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Amtsblatt für ösn BsM Nagold und für Altesstsig-SLa-t. Aügemsiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und Freudenstadt.
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Rs. W8.
Sonntagsgedankeu.
In Sturm und U , -wittern, in ^ ^»n und in Zittern !!
treib's, wie du willst, mit mir. >
Nur laß mich nicht verfallen,
Herr Gott, und gib uns allen §
heimatgewisse Fahrt zu dirl W
Gustav Schüler.7!
Zum Sonntag.
Wie sollen wir denn den Jammer dieser Welt ertragen? — Zugreifen, helfen, lindern, wo es nur «»glich ist. Gewiß, das ist der gesunde Weg. Aber all« Hilfe will uns wie ein Tropfen auf glühendem Stein erscheinen. Wie ertragen wir die Gedanken an all das unerreichte und unerreichbare Elend? Entweder wir stumpfen uns ab — oder wir greifen zu der alten guten Wehr und Waffen: zu der Freude an dem Gott, der aus einem zerrissenen Menschenleben heraus einen Strahl von seinem Wesen zu uns hat dringen lassen. Er. und Er allern hält den kleinen schmerzübersäten Erdball in ferner Hand, und wenn er den kleinen leidglühenden Planeten in seinem Ozean von Güte und Erbarmen untertaucht, ist das ganze Leid verwandelt in Herrlichkeit... ' Paul Jäger.
Zur Lage.
Schicksalstage und Schicksalswochen von furchtbarer Schwere und größter Tragweite stehen für das deutsche Voll bevor. Am heutigen Samstag treffen die allii rten Ministerpräsidenten in London zusammen, um Vorbesprechungen für die Brüsseler Mnanzkonferenz zu halten, vielleicht aber auch Entscheidungen über die Reparationsfrage zu fällen. Und bis 10. Dezember fordert die Botschafterkonferenz eine Erfüllung der Fov« derungen ihrer Note wegen der Zwischenfälle in Stettin, Passau und Ingolstadt, wo Entente- Kvntrollkommisfionen voy der aufgebrachten Bevölkerung belästigt wurden. Eine Million Goldmark, die heute 2 Milliarden Papiermark entspricht, und demütigende Entschuldigungsschreiben fordert die Entente als „Sühne". Und als Drittes: Bis zum gleichen Tage verlangt die Botschafterkonferenz Antwort auf eine Note vom September, die uns Verzögerungen in der Durchführung der militärischen Bestimmungen des Friedensvertrages zum Vorwurf macht.
Das ist reichlich viel auf einmal, und doch sind das alles nur Erscheinungen der großen Krankheit von Versailles und der ungelösten Frage der Reparationen. Die Art und Weise — der Ton macht die Musik — wie die Entente mit der deutschen Regierung verkehrt, wird beleuchtet durch die Note Poincares über die bayerischen Zwischenfälle, in der im Siegerton dem gepeinigten Deutschland einfach diktiert und angedroht wird, bei Nichtzahlung der Goldmilliou werde die Entente im befehlen Gebiet der Pfalz nehmen, was ihr passe. Krieg mitten im Frieden! Aber für Frankreich war ja der Schein- und Gewaltfriede von Versailles immer nichts anderes als die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Und doch sind diese „andern Mittel" von einer wirklichen Kriegsführung kaum verschieden. Das hat Poincares „Pfänderpolitik" enthüllt, die er in London durchsetzen will, und die aus eine Abtrennung des Rheinlandes und eine Besetzung des Ruhrgebiets hinauslaufen. Wohl hat sich.in ganz Deutschland ein Sturm der Entrüstung gegen die französischen Rheinlaudpläne erhoben und auch bei den Verbündeten Frankreichs und in Amerika Ueberraschung und Zurückhaltung gegenüber diesem Raubzug bemerkbar gemacht, aber die Gefahr besteht weiter, daß Poincare durch Zugeständnisse aus der Orientkonferenz in Lausanne, namentlich hinsichtlich der Petroleumquellen bei Mossul, die Bereitwilligkeit oder das Einverständnis Englands zu Sanktionen erkauft. Wenn auch die öffentliche Meinung der Wclt vielfach gegen Poincares Pläne im Rheinland Stellung genommen hat, die Lösung der Repara- tionsfrage in einer Form, die Deutschland das Leben sichert, steht in weiter Ferne. Die Ankündigung neuer deutscher Reparationsv orschläge durch den Reichskanzler Dr. Cuno, die den guten Willen Deutschlands zur Erfüllung des Erträglichen und Möglichen im Rahmen der deutschen Leistungsfähigkeit dartun sollen, bat zwar den guten Wind aus Frankreich etwas cÄretlie-
Mimrstrig. Samstog dr« » Dezember.
den. An Plänen fehlt es wirtlich nicht; aber sie'scheitern alle am bösen Machtwillen Frankreichs. So gilt es abzuwarten, was Poincare, Bonar Law, Mussolini und Theunis in London vereinbaren oder auf die Brüsseler Tagung hinausschieben. Der Reichskanzler hat sich mit den Ministerpräsidenten der deutschen Länder besprochen und die schwer zu lösenden Antworten beraten. Ihre Veröffentlichung steht noch aus. Sie werden wieder den guten Willen Deutschlands beweisen, zugleich aber auch die Grenzen der Erfüllungsmöglichkeit erneut aufdecken.
Die Unmöglichkeit der Erfüllung der Rv- Uarationsforderungen ist dieser Tage durch amtliche Bcrvfscnuicyungen erhärtet worden. Reichsfinanzminister Dr. Hermes legte im Haushaltausschuß des Reichstages dar, daß im Haushalt des Reiches zur Ausführung des Friedensvertrages für das Jahr 1922 allein 613,5 Milliarden Mark eingesetzt werden müssen. Trotzdem wir seit August keine Geldzahlungen mehr geleistet haben, weil wir gegen Ausstellung von 270 Millionen Goldmark-Schatzwechsel einen Zahlungsaufschub bis 15. Januar 1923 erhielten, ist eine „Atempause" in keiner Weise eingetreten. Der Raubfrieden von Versailles hat die Reichsschulden von Monat zu Monat ins Wahnsinnige gesteigert, im November allein um 235 Milliarden, ohne daß wir etwas zahlten. An Barzahlungen hat Deutschland im Jahr 1922 allein 928 Millionen Goldmark geleistet, an Kohlen 179 Millionen, an Tierlieferungen 70 Millionen, an Chemikalien 14 Millionen, an Ausgleichszahlungen 177 Millionen und weitere 122 Millionen, immer Goldmark. Wenn man dazu noch nimmt, daß die Entente für 1922 hundepie Milliarden in Holzlieferungen erhielt und für 1923 für rund 800 Milliarden Papiermark Holzlieferungen verlangt, daß Deutschland für Milliarden Kohlen ernführÄl mußte, die mehr als die ganzen Kohlenlieserungen an den Verband kosten, daß die Besatzungskosten allein 25 Milliarden erforderten, so wird der ganze Wahnsinn der Reparationen klar. Deutschland kurz oder lang zu Grunde, wenn Lösung herbeigeführt wird. Die Verarmung entwertung, die das ganze deutsche Volk durch Teuerung und Not heute niederdrückt, ist nun jedem Einzelnen klar. Und die Schaudwirtschaft der Besatzungstruppen im Rheinland, die auf Kosten Deutschlands Möbel, Betten, Wein-, Sekt- und Likörgläser zu Tausenden verbrauchen, tut das ihrige, um jene Haßstimmung zu erzeugen, die keine Lösung der Reparationsfrage auslöschen kann, zumal in einer Zeit, wo Dreiviertel des deutschen Volkes nicht wissen, was sie essen und womit sie sich kleiden sollen. Dazu kommt noch die „Schwarze Schmach" und jener Geist des blindwütigen Siegers, der auch dem deutschen Voll vollends den letzten Rest jener scheinheiligen Phrase von Versailles, der „Völlerversöhnung und Gerechtigkeit", der „Selbstbestimmung" usw. ertötet. Das Schmarotzerleben der rheinischen Besetzung mit ihrem Moloch an Forderungen hat im Reichstag zu einem Apell an die Welt geführt, diesem Wahnsinn am Rhein ein Ende zu machen. Verhallt er unge- hört in London und Brüssel und werden die Reparationsforderungen an Gold und Materialien aller Art nicht auf das Maß der Leistungsfäbigkeit Deutschlands in Bälde zurückgeführt, dann bricht die Krise über Deutschland herein, die nur im Zerfall aller Existenzen und Kräfte enden kann. Die Welt- und Zeitkrise steht vor der Türe.
Die politischen Krisen, die Europa allerwärts beherrschen, sind nur Sympthome dieser verhängnisvollen Politik 8er Mächtigen Europas. Poincare sitzt nicht mehr fest,, die Stellung von Theunis in Belgien soll erschüttert fein, Spanien, Portugal, Polen und Serbien hatten bereits ihre Ministerkrisen. Wenn auch innerpolitische Vorgänge dabei mitspielen, die große Weltpolitik steht immer im Hintergrund. Auch in Lausanne, wo noch immer um die Orientfragen gestritten wird. Die Verbündeten haben ihre Vorschläge zu der heikelsten Frage der Durchfahrt und Entmilitarisierung der Meerengen nun gemacht. Der Kampf geht in den Kommissionen weiter. Die russisch-türkische Einheitsfront tritt immer deutlicher in Erscheinung. M das, was schließlich in Lausanne herauskommt, hat für uns fernliegendes Interesse, denn auf Deutschland lasten andere Sorgen. Nur das Spiel der diplomatischen Kräfte der Entente und der russisch-türkischen Gegner vermag unsere Aufmerksamkeit zu fesseln. Clemenceau hat auf seiner Amerikafahrt, die Propaganda amen Deutschland machte.
Jahrgang isr»
auch Ehrungen aller Art eingeheimst, mit „Freund" Wilson konferiert, aber von dem früheren italienischen Ministerpräsidenten Nitti eine gerechte und geharnischt« Kennzeichnung seiner Gewaltpolitik erhalten. Es wird den greisen Tiger nicht weiter grämen und Frankreich zweimal nicht, denn Leidenschaft und Machtpvlitik bleibt dort Trumpf, mit oder ohne Poincare.
Verzweiflung schlimmster Art will angesichts der inneren und äußeren Not über die deutschen Herzen ziehen. Wer wagt noch an eine Wendung des Schicksals zu glauben? Und doch gehört dem Mutigen und Hoff- nungsvollen die Zukunft. Da gilt es, zurückzublicken in die deutsche Geschichte und aus den Heldenliedern alter Zeit die Kraft zu schöpfen. Körners Freiheitssang vor hundert Jahren soll wieder Echo finden:
Mag die Hölle dwhn und schnauben, der Tyrann reicht nicht hinauf, kann dem Himmel keine Sterne rauben,
Unser Ster,: geht auf! >
Ob die Nacht die freud'ge Jugend töte, für den Wellen gibt es keinen Tod,
-nd des Blutes deutsche Heldenröte '
oelt von der Freiheit Morgenrot.
613 Milliarden für Versailles.
S^rliu, 8. Dez. Im Haushaltsausschuß des Reichstages führte bei der Beratung des Nachtragsetats der allgemeinen Finanzverwaltung der Reichsfinanzminister u. a. aus:
Für die allgemeine Reichsverwaltung müßten im ordentlichen Haushalt für 1922 an fortdauernden und einmaligen Ausgaben rund 343 Milliarden Mark nachgefordert werden, wodurch das Gesamterfordernis hierfür auf 442 Milliarden Mk. steige. Für Aufwendungen an Ernährung, Heizung, Beleuchtung, Wohnung und Bekleidung sei die Verteuerung der Lebenshaltung aus das 446sache der Vorkriegszeit gestiegen, der keine entsprechenden Einnahmen gegenüberständen.
Für Reparationsbarzahlungen müssen 298 Milliarden Papiermark in den Etat eingestellt werden, so daß zuzüglich des für die Sachleistungen erforderlichen Betrages
Betrages 404,4 Milliarden eingesetzt werden müssen. Das bedeutet 350 bis 360 Milliarden Mark mehr, als zur Erfüllung der im Londoner Ultimatum festgesetzten Reparationssorderungen von 3 Milliarden Goldmark im Mai 1921 notwendig gewesen wären. Insgesamt müssen in den Haushall zur Ausführung des Friedcnsvertrages «1S,S Milliarden gegen 310 Milliarden im Hauptetat eingesetzt werden, darunter allein für die Besatzungskosten 25 Milliarden Mk.
Die schwebende Schuld hat sich außerordentlich erhöht, sie beläuft sich auf 88V,Ä Milliarden Mk. Für die ersten 10 Monate des.laufenden Jahres ist das Passivum der Handelsbilanz aus 1»/« Milliarden Goldmark berechnet worden. Voraussetzung für jede Besserung ist eine Regelung der Reparationssrage, die es ermöglicht, die Leistungen aus den Ueberschüssen der Volkswirtschaft zu bewirken. In erster Linie ist es Pflicbt Deutschlands selbst, alles zu tun, was zu einer Stabilisierung der Mark führen kann. Die Reichsregierung ist entschlossen, alle Kräfte des Landes einzusetzen, um die erforderliche Mitwirkung Deutschlands an der Lösung dieses Problems zu sichern. Das Volk in seiner Gesamtheit und in allen seinen Schichten mutz sich darüber klar sein, daß es, um seine Zukunft zÄ retten, selbst das Größte und Letzte «insetzen muß.
Neues vom Tage.
-Hern lehnt eine Genugtuung ab.
München, 8. Dez. Die „Münch. N. N." schreiben, es müsse leider befürchtet werden, daß Berlin den völkerrechtswidrigen Sühnforderungen glatt nachgegeben habe. Der bayerische Ministerpräsident habe bei den Verhandlungen in Berlin die nationale Ehre Bayerns gewahrt. Der den Völkerrechtsbruch ablehnende Standpunkt Bayerns, der übrigens in Berlin anerkannt wurde, bleibe unverändert. Es ist bedauerlich, daß man in Berlin aus dieser Anerkennung nicht auch die Folgerung aezogen habe und die neuen Demütigungen und Milliardenlasten abgelehnt hat. Der Ministerpräsident Dr. v. Knilling wird am Montag im HauLhaltsausschutz des Landtags außerhalb der Tagesordnung zur Abgabe einer Erklärung das Wort ergreifen.
Die völkerrechtliche Seite ver französischen Sühneforverung.
München, 8. Dez. In den „Münch. N. N." veröffentlicht der bekannte Staatsreebtslebrer Gebeimrat
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