gedanke schien es an­fangs zu sein, daß die Pforte aus ihrer Stellung als Balkan­vormacht verdrängt und an ihre Stelle eine andere, eine euro­päisch-christliche Vormacht treten sollte. Diese Idee beherrschte den kriegführenden Vierbund, darin waren sie einig, aber sonst auch über nichts; ihreVielköpfigkeit erwies sich bald als Kopf­losigkeit. Der leitende Gedanke änderte, als es gelungen war, die Pforte zu schwächen und zum Kleinstaat herunter zu drücken, alsbald seine Richtung. Jede der vier kriegführenden Mächte erstrebte für sich allein so viel, als die anderen ihr nicht gewähren konnten. In der selbstsüchtigen und kurzsichtigen Politik der vierBalkansouveräne" lag der Grund dafür, daß es zu keinem Ende kam. Es fehlte an der Weisheit und Kraft des Entschlusses, die Einheit der Machtordnung auf dem Balkan zu gestalten und zu sichern. Eine solche Gestaltung konnte nur dadurch erreicht werden, daß von den Kriegführen­den ein einziger die Vormacht erlangte, sei es durch eigene Tai oder durch ein Manifest der Großmächte, hinter welchem Macht und Nachdruck stand. Weder das eine noch das andere geschah Montenegro zog sich nach übermütigen Experimenten in seine Kleinheit zurück. Serbien fand sich durch die Poli­tik der Großmächte auf dem Balkan isoliert. Den Glauben an einen Beruf zur Balkanvormacht hegten der Reihe nach Bul­garien, Griechenland und Serbien, lieber Bul­garien haben die neuesten Ereignisse entschieden; seine Führerrolle, an die manche einen gewissen Glauben knüpften, ist erledigt. Auf europäische Hilfe war nicht zu rechnen. Bul­garien allein war zu schwach. Die furchtbare Frage tauchte auf: Wird nun die Politik der gemeinsamen oder doch gleich­zeitigen Ueberfälle dort anhalten? Werden gegen einen die Vormacht erstrebenden Teil immer alle anderen solange Zu­sammenhalten, bis die Reihe der Vernichtung auch an sie kommt? Die Ereignisse dürften zur Genüge erwiesen haben, daß unter den fünf Balkanmächten keine einzige ist, die es durch sich allein vermöchte, Friede, Ordnung und dauernd ge­sicherte Grenzen zu schaffen. Denn das ist gewiß, die innere Zerrissenheit und das Mißtrauen aller gegen alle ist so groß, daß eine landsassige Balkanvormacht auf dem Wege der Ver­ständigung sich nicht gestalten kann. Weder die Chancen Ser­biens noch diejenigen Griechenlands gaben Aussichten genug, um den wiedererwachtcn Hoffnungen der Pforte die Stange

zu halten. Der Zustand ist so, daß auch jetzt nur ein Waffen­stillstand, keine dauernde Ordnung zu erwarten ist, wenigstens nicht aus eigener Kraft und Politik der Balkannstaaten. Und die Haltung der Großmächte? Ist sie bisher von der Art gewesen, daß aus ihr Schlüsse auf eine Ordnung des Balkans von London, Paris, Berlin, Petersburg, Rom und von Wien aus zu ziehen sind? Prüfen wir! Gewiß ist, daß von den verschiedenen möglichen Fehlern europäischer Groß­machtpolitik die schlimmsten bisher weise vermieden worden sind. Allseits war man sich bewußt, daß es der anhaltenden und ehrlichen Verständigung unter den Großmächten bedürfe, um zu verhüten, daß der Kriegszustand sich über Europa aus­dehne. Daß es zu solcher Verständigung kam, war ein nicht zu unterschätzendes Verdienst der europäischen Großmachtpolitik, denn die Gefahr des Mißverständnisses lag nahe, nicht nur durch die tatsächlich vorhandenen Interessengegensätze auf dem Balkan selbst (Rußland und Oesterreich), sondern auch in der von den Marokkotagen her noch immer fühlbaren Spannung zwischen den beiden Hauptmächtegruppen. Es war vor allem ein anzuerkennendes Verdienst Englands, daß es die Balkan­krise nicht zum Anlaß nahm, um eine Entscheidung zwischen diesen beiden Gruppen herbeizuführen. Die Londoner Kon­ferenz hat damit Bedeutsames, ja geschichtlich Denkwürdiger geleistet. Aber es scheint doch, als ob damit die Aufgabe der Großmächte im ganzen noch nicht erfüllt sei. Man war einig in dem, was man nicht wollte; aber man fand doch keinenWeg zu einer positiven Lösung der brennenden Bal­kanfrage selbst.

Die Verlegung der Betriebsinspektion Calw

Man schreibt uns:

Seitdem die Verlegung der Eisenbahnbauinspektion von Calw nach Pforzheim zum Gegenstand ernstlicher Erwägungen seitens der Eeneraldirektion geworden ist, hört man allerlei Gerüchte über die Gründe, welche diese Erwägungen veranlaßt haben sollen. Einer derselben, so sagt man, sei darin zu suchen, daß die hiesige Be­triebsinspektion die Schaffung eines Wartesaals 3. und 4. Klasse als notwendig hingestellt und als geeignete Ersatz-Lokalitäten die seither von ihr innegehabten Kanzlei-Räumlichkeiten bezeichnet habe. Die Kanzleien der Vetriebsinspektion sollen alsdann in der seitherigen Wohnung des Betriebsinspektors untergebracht wer­den, sodaß auch diese verlegt werden müßte. Es bestehe nun, so sagt man weiter, der lebhafte Wunsch, daß die Wohnung des Betriebsinspektors in das seitherige Ge­bäude der Bauinspektion verlegt werde, sodaß alsdann im Bauinspektionsgebäude für die von der Bau-In­spektion selbst benötigten Bureau-Räumlichkeiten und für die Wohnung des Bauinspektors kein Platz mehr wäre. Es wäre nun aber, nach allem, was man hört, die Verlegung der Wohnung des Betriebsinspek­tors in das Bauinspektionsgebäude und im Zusammen­hang damit die Verlegung der Vauinspektion von Calw nach Pforzheim nicht als schließliche Folge der Schaf­fung eines neuen Wartesaals anzusehen, sondern es scheint vielmehr umgekehrt der Fall zu sein, daß der Wunsch, in dem schönen Bauinspektionsgebäude zu woh­nen, der Vater des Gedankens war, das Lokal der Bahnhofwirtschaft 3. und 4. Klasse und gleichzeitigen Wartesaals als nicht mehr ausreichend höheren Orts zu schildern. Wenn dies tatsächlich der Fall sein sollte, bezw. die Schaffung eines neuen Wartesaals und deren eingangs in umgekehrter Reihenfolge geschilderte Kon­sequenzen einer der Hauptgründe für die Erwägungen der Eeneraldirektion ist, so erscheint es dringend not­wendig, die Eeneraldirektion unverzüglich davon zu verständigen und darauf aufmerksam zu machen, daß ein neuer Wartesaal gar nicht so sehr notwendig ist und sich die Stadt Calw dafür bedankt, daß wegen der persönlichen Wünsche eines einzelnen Beamten, der vielleicht bald wieder versetzt wird, eine staatliche Be­hörde für immer von Calw weg und dazu auch noch ins Badische verlegt wird. - Eine Verlegung in außer- württembergisches Gebiet müssen wir Lalwer als steuer­zahlende Staatsbürger unter allen Umständen als ein Unrecht empfinden, und wenn dabei auch noch persön­liche Wünsche mitspielen sollten, würde sie uns umso

merkwürdiger erscheinen. Man frage sich einmal in Stuttgart, ob denn die Badische Eeneraldirektion auch nur daran denken würde, eine Behörde mit so vielen Beamten und Familien ins Würtrembergische zu verlegen?

Zum Schlüsse sei noch bemerkt, daß in der seit­herigen Wohnung des Betriebs-Inspektors früher zwei Familien bequem untergebracht waren: im einen Stock­werk die Familie des früheren Betriebsinspektors selbst, im weiteren Stockwerk eine andere Familie. Nachdem beide Wohnungen nunmehr z. Teil zu einer einzigen ver­einigt sind, dürfte diese mit ihren mindestens 6 Zimmern zu einer der schönsten in Calw zählen und auch sehr wohl ausreichen. Wir Calwer aber würden durch Be­lastung der Bauinspektion in unserer Stadt vor erheb­lichem ideellem und wirtschaftlichem Schaden bewahrt bleiben. Ein Calwer.

Diese Ausführungen legten wir dem Vorstande der hie­sigen Eisenbahnbetriebsinspektion mit der Bitte um gefl. Aeußerung hiezu vor. Wir erhielten daraufhin nachstehende Antwort:

Zur Frage der Aufhebung der Bauinspektion kann ich keine Stellung nehmen, weil ich hiezu weder ermächtigt noch berufen bin. Um aber durch dasEingesandt" Irreführungen der Calwer Einwohnerschaft vorzubeugen, kann ich Folgendes erklären:

1) Es ist unrichtig, daß die Wohnung des Betriebsin­spektors zwei Stockwerke umfaßt. Im 2. Stockwerk ist seit langen Jahren eine Unterbeamtenwohnung untergebracht.

2) Es besteht kein ersichtlicher Grund zu der Annahme, daß die Wohnung des Betriebsinspektors in das Gebäude der Bauinspektion verlegt werde, insolange die Frage der Auf­hebung der Bauinsvektion nicht entgültig entschieden ist. Von der Verlegung der Betriebsinspektion in die Wohnung des Betriebsinspcktors war noch nie die Rede. Lediglich im Falle der Aufhebung der Bauinspektion würde eine Verlegung der Bcwiebsinspektion und der Wohnung des Betriebsinspektors in das Gebäude der Bauinspektion in Frage kommen.

3) Ich selbst habe kein persönliches Interesse an dem

Ausgang der Sache. Tie gegenteiligen Behauptungen weise ich zurück. Hochachtungsvoll.

Eisenb. Betriebsinspektor Thuma.

Das neue Calwer Bezirkskrankenhaus.

(Schluß. Vergl. C. Tgbl. Nr. 232.)

Bei der Vergebung der Bauarbeiten wurde auf möglichste Berücksichtigung einheimischer Geschäftsleute gesehen. So wurden ausgeführt: Die Grab-, Beton-, Maurer- und Steinhauerarbeiten von Bauunternehmer Alber in Calw, die Walzeisenlieferung von Friedrich Hubel, Eisenhandlung in Eechingen, die Schmiede­arbeiten von Georg Wackenhuth, Schlossermeister in Calw, die Zimmerarbeiten von Josef Völter, Zimmermeister in Calw, die Flaschnerarbeiten von den Flaschnermeistern Essig, Feldweg, Grießler und Rentschler in Calw, die Dachdeckung und Her­stellung der Wand- und Bodenbeläge von Hugo Rau in Calw, die Blitzableitung von Flaschnermstr. Essig in Calw, die Gipserarbeiten von den Eipsermeistern Klingel und Staudenmeyer in Calw, die Glaserarbeiten von den Elasermeistern S ch w ä m m l e, Schäfer und Gauß in Calw und Gebrüder Schrägle in Teinach, die Schiosterarbeiten von den Schlossermeistern Holzäpfel, Lebzelter, und Riehm in Calw, die Installation der Eas- und Wasserleitungen und der elektrischen Anlagen von der Stadt Calw, die Herstellung einer Stützmauer von Matthäus Volz in Altbulach, die Anstricharbeiten von den Malermeistern Bayer, Berner, Kirch- herr und Kolb in Calw, die Tapezierarbeiten von den Sattlermeistern Bauer, Emil und'Ernst Wid- maier und Widmann in Calw, das Legen von Linoleum den Sattlermeistern Bauer und Emil Widmaier in Calw. Auch bei der Beschaffung der Inneneinrichtung wurden die einheimischen Ge­schäftsleute in weitgehendem Maße berücksichtigt. Die gesamtne Baukosten einschließlich des Aufwands für das Inventar sind auf 350 OVO .tt veranschlagt und