Amtsblatt für dM VsZer? Nagold Md für Alterrstsig-Ätadt. Allgemeinem 7 knzeiger für die Bezirke Nagold, Lalrs und Freudenstadt.
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M Not und die Frau der Hause». !
E:n ruhiges, stilles Familienglück ist nicht nur eine ! erfreuliche persönliche Angelegenheit, sondern es ist auch ! etwas Bedeutsames für das große Ganze. Nun ist es so, daß z das bürgerliche, deutsche Haus, also das Haus des guten j deutschen Mittelstandes, aufs schwerste durch die allge- j meinen wirtschaftlichen Nöte erschüttert worb« ist. Manl l kann von einer Not des Hauses reden, in der sich'! ? die Not des.deutschen Volles spiegelt, und die wieder^ k ihrerseits dem Volle schwere Sorge bringt. Natürlich i hat das Haus auch früher seine Wirtschafts sorge j gehabt, zumal während der vier Kriegsjahre hat es tüch- ? tig ringen müssen, und das Problem der täglichen Er- ! nährung machte unseren Hausfrauen oft ganz erhebliches r Kopfzerbrechen. Aber was bedeutet das gegenüber den : gegenwärtigen Schwierigkeiten! Wie geradezu trostlos k und verzweifelt ist vielfach das häusliche Wirtschaften z geworden! Redlich, treulich, tapfer haben die Hausfrauen ! m all diesen Jahren ihren Platz ausgefüllt. Aergerliche Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Viele bewährten sich als wahre Meisterinnen in der hohen Kunst, auch bei einem knappen Wochengelde etwas Ordentliches aus den Tisch zu bringen. Um ein paar Papiermark zu sparen, liefen sie erst sechs Geschäfte ab, um dann im „billigsten" den nötigen Einkauf zu machen. Tausende dieser Frauen müssen schon längst auf eine Hausangestellte verzichten, weils eben dazu nicht mehr langt. Sie verrichten geduldig alle Arbeiten, und wenn sich der Abend in die Nacht hinüberwandelt, beugen sich die müden Augen über einem Pack Wäsche oder Kleidungsstücken, wo schon ein dutzendmal die geschickte Nadel ihr Werk versuchte, und immer von neuem muß es sich noch einmal lohnen die schließlich doch aussichtslose Flickarbeit aufzunehmen. Der Mann aber will keine Klagen hören. Die häusliche Maschinerie soll geräuschlos ihren richtigen Gang gehen. Kommt man von des Tages Last und Merger müde nach i Hause, so will man sein gemütliches Heim haben, und > Frau und Kinder sollen freundliche Gesichter machen. ! Man hat seinen Kopf voll genug, man will also wenig- z stens daheim sein Behagen und seinen Frieden haben. !
Die Hausfrau des Mittelstandes kann heute gar nicht ! mehr daran denken, ihren Haushalt auf Woche und ! Monat einigermaßen zu organisieren. Alle ivirt- z schaftlichen Berechnungen zerflattern, wenn von Tag zu ! Tag die Lebensmittelpreise steigen, wenn ein Tausender i für sechs Dinge reichen soll, und er ist schon bei den dreien ! erledigt. Räsoniert nun auch noch der Mann, was das s alles koste, dann ists begreiflich, wenn auch die gesün- s besten Frauennerven ins Wanken geraten und zu böser f Letzt womöglich ganz streiken. Dann bohrt sich die s Wahnidee ins Gemüt, daß es überhaupt nicht mehr zu- ! langen werde, und das ist bekanntlich eine sehr gefährliche ; Idee. Man nehme es also nicht zu leicht, wenn unsere j Hausfrauen ob aller tristen Wirtschafterei schier schwer- ! mütig werden. Gerade die Gewissenhaftesten unter ! ihnen, und gerade die häuslich Sach- und Fachverstän- > digsten, leiden jetzt in einem Ausmaße unter der Not ! ihres Hauswesens, das ganz besondere persönliche Rück- ! sicht erfordert und zum mindesten ein objektives Begrei- k sen und Verstehen. Es muß einmal festgestellt werden, ! daß die Hausfrau des deutschen Mittelstandes doch nicht ! bloß als das wehrlose Aschenputtel der neuen Zeit r angesehen werden darf. Was wird sonst alles geredet und s getan um dem weiblichen Geschlecht zu seinem moder- j nett Rechte zu verhelfen! Wie hält man daraus, daß auch! die Frauen das Geistige nicht vernachlässigen? Sie , sollen mit offenen Augen und einem warmen Herzen am ! Geschicke ihres Volkes teilnehmen, sollen als Staatsbür- ! gerinnen allerlei Mitarbeit leisten und wackere Verant- ? wortunasireudigkeit bekunden, sollen in einer Zeit sitt- ? lichen Niederganges jenes Ewig-Mütterliche wahren und j durchsetzen, das in eigener, durch nichts zu ersetzender ! Art deutsche Gemüts- und Gesinnungswerte schaut und ! schafft und hegt und pflegt. Ja — was wird nicht alles j von den deutschen Frauen erwartet! Und es ist schön, ! daß man zu ihnen solches Vertrauen hat, ein weitgehen- ! des Zutrauen, hinter dem mehr oder weniger bewußt die Erinnerung an tausendfache Bewährung durch deutsche Jahrhunderte steht. Um so trauriger ist es, wenn ungezählte Hausfrauen unrer dem ewig zermürbenden Drucke wirtschaftlicher Not und Unsicherheit geistig und seelisch l verkümmern, wenn sie allen idealistischen Schwung und ! Rhythmus verlieren und kaum noch die nötigste Lebens- j
sreudigteit pur ,rcy fewp uno oen nächsten Familienkreis aufbringen. Es ist keine bloße Sentimentalität und Butzenscheibenlyrik, wenn man die Gattin und Mutter das Herz des Hauses nennt; und wo es gesund und lebenskräftig schlägt, da ist das ein Segen für alle, - die im Hause ein- und ausgehen ,auch Wenns vielleicht ^ ein ganz bescheidenes Hauswesen ist, wo man nicht daran l denken kann, irgendwelche Gastereien oder besondere Ge- : sellschaften zu geben. !
Sehr viele Ehen werden jetzt geschlossen. Leider — ! schreiben die „Leipz. N. N." — laufen viele junge, allzu ! junge Leutchen gedankenlos zusammen, daß dann die - Enttäuschung sehr begreiflich ist, besonders wenn sich . dann die vielen äußeren Unbequemlichkeiten und Schwie- ^ rigkciten ein stellen, wie sie nun einmal im Zeichen der , Wohnungsnot und der Teuerung etwas Alltägliches sind. ! Aber selbst eine an sich glückliche Ehe kann eine beträcht- ! liche Belastungsprobe erfahren, wenn der Traum vom wirklich eigenen Heim vielleicht auf Jahre nur ein « schöner Traum bleibt, und wenn man nur auf dem Wege ^ der Zwangseinquartierung sein bißchen Obdach hat. Die ; Not des jungen Hauses, hinsichtlich Platz, Miete, An- ^ schaffungen kann schwerlich überschätzt werden. Und wenn ' dann die Kinder kommen! Im „Philosophischen Ehe- . zuchtbüchlein" des berühmten Satirikers Johann Fisch- i art (vom Jahre 1578) heißt es so hübsch: „Es ist nichts j
der Ehe also gemäß als reicher Kindersegen. Welche ! aber diesen Segen aus Geiz oder Sorge der Armut gering t achten, die sollten bedenken, daß die Eltern 'an den Kinnen: nicht allein Helfer und Ernährer ihres Alters, sondern auch aller Zufälle Mitteilhaftige sich erziehen... Auch dies ist zu bedenken, daß wir nicht allein uns die Kinder erziehen, sondern auch den Gesippten und einer ganzen Stadt und Gemeinde." Welcher Volksfreund möchte das mcht immer wieder von sozial-ethischen Gesichtspunkten aus gern unterschreiben! Um so beklagenswerter ist nun eben die Not des kinderreichen Hauses, wenn es den kleinen Erdenbürgern kaum das Existenzminimum an Nahrung und Kleidung beschaffen kann. Deutscher Familienidealismus ist etwas Wunderschönes und Hochnötiges; nur schade, daß man davon nicht einen Liter Milch und nicht einen Zentner Kartoffeln bezahlen kann! Man brütet über allen möglichen volkswirtschaftlichen Maßnahmen behufs Wiederaufbau und deutscher Daseinsmöglichkeit; möge man dabei immer in erster Linie der Not des Hauses gedenken!
Das Attentat auf Scheidemann.
Leipzig, 4. Dez. j
Vor dem Staatsgerichtshof begann der Prozeß gegen den Kaufmann Hans Hu st er t aus Elberfeld und den Landwirt Karl Oehlschläger aus Althammer, die wegen Mordversuchs auf Scheidemann und unbefugten Waffenbesitzes angeklagt sind.
Den Vorsitz führt an Stelle von Dr. Hägens, der erkrankt ist, der neue Senatspräsident Dr. Schmidt. Die Anklage vertritt Oberreichsanwalt Dr. Eb ermaß er. Die Zusammensetzung des Gerichtshofes ist die gleiche wie im Rathenau-Prozeß. Als Beisitzer fungieren wieder der ehemalige Reichskanzler Fehren- bach, Professor van Calker, Reichstagsabgeordneter Hermann Müller-Dresden, Verbandsdirektor Jäckel und der württ. Gesandte Htldenbrand.
Von den beiden Angeklagten ist Hustert derjenige, der am Pfingstsonntag d. I. den Anschlag auf Scheidemann ausgeführt hat, indem er aus einem Gummiball eine ihm von Oehlschläger gelieferte mit Blausäuregas gesättigte Flüssigkeit auf Scheidemann spritzte, als dieser mit seiner Tochter und einer Enkelin bei Wilhelmshöhe einen Spaziergang machte. Unter den angenommenen Namen Halbe und Wurm fanden sie als Waldarbeiter auf einem Gute bei Althammer, unweit Kosel, Beschäftigung. Sie wurden später entdeckt und verhaftet.
Bei der Vernehmung erklärte Hustert, der im 23. Lebensjahre steht: Ich habe Oehlschläger beim schle- ! fischen Grenzschutz kennen gelernt. "Ende Oktober 1921 ; kam er nach Elberfeld. Zu Weihnachten habe ich ! mit ihm gesprochen, daß einige Führer der Republik x politisch beseitigt werden müßten; von Mordabsichten l war damals nicht die Rede. Oehlschläger kam im ^ April 1922 nach Köln. Ich sprach mit ihm über § Politik, und wir beschlossen, Scheidemann zu be- seitigen. e
Präsident: Also zwei Deutsche beschlossen, einen s dritten Deutsckwn. mit dessen volitncker .^altnna sie '
nicht einverstanden waren, durch Mord au? der Welt zu schaffen, und das war schon in: April, während die Tat selbst im Juni ausgeführt wurde. Von Ende April bis Anfang Juni also haben Sie fortgesetzt diese Tat überlegt. Ich muß sagen, daß das das Schulbeispiel einer überlegten Handlung ist! Warum sollte Scheidemann denn umgebracht werden?
Angeklagter Hustert: Ich sehe in ihm denjenigen, der von 1918 an die Revolution vorbereitet Hat, der die Marinedivision aufgehetzt und sich später in Sicherheit zurückgezogen hat.
Präsident: Woher hatten Sie die Geldmittel, die bei Ihnen vorgefunden wurden?
Angeklagter: Ich hatte mir Geld gespart und besaß mit meinem Monatsgehalt etwa 5500 Mk. Ich zog mit Oehlschläger zusammen und wir beobachteten Scheidemann, wo er sich aufhielt usw. Ich hörte, daß er erkrankt sei und sich in einem Berliner Sanatorium aufhalte. Später kam er nach Kassel zurück.
Präsident: Sie sollen vorher Sechundsechzig gespielt haben und der verlierende Teil habe das Verbrechen ausführen sollen?
Angekl.: Das war nur ein Scherz.
Präs.: Ist denn ein Mord ein Scherz?! Etwa» derartiges ist mir in meiner Praxis noch nicht vorgekommen! Haben Sie denn nicht die ungeheure Roheit eines solchen Spieles erfaßt?!
Angekl.: Wir machten uns darüber keine Gedanken. Oehlschläger hat mir die Flüssigkeit gegeben und gesagt, daß ihre tödliche Wirkung nur sechs Tage anhalte. Ich weiß nicht, woher die Spritze gekommen ist; aus meine Frage darüber gab mir Oehlschläger keine Auskunft.
Präs.: Sie soll doch aus München geliefert worden sein.
Angekl. : Das weiß ich nicht. Auf weitere Fragen des Vorsitzenden erklärt der Angeklagte, am ersten Pfingstfeiertag hätten sie beide beschlossen, den Spritz- ball zu vernichten, und berichtet dann: Wir gingen von Hause fort und begegneten zufällig Scheidemann mit seiner Tochter.
Präs.: Damit hatten Sie nicht gerechnet?
Angekl. : Nein. Wir sahen ihn zur Straßenbahn gehen, die nach Wilhelmshöhe fährt. Wir gingen ihm nach und stiegen in den zweiten Wagen ein, um ihn beobachten zu können. An der Endstation ließen wir den Oberbürgermeister an uns vorübergehen. Dan» gingen wir etwa eine Stunde lang hinter ihm her.
Präs.: Das ist ja furchtbar, daß Sie in dieser, ganzen Zeit fortdauernd an den Plan gedacht haben! Dachten Sie denn nicht an das unschuldige Kind, das zugegen war?
Der Angeklagt schweigt betreten und sagt dann weiter aus: Wir waren etwa zwanzig Schritt von Scheidemann entfernt. Oehlschläger sagte zu mir: Da geh', mach' es! Blitzschnell nahm ich den Apparat, sprang auf Scheidemann zu und hielt ihm den Giftball unter die Nase. Es mag den Bruchteil einer Sekunde gedauert haben. Der Oberbürgermeister ging rechts, da»
Kind links. Ich ging zwischen beiden hindurch miL dem Ball in der Hand und zielte nach dem Kop« von Scheidemann. Dann riß ich aus und lies fünfzig Meter geradeaus und dann einen Abhang yinunte« Auf der Fahrstraße ging ich ruhigen Schrittes weite« Ich übernachtete in Guntershausen. Daß Scheideman» zwei Schüsse auf mich abgegeben hat, habe ich niiU gemerkt.
Präs.: Wußten Sie, daß das Gift tödlich wirke» konnte? !
Angekl.: Jawohl, ich wußte, daß das der FaW sein konnte, wenn ein Teil der Flüssigkeit in de» Mund kam.
Im weiteren Verlauf der Vernehmung sagte Oehlschläger noch aus, er habe die Spritze von einem Ungarn erhalten, den er in Budapest kennen gelernt habe. Dieser habe erklärt, mit diesemst Instrument in Budapest' schon manchen Juden beseitigt zu haben. Als Grund für seine Tat gibt der Angeklagte an, Scheidemann habe als sogenannter kaiserlicher Staatssekretär den Kaiser verraten und als Oberbürgermeister in Wilhelmshöhe dessen Möbel gestohlen. Auf die Frage, wer ihm das Amt gegeben habd, als Richter aufzutreten, entwortet der Angeklagt: Gott! (Große Bewegung.)
Scheidemann gibt als Zeuge eine Darstellung des Verlaufs des Attentats. Die Täter hätten ihm zweimal eine Flüssigkeit ins Gesicht gespritzt. Nach dem ersten Spritzer habe er aus Zuruf seiner Tochter zwei Revolverschüsse abgegeben, jedoch schon beim zweiten Schuß das Bewußtsein verloren.
Luise Scheidemann, die Tochter ScheidemannS sagt aus, daß Hustert mehrmals gespritzt habe.
Die Sachverständigen bekunden, daß es sich tatsälblicb um Blausäure gehandelt habe und daß der